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About Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918 | View Entire Issue (Sept. 14, 1916)
Sonntag-Matt de Staats Anzetger und Wer-old ,ch Ton Mf säuseln Its-ei stein, preu Iisetfet Artenzahl-en Ein neuzeitlichecx Märchen. Von chry F. Urban. An einem wunderschönen Som mertage gefchah es, daß Lincoln Al fred Klein von Saint Louio nach Berlin lam, um eine neue Erfindung, einen oerbesserten Automobil-Motor, einzuführen. Da er mit feinem Vater, der aus Baden ftammte, öfter in Berlin geweer war und ein gutes Deutsch sprach, fühlte er fich bald heimisch. Nicht wenig trug dazu vie reisende, mit wahrhaft amerikani schem Komfort ausgeftattete Woh nung bei, vie er im vornehmsten Teil der Stadt niöbliert gemietet hatte, und der rege Verkehr mit ameritanii fchen Landsleuten Jedem, der es vö ren wollte, erliäkte er. vnfz er von Berlin entzückt fei, weil es »so was Anieril«rnifcheg« dabe. Eines Mor gens hatte er eine nierltviikvige Ueberraschung Lincoln Klein fund auf feinem Iifktz ein Zonveevaecs be hördlichee Forniular, in Dem aller hand indistrete Phasen an ihn ge ftellt waren: wann und wo er gebo ren fei, weichen Glaubens er fei, wie viel Vergnügen er habe, und derglei chen niedr. Seine Aufwartefrnu, vie dicke Frau Linoigteit aus OftpreusI fzen, erklärte thu. vieles- Formularl tonnne von der Einlonrmenfteuerversl anlagungstatntnissivn,und er müsse ess zum Zweck seiner späteren Steuerzah-! lung ausfüllen. Klein schrieb sich zuss nächst den Namen der Rommissionl aus und sagte ihn zehnmal hinterein ander her, bis er ihn beinahe aus wendig konnte. Dann meinte er la chend: »Was geht mich das an —» als Attierttaneei' Frau Lindigleit erklärte ihm, darüber wisse sie nichta Das Fortnnlar iei auch nur eine vor läufige Anstequ die er beantworten - müsse — wenigstens teilweise. »Allri«7l;t!« sagte ttlein, »ich will» es beantworten. Aber Steuern zah len? Jchi Oh na! Neveri Kaum waren drei Monate verflos sen, sd tant ein zweites Formular von derselben atenteaubenden Kom mission mit neuen indieireten Fragen über sein Liermöqem Einnahmen und anderes. Frau Lirdigleit sagte, das sei die Selbstrinschiiszung des Steuerzahlerg. Er nahm eine Feder und schrieb in grossen Buchstaben über das halt-e Furmular hin: »Ich bin atneritanischet Burger und zahle ieine Steuern in Deutschland. Lin roln Alired ttlein.«' Dann steckte er das Fortunlar in den beigesugten Briesuinschtag und schielte das Ganze an die Kommission, deren Namen er» beinahe auswendig wußte· Nach einiss gen Tagen erhielt er von dem Vor-l sigenden der unheimlichen ölommisii fton eine hösliche Aessarderung ihn» innerhatv einer bestimmten Frist zu besuchen und sich an den näher be-. zeichneten Setretar zu wenden. Nun war Lincoln außer sich, einfach außer sich. Dies ging ihm gegen sein heitigsteö Gesiihl als souveräner Ameritaner, ver es iibel vermertt, wenn jemand teine Nase in seine Pri vatangelegenheiten steckt. Er verlieh seiner Entriistung einem amerikani schen Bekannten gegenuber Ausdruck. Tier riet ihm, hinzugehen, um sich unnötigen Aetger zu ersparen. Alsoj erschien-Unmut aus der Steuerbehör de, geladen wie ein Schnellfeuerge schüg und sest entschlossen nichts zu sagen und noch weniger etwas zu zahlen. Diesen haagietigen undelita ten und sicherlich auch groben preu ßischen Beamten wallte er schon zei gen, wag ein souveräner Atneritaner ist. »Mein Ninue ist Lincoln Alsred Klein --- aus Saint Louio!'