Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, August 24, 1916, Sonntagsblatt, Image 11
pas Ieetst der sagte-. Von E lic Krasst Se war no.tz im S.l-·Iaizimmer, itlE das Acad-ten Våe Morgenpeft brachte Die Fenstervorhänge zog es zuruck tia legte die drei Briefe aut die tei deae Bettveete der alten Dame. hastig griiiert die reißen, gepfleg ten Finger nach dem knisternden Pa pter. Eine Gelchiiftsasserte eine Abneh nung rer Bunt, und der blaßtslaae schmase Umfetlag mit den kräftigen, großen, lateinischen B.«a,itaben war von Dante Etnilie, von der Schweige rin, die ihre Einlade zum Oster feste wiederholte . . . sicher. «Meiter nicht5?« tragte sie ent täuscht «Rein, für gnädig-e Frau nicht!« sagte das Mädchen xnit einem Lä cheln. über das sich tie alte Dame ärgerte. »Der Felv.·osibriei vom Deren Leutnant war fiir die junge gnädige Frau . . . ich bade ihn schon auf die Veranda getragen. die junge, gnädige Frau war schon ganz irah heute morgen im Garten und im Wal de vriiben.« Die alte Dame saß plötzlich in ih ren Kissen, steif und aufrecht. »Und an mich nichts .. . haben Sie auch die Adresse richtig geleien... Marsei« Da- Miibchen lächelte «Selbftverftänolich, gttiidige Freisi« »Was-en Sie doch nicht immer wenn ich mit Jhnen tprechel" regte sich die verwitwete Frau Major v. Planet auf. »Und gehen Sie... ich werde allein fertig . . liegt mein blauer Margenrock das« »Jawohi, gnadige maul Das junge Gesicht verbarg sich nun Beugie sich über den teilen Wolllrepp, die Hände zupsten ein paar der ge drückten, schwarzen Spitzen glatt und schoben die Morgenfchuhe näher an das Vett. Dann llarspte die Tür, es wurde wieder still im Zimmer, und nur die Sonne blieb und glaiizte, und von den Fenstern zirpten uiid lärmten laut die Vögel. Die alte Dame wartete. Lauschte mit voraebeugtem Kons. Es lam niemand. Und zehn Mi nuten waren es nun wohl her, daß die Postbotiri dagewesin und einen Brief von ihrem Sohne gebracht hat te. Nach achttiigigem Schweigen... und dieser Brief war nicht sür sie ....niir diesem langersehnten Brie se ging die Schwiegertochter setzt wohl egoistisch im Garten aus und ab und dachte gar nicht an ihr lrampshastes Warten hier oben. Jegt tand die Frau Masse aus beiden Füßen vor dem Bett uns zog sich an. Flüchtig, siehe-hast. Die sonst so Eigene vergaß das Waschen und das stammen, hatte lag Morgenll2id an und lief durch die Tür, die Trep pe der Van hinab uno aus die Glan oeranda vor dem g:rßen, schönen, blühenden Garten des Berliner Vor orts. Da stand der Katseetisch gedeckt und unberührt. Und die Garteiiwe« ge waren auch leer, die von der Frühlingssonne in ein gelbes, war mes Licht getaucht worden« «An:ieliese!« ries die alte Dame er regt in die Morgenstille hinein. Und noch einmal lauter, ärgerlichen »An nelieie!« Keine Antwort. Nur von weit drüben, wo neben der Tannenschonung die dicken Fliederbtische begannen, die alten, tnorrigen, die Helmuto Groß vater gepflanzt, der 1870-—71 niit hindenburg bei Sedan geliimpst, schimmerte es wie eine helle Jacke-» dies weiße Strictjacke wohl von Anne lie e. Die alte Dame riet noch einmal, mit schnellen, lleineii Schritten dem grünen Winkel ustrelscnd. Bis sie vor der jungen pyrau s«anb. die dein " Sohne vor zehn Monaten, ehe er in den Krieg hinauszog iinen Tag nach der raschen, stillen Trauung gehört hatte. Unglaublich schmal und schlant war sie doch! Nie recht begreifen konnte die Frau Major diese Liebe ihres Jungen, diesen Geschmack.». nicht mal ein Soldatenlind...die Tochter eines wunderlichen Gelehrten, der ein Jahr nach dem Tode seiner ·Frau selber plötzlich am Herzschlag starb . . . kurz nachdem sich helmut mit Anneliese verlobt hatte. »Ja, wo steckst du denn? Hast du mich denn nicht rufen gehört?