Ilnur ÄdritL Roman bbn Tinte Netzt-. Erstes Kapitel. Der Tag ging zur Reige. Ein schweren reiser Sonnentag. «Lisa, hörst Du unten die Zigeu tieri« Die Schwalbe-i strichen iir breiter-. jäh wechselnden Linien äber die lssis liche alte Stadt Nagusa hin. lag da iriie ein Juwel, gelb, rot und grun schimmernd, und die blauen. blauen Wogen der Adria brandeten iiin ihren Jelsxngrund Der wuchs irrt Rücken der Stclst empor und sah aus das leuchtende Jiiioel und das weite, weite Meer, aus die Schwärme von Schwalben, aus die wiegenden Palmen und all lsie inbrünstig blü hende Pracht; der Abendwind trug eine zarte Kühle vom Meere herüber. .Lisa, hörst Ou, wie die Zigeuner spielen?« «Sind es Zigeuner? — Oh, es ist wundervoll, laß iind hier oben sihen bleiben.« »Hier oben ini Zimmer! Nein Rind, wir werden zu den Zigeunern gehen, unter die Linden«. »Aber hier oben sehen tvir die ganze Stadt, das Meer, wir hören die Schwalben zwitscherm Und die Musik und das Licht dringen wie et was llnsxißbares, Traumhiistes durch die dichten alten Linden zu uns her aus«. Das Tageslth wurde bleicher, «blauer, luhler, Lampenlicht und Mii fit schmollen wärt-irr empor. »Wir ivollei hinunter gehen«, drang-e die Stimme der alten Dame. »Ja, — gehen wir'. Lisa löste sich langsam aus dein Fensterrahnien Sie dehnte sich, isahni ihren Hut vom Tisch und trat in das erleuchtete Nebenziinmer. Eine kleine, zarte Danie, in einein grauen Seidentleid, einen Spiyenhut aus den weißen hauen-, stand unter der Lampe und zog die Dank-schri an. selber Tante Trade, hier in Ra giisal Niemand lennt Dich, niemand weiß, daß Du das feinste, zierlichsie Wesen in unserer guten Stadt bist«, sagte das Mädchen lachend-, Jaß die handschuhe nur liegen«. Jlllacht der Gewohnheit, liebes Kind«, und sie siäubte leicht ihr ra schelndes Kleid ib. , Das große, schöne Mädchen sah sie drollig bittend an: .Tantchen, muß ich den but aus Weni« Jdesser wäre es —- — s-« Beide Damen hielten plöhlich lau schend inne: Lisa stand vorgehengt, ihre Sand faßte leicht die Schulter der alten Dame «’ilh, wag ist ansi« stieß sie leise hervor. »Da unten —- waa fiir eine seltsame Stimme — und dieses Lied!" Zeitlos, wie eine ewige Klage, schwebte es itn Raum, ward eins mit dem reisen, warmen Sommerabend, schlang sich um die Blütensiilie, zitterte iiver dem blauen Meer, und leise, ieise klangen die Geigen hinein, das Cellu, das Cinibai. Lisa zog ihre Tante mit sich spit, warm-D erregt — — Da unten saßen sie, unter den al ten Linden, die vielen Menschen, Da men in hellen Sommerlleidern, Ossii ziere mit goldenen Tressen, und · ter den kleinen, dicht besetzten Its eine duntle Mauer von Menschen, dazwischen Soldaten und viele Män ner in malerischer VoltötrachL Sie alle schwiegen, sie alle hingen an den Lippen des dunkelhiiutigen Zigeu ner-s, des Primas. Seine stahldlauen Augen sahen un iec gesenkten Livern hinweg iiver die Menschen, der schmale, drangene Raps mit dein schräg gescheitelten, glatten, Ixst anliegenden haar, die gerade Nase, der schars geschnittene Mund, utn den ein schmerzlicher Zug lag, Ue schlanten, braunen hande. die leicht die Geige hieiten und den Bogen führten, der sange, ausrechte Körper —- - das war so wundervoll, sd weit ad vom Marg, wie ein Traum· Alles hielt den Atem an. Akt die Menschen saßen und standen da unter den alten Linden, neben ihnen rauschte