« sagte Mein, als er dein Selretiir gegen überstand. Er sagte das so ungefähr, wie der Kaiser sagen würde: »Ich bin der Deutsche Kaiser.« «Al) so —- s—· sehr angenehms« er wider-te der Seitetär sehr freundlich, und bot Lincoln einen Stuhl neben seinem Pulte an. »Also Sie toninien wegen der Steuereinschätzung?" Er lächelte und dlätterte in allertei Schrisisiiiden Links-la war außerordentlich über rascht. Dieser Herr war ganz anders, nlg er erwartet hatte. Er fühlte, daß seine amerikanische Sonderänität zu schinelzen begann. Ader er sagte sich, daß er fest bleiben müsse. »Und Sie treuen uns teine Steu ern zahlenW suhr der Setretät noch sreundlichee fort, wie wenn Mein einen guten Wiss gemacht hätte. »Nein!'« erwiderte Lincoln eben sntlo freundlich »Warum sollte ich listsbsySnswssszas d du« Ich gebe doch hier mein»gutes nineriianischeo Geld aus« Das sind doch schon Steuern —- gewisserma ßen. lind die Hauptsache: lein Deut scher, ier nnch drisben kommt, unter den gleichen Verhältytssen wie ich, als Fremder, braucht irgendwelche Steuern zu zahlen« »Ja —- das mag alles seini« ant wortete der Seiretän immer mit der gleichen Zuvorlommenheit. »Aber wir haben doch nun mal unsere Gesetze, die auch den Fremden, wenn er län ger als drei Monate hier ist, zur Steuerzahlung heranziehen. Bedenlem Sie, wenn bei Ihnen gestohlen wird« oder wenn Sie verloren gehen, fo; nimmt sich die Polizei Ihrer mit der? gleichen Liebe an wie des Einheimii fchen. Wenn es bei Ihnen brennt, fo kommt die Feuern-ehe und löfcht das Feuer oder rettet Jhnen gar das Le ben. Wir besprengen und tehren die Straßen, damit Sie leincn Staub und keine gefährlichen Bazillen schlucken. Wir erieuchten sie tadellos, damit sie in der Nacht sicher nach Hause kommen. Wir pflanzen überall auf den Plätzen schöne Blumen und Bäume, an deren Anblick Sie sich im Sommer erquicken können, und stellen Bänle hin, aus denen Sie ausruhen können. lind was der Annehmlichkei ten mehr sind. Das alles toftet Geld, heidenmäszig viel Geld, das natürlich die Bürger aufbringen. Sie können doch nicht gut veriangen. daß Sie all diese Vorteile genießen, ohne Jhr Scherflein dazu beizutragen. Ueber dieei — die Amerilaner sind doch ge wöhnlich noble Leute, die immer be sonders gern bereit sind, etwas Gutes zu unterstützen.« Dabei lächelte er Lincoln sozusagen hochachtungsvoll an. Das tat Lineoln sehr wohl. »Well,« meinte er, »das ist rich tig — gewiß. Die paar Groschen sind es nicht, um die es sich handelt. Ver stehen Sie mich recht. Und was die städtischen Steuern betrisst, wenn es nun mal sein muß — so tann der Fremde auch ruhig siir all diese An nehmlichtriten etwas zahlen, die wir drüben nicht haben —- ich gebe das gern sit-« »Sehen Stel« « umal —- der Fremde hat’s ja met tens.« »Sei-en Siet .Jch wußte. man braucht nur an Jhre amerikanische «sairneß'«, wie Sie sagen, zu appel lieten.