Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, August 24, 1916, Sonntagsblatt, Image 9

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    - Sonntag-hinkt de
Staats Anzerger und Retold
,evR DIE-i Einst-g Wien
sie Gefahren des Frieden-.
Von Lavinia Bauer-.
Jn einer Gesellschaft sprach man
jüngst . . . nicht mehr vom Kriege.
Die Hausfrau hatte es verboten und
meinte, es wäre besser und erfreu!i
cher, einmal vom Frieden zu spre
chen. Den Krieg, so sagte sie, ten
nen wir ja nun; aber den Frieden,
der da tommen wird, den kennen ioir
nicht« so sehr wir ihn auch herbeiwün
schen mögen· Zuerst widersprach man
ihr. aber dann wurden die paar Men
schen nachdentlich. Ein alter Herr
fand ein hübsches Gleichiiis: Wie wir
einmal eine verdammt pemliche Se
gelsahrt aus betregter See machten,
dachten wir nur das eine: O, wieder
feste-s Land unter den Füßen sühient
Gute, treue Erde, die man sicher und
befriedigt treten kann, nicht diese
schäumenden, sich werfenden Wogen
und Abgrundr. Aber als wir dann
nach Gefahr und Todesangst an einer
entlegenen Klippentüste landen tonn«
ten, da war diese ersehnte Erde Fels
und Geröll, das die Schuhe zerschnctt,
ein jeder Schritt schmerzte, und lange
Stunden mußten wir im Sturm mit
wunden Füßen gehen, bis wir ein
Obdach fanden und geborgen waren.
Wie — wenn es uns mit dem Frie
den ebenso ginge? Da wurden alte
lebhaft. und ein jeder brachte seine
Sorge herbei, stellte Fragen an die
kommende Welt, die unter blutigen
Wehen ein unbetannteo tiind in die
Weit schicken solt.
Der erste, ein Künstler, sprach:
«Ost frage ich mich, welche Rolle wir
nachher spielen werden. Jch weiß
wohl, es wird wieder Reiche geben«
die sich bemalte Leinwand kaufen und
von Dichtern und Musikern Senio
kionen einhandeln werden« Jch fürch
te nicht, daß die Künstler hungern
müssen. Auch wäre das noch nicht
das Angstr. Aber ich komtne über
die Vorstellung nicht hinweg, daß ver
Krieg unsere Unwichtigteit erschreks
send gezeigt hat, und wir werden als
die Uederfliifsigflen uns selbst und
den nuderen Yortomtneiu Der Krieg
hat erwiesen, woraus es ankommt in
den großen Entscheidungen: aus Ge
sundheit, einen festen Körper, ein
Nervensystem, das nicht durch die hef
tigsien Eindrücke zu verwüsten ist«
Nicht Feinheiten und Empfindungen
helfen uns, die Undifserenzierten ge
winneti den Krieg, halten durch, ret
ten ulle. Wenn Nietzsche und Wag
ner neben einein starren Bauernburi
schen eine Höhe sillrnien, einen Sumpf
durchwnten, so schlagt sie der Bau
ernbursche, und daraus allein laut es
an. Jch bin benommen, zerschlagen,
verwirrt, eben durch die Ausnahme-fä
higteit tneines Gehirns, durch die
Raschheit, init der ich Eindrünen
preisgegeben bin, ich denke zu viel,
ich habe nicht die Einfachheit und
Geschlossenheit. deren nian bedarf.
Nun kann ich mir nicht helfen, ich
empfinde es fiir ungerecht, weint nach
her ini Frieden die Künstler und Lin
tellektuelleii auf einmal die großen
Männer, die Blüte der Nation wieder
sein sollen. Jin Gegenteil, wir sind
die Ueberflüsstgen und Minder-verti
gen. Sollen tvir nachher dein Mon
ne aus deni Volke auf die Schulter
klöpfen und ihtn sagen: Schon recht,
du hast während der Schlacht nicht
die besten Vergleiche gewußt, nicht die
kühtisten Farbenderbindungen gesehen,
aber dasur warst du der litthnere,
doch das hilft dir nicht-, geh nur
wieder schön zurück, ich bin das Salz
der Erde, ich, der ich während der
Schlacht vielleicht eine Nerventiise
hatte, jedenfalls aber nicht die uner
schiitterliche Selbstverständlichieit, mit
der du dich hielt;ft. Jch bin in
meinein Empfinden durch diese Bor
iielliingen zerrissen. Jch bin ttüiisti
ler inii Leit- und Seele, iiiehr noch,
ich bin ein Mensch, ver deiilt, und
ich bin stolz darauf, daß ich es tue.