das ewige Meer, un! durch sie alle g clllc Wollllcicllllc Lkllllklglclh Als. ob in weiter duniler Ferne ein ver-! lorenes Glück empokitiegr. I Liia lehnte an einein Baum, über» fchauerl von einem eigenartigen Reizl Das Lied war zu Endr. ( Cingk Atemzüge lang blieb allesi fii . xDann brauste es auf: Zurufei aus takehen Kehlen, händellarschenl Wieder, nnmer wiedekl Der Zigeu-l ner derbeugie sich leicht- kein Zug per-; änderte sich in fernem schmalen, dran-l Her-en Gesicht. Er nahm seine Geige, pcäfte leicht ihren Ton; ließ den Bo gen über die Saiten gleiten, und alles »der-stumme wied:r. Lisa Händ in unmittelbarer Nähe des Yodilwsz die stahlblanen Augen des zisenners streifte-I mit ruhigen-« Blick ihre schön-Ah wie sein Bogen die Geige. - Liia füblle es. Rus iLang er wieder. Ein alle-, schweren riqu Vollma- cin Mut nseln un per-halten« . de durchlief die IMM · hinten, ern Rande set Nehmen-L Das Schluch sen ihrer schönsten Stunden quoll auf im Her en dieser braunen Son nenthnr. at Lied griff nach ih nen. Als der Kehrt-im kam. hielt es sie nicht mehr, da fangen fre mit, rauh, leise, edämpft, wie ein dumpfes hei ßes ittern, über dem die göttliche Stimme des Zügel-nett schwebte. Sei ne Augen waren halb geschlossen, ichweiften still in die Ferne -- nur hin nnd wieder, wenn von der dunklen Mensche-wann her der Kehrreim herüber rannte, wie ein Gebet, glit ten sie wieder über das schöne Mäd chen hin, das da stand, von Licht übergossen, im weißen Sommerlleid, das herrliche dlonde Faar wie ein Strahlenkranz, hingeri en, mit trä nenfenchten Augen. Dann wieder tosender Beifall, ern ster, leichter Dani, und die Zigeuner verließen das Podium. Lisa er wachte, fah um sich, suchte ihre Beglei tertn und fand sie im Dalbdnnleh an einem lleinen Seitentifch, unweit des Wege-, der das Hotel und das alte Kasseehaus trennte. Bewundernde Blicke folgten dem großen. blonden Mädchen. qKind, wie konntest Du Dich nur vorn in das helle Licht stellenl Nimm Dich doch zu ammen, Liebling. So ohne hat läu fi Du daher, direkt auf das zu, was Du sehen willst. Aber so ist es ja immer — —" Sie machte keinen Weins-, weiter zu schelten, denn Liln beugte sich la chend zu ihr herab, küßte ihre hände Die-d itammelte ein iiber das andere al: »Ist es nicht wunderbar, ist das nicht wunderbar —- —" Sie hatte gar leinen Sinn fiir al les andere. «Was würden Deine Eltern sagen. Lisa, wenn sie das gesehen hatten? Man hat viel Sorge mit Dir —- viel Sorge, liebes Kind, glaub’ es mit«. Sie gliittete nachdenklich ihr Kleid. »Aber Tante Gertrud, das ist doch gar nicht nötig. Wir wollen hier un ten, an der himmlischen Adria. doch nur sorglos und glücklich sein. — Und was sollen wir uns seht bestel len«, fuhr sie fröhlich fort, «Eis oder Limonadet« «Eis, mein Kind«. Lisa fuhr eindringlich fort: «Sieh mal, ich bin doch sonst ein guter Reisemarschall — aber dieses Land hier« diese Sonne, die blaue Adria — immer muß ich »blau« hinzusehen —- fie ist so unglaublich, ganz marchenhafi blau — und das bunte Völkergemische das berauscht mich einfach. Jch bin wirklich oft ganz außer mirl — —- Da i der stell nerl Also Eis, ja? ellner. Zi troneneis, ed ist doch recht sol« Die alte Dante nicktr. ·Und dann denl auch nur das eine, liebste Tante Stude, bald gehst wie der guriick in unsere lalte, steife Be amtenstadt; jede Stunde ist geregelt, alles soll