« Lincoln.siil)lte, daß er immer wei cher wurde. Dieser Setreiär — weiß der Teusel — der hatte es in sich. Der redete wie ein Yantee, ebenso verwiiiischt logisch, ebenso oertviinscht liebenswürdig. Vor allem aber hatte seine Rede etwas bezaubernd Väter liches. Genau so pflegte Papa Klein in Saint Louis zu sprechen, als Lin coln noch ein sinnt-e war. Und doch —- so ohne ernstlichen Widerstand durste er die Flagge nicht streichen. Unmöglich! Also sagte er: »Gut — ich zahle die stiidtischen Steuern. Aber die Staatssteuern — das ist nnmdglich Daraus werden die Kosten auch siir das Heer nnd die Mariae bestritten. Werden sie nicht?« »Jatvohl!'« lächelte der Setretär. »Und für den Kaiser nnd seine Familie?« »Jatoohl!« »Aber ich bitte Sie —- das ist nn möglichl Jch als Amerilaner werde doch Jhr Heer und Jhre Mariae nicht unterhalten. Und noch unmögli cher ist, daß ich, der ich Republilaner bin, einem Monarchen Gehalt bezah le — das miissen Sie einsehenl« Der Setreciir lachte. »Ich schon, aber das Finanzwirt sterium nicht·« »Dann werde ich mich an das Mi nisterium wenden." »Das steht Jhnen natürlich frei. Aber ich tann Ihnen voraussagen, daß es Jhnen nichts helfen wird.« »Und wenn ich die Staatsfteuern nicht zahle-« »Ja —- dann ioinmt der Gerichts vouzieher und pföndet Sie.'« »Zum Teufel!« platzte Lincvln är gerlich herauf-. »Dann gehe ich zu un seeni Botschaster — ich gehe zu den Korrespondenten der amerikanischen Zeitungen —- ich bringe die Sache vor den Kongreß in Washington. Diese Art, einen freien Ameritaner zu behandeln, ist ja standalösi« »Ach, tun Sie dass doch nicht. Herr Kleini« sagte der Setretär gemiitlich »Es wäre ja alles umsonst. Vor allen Dingen — es hat keinen Zweck, daß sie sich deshalb ausregen. Sprechen wir doch ruhig nnd vernünftig Es gefiillt Jhnen hier bei uns, nicht withr?« »wes —- das ist so.« »Na also! Und Sie wollen vorläu-? fig hier bleiben und sogar Geschäfte machen-« j »Dekl, Sie — fawahll« l »Na also! Und dann —- Sie gehö ren doch gewissermaßen zu aus« »Wieso?« »Na — Sie sind der Sohn deut« fcher Eltern, nicht wahrt Haben ofii fenbae eine gute deutsche Erziehung genossen, nicht «wahr?« »O ja — meine Eltern liehten diel alte Heimat sehr, und mein Vater hat immer gesagt, das müßten wir auchi tun-« «Sehen Sie! Wenn ich Sie wäre, da sagte ich mik: Meinen Eltern zu Ehren betrachte ich es als einen Alt der Pietät, dem Lande, in dem sie ge boren sind, meine Achtung zu bezei gen, indem ich die paar Groschen Steuern, die es für Sie, als wohl habenden jungen Mann, sind, zahle —- selbst wenn sie für Heer und Ma rine und den herrschet verwandt werden. Als Sohn deutscher Eltern müßte es Ihnen doch ein angeneh mer Gedanke sein, eine solche Klei nigkeit zu der Stärkung und dem Gedeihen Jhres Großvaterlandes, so zusagen, beizutragen, das überall von gefährlichen Feinden umringt ist nnd die schwere Steuerlaft willig trägt, um sich ein ungestörtes Vorwärts lommen zu sichern. Glauben Sie mir, dazu brauchen wir jeden Pfennig. Wir sind nicht so glücklich wie Sie da drüben, die niemand bedroht, die un belastigt Jhrer Arbeit nachgehen tön nen, ohne die Flinte neben sich, und die das Geld, mit uns verglichen. leicht verdienen.