« sragte die Frau Major ganz atemlos uiid laut. »Warum lommst«du denn nicht gsort heraus zu mir, wenn du einen rief don Helmut hasti« Die junge Frau sah ganz heiß und vetwkrrt aus. Es war, als müßte sie sich erst besinnen. wer vor Ihr stand und mit ihr sprach. Ein Lä cheln trar um den fesnen Mund und Tränen in den Aue-en. Und vie Hände preßte sie gegen die Brust und gegen den Feldpostbeies, mit dem sie in das Bliihen und Werden gelaufen war, Jassungslos vor Glück, vor so viel Glück, das nicht so leicht zu be wältigen war . . . «Verzeih . . . ich glaube, du schliesst noch, Mama . . .und. ., nnd es kam so unerwartet nach dem langen Ban gen und Gtömen . . . man glauth nicht sosort, daß er morgen schon hier sein fann...dnsz vielleicht schon in der nächsten Stunde Jas Telegramm lommt in dem er« Sie schwieg mlften im Satz« so heftig datte die Schwiegermutter nach dein Brief gegriffen. »Und das sagst du ietzt erft . . . das. .ader fo laß d:ch los! . . . . Der Brief iit doch sicher auch für mich bestimmt, wie meift . . . ja, mein Gott....und Itarfreätag ift heute ...r:ian kriegt nichie zu kaufen, und der Junge kommt . . Aber fo laß doch last Was foll denn das fchon wieder heißen?« Die junge Frau lisß nicht lot. Jn kindlichem Trotz hielt sie das erknik terte Papier über des Brust eft. »Es fleht wirklich nicht viel darin ;...Mama...nur . . . nur daß wir warten follen auf dat- Telegramni. und er hätte Ofterurtaub, in fiinf Tagen könnt’ er hier fein, vielleicht fechs irenn die Verbindung gut tlappt .dee Brief ift wirklich nur fiir mich. .verfteh' das doch . . . Ma l· i Die alte Dame verstand nicht. Sie regte tirh furchtbar auf. )J » Jch ioerde dich nicht zwingen, wenn ldu mir ihn iiicht freiwillig zum Lesi lfeii aibft Geheimnis e hat doch meini IJunge nicht vor mir .hat er nief lgehadk. . er war immer ein gusi ter, zärtlicher Sohn, der seine Mut ter siber alles stellte. Daß ich das mit dir teilen mußte, war doch Ichirer genug, das weißt du . . aber wenn du teilen follft, heißt ed gleich nein . . . und: »Das kann ich nicht fa geii« . . . und läufst mit deinen Briefen im Walde herum, als hattest du Anafi vor mir Hädfch oder kind lich ifi das nicht« Das Lächeln war ietzt ganz fort im Gesicht der jung-n Frau. tltur die Tränen blieben Und als hätte Idie alte Dame recht —- eine Art Furcht war in den dunklen Augen » »Ich bitte dich. Mama . . ich weiß ja felder nicht. wie mich das oft fo uberkoinnit, um nur allein zu fein mit Helmuts Briefens Jch will dir mich damit nicht saeh tun. Und heute . heute friio . . . als alle lTore ploylech aufspekngem die seyn "Monate geschlossen waren . . . als Iich bar-an dachte, morgen schon ist er »hier . . . und Ostern ist . . . und Frühling . . . und alle Angst fort . . alle Not, Sehnsucht . . . ach, Mama!« Die jungen Arme strecken sich aus, haltlos, verlangend. »Da, lies, nein, Geheimnisse ba ben wir wohl nicht, nur« —- sie stockte jäh. Sie hatte wirklich ge kglaubh jeyt am Herzen seiner Mut ter sich aus-weinen zu dürfen, allen Schmerz, alle Lust. Aber die alte Dame griff nur nach dem Brief. «Mau5«, las sie, »goldene, gelieb te Maus, ich hab' Urlaub! Ostern bin ich iei dir, vielleicht volle filnf Ta ge, wenn alles gut geht! Und ich le be, und du lebst, und wenn das Te legramni kommt, bin ich schon un terwegs zu dir, dent kral an, Maus-! Grüße unsere alte Tante und sage ihr, sie mischte sich mal dreißig Jah re zuriieidenien, dann weiß sie, wie uns zumute istl . . . Velmut.