wieder einen ganz bestimm ten, derntinstigen Zweck haben; Du weißt ja, wie es ist, Du hält es ja selbst nicht aus, Du machst ich ja aus dem Staube, so oft Du nur kannst. Sieh, nun lachst Du wie der! Laß mich nur ruhig etwas ver wildern. Zu hause soll das lein Mensch merken. Dann wirst Du! Dich wundernl« Während sie sprach, wanderten ihres Augen umher. Die Zigeuner waren; ni t zu sehen. i r Kellner lain mit dem Eit. i «Also sieh nut, wie vornehm ich bin'. Lisa faßte den Löffel sehr zierli ; und nippte mit übertriebener Borsi ’ an dem Eis. : Tante Gerte-ab lachte. Ei paßte so gar nicht zu dem blühenden, le ben-vollen Mädchen. .Lisa, da kommt einer von Deinen Zigeunern". Wirltich trat ein langer, magerer Mensch. der Baßgeiger, mit verbind lichecn Lächeln an einen der Rebentis sche· Er sammelte aus einem Teller Geld ein« Lisa sah ihn erstaunt an: der Zigeuner, in einein Sinotingans sog, bewegte sich gan unbefangen zwischen den vielen Menschenk er ging oon Tisch zu Tisch, verbeugte sich ein wenig, hielt den Leser hin, antwortete yomch ans aue LFragen und yane os senbnr tein Gefühl für das Erniedri genve seines Tuns. Als er aus Lisa zutnkn, legte sie stumm eine Krone aus den Teller. Der lange Mensch lächelte, daß seine starken, weißen Zähne blitz ten. Es war ihr peinlich: Menschen, die rnii ihrem Spiet ihre Hörer hin rifsen, viirsten nicht nachher Geld ein sammeln. Aber war es denn der Baßgeiger, oder irgendein anderer der Z« euner, der die Menschen auswiihlte, Fsseltet Rein, es war der Prian der Gei ger Init dent vornehm geächnittenen Kopf, der Jüngste unter i nen, der nicht schwahie und lachte, der stolz beiseite trai, stvenn sein Vortng be endet war. «Tantchen, isi er auch ein Zigeuner, der Bei-nati« »Natürlich, sind' «Er hat ein so schlichiez Wesen«. ! »Na, er gehört eben zu den Stil en«. .Wir haben aber bisher nie Zigeu ner von seiner Art esehen. »Ja, da s« ist wage, er hat etwas Besonderes, . Ach S t, Besonderes, - liebste Taut- tkidr et est knis- same-J Verbes, etwas von eine-n jungen Opti, und zugleich etwas von einein resigs nierten Wein-sann Jch sinbe ihn wucDervollP l ,Ja äußerlich. das ist wahr, aber innerlich ist er doch roh und unge bildet, darauf tannsi Du Dich verlassen-« Die zarte Dante lehnte sich ener isch zurück. »Wenn unget-iliet, Schulbildung bat er vielleicht gar nicht« aber deshalb kånn er doch ein grundgescheiter Raps n«. aMann, tannt Laß Dir nur sagen, daß die Menschen mit den interessan ten Gesichtern Ist richtige hohltöpse sind. Und die Virtuosität aus der Geige beweist doch gar nichts. Sie zeigt Dir nur« daß dieser Zigeuner, wie tausend andere, don tleinster Kindheit aus das Geigenspiel erlernte, all Beruf, wie andere eben songlieren lernen, oder meinetwegen auch schnei iern —- sie sind handwerter«. Eber handweiter reißen uns doch nicht hin, bezwingen uns nichtl' »Nein, das nicht«, die alte Dame u-chte, .dieser ist eben mehr.« «Siebst Du, Tantchem da hab’ ich Dich: ein Künstln ist er, nicht wulsti« .Er kennt teine Noten, ich wettei« »Gut, wette nur« das macht ja nichts. Er lann Künstler sein« ohne Roten zu iennen.' Sie hob abivehrend beide hönde aus, als die tleine Dante noch etwas sagen wollte: «Tante Tritt-e. Du bist geschlagen'·.