« So hatte Lincoln die Sache noch nicht betrachtet. Dagegen vermochte er nichts zu sagen. Er fühlte sich gera dezu beschämt. Wahrhaftig —- er hatte sich einfach schiibig benommen, unzweifelhaft schmutzig. Pfui Teu fel! So war er doch nicht. »Herr Selretär,« plagte er heraus. »Sie haben recht! Jch zahle alles! Wieviel ist est« Und er griff in die Tasche. «Sachte! Sachte!" meinte der Se tretiir belustigt. »So machen wir das. nicht. Gezahlt wird später. Erst muß’ ich wissen, was ich als Jhr Einkom-l men angeben soll. Danach richtet sich die Steuer. Wenn Sie noch kein Ein tommen haben, nennen Sie am be sten eine bestimmte Summe. Dann legen wir die bei der Berechnung zu grunde·« Nun waren sie im Dank-umdrehen einig. Lincoln reichte dem Setretär die hand und empfahl sich. Als er wieder aus die Straße trat, in den Sonnenschein hinaus, war er in nichts von einem berlinisch-preuszi schen Steuerzahler zu unterscheiden. Er mußte über sich selber lachen Aber er hatte das Gefühl, daß er erst jetzt ein völliges Recht habe, sich über die sauberen Straßen zu freuen, mit den grünen Bäumen und blauen Schutzleuten darauf, und über die farbenspriihenden blumigen Platze. Ja, als ein Trupp Soldaten an ihm ooriiberzog, hatte er das Gefühl, als gehörte ihm ein Millionstel Anteil daran. Was soll ich euch sagen — der gute Lincoln Alfred Klein wurde zu einein begeisterten berlinisch - preußischen Steuerzahler, der siir dieEintommen steuerderanlagungstommission gera dezu schtviirmte, obwohl er diesen Na men noch immer nicht auswendig konnte. Er vermochte den Tag tauin zu erwarten, ioo er zum erstenmal seine Steuern zahlen mußte. Nein wie lächerlich wenig sijr ihn, den rei chen ttltneritaneh wenn er den Betrag in Dollnrs nmrechnetei Er schämte sich fast. Als zum Jahresschluß; abermals das übliche Selbsteinschiit-I zungssFormular eintras, zeichnete ers den doppelten Betrag an Einkommens ein, obwohl er in Wahrheit noch taum von einem deutschen Einkom men aus seinem Aiito-Motor reden tonnte. Wirklich —- diesen braven Landsleuten seiner Eltern, die sos schtver um ihre Existenz liimpstemx mußte er helfen. Zwischen ihm unvi Berlin nebst Preußen spannt-i sichi zarte Bande einer ausrichtigen Freundschaft. Berlin und Preußen wurden etwas Persönliches siir ihn-l etwas Lebendiges, gleichsam zwei(i Wesen, die er liebte. Aus dieser Aus sassung heraus wuchs ganz von selbst seine Gründung eines »Auf-s der reudigen Steuerzahler«, der unend lich viel dazu beitrug, das Steuerzah len volkstümlich zu machen und die Zahl der ,,Sieuerl)interzieher« zu ver ringern. Er versanvte eine Broschüre »Das Steuerzahlen als gottgewollte« Einrichtung und sittliches Iträstis gungsrnittel«. Zumal ließ es Klein sich angelegen sein, reiche Ameritaner als preußische Steuerzahler nach Berlin zu ziehen. Allen Menschen, be sonders seinen engeren Landsleuten, hielt er Vorlesungen iiber das beseli gende Gefühl, ein Königlich-Preußi scher Steuerzahler zu sein. Anfangs hörte man ihm vergnügt zu, dann mit einer riiclstchtsvollen Resignieri