« Die beiden Frauen sahen sich un sicher an . . . Doch die Dand der Aelteren reichte das Briefblatt wieder ruhig zurück ,Na siehst du, . . . was ist denn dabei so ängstlich zu verstecken? Du hast wohl ein böses sewissem Kind? . . . Wer weiß, was du ihm in dei nen endlosen und vielen Briefen bor getlagt hast, daß er so von mir schreibtt Und tennt mich doch bes ser als du . . . ja, sichert Komm mal her, glaubst du nicht, daß ich mich mindestens ebenso freue wie du2'« Die Stimme der alten Dame zit terte nun doch etwas. Und die Ar me streaten sich der jungen Gestalt entgegen, die schon wieder ganz start kschlclh »Das sollen herrliche Lage werden siir uns! Ein Essen soll der arme Junge zum Empfang triegen —- du sollst staunen, Anneliesel Und am er sten Feiertag muß Tante Adele kom men. . und am zneiten sahren wir zu Oberst v. tlamsste T- der alte Ferr wird ausleben, wenn er den unget: so deloriert und gesund wie der vor sich steyt — und am dritten IFeiertag muß Tante tsmilie kommen, sich schreibe ab —- ste toollte durchaus, daß ich morgen zu ihr sahte — und zu« Fest bei ihr die-de. Heute tam schon der dritte Brief deswegen, ja! Und was ich noch sagen wollte, sKind — Helmut wird auch zu den sarmen Lüders ins Lazarett sahren wollen —- und bei Frau General Schmidt muß er einen stondolenzbes ssuch machen —- aber da sahre lieber nicht mit hin —- du weißt doch, coe gen der Rosemarie, die sich soviel JHossnung aus Helmut gemacht.« s »Ja —'« sliisterte die junge Frau mit herabgesunkenen Armen. Jhre Finger trampsten sich um des Lieb sten Brief. Das —- nein, das wür de doch auch er nicht wollen —- so viel hinausgehen - soviel Besuch ha ben m dieser kargen, tnrzen Urlaubs zeit — das — das ging doch gar nicht —- pslegen wollte sie ihn doch, ruhen sollte er doch nach allem Sturm und Kampf da draußen —- es war doch Krieg, da sind doch gesellschaft liche Pflichten so gleichgültig — oa wußte doch trotzdem einer vom an dern, daß alle zusammengehörten, das gleiche fühlten. Aber sie wagte nicht. ihre Gedanken »in Worte zu kleiden. Langsarn ging e der .geschästig uno froh Voran chkeitenden zum Hause uno zum Jriedstiickötisch nach. Die himmelhohe Seiigleit der leh-· ten halben Stunde wollte sich gar nicht mehr so leuchtend und berau schenb zeigen —" seltsaml Und sie hat te doch so dankbar, so ielig sein müs sen: Und immer no mehr versuchen, Demut-Z Mutter näher-zukommen m kindlicher Liebe, bie soviel fiir sie ge tan. Die nach soviel Sträuben es damals zugegeben, day sich der einzi ge, oerwöhnte Sohn die arme Pro fessoeentoehter nahm, die weder Baker und Mutter hattet-nd nun boch hier in becn wunderschönen Hause thrl Heini gesunden, nacht-ern der Braut-J tran gebliiht — und nach der sur-; gen erlobungbzeit die rasche Kriegs-» trauung kam, nach iser Helmut so« stürrnisch begehrt, ehe er hinauszog ins Feld Die junge Frau niptste an ber Kas feetasse, uno bas Fruysiiiclsbrot blieb unberührt. »Morgen,« dachte sie erschauernb, »morgen.« Sie hörte gar nicht, wag die alte Dame sprach. Wie iqu weiter Fer ne drang die freudig erregte Stimme an ihr Ohr. Sie hatte auch nicht gewußt, was sie sagen sollte. Es brannte in ihrem Herzen, es flammte vor ihren Blicken, das Zwitschern der sVögel und seines-, oiinnes Glocken lliiuten wurde zu brausenden Akkor lben; so, nein, so war ihr ja nicht einmal zumute gewesen an ihrem Hochzeitktagy so cerstehend alles Glück und so der Drang, geben zu können an Liebe fessellos, ohne En oe und Wahl — Annenese schlosz die Augen vor oen vielen süßen Bildern, die sich in ihre Seele drängen wollten. Nach zehn Monate langer Tren nung iriirde sie Helmut wiederhaben, in wenigen Stunden schon, spätestens morgen, am Oftersounabend. Wo blieb der Krieg und sein Grausen heute? Wo Angst und Noti «Jch glaube, du hörst gar nicht hin, wenn ich spreche,« sagt( da hinein die alte Dame, indem sie aufstund und dem Mädchen klingelte. »Ich verste he deine Art wirtlich nicht! Wie tann man nur so still und stumm dasitzen, wenn uns soviel bevorsteht? Es ist ein Glück, daß ich noch da bin! Für den Jungen sorgen kann! Die Mad chen haben natürlich beide keinen Ausgchtag in den Feiertagen. Und Wein muß sofort telephonisch be stellt werden, Bier, Fleisch und Tor ten. Am liebsten würde ich noch selbst etwas backen; mein Gott, An neliese, rühr’ dich doch ein bissel; oben in eurem Zimmer muß doch noch getrennt werden — und alles hergerichtet.