« -,Aber Kind, Du hast sa iauni et was kion ihm gehört, er begleitete —« .Ah, da ist er. Wie ernst er aud sieht, was fiir sin nobles Gesichtl« Der Zigeuner priiste seine Geige, e. beachtete das Publikum gar nicht. Ein herr trat aus das Podiunr zu und sprach ihn un. Er hörte böslich zu und niate, dabei lächelte er ein wenig, und sogleich sah er jung aus« sehr jung, das tinnahbare war minn tenlang ausgeliifcht Er wandte sich seiner Kapelle zu und sagte einige Worte. Der Cimdalspieler grinste über das ganze freundliche Gesicht; er ließ seine Vätnnierchen leise und schnell iiber die Saiten gleiten. Dann trat der Primas bis an den Rand des Podiurnj, aufrecht, schlank, gesam melt. Nur wenige Minuten, und alle Blicke ruhten aus ihm, jedes Gespräch erstuninitr. Leise, schwebend löste sich eine süße Melodie los, uinzitterte all die vielen Menscher-, hielt ihre herzen gefangen, spielte mit ihnen, kindlich, einfach. Dann tropsten Töne hinein, schwer und sreind, wie ein seines dunkles Flägelschlagen, die Siißigteit oerscheuchend. Ei- stieg etwas aus der Tiefe herank, in strengem Rhythmus Lisa starrte gebannt hinüber. Es war ihr, als sollte sie aufstehen und sich langsam drehen —- wie iin Trau ine —- nach dieser grausam schweren Weise. Die Geige ries. forderte, zwang —- - —- iind dann lösten sich die Glieder, die Geige lockte wieder, lockte —- — und alles atmete aus. Ein Zögern, Rasen noch, und nun eine Tanzweisn erst ein inniges An schiniegen, zärtlich ausgliihend, und —- wieder steiget-end — neue Leiden schasi; und dann ein srohloctendes Tanzen, ein selige5, selbstvergessenes Tanzen. Ein Glück, ein Juveln in allen suhiirerm glänzende Augen, zärtliche Blicke« leises hin- nnd her wogen. ; Jn voller-, easender Leidens-hast brach der Tanz ab. Tal-enden wahnsinniger Beifall. Der Geiger, der sie alle beganbert hatte, stand ein wenig bleich da, still, fremd. Seine Augen lehrten langsam zurüc. Sie hatten etwas anderes gesehen, serne Bilder. — Kein Lächeln erhellte sein stolzes Gesicht, er nahen seine Geige und begann eine Operetteninelobie, die jeder Junge aus der Straße psiss. Lisa war augenblicklich erniichtert, sie drängte sum Fortgehen. .War er nicht doch ein richtiger Zi geuner, Lisak »Ja, das durste er nicht tun«. selber ich gebe es Dir zu, er ist ein begabter Mensch'. ssqe ja ·- - — .Morgeii gehen wir wieder hin«. .Ja« Tante Gertrud'. Die banale Melodie, die ihnen folgte, schwerste sie. Zweite-Z Kapitel. Arn anderen Morgen strahlte die Sonne wieder von einem woltenlosen Himmel herab, wie all diese leuchten den Wochen. Lila von de Sandt und ihre Tante standen auf einem Batton des »Er-Jud hotet Jmperial« und blickten in das unendliche Blau. Auf dem Tisch lagen die Briete ans der heimat, die Zeitungen. Tante Gertruo trug ihr hübsches. weites Morgenlied-, und der Kellner brachte auf einem großen Tat-lett das thtiick herein, stellte es an dein ion zurecht und entfernte teile Die Dornen fetten sich in die beque rnen Korbftiihlr. Liia sehentte ihrer Tonte den Tee ein. Sie war still« ein wenig ver-sonnen In unruhig( Träume hinein hatte sie das schwer Iniitige Lied des Zigeuners verfolgt Jhre großen, dunkelblauen Augen sa hen iiber die alten Linden hinweg auf das weite Meer. — —- , nehmen« « l D Guts »Von-F des-its- tT Jud satte nur die wunschiose Celisieit die ,ser langen Sonnentsst leise-. Möchte ich iiber Dich-hinweggetragen werden jaus irgendeine glückliche Insel, wo es nur eine reine, blühende Natur gibt. wo