heit, etwa wie man etnern geistig nicht ganz normalen Menschen zuhört. Das vermochte aber Lincolns Freude am Steuerzahlen nicht zu beeinträch tigen. Er arbeitete wie Karl der Gro ße, um seinen Motor einzustihreuj ·und dadurch um so mehr Einkommen versteuern zu können Sein Ehrgeiz umar, der höchste amerikanische Steu erzahler in Berlin zu werden. Be reitsl hatten die amerikanischen Zeitunge-! korrespondenten ihn als großartigen! »Stoff« erlannt Und ihn» in langen Artikeln nach Amerika ausgeschlach-; tet. Einmal mußte er .an vier Mo-· nate nach Saint Louis zurückkehren. l Wenn er seine Wohnung aufgah,l hätte er fiir die Zeit seiner Abwesenq heit leine Steuern zu zahlen dran-s check Aber er behielt seine Ortsange-l hörigleit bei, nur damit seine sie-I liebte Steuerhehörde die Steuern fiirl die vier Monate nicht verlöre. Unter dem ftimulierenden Ans sporn seiner( Freunde am Steuerzahlen entwickelte sich sein Geschäft glänzend Jahr um Jahr vermochte er höhere Steuern zu zahlen, und eines Tages hatte er sein. Ziel erreicht: er war der höchste ame rikanische Steuerzahler nicht diosz in Berlin, sondern in ganz Preußen. Kurz darauf las Klein schmunzelnd, daß der König von Preußen sich einl neues Automobil getauft habe. Lin coln feierte seinen Erfolg als- Steu erzahler mit einem Banlett im HotelI Adlon, das ein gesellschaftliches Er-! eignis ersten Ranges war, und zu» dem er den Vorsitzenden der Entom-J mensteueroeranlagnngslommission, die er nun tadellos aussprach sowie sämtliche Setretäre eingeladen hatte. Er war der Liebling der Steuer-be hörde. »Ein drolliaer Kanzl« sagten seine Belannten. »Und das merttoiir digste ist: seine Kranlheit macht gar tleine Fortschritte! Er ist sonst ganz Lvernünftig.« Ye- Hrtetett Yiinfgroschew stillt. CHarnbnrgrr Etizze von M. P.) Mitten auf dem Trottoir vor dem Hamburger Hauptbabnhos schlug Joisny Hoct einen Purzelbaum und schrie aus voller Kehle: ,,Hurra, sies (snt:s) Groschen!" Ein Echutzmanm der Drüben ans der anderen ceite stand,beobac1,.tete ihn aufmerksam und tam dann mit langen Schritten über die Straße aus ihn zu. Der Junge tan-. ihm nächst verdächtigt vor; womöglich hatte er die suns Groschen, mit welchen er prahlte, gestohlen. Man konnte es ihm wohl zutranen tsr sah ziemlich ruppig ang, wie solch ein richtiger Hamburger Straskeniunge und »Briet". ein Loch in der Hofe und eins in der Mütze, durch welches das borstige Haar durchzuckte Doch der Junge wartete den Mann des Gesetzes nicht ab. Mit einem Sprung wa: rr wieder auf der: Beinen und nahm unter lustigem «1chen Reißaus Aber ärgern wollte er die Pickelhaube doch noch. Und so hielt er ihm recht srech das Fiinsgros schenstiick entgegen und ries: »Nix zu machen. Jsk nich gestohlen, aber ver dient, eyrlich verdient!« llnd wieder schlug er ein Rad und schrie: »Hut ·r.I, sief Greschen!« Der Schutznann wandte sich brum mxnd ab. ,,Briet!« murmelte er cn den Bart und gcng weiter. Die Pas siinlexx aber-, die Zeuge dieses Austritts waren, lachten und nickten sich ver nimm-sinnig zu· »Ein richtiger Hamburger Briet!