Aber ich muß sagen, jener tat mai-i
fiir das Vaterland, und er ist ihm
wichtigen Allerdings, die Sympho
nie, die hundert oezioegenen Gennjlde,
die neue Einsicht in vergangene Zei
ten« die Erkenntnisse der Nimm der
Geschichte, der Kunst, was weiß ich,
wag alles, its-is haben wir. Vielleicht
können tvir Werte schaffen wie den
»Jurist« oder Töne finden wie »Ist-T
dens Liebestod«. Aber damit ist
tein einziger Meter feindlichen Schüt
zengrabene zu nehmen, nnd dies al
lein ist wichtig und rettend. Tet
hochniiit der Geistigteit ist einer tie
fen Geringschätzung in meiner Seele
gewichen. Wohl weiß ich, daß ich
damit Unrecht habe, daß der Geist
und das Genie weiter wirken und ein
Bolt führen und bereichern. aber
schließlich ist all diese doch abgeleitet
eine Ergösung ver Müßigem Wir
liefern den Schein, aber auf das Sein
totnint es un. Jch tann mir nicht
denken, daß der Frieden nicht mit
einer gewissen Geringfchäyuag au, vie
Künstler und Jntellettuellen ehen
wird, auf alle Feinen und Zeiten«
Fsie widersprochen der Zeit. sie genüg
ten nicht dem Gebot der Stunde»
Und selbst wenn es anders wäre, und
wenn die Menschen wieder anfangen,
sich über Worte und Gedankensysteme
zu erregen, wenn sie sich in das Blas
se und Rachgedildete flüchten, so writ
de ich mir irgendwie als Betrüger;
vorkommen. Wir sind nur dann»
jwichtig wenn es nicht das Letzte gilt
;. . . und es ist unmöglich, daß die
lsutunst das nicht fühlen sollte. Ber
jachten wir die Geistigkeit, so versal
Ilen wir in Roheit, und schätzen wir
lsie wie früher, so liigen wir. Jch
sfiirchte diese Gesahr.«
i Der zweite sprach: »Dies ist doch
eigentlich, verzeihen Sie, bloß eine
Berufssorge. Mir scheint es unend
lich dedrohlicher, daß wir das »Ich«
verloren haben. Dieses »Ich« zu
erhöhen, es zu befreien, war die Aus
gabe der Jahrhunderte. Jetzt aber
ist es überflüssig und bedentlich,- nur
das »Wir« tann helfen und retten.
Dies ist die Lehre des großen Krie
ges in allen Ländern, und dies muß
weit in den Frieden wirken. Die
volle Gewalt, die in dem »Wir« liegt,
ist erst jetzt entdeckt worden«
Das »Wir« war das heer.
iden- Das »Wir« war das Heer,
Ydas »Wir« war aber auch der Staat,
sder uns jedes Stüct Zucker und jeden
sTropsen Milch dorteilt, überall war
;es, und dadurch allein oerdielsältigten
Isich unsere Kräfte. Niemals war der
einzelne so an die Allgemeinheit ge
itettet, so bedeutungslos für sich allein,
jso in jeder Lebensregung beherrscht
;und geleitet. Hätte vor dem Juli
;1914 jemand sich vorstellen tönn:n,
jdaß der Staat die Moden bestimmt,
den Lohn juge ndlicher Arbeiter auf
Idie Sparkasse legt, unsere Küchenges
schirre einzieht, die Mode der Frau
enkleidnng bestimmt? Daß er alle
Bedürfnisse unseres Magens regles
;mentiert. in jede Einzelheit unserer
lLebenshaltung eingreifend? Natürlich
weißt i? daß es notwendig ist, um
durchzu alten, mißverstehen wir uns
nicht, davon ist nicht die Rede. Aber
daraus folgt, daß die volle Kraft des
»Wir« erft während des Krieges ent
deckt wurde; glaubt man, daß der
Frieden diese Entdeckung wieder ver
gessen wird? Sicherlich nicht« es wa
Hre ja unsinnig. Er wird genau wis
sen daß es notwendig ist, überall ein
!zugreifen, übertriebene Wünsche und
Gelüste der einzelnen einzudänimen
zum Nutzen der Allgemeinheit Ader
das bedeutet, daß das »Ich« vollstän
Idig seine alte Wichtigkeit verloren hat,
sdiefes «Jch", dessen Freiheit, Selbst
bestimmung und Entwicklung der
ganze Sinn der letzten Jahrhunderte
war. Wie lange wurde z.B .fiir die
Freiziigigteit der Menschen gestritten
— glauben Sie, daß der kommende
Frieden sie wiederherstellen wird?