« »Was denn?« wollte die junge Frau fragen. »Es ist doch immer alles bereit in mir zu meines Liebsten Heitnlehr. Nur Blumen muß ich noch holen, sehr viele Blumen, sür alle Winkel, und meine weißen Kleider hervorsuchen, und die Mädchen tön nen doch ruhig ausgehen, es wäre umso stiller und schöner im Hause nach dem Schlachtennirm da drau ßen, und lein Mensch darf wissen, daß Helmut hier ist, «einer.« Jetzt schreckte Annriiese doch hoch aus ihrer Versunlenh: t. Wie Flam men schlug es über die zarten, schma len Wangen. Was hatte sie denn da eben gedacht, geträumt ganz ego:'sti sche Wünsche —- nieniand war plötz lich ans der Welt gewesen als Helmut und sie, wahrhaftig! Sie beide ganz allein hier in dem einiomen, blühen den Erdenwinkel am Frühlings- und Osterwalde. Selbst seine Mutter nicht. Ganz scheu und schuldbewuszt blickte die junge Frau hoch, direlt in das Gesicht der alten Dame, der Her tin über dieses Haus. aVerzeih, Maina, ich komme sofort! — Schon als kleines Mädel war ich dumm und stumm, wenn so eine gro ße, große Freude konn. Es geschah nicht ost, und so groß wie heute war sie wohl nie —- und — und sei auch, bitte, nicht mehr bös-, daß ich heute nicht sofort mit dem Brief zu dir her auslam, ich denl’ ja jetzt immer noch, ich träume-" Die alte Dame nahm die ausge streckte Hand und schien etwas ver wirkt von der unerwartet weichen Bitte. »Ist schon gut," sagte ste. Sie er innerte sich. daß ste noch unfristert war, und lief erschroaen die Trepoe zu ihrem Zimmer hinauf· Den Tag über lramte, räumte, be stellte sie und ordnet: an. Und als am Abend das erwartete Telegramm eintraf, das des Sohnes Ankunft für eine frühe Mcsrgenstunde des nächsten Tages liindete, behielt ste es erst eine ganze Weile bei sich, in ih rem schönen, von rotem Abendlicht durchflessenen Zimmer, ehe ste An nelic«se, die noch im Garten war, zu stch rufen ließ. Die junge Frau stand mit gefeal ieten händen und ganz bangen, welt fremden Augen« »Es ist beinahe zuviel des Segens. Mama; wenn man dagegen an ande re Frauen denkt, denen stch nie wie der so viel Türen zum Seligsein auf schließen«, sagte sie fliisternd. Jm nächsten Augenblick war ste schon wieder draußen, und die Frau Major hörte die leichten Schritte wie fliehend auf der Treppe, die zu den oberen Räumen der Villa führte. Nur das tote Adern-licht war nich itn Zimmer. Seine letzten Funken tagen gerade auf den beiden Solon-; tenbiloern auf ihrem Schreibtiich. Mann und Sohn. Der eine, oen ihr der Tod zu früh genommen, uns hellt-lauen Drommeer der anderes in Ieldgrau. Beide schmückte dass-! Eises-ne Kreuz Die Frau Major saß vor dem ai-» ten Schreibtisch, ganz in sich versun-; en. - Es wurde dunkler draußen. Das Licht schwand, und durch das offe ne Fenster drang Blütenduft, genau so statt wie damals ver dreißig Jah ren, als zu Ostern Schon die Kirsch diiume im weißen Kle de standen und die Tannen schimmerten, die den Garten begrenzten. Wie kam der Junge nur darauf, jdaä zu schreiben, was ihr den ganzen iTag nicht mehr aus den Kopf woll lie! «Grüße unsere nie Dame und Zuge ihr, daß sie sich mal dreißig ahre zurückdenien mde. dann weiß fie, wie uns beiden oumute ist.