« dachte jeder Jonnn wars seine durchlöcherte Mütze in die Lust und dann das Fünfgroschenstiict, das er geschickt wieder auffing. Er hatte das Geld tatsächlich ehrlich verdient. E-; war der Lohn dafür, daß er einer Dame den klein-no hanvtosfer nach dem tsgauptbahnhos getragen hatte· Sie hatte es sehr eilig gehabt, und Jou ny hatte tüchtig laufen müssen. Aber; sie war zum Zuge noch zurecht ge tommen uns hatte ihm das Geldstuckx mit den hastigen Worten in die Hand gedrückt: »Da nimm, aber oernasch ·es nicht!« Wenn nun einer Denken sollte, daß Jonny nach Haus gelaufen ist und eas Geld in seine Sparbiichse gesteckt bat, dann irrt er sich abee gewaltig. Erstens halte Jonnn gar keine Spar bichfe und zweitens dachte er gar nicht daran, das Geld abzuliefern, sondern es war bei ihm beschiossene Dach-, daß et es für sich verbrauchen und »vekschnopen« (ocrnaschen) woll te. Er war eben ein Briet, ein Strick und Tiiugenichts. Fünf Groschen! Junge, Junge, war das ein Geld! So viel hatte Jonny noch nie sein eigen genannt. Er hatte schon Stellen zum Zei tungsousteagen gehabt und Geld ber bient, am dabei halte er jeden Psen nig von dem Verdienten abliefern müssen. Brot gab es zu Haus ja satt zu essen, aber Geld zum ver-schno en leinen Pfennig Der Vate: ver-» iente nur eben so viel, daß sie zu les-sen hatten. Fäns Groschen! Da konnte man "ja eine Unmenge anfches (Vonbons) dafür kaufen. Drüben in der Stein thraße lachte ihm das Schaufenfter »eines Krämer-s entgegen. Jonnrz stie )felte darauf Zu end betrachtete tü «ftern die gefüllten und ungcfiillten Vrnbons, Schotoladentafeln und Zuckerftsngei. Was fiir feine Sachen lwaren dag. Das Wasser lief ihm Hm Munde zusammen I Schon faßte et die Tiirllinte, um hineinzugehen, da hörte er eine leife ;Stimme: Vernafch es nicht!« Er sfchroclen drohte er sich um. Aber da war niemand, es war nur die faufte Stimme der alten Dame, die ihm in den Ohren klang. Aetgeeiich wandte er sich ab und ging weiter. Es gab ja noch genug Krämer, and fein Geld wollte er schon fein anlegen. Er tam bei ei lpem Kondijot und einer Schlachterei Jvorbei. Da tibe:legte er. Sollte er sich nicht lieber etwas ganz Feines, Schneeballen mit Schlagfahne z. B» kaufen? oder ein Ende MettwurftZ oder drüben im Fifchteller einen ge räucherten Aal? Und dann vielleicht noch eine Schachtel Marmel und fiir fünf Pfennig Bindfaden? Da knallte es drüben auf der an dern Seite der Straße. Jonny fuhr aus feinem Grübeln auf und fah hinüber. Ein paar Jungens wa ren es richtig, der dicke Fritz vom Schlachter war dabei, und tnallten »mit ihrer Pistole Jonnh machte einen Sprung nnd riet: »Dritter« jetzt hab ich’5!« Ein Pistol war schon lange sein sehnlich sier Wunsch gewesen nnd wag der dicke Fritz, der Priililhans, konnte, das konnte er, der Jonnh, auch Also ein Pistol wollte er sich tausen. Kein richtiges mit Patronen drin, aber es iiiallte mit Zündplättchen ganz großartig, nur durste lein Schutz nunn in de: Nähe sein. Und es war znm Totlnchen,ivie die Mädels treischs ten, wenn in ihrer Nähe einmal los getsiallt wurde. Mit dein Pistol ging das Knauesn noch besser wie mit der Peitsche. Und Buren und Englän tser oder Jndianer und Weiße konnte man fein damit spielen, und er wollte der Ar.siihrer