Flaum. Das «Wir« weiß natürlich,
daß es Menschen und Arbeitskräfte
im Lande braucht, und es wird sie im
Lande dort verwenden, wo sie sur die
Allgemeinheit am nötigsten sind· Aus
wanderungsverbote, Was-zwang Ar
beitspflicht und Arbeitsanweisung —
all dies und hundert anderes wird
ganz selbstverständlich sein und uns
auch so scheinen. Aber es dunkt
mir, daß diese Gefahr unserer Ver
wandlung gar nicht überschäßt wer
den kann. Die Freuden der freien
Selbstbestimmung der Entwicklung
des eigenen »Ich« können durch tei
ne noch so musterhafte und wunder
bare Organisation erseht werden. Der
Reiz der persönlichen Verschiedenheit
und Entwicklung wird verschwinden;
und im eifrigsten Bemühen, unsere»
vaterländifche Menschheit wieder rei
cher zu machen, wird der einzelne ver
artnen, sein Willen wird verkümmern«
seine Besonderhett verschwinden —
wie eben Organ-, die nicht mehr ge
braucht werden, absterben. Das
»Wir« weist uns unseren Plaß an,
bestimmt, wie wir uns zu kleiden, wie
viel und was wir zu essen haben, es
nötigt uns zur Ehe, es erweitert un
sere Familie, es packt uns überall.
Aber die weitere Gefahr des ver
tiimmerten Jch besteht darin, daß
sich auch nicht jene Persönlichkeiten
mehr ausbiiden können, die das
»Wir« leiten, es wird terne Führer
geben. deren gerade die auf Organi
sation gestellte Gesellschaftssorm am
meisten bedarf. Fürchtet nicht auch
ihr, daß die Weit die Lehren und Er
fahrungen des Krieges mißverstehen
und seinen Zwang weitersiihren und
noch ausdehnen wird? Aber so natür
lich und gebieterisch dies während des
Krieges ist, so niederdrückend und
schädlich wäre es während des Frie
dens. Das verachtete und ohnmächs
tige »Ich« —- wann wird die Weit es
wieder entdecken?«
Die haussrnu schüttelte den Kopf
«Jhr seid Schwakzseher. Alles zu sei
ner Zeit —- das »Wir« und das
»Jch«, die Kräfte des Geistigen und
des Körperii en. Wenn die Künstler,
Gelehrten un Denker auch vielleicht
nicht immer so gute Soidaten sein
können. wie die andern , so weiß doch
das Volk, daß sie zu seiner Größe
und Kraft mitgeholfeii haben. Und
auch das sann ich inir nicht denlen,
daß nicht ein jeder von uns nachher
darauf sehen wird, sich sein Leben
nach dein Geseße seines eignen »Ich«
zu ziniinerw Vielleicht wird er wei
ter noch ein bischen Staatsdiät halii
ten müssen, aber darauf ionimt es;
doch wahrhaftig nicht an. Das «Wir"?
hat gelernt, daß es sich- wenn es
nottut, auf das »Ich« verlassen lann:»
der Krieg gehörte dein ,Wir«, der.