teine hergebrachten Formen und Vorschriften beschneiden, einengen nnd erdrosseln. «Kind· Du bist so still·. .Ach, ich bin glücklich! Sieh nur die leuchtende Stadt, die Schwalben und das Meer. Jch möchte immer hier bleiben, hier sunten in Dalmatiew Jch liebe das alles« - Lisa machte eine weite Bewegung rnii der hand - .auch das Steingeröil, das Katstgo birge, die ganze Sprödi teit dieser sonnendurchgliihten Land Gast. Es hat g etwas Welisernes. Denk nur an rau. War es nicht unsagdar schöni Und so ganz srsmdartig Jch hätte gleich oben bei den Ruinen blei ben tönnen, in einein lleinen Hause wohnen und mit kindern in der Son ne spielen.« »Aber ich hosse doch, Dein ileines han« wäre echt norddeutsch sauber gewesen« und die Kinder und auch Du selb —« »Ich eldsi, Tantchem ich wiirde so eine lose Jacke tragen, bunt gestickt, einen turzen Rock und derbes Schuh ·eug, und mein haar —« «Ja, Dein haar hättest Du schön sl ten und urn den Kopf stecken niii en. Die Leute haben hier auch ihre Regeln! Du solltest rnal sehen, wie sie Dich verachten würden. wenn Dfu es etwa sreihängend tragen woll te t«. »Ich glaub es schon, und schöne ein same Jnseln gibt es wohl nicht, trinkt« tagte Lisa lachend. ,-hier an der dalnmiinischen Kiistei Einsam, ja. Schöni Sicher nicht. Das ist ein herbej Land. Nur einige Pläne, sowie hier Ragusa, das sind Perlen, die zeigen una, wie paradiei sts Dalmatien sein tönnte nnd sicher ein tinals war.« ·Und doch ist alles hier so schön, auch die steinige Einsamieit«. »Liebe-i Kind, ich denle immer, dieses trostlose Karstgebirge zerbricht dem die Seele, den das Leben s on elend gemacht hat, aber der, der so frisch und srei und sung siihlt wie Du, den macht ei nur noch sreier und triiitiaer'. .llnd Du, Tante Irr-bei« «Jchf Gott, Kind, das ift eine lange Geschichte. Das Leben ist mir nicht fo glatt dahingeflossen. Das erzähle ich Dir vielleicht später einmal, viel später —- jeht freue ich mich mit Dir an all dem herrlichen, was uns Jeder neue Tag bringt; aber al lein hier fein, — nicht in Ragufa, in Dalmatien überhaupt — das We ich nicht. — Doch wir wollen nicht iiber fo etwas sprechen: lies boch mal Gretes Brief« der liegt noch uner öffnet neben Dir«. »Ja, wenn Du etlaubfi, gem, ich hatte ihn foft vergessen, ich weiß auch, was er enthält«. Beide lächelten. .Liebesgefchichten, ja, ich weiß'. Lifa entfaltete ben langen Brief. Meine liebe Lifal heute wirft Du etwas besonderes hören, Yes Dich nur bequem su recht. lfo apa wollte bog im mer noch ni is von einer erlo bung wissen, und Mama, nun, bei ver wage ich ja gar nicht onst-klop fen. Da hat mein Rudi ben Kno ten zerhauem Alfo hörel Eines Tages tam er wieder in den Gar ten feiner Großmutter und pfiff ganz leife. Jch fchleiche mich hinten an unfere Vene, und ba fleht er und lacht übers ganze Gesicht. Alles an ihm strahlte. «Gretel, nun geht alles gut. Mach Dich hiibfch unh lomm zur Großmutter herüber, ich habe ihr alles gebeichtet, und ich habe sie bestürmt, sie will uns helss sen; aber sage niemandem etwass und heeile Dich, jetzt ist die Stirn-i de das« Jch lause zurück ins haus« aus unser Zimmer, niemand sieht( mich, ich werse schnell das hausii tleid ab, ziehe tai rcsa Kleid any das er so gerne mag, und nun schnell die Treppe herunter, leise, auf den Zehenspisem Und witt lich, alles glückt. Jch stehe aus der Straße, und was