« ) »Unsere alte Dame-· Die Frau Major hatte plötzlich den Kopf auf die Mahagi-nipiatte gelegt, Idicht ver die beiden Soldatenbilder. An das junge, junge Frauengesicht dachte ste, das so thrnal und zart und leidvoll ausgefehen in den letz ten zehn Monaten, und in dem es heute gezuctt und gebrannt hatte oon hundert Flammen de: Erwartung und Erfüllung aller Lelsensroiiniche der Jugend und Liebe. Warum hat te sie das nicht sofort empfunden und das zitternde, haitlofe Feind an ihr Herz genommen ohne Wort und Vor wurf. nur derftehend die Frau zur Frau, die Mutter zur Tochter? Ja, warum nicht? Jetzt hob die Frau Maer doch den grauen Kopf mit der: zierlich und sorgt-ans gewtckelten Wachen. Jhr Blick wanderte vom ddilr des Man nes zu dem des Sohnes. ,,Junge," fagte ic« »haft recht, wenn du die alte Mama mal ein dis chen auf sich felbft befinnen läßt, haft recht, Junge. Wir Mutter vergef fen im eigenen Glück triel zu oft das Zurückwandern in junge Tage und Empfindungen Und es ift doch ein fo guter Weg, Kinder recht zu ver ftehen.« Jetzt war die Sonne ganz fort. Jn der Dunkelheit ging eine Tür-, tamen Schritte auf isie reglose, ein-« fame Frau zu. »Morgen, Mai-krachen ach, morgen —- sagte eine junge Stimme dicht an ihrem Ohr. Und zwst '«.«lrme fuchten 'nach ihr und fanden —- — — Und der Morgen kam. Die beiden Frauen ftanden auf dem Bahnfteig der giofzen Halle und wagten sich nicht ge.3eufeitig in die Augen zu fehen. Anneliefe hatte Blumen in der Hand. Mandetdliiten taufrifch, wie fie heute früh im Garten standen. Von denen fielen die winzigen, rosen roten Blättchen eins nach dem andern an den zuckenden Frauenhänden her unter. Die Frau Major hatte leere Hän de. — Und es war gilt, daß niemand fah, wie diefe Händ-. sich bemühten, ftill zu bleiben, ganz ruhig um die Schnur des schwarzer Seidenbeutels gelegt, in dem das Bild von Hel muts Vater lag, due sie für zwei oder auch drei Tage mitnehmen woll te in ein fremdes Haus. Sie hatte dann mehr Halt, und der Mund würde immer da fein und sprechen: »Weißt du noch?« Jn die Wartenden auf dem Bahn fteig kam Leben. Jen irgendwo — da hinten bei den hoIsen Pfeilern und Häufern brauste es, heran — stamp fend, qualmend, der Zug vom We ften her. Anneliefe ftand ganz bewegungs los, beide hände um die blätternoen Blumen. Die Frau Majvr Ich in das jun ge Gesicht, das nur Argen hatte für den einfachen Zug, und es lam wie ein Lächeln in ihren nassen Blick Jiii einem Male begriff sie, was ihren vertvöhnten Jan-gen zu dieser stillen, feinen LlJiädchsnblume gezogen Und zum erstenmal war sie dem Ge fchicl dankbar dafür, daß ihr wilder tapferer Bub fo ein Ziel gefunden Der Zug fuhr cin. Aus feinen Tü ren und Fenstern winkte, lachte, fang es. So viel Feldgmue, die in den wohlverdienten Osten-rian heimfuh ren. So viele . . . Bei den Frciuenpuerfchtvann alles in einem einzigen Durcheinander. Sie sahen nicht mehr — hi.srten nur noch das Rufen, Lachen, Größen Bis die Frau Majsr Plötzlich auf fchrie: «Junge!« und blindlingg zus griff. Wirklich, für einen Augenblick hielt sie als erste ihr Kind am Herzen Gesund, braungebramit, mager und schmal geworden, aber er lebte. Und fv ernst, gar nicht jung sah er aus, fv bitter ernft die heilen Augen un ter dem blonden Haar. Mit einem Ruck riß er sich los, lraftvvll, riefenftarl, nnd hielt sein junges Weib im Arm, das wie verlo ren dageftanden in dem Gewühl. «Maud —- gvldene —« Die Mutter war vergessen. Sie lächelte aber trotzdem, immer in die fließenden Tränen hinein. Die beiden jungen Köpfe sah sie, den hel len und den dunklen, und ihr schö nes, altes Haus mit den vielen Lenz blüten und ver Waldeintarntett rings um. Nun schritt man den Ausgang qu Der Junge hielt Zlnnelkesee Hand starrte unentwegt in das zarte Frau engesicht in dem eine Schönheit war, als ob leibhast der Frühling barinj untergetaucht. · Und nun, kurz vor dem wartenren! Auto, in dein die Damen zum Bahn-l hos gefahren, drehte er sich um undi sah die Mutter an. s »Ich glaube, das habe ich dir aucht zu danken, daß die Anneliese sa bliiht, « sagte er erschü. tert. Die