Frieden dein »Jch«- Jch habe eine an-’
dere Angst vor deni Frieden. Jch
dente an die Berge, die der Krieg
zwischen die Völker seßte, an die Flu
ten von Haß, die er herbeischweininte,
und ich fürchte, wenn die Menschen
sich nun einmal an Haß und Unge
rechtigkeit gewöhnt haben, so wird
dies nachher auch das Leben unter
den einzelnen vergiften. Haß ist dau
erhaft und ansteckend; böse und ver
bittert werden die Völker hinter ihren
Grenzen lauern. Und wie llein wird
die Welt, die früher allen gehörte, ge
worden seini Jch denle da nicht allein
an die Reisen, obwohl sie das Ge
iniit ausfrischen, uns lebhafter und
beweglicher werden ließen, uns so viel
Schönheit zeigten! Doch es droht uns
mehr. Die Verbindung der Völker
machte alle einsichtiger, geschmeidiger,
alle werden härter sein und vermö
chern, wenn sie nicht mehr sich anei
nander erfreuen und lernen können.
Der Haß aber wird wie ein Ge
schiviir weiter fressen. Ach ja, einmal
wird sich wohl auch das verlieren,
werden die blutigen Erinnerungen
verblassen, aber darüber vergehen
Jahre, kostbare, uneindringliche Jah
re, und unser Leben ist so kurz. So
viel Mißtrauen, Boßheii und Lüge
steht jetzt zwischen den Menschen,
wird der Frieden das soriräumen
ronnen’t Was immer von den Fein
den kommt, das wird dann bemiikelt
und beschmutzt, man kann daran kei
ne Freude haben. Wie wird es mög
lich sein, zwischen den Menschen diese
Mauern abzutragen, die mit Blut
getittet findt Wir werden in uns die
Stimmungen und Erinnerungen des
Krieges niederkiimpsen müssen, und
das wird uns am Anfang wie ein
Verrat an unseren Toten vorkom
men. Die Ersten, die schüchtern die
Hand ausstrecten, werden verhöhnt
von den Feinden, mißdeutet im eige
nen Volke werden. Jhr eigener Stolz
wird vor der Demütigung zurück
schrecken. Der Krieg hat uns gelehrt,
ein Volk zu sein, gehärtet, geschlossen,
abgeschlossen. Aber wird der Frieden
uns lehren, dies zu bewahren und da
bei doch wieder ein Teil der Mensch
heit zu sein? Werden wir je wieder
so unbekümmert nnd frei mit unse
ren Sinnen und Herzen die ganze
weite schöne Welt besitzen können?
Manchmal, wenn ich von der tücki
schen, versteckten Böswilligkeit der
Menschen höre, möchte ich verzwei
seln, und mir ist, als ob keine der
Gefahren des Krieges so schrecklich
sein könnte wie diese Gefahr des
Friedens!««
Der Künstler seufzte: »Gefahren
des Friedens... ach ja! Und doch,
wie sehnsüchtig erwarten sie die Men
schen!«
—-.-.-.-—-—
Eine fröhliche Schinugglergrfchichte.
Ueber die böhmische Grenze fährt
eine Bäuerin in die Stadt, um einige
Läuse und Vertaufe zu erledigen.
Sie hat auch die beiden Mädchen mit,
»daniit’s amal an Abwechslun« hani.«
Die Frau sitzt auf dem Kutscherbod
und auf den Rücksitzen haben die
Madeln Platz genommen, um die La
dung Bodenfriichte und zwei junge
Gänse zu bewachen. An der Grenze
tonirnt pflichtschuldigst der Finanzer
heran und fragt, ob sie etwas Ver
zollbares mit sich führten. Die Frau
steht Rede: »Mei, i schaff Kar
toffeln und Krautlöpf in die St-.1dt.«
Der Zollbeamte war nicht miß-i
trauisch, fragte aber weiter: »Flei;«ih,;
lebende Tiere führen Sie net initT
sich?« Die Alte wendet sich langsam
um und deutet auf dir Rückwe, wo
die Töchtern saßen und die Gänse
bewachten: »Ja so, zwoa junge Gäns
hab il« Ueber das griesgrämige Ge
sicht des Finanzers zuckt es. »Seid-I
no allaweit trotz ’nr Krieg so g'sp.sssi
aufg’legti Wann bös« —- er deutet
auf die tichernden Mädchen —- »junge
Gäns san, so ian’s halt der Muaita
nachg’rat’n. Fahrt zuni« Das
Wägelchen setzte sich schleunigst in
Trab, und erst aus einiger Entfer
nung lündet das Schnattern oer
weißen Vögel dem wackeren olli
wächter an, daß infolge eines tsßs
verständnisses zwei wirkliche Gänse
unverzollt die Grenze überschritten
haben.