meinst Du, ich habe meinen hut vergessen. Zurücki Rein, das geht nicht. Jch drücke mich an der Mauer entlang, um die Ecke herum und da ist glei Großmutter Kerlerinls haus. J liege die Stufen hinauf, stehe vor r schweren ziiinen Tür mit dem httsenden Messingschild und ziehe die Klingei. Das herz klagte mir bis oben in den hol-. ie alte Lisette und Rudolf öffnen u glei cher Zeit. Lisette sagt o recht breit: .Na, Gretchen, wo ist denn der huti« Ach, ich hätte sie umar nien können. Sie ist noch immer die Alte, trat all der dummen Sachen, die dazwischen liegen. Jch verlor auch alle Scheu. wir gingen sofort ins Wohnziniiner zur Groß mutter Kerlerint Da saß sie in ter den Vluinenfiöaen am Fen er, in drin breiten Lehnstuhl. Sie hatte ein schwarzes Splsenhiiubchen aus dein weißen Daar und die Bänder en auf den Schultern, genau wie her, und der Striatord fehlte auch nicht. Sie lächelte so recht freundlich, und streckte beide Blinde aus. Ich tonnte mich nicht halten« ich stürzte zu ihr hin, tilste die lieben, alten «nde mit den vielen, feinen Runze n; nichts konnte ich : sag en wie- ,ther serlertnb lsiiebeäqrosrsutter Kerieriuk . uno e nd rnich M? und sagte-L Liebes d, lleine Grete hast Du den Rudols wirt lich sohq liebt« .!lch sat« «Wie langeha lttsthr Euch deirn schon liebl· lange denten kann« , sagte ich« und sie daraus ,Wie lange ist das denn schon«i« Wohl zehn Jahre«, sagte ich. «Run', meinte Großmutter ster lerint, »dann hast Du aber sriih mit dein Denlen angefangen, Du bist doch erst siebeRehn Jahre«. »Ich werde in zwei onaten acht zehn« sagte ich. Da llo ste sie so recht zärtlich aus meine Brand und sagte: »Na, und Rudols ist nun dreiundzwanzig Jahre alt, und was meinst Du wenn l so ei nem alten Liebespaar nun andhai gen til-ergäbe mitsamt dein alten Jnspeltor Tiernann und der Mam selll' Wir waren ganz außer uns. Sandhagen, utn das der Streit doch entbrannt wart Sandhagen, das uns von Kerlerinld trennte! Nein, beschreiben kann ich Dir diese Stunde nicht! — — Dann tranken wir noch Kassee aus dem gebliihmten Service. Du lennst ej in, und Lisette brachte Eisertuchen herein und nickte uns immer so freundlich zu und als sie til-getragen hatte, sagte Groß mutter Kerler nt: .Nun gehe nach hause, mein Kind, man wird Dich schon vermißt haben, bestell den Eltern schöne Grüße von mir und Dein Vater möchte noch zu mir tommen«. Rudols brachte mich bei hellem Tageslicht bis vor unsere haus tiirl Jch ging geradewegs ans Pa paö Arbeitozimmer zu, da rust mich Mamcu Sie lam, zum Ausgehen angezogen, aus drin Schlaszinniier. Jch ließ sie gar nicht zu Worte tominen, ich sagte, bitte, komm doch schnell mit zu Papa, ich maß Euch etwas Wichtiges erzählen. Na, die dachten natürlich an Dich und As sessor Westernyagenz als ich dann meinen Austrag ausrichtete und gleich hinzustigre, Großmutter Ker terinl will Rudon und mir Sand hagen überlassen wir haben uns lied und wollen bald heiraten, da tannst Du Dir die Ueberraschung denlenl Papa sagte, wie er es so ost tut« .na, das ist sa, na, das wäret« und Mama sagte sehr streng: »Und das hast Du Deinen Eltern verheimlichti Vor fast drei Jahren habe ich es Dir verboten, mit Rudols Kerlerinl zu ver-lehren. Drei Jahre lang hast Du uns hin tergangenl« Die ganze unter-Haltung sann iq Dir nun nicht wiedergeben. Schließlich zog Papa adek feinen langen schwatzen Rock