dabei sein. In der Aussicht aus diesen Spaß siihrte der Junge einen richtigen Jn dinnertanz ans nnd hätte dabei fast ein tleinee Mädchen unigeraunt, das niit einer großen Zeitungstasche da hergeschleisvt kann Sie war lahm und hunipeltH and die blauen Augen in dein blissen ·Gesichtchen standen oolzer Tränen Es war Anna schwor-z aus demselben Hos, in dem Jonny wohnte. »Was heulst'i« suhr er sie grimmig an. Er mochte es nicht leiden, wenn Mädels wein-« tun Doch Anna wars ihm nur einen fängstlich-n Blick zu, troctnete sich Irasch die Augen und hunipelte, so schnell sie lonnte, dar-on ,,chi,ieiiel" knurrte der Junge ver äJJtlieh und spnctte niie ein Großer aus. Aber gleich brummte er wie lder grimmig: »Der alte Drachen!« itbtit dein »alten Drachen« meinte er nicht Anna, sondern ihre Mutter. CI ivnr ihre Stiefmutter, eine harte Frau, von der ihre Stiestinder mehr Schläge als-: Brot zu essen betanien. Auch wußte jedes- tiind im Hose, daß sie rinnt und in ihrer Trauten heii besonders häßlich gegen die Klei snen war. Jonms hörte oft den sam Imer der armen Geschopsr. llnd er wußte, daß sie ost hungrig zu Bett igehen mußten. I Macht«-ruhten schritte er weiter. Das-: totnngliickliche Gesichtchen der FKleinen tnm ihm nicht aus dem Sinn. Hatte sie wieder Prügel be ilomment Und dabei mit ihrem lah Fmen Fuß, die schwere Zeitungstnsche sum Arm« treppuus, ireppnb, steigen, lnm Geld zu verdienen, damit die böse Frau es oertrinten tonntel Jonny war unterdes bis zur elteri lichen Wohnung gekommen und be schloß, dn er Hunger hatte, erst nach Hause zu gehen und sich ein Stück »Am zu holen. Glücklicher-weise hat te er nicht einer. solchen ,,nlten Dra «chen« zu Haus Die Pistole konnte er sich ja noch immer tausen. Pseisend, die Hände in den Hosen tnschen und in der einen seine fünf Groschen. schritt er durch den Hos. lJn einer Haustür hodte ein tleiner, träntlich aussehender Junge oon un gefähr oler Jahren. Es ioar Willy Schwarz-. der Bruder von Anna. Jonny blieb vor ihns stehen. »Warum hat Anna gehenlt2« stag te er den Kleinen mit strenger Miene. »Wir haben lslrisgel getriegt«, war die Antwort. ,,J·3 sie di:hn?« (betrunlen·) Damit meinte er die Mutter I Willk) krieka »Habt ihr was zu essen ge kriegt?« Ein leises Schütteln des Kopfes luar die Antwort des Kleinen. Jonnrs ließ den Kleinen sitzen und stitrmte mit wenigen Sätzen die wacke lige Hofztreppe zur elterlichen Woh nung empor. Als et dann wieder zukiteltaim hielt et ein großes But tecbtot in der Hand, in das et kräf tig hineinbiß. Schmatzend schritt er an dein Kleinen vorbei. Als er aber dessen verlangenden Blick fah, da blieb er stehen, sah sich erst scheu wie ein Verbrecher nach allen Seiten um, und als er sah, daß ihn nie mand beobachtete, brach et von dem Brot rasch die größere Hälfte ab und drückte sie dein kleinen Schioary in die Hand. Dann war er wie der Wind davon und stand draußen auf det Straße. Langsam til-beißend und behaglich inuend schlenderte er durch die Steinftraße. Er wußte ein Geschäft, wo es feine Pistolen zu taufen gab. Für dreißig Pfennig gab es schon ein mächtiges Ding, und fiir den Nest sollten Zundplättchen ange