— Parvenu - Logil. Herr
Bäcker (ein fristhgebackenekhefliei
ferant): »Ich möchte ein Buch iiber'n
»gute-i Ton«.«
»Ist Winter-tier- III-«
L nun-R
Eine sumoreske von Oökar Ungnad. s
s Er soll Dein herr feint« hatte der«
starrer bei ihrer Trauung gesagt.
sLotichen Bandelmann hatte es wohl
gehört, aber sie hatte sich sofort,
Itrotz der feierlichen Stimmung, in
sder sie sich befand, gedacht: «Daraus
wird nichts. Nach meinem Willen
fmuß es auch gehen-« »
s Sie wollte ihren Erich nicht zum
sPantofselhelden herabwürdigen, aber
sdaß er »ihr lherr sein« sollte, allein
»das große Wort führen würde, das
wollte sie auf jeden Fall verhindern.
j»Er soll Dein Herr sein,'« heißt es
yauch in der Operette, fiel ihr ein«
in dieser lustigen Auffassung wollte
sie sich sein «Hausherrntum« gefal
len lassen. Als sie nach all dem Tru
;bel und Jubel der Hochzeitsfeierlichs
leiten nun mit ihrem Erich im trau
slichen Flitterwochenheim beisammen
sfaß, »endlich allein,« machte sie ihm
lmit ihren Entschluß bekannt. »Hm
mal, Schatz, mit dem berühmten »die
Frau soll Untertan sein dem Man
ne« hast Du bei mir kein Glück.
Wenn schon ich nicht will, daß Du
zu allem nur »ja« und »Arnen«
sagst, oder stets nur nidst zu mei
nen Dispositionen, so wirst Du doch
keinen Ton mehr zu rislieren ha
slsen, als ich. Kapiert?'« schloß sie
sschelmisch fragend.
s Und ebenso belustigt antwortete
er: »Also das ist Dein unumstößlis
cher Entschluß? Gutt« Jhm gefiel
das Fünkchen Widerspensngleit an
seiner kleinen Frau. Daher verlor
er weiter kein Wort darüber und
dachte wie feine «siiße« Ehehälfte
»Abwarten!«
Bierzeha Tage idyuiicyek Futter
toochenseligteit waren inzwischen ver
gangen, als Lottchen bemerkte, daß
er ja doch «ihr Herr« war, daß sie
tn jeder Beziehung seinen Willen
tat und nach seinen Maßgaben han
delte, ihn um Rat fragte, und ge
treulich denselben befolgte. «Das
muß anders werdens« sagte fte sich,
»ganz abgesehen davon, daß sie ihm
gegenüber nnenergischer schien, würde
’sie auf diese Weise sich sahst gegen
iiber meineidig werden, denn sie hat
te sich doch geschworen, das Heft nicht
aus der Hand zu geben.« —
Es mußte also etwas geschehen.
»Sie überlegte. Und Frauenlift fin
Tdet schnell Mittel und Wege. Jhr
Hsiel nämlich pliihlich ein, dafz ihr
Gatte, die sogenannten Gramniopho
lne nicht »vertaufen« konnte, ivie er
ssich ausdrückte. Sie ging hin und
lkaufte eins mit 24 möglichst viel
sStandal verursachenden Platten.
Kurz bevor ihr Mann abends aus
idem Bureau tommen mußte, setzte
Este den Lärmapparat in Funttion.
LAls Erich eintrat, rief er entsetzt:
»O weh, was ist denn das siir ein
YSlandal?«
: »J habe mir ein Grammophon
igelaust!« sagte Lottehen energisch,
Lohne sich allerdings eines ungestümen
Klopfen ihres Herzchens erwehren
zu können
Erich erwiderte nur gelassen »Ach
so!«, setzte sich zu Tisch und sprach
wacker dein Mahle zu. Später nahm
er einmal Gelegenheit, sich das »Na
dauinstrurnent« nahe zu besehen,und
nach der Besichtcgnng bemerkte er
sehr ruhig: »Wirllich sehr hübsch!«
Seine Ruhe machte sie fast rasend,j
und in ihrem seidenen Bettchen dach-.
te sie nachher nach über die Berftelq
lungslunst der Männer, und wie un«
glücklich doch die Frauen sind, daßl
sie nie erkennen können, was in ei
nem so schwarzen Männerherzen vor
geht.