an, feste den cylindet qui und ging zu Groß muiiee Ketteeinl hinüber. Mann war immer noch recht einst, aber auch sie lenkte schon etwas ein, und gegen Abend kam der unnütze Jun ge, der Radi, wirklich mit Papa u Uns und mochte Moma den Hof, chlimmet als jemals mit, und nun bin ich seine Braut —- sieh Dir das Wort nur mal genau an: Eine Braut; aber wir halten die erlobung geheim, bis Rndis El tern zurückkam-nen, und das kann noch lange dauern. Sie sind etsi einige Tage fort, und sie wollen bis zum heil-it bl:iben. Jtn Mai hei raten wit, das ist schon abgemachie Sache! Tausend innige Grüße file Dich und die liebe Taufe Tende. auch von Rudolgnuiiitliw eine getrene Grete. »Tl1nte, unfere lleine Grete hat fich nun doch mit Rudolf Kettetinl ver lobtt hier lies den Brief«. «Lifa, wo It:rterintd und van de Sandte fich nicht mehr tennen woll ten!« « .Und doch hat fie es fertig ge bracht, hier haft Du den Brief« Und zwenn Du ed nun erlaubst, gehe ich fein wenig hinaus zeichnen, Du woll teft ja torrefpondieren«. l «Gewiß, Kind. Freufl Du Dich garnichtisp »Aber fehr freue ich michi Gretel ift «a ohne ihren Rudolf garnicht dent ar, und Rudolf ift fo ein lie ber, treuer Burfchr. Sie passen beide fo recht nqu Land. Du wirft iehen« fie werden ein dorbildtiched Ehepaar«. Lifa lächelte ein wenig überlegen. »Ich freue mich riesi. am meisten aber eigentlich über ie alte Großmutter Kerkerini. Sie überläßt ihnen Sand hageni Sie konnte iiber Sandhagen verfügen, sie ganz alleine. Sie hat es rechtmäßig geerbt, Mutter ift ja zwar anderer Meinung, aber das ift ja nun alles gleich; Großmutter Kerkerinl wird fchon den richtigen Weg gefun den haben, alle zu befriedigen. Das ift eine kluge, und fehr liebe Dau' Wiihrend fie spra , ging lie f on in das andere meer hinii r· Viele Gedanten umfchivirrten sie. Daß Gerte und Rudolf fich einmal heiraten toiirden, hatte sie erwartet· Nun-hatten fie the Ziel ungeahnt früh erreicht, das war erfreut —- aber fchlteßlich: war et ein o großel Glitt-i Sie würden nach Sandhagen zie hen und die Wirt chaft erlernen, ge ·unde Kinder en, und alle die Sorgen und reuden des Familien M durchto a ! Idee da fehlte ein-at. gerade M Ifeblte, was Lifa »Ist sich forderte jdae große. siarle innere Trieben, del inte- atrs unt felbft und ans all des Ivoegefchriebenen Bahnen heraushebt, jdat Schittfal, das uns fagen läßt« Ibiet siehe ich, ich lann nicht anbers — lnnd wenn die ganze Welt gegen uns wäre. Lifa betrachtete sich im Spiegel, sie feste ihren großen weichen Hut anf. Der kurze, hellv:aue Leinenroct Unr fpannte bre fchöne, kräftige Schlam beit, die diinne, weite Mullblufe zeigte ihre gefunde, zarte Haut. lim den halö hing eine lange Bernfteinleite. Lifa fah sich gerne. Sie wußte, daß sie fchiin war, wußte es, wie etwas Selbxverftiindlichez das rnan nicht erwa« nt. Sie war fiir ihre Schön heit dankbar. Sinnes-d betrachtete sie sich und polierie ein wenig die Nägel. Zartrofa faben sie aus neben der bräunlichen Farbe der fdnnenvers brannten Hände. Die Ringe blink ten bunt und warm auf den feinen Fingern, es waren Erbtiiae, wert wiirvig gefaßte farbige lfteine. Jbre Gedanken wanderten in die heimat. Affeffor Weitetnhagenl Sie hatte ihn faft vergessen. Wie die Eltern nur Gefallen an ihm finden lonnten! Er war ein Regierungs asieffdr, wie alle anderen« manchmal fchien es ihr, als fei er fd