schafft werden. Aber cnerlwikrdig, nach kurzer Zeit befand er sich am Glockengießerwall, wo es doch tein einziges Geschäft gab, das solch gefährliche Waffen führte. Er hatte überhaupt nichts zu tun in dieser Straße, keinen ein zigen Menschen kannte er dort. Doch ja, er wußte jemand, der hier Zei tungen in die Häuser brachte: Anna Schwach Gespannt schaute er in jede Haus tIr hinein. Richtig, da tam Anna soeben herausgehumpelt. Und noch etwas blasser sah sie aus als vor .nn. Plötzlich stand Jonnh vor ihr. Er ergriss ihre Hand und preßte turz entschlossen das Fiinfzigpsennigstück hinein. «Gleich kausst du dir was zu es sen dasirt,« sagte er grimmig, »hess ick derdeent Und wenn du jemand wag sagst davon, kriegst die Jack rollt« Furchterlich drohend tlang es. Und mit wütender Miene schritt et davon. Er war ja eben ein Briet und ein roher Junge, und manche Menschen behaupteten von ihm, daß er gar kein Herz habe. Nach einiger Zeit schaute er sich um. Anna stand noch immer auf der-« selben Stelle, und neben ihr stand eine älttiche Dame, die sich iiber das tleine Mädchen beugte. Jonny hörte, wie sie freundlich fragte: »Mein .-tind, hat er dir etwas tun .vollen, der gros-; Junge?« Was Anna sagte, konnte er nicht verstehen, aber er sah, wie sie ihm mit ihren blauen Augen nachschaute, und wie es iiber das blasse Gesicht chen wie heller, lichter Sonnenschein zog, bis plötzlich zwei große Trä nen über bie hageren Backen toller ten. Schnell wandte er sich ab. ,,Heul jrtte!« knurrte er und spuctte verächt lich aus-. Aber gleich daraus schlug er quer iiter das Trottoir tin Rad. Ein dickter Herr dicht vor ihm hob drohend seinen Spazierstock und sagte wittend: »Br1et du!« Lachend stob Jonny davon. Das Fünfzigasennigstiict war fort, unt ein Pistol hatte er auch nicht. Aber er lschien gar nicht unglücklich zu sein. iiind als er abends im Bett lag und «ei:1geschl»sen war, sah er wieder ein unter Tränen löchelndes Kinderge sicht aus sich gerichtet, und merk w..rrig, er brummte nicht »Heuljette!«, sondern nickte vergnügt der Kleinen Izu. Ganz laut aber rief er, so daß Eltern und Geschwister aus dem Schlafe aussuhrcm ,,Hurra, fies Gro schen!« Q-— —- Beste Verwendung. Na, Maxe, du langes Laster, bist du noch nicht im Feld? Ach, vor mir ham se keene passeude Uuiform jehabtt Aber Mensch, denn jeh’ doch renfach als freiwillige Feldtelexrafenstange nach Beljent —- Ernes immer! Erster Gauner (zum zweiten): »Mir dem Luhe ist rein gar nichts zu machen, entweder sitzt ver Kerl auf oem ho hen Roß — over cru Geiängnis!« —- Unterfchsed Madame: »Um Gotteswillent Diese getäusch votle Nachbarschan Hören Sie nur das Kiudecgelchrei!« Dienstmädchen. »Das sind Jhre eigenen Kinder, Madame« Madame: »Wir-nich? Wie die Weinen sich amiiueren!« —- Tteffenv. A.: »Sehen Sie uur, wie sich der Schriftsteller Feder bei dem Luftspiele feines Konkur renten amiifiert«. B·: »Ja, er lacht Krokodilsträ nen·«. —- Uubewußte Selbfttris tit. An Dem Schutze muß es ooch sehr schlecht gehen! Nu Wieso? BL: Er hat mich in der vorigen Wache dreimal aufgefordert ihm die tun-Irrt Dollats wiederzugeben. vie Er mir vor sechs Monaten geborgt ctU