Das sollte ihr aber bald klar wer
den. Als der Herr Gemahl sich am
nächsten Mittaq vor seinen wohlge
deckten Tisch hingepflnnzt hatte und
wacker zugriff, erzählte er so ganz
beiläufig: »Ich habe ein Orchestrion
gekauft!«
Messer und Gabel entfielen dem
zarten Frauenhändchen ilirrend auf
den Teller, und fast entgeisterthauchs
te Lotte: »Ein Orcheftrion?«
» a.
»Wer soll denn den Speltakel aug
halten?« fragte sie schüchtern
»Nanu,'« meinte er, sich eine gute
Zigarre ansteckend, »die Leute sinds
doch den Rodau in unserer Wohnung
gewöhnt, auf ein bischen mehr oder
weniger tommt’s nicht nn.«
.Wonn kommt denn das Mon
ftrum?«
»Morgen.«
Und richtig! Am folgenden Tage
»tanzten« zwölf mächtige Trans
portmänner mit einem Riesentnsten
von Orchestrion an, das ge der Weist
sung des KäuferBAFemä in den
Solon plazierten ährend die jun
ge Frau tränenden Auges, einer
Ohnmacht nahe, den »Mottertasten«
wie ein Gespenst anstarrte, empfah
len sich die Teansporteure mit höh-!
nifchem Gruße.
Das war zuviel! Lottchen warf !
sich auf den Divan und weinte bit
terlich. Dann versank sie in stump
fes Brüten. Aus ihrer Lethargied
weckte sie erst ein Schließen an der
Kotridottiir. Jhr Mann kam zum
Abendbrot nach Haus. Sie hatte
noch nicht an den Tisch gedacht. Sie
»flog« in die Küche und half dort
dem dienstbaren Geist das Mahl an
richten. Da plötzlich drangen don
nernde Töne durchs Haus, wie Tit-l
baton und die Posaunen des Welt-l
gerichts klang es zu ihr hinaus, wo:
sie bereit war, ihrem Manne das»
Leibgericht zu bereiten. l
Dieser hatte inzwischen das Or-;
cheftrion aufgezogen, saß fchmunzelnd
davor, mächtige Wattepfropfen in
den Ohren und harrte der Dinge, die
da tommen sollten. Das heißt,
eigentlich harrte er. daß seine tleine
Frau kommen sollte. Und sie kam
auch. Kirfchrot war ihr kleines Ge
sichtchen, als sie sich vor ihn aussteli
lend ausrief: »So geht’s nicht wei
ter, entweder das Orchestrion muß
hinaus, oder...«
Ehe sie aber ihren Sah vollendet
hatte, fuhr Erich schnell fort: »oder
das Grammophon!«
Und es verschwand das — Gram
mophon. Am Tage des Auszuges
des Grammvphons versprach Lott
chen zugleich, nicht mehr solche »Ei
genheiten« an den Tag zu legen. Der
Mensch dentt und... der Zufall
lenkt. Der Zufall erschien hier in
Gestalt einer spinösenPensionsfreuns
din Lottchens. Die »liebe« Ellh, so
hieß die Besucherin, war höchlich er
staunt, in dem eigenwilligsten Fräu
lein der ganzen Pension eine so ge
horfame tleine Hausfrau wieder zu
finden. Lottchen, die ihren Mit
pensionärinnen in ausgelassener
Weise stets versichert hatte, in ihrem
dereinstigen Hause selbst die Hosen
anhaben zu wollen, schien jetzt auf
diesen shmbolifchen Schmuck ganz
verzichten zu wollen· So meinte
Ellh· Durch die Erinnerungen der
»guten" Freundin wurde der jeder
Frau ja eigene Eigensinn wieder ge
weckt, und aufs neue beschloß Lott
chen, die Zügel ihrem Manne zu ent
reißen. Sofort wurde gemeinsam
ein Plan ausgeheckt Erich war kein
Freund des Tennisspiels. er bestritt
die gesundheitsfördernden Bewe
gungsbedingungen des Spiels nicht,
aber seinem ästhetischen Gefühl war
es zuwider, wenn die hübschen Da
men dabei durch die Bewegung und
Erregung in einem so echauffierten
Zustand gerieten, daß sie nichts we
niger als berückend und entzückend
aussahen. Sein Frauchen solle ihren
einfachen bezaubernden Anblick be
halten und deshalb hatte er sie ge
beten, an jenen Sport sich nicht zu
beteiligen. Auf Zureden der Freun
ding schlug Lottchen Erichs Bitte
in den Wind und ging zum Tennis
spielen. Sie hinterließ zuhaufe ein
Briefchen, in dem sie ihrem Gatten
davon Mitteilung machte.