recht ei gentlich der Typae eines Regierungs afseffors. Wer weiß, vielleicht auch ein ganz lieber Kerl, sicher gefchetter als Rudolf, aber nicht fd fröhlich und herzlich· Affeffar Mefiernlzagen — sie konnte ihn sich gar nicht vorstellen, hier in Dulmatien. Ja Rast-fa, ja, vielleicht, aber in Sebenico, diefenr Felfenneft. auf Cursum, in den en gen Gaffen, in denen die zum Trock nen aufgehängte Wäsche flattert, oder vor einem tleinen All-ergo in Trau? — ganz nnntiiglichl — Er paßte eben in die Regierungshauptftaat, paßte fo gut hinein. daß er zu einer lonrifchen Uiguc umwe- tvrmr trittst Iny vors-ru tc. er hätte die prachtvolle munter-e grinische Bottstracht angelegt. Lisa lächelte Aber ich, ich tönnte sie schon tragen, die schöne Tracht, dachte sie, und ganz unvermittelt sah sie den Zigeuner mit seiner Geige, dem ratsigen Kopf und den schlanten Gliedern Langsam stieg sie die Treppen hinab uns- verließ daö Hotei. Draußen war eine gläserne helle. Der himmet war so weit, so tiesblau, und uber die Mauern prangten die blüteniibersiiten Oleanderbiiume, Blütenbiischet, vom mitchigen Weiß über ein warmes Gelb bis zum glühendsten Not hinübergleis tend« in allen Schattierungew Ltsa ging die prächtige Straße ent lang, das Stizsenbuch in der hand. Da tanten Esettreiber in ihrer bunten Tracht, Frauen aus dem Bott, Wagen mit Iriichten und Gemiisem Züge von Soldaten in hellt-lauer Unisorm, chmugige tleine Buben, Ziegen vor ch rtreibend: eine ganze Reihe leuch end sarbigcr Bilder, die Lisa immer wieder voll hoher Freude ge naß. Sie mußte zur Seite treten, dicht an das Geländer hinan, weil die riet trrsche Bahn, die hin und wieder die Schönheit dieser Straße zerriß, hier knapp neben dem schmalen Fußsteig vorbeifuhr. Zu gleicher Zeit sprang ein Mann, den sie bisher nicht bemertt hatte, var der Elettrischen her aus den Fußsteig. Er stand neben ihr und sah sie an. Es war der Prirnas. « Alt die Wagen vorbei gefahren wa ren, tam gleich ein langer Zug Sol daten. So standen sie wartend ne beneinander. Einem schnellen Im utse folgend, wandte sich Lisa an n Zigeuner. .Sie ben gestern abend wunder doll gesp elt· Werden Sie noch lange in Ragusa bleiben7« «Vielleicht —- wir bleiben hier«-so lange die Menschen zu uns tomtnen«. Er stand rnit dem hat in der Hand neben ihr, er sah sriich und jung aus« Seine Sprache hatte et zvas Fremdliindischei, leicht Unbehob ertei. «Jch dachte, dkk Besitzer del CAICZB hätte Sie engagiert«. Sie errötete, während sie sprach, es chien ihr so erniedrigend für ihn, da ein Koffer housbestßer ihn engagteken könnte, und sie schämte sieh, so etwas gesagt zu haben. Der Primaö blieb ganz unbefan gen «Nein, wir spielen einmal hier, ein mal da«. Um etwas Freundliches zu sagen, fragte He ihn: ,Wo r kommen Sie denn jeLtP »Aus Sebenieo«. »Stil« msgllchk Das entfnhr ihr gegen ihren Wil len; Sebeniro, dieses alte Felsennesll Wie konnte er dort spielen! .Sebenieo maz ich gern, ich ienne es gut, war schon oft dort«. »Und wo ift Jhre heimat, wo find Sie geboren·i« «Oh«, —- er lächelte —- und wies mit her Hand u den Bergen him «heimais da nten, inter den Vet gen, und viel weiter-. in kleines Dorf an der rumäniichen Grenze, in Un garn, dort bin ich gehoren'. Sie waren langsam weiter gegan gen bis snr nächsten Hausgeist-de .Waren Sie lange dorti Orph len Sie mir ein wenig von licht ists-thue lslovs