Erich tam, las den Brief,schmun
zelte und pfiff vergnügt vor sich hin.
Er zog seinen Ueberrock nicht erst
aus, sagte dem Mädchen Bescheid,
daß er zum Abeiidbrot nicht lomme,
und verließ wieder das Haus-. Er
suchte einen Freund auf. Diesem
schickte er zu dem bewußten Tennis
platz, damit er Lottchen so ganz
beiläufig »unter Distretion« verra
te, er habe Erich mit einer Dame
im Tiergarten getroffen.
Der Freund übernahm die Mis
sion und richtete sie prompt aus-.
Als Loltchen die Nachricht vernahm,
lachte sie erst, dann fragte sie noch
mal, ob sich der Freund nicht ge
täuscht hätte. Dieser versicherte sie
noch einmal mit aller Bestimmtheit
der Wahrheit seiner Worte undsreu
te sich im Interesse Erichs iiber die
nunmehrige Wirkung seiner Bot
schast. Lottchen ließ Raquet Ra
quet sein, nachdem sie dem letzten
ihn zugetvorsenen Ball einen derar
tigen Schlag gegeben, daß er, falls
nicht die Schtverirast, die Anzie
hungskrast der Mutter Erde und
sonstige physische Gewalten in Be
tracht kämen, wohl ins Unendliche
geflogen wäre, schüttete dann ein
ziemlich dauernd fließendes Bächlein
von Vorwürer über die gute Elly
aus« die an allem schuld sei, und
flog dann selbst wie ein Tennisball
davon. Als sie nachhause tam, hör
te sie von dem Dienstmädchen eine
weitere Bestätigung fiir die »Ehe
irrung« ihres Erich durch die Nach
richt, die er hinterlassen hatte. Sie
saß wie versteinert: schließlich fing
sie wieder an zu lächeln. Es war
ja nicht möglich, daß ihr Erich ihr
so etwas antun könnte. Das wa
ren gewiß alles nur Maßnahmen
seinerseits-, die er ihrem Eigensinn
entgegense te. Und richtig! Troß
jener Na richt, die ihr Gatte hin
terlassen, kam er zum Abend nach
lhause und erzählte mit dem un
schuldigsten Geieht von der Welt,
daß er seinen reund getroffen habe
und mit ihm im Tiergarten spazieren
ge angen sei. Das war ihr ber
stegerste Beweis dafür, baß jene Ver
bächiigung aus dem Tennispiatz ihr
mit Wissen ihres Mannes hinter
bracht war, um sie zu erschrecken
und für ihre Widerspenstigieit zu
strafen. Sie verriet zwar von ihrer
Erkenntnis nichts, nahm sich aber
vor, nunmehr ihrem Erich keinen
bGrunb mehr zum Aergernis zu get
en.
Schwachheit, dein Name ist Weib.
Einige Monate hatte sie ihrem Ge
lübde getreu jede Widerspenstigieit
unterdrückt. Da kam aber die gute
Freundin wieder ins Haus, und ba
mit waren abermals die guten Vor
siitze Lottchens zum Fenster hinaus.
Zu jener Zeit hatte Erich mit seiner
kleinen Frau gerade eine Reise zu
einer Familiensestlichieit nach Thü
ringen zu machen. Bis kurz vor
einem ihnen beiden bekannten Tun
nel war bie Reise in bester Stim
mung und Eintracht von statten ge
gangen. Da kamen sie auf besagten
Junnel zu sprechen und dieses zin
Ichuroige Oauwerr wurde oirerreurs
sache zu einem neuen Ausbruch der
Widerspenskigkeit bei Lottchen. Sie
wollte ihre Selbständigkeit und
Angstlosigieit beweisen, indem sie den
sicheren Eckplatz neben ihrem Gatten
mit einem Platze auf der Bank ge
genüber vertauschte, auf der an der
anderen Fensterseite noch ein Herr
saß, der nicht gerade einen schönen
JEindruct machte.
« Der Zug fuhr in den Tunnel ein.
Als es ganz dunkel geworden war,
stand Erich behutsam auf, trat vor
Hsichirg zu seiner Frau heran und
küßte sie. Lottchen stieß einen halb
irznterdrückten Schrei aus, und Erich
jsetzte sich schnell. Als der Zug wie
1der ans Tageslicht kam und sofort
daraus in die Station einfuhr, stieg
Iman aus· Dabei fragte Erich in
ruhigstern Tone: »Warum schriest Du
»denn plötzlich so halblaut auf,Schat
zel?'«
»Na, Du hast mich doch geküßi!«
»Ist mir garnicht eingefallen,«
gab Erich ernsthaft zurück.
»Was," rief Lottchen nun, »Du
warst es nicht?«, und dabei suchte sie
mit der Hand, mit den Handschuhen,
dem Taschentuch und was sie sonst
zum Wischen zur Hand kriegen konn
te, ihren süßen Rosenmund von
einem ekelhasten Etwas zu befreien,
das ihr Schaudern und Unbehagen
bereitete, und sagte schließlich: ,,Aex,
kann hat mich ja der ekelhafte Kerl,
der in der anderen Ecke saß, geküßt!«
Und sie wischte und wischte ihr blü
hendes Lippenpaar.
Erich aber sagte indessen schein
bar sehr erregt: »Na, hör mal, Lot
te, wenn Du jetzt gar solche Sachen
anfängst . . .«
Ehe er aber vollenden oder gar
noch weitere Vorwürfe machen konn
te, hing sie schon vor allen Leuten
an seinem Halse, küßte ihn weidlich
ab und flehte: »Nein, lieber Erich,
sei versichert, ich bin kuriert. Du
sollst von nun an ein artiges, ge
horsames Frauchen haben!«
Und sie hat dauernd Wort gehal
ten. Merkwürdigerweise!
Wie du mir, so ich dir.
Jn der Landsturtn-Zeitung von
Vuuziers findet sich folgendes Ge
schichtchem »Bei Seoan. Staubige
L.1ndstr.1ß-.. Sengende Hitze. Ober
ieutnant u. Sp., ein Schwabe, hat
auf dem Mensche verdächtige Zivilii
sten erg«iffen und verhört sie in ver
nächsten Muitie Devot bringt der
Maike dem Offizjet em Glas Wein,
Das dieser unbedacht auf einen Zug
hinunterstiiczn Teufel, das war
Gift! ostn hdlljfches Feuer in per
Kehle und im Magen. Pistole her
aus: »Um, wag hast du mir vorge
setztc" »Ah, bedauerliches Betsehem
aber kein ixsij:, nein, nein, nur Es
I:g.« »Er — o —- o —? Flasche
her! Ganz richtig, ,,oin«1igre de su
sude«· Ob nicht Doch Gift? Na,
besser ist besser, warte, incm Freund,
ein zweites Mal keimfc Du einen deut
schen Offizxer mit deinem Essig je
Denfalls sucht mehr." Mit raschem
JGrisf nimmt Der Oberleutnant aus
»dem W.utdicl;r.mk Ikej folioe Wasser
,glc.«ser, keck nette Häsnpclzcm füllt si
Jbig zqu Rande mit dem Lösttichcn
Mika stellt sie vor den Maire und
»Der Eini..d;l;eit halber auch vor me
Hdeiden Juki-warm Daraus mit et
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Wappdich, warm, wie denn schönsten
Läcekjunzetx die schmerzlichen Drei
Gläser Essig hnnmtecgestiirzt Drei
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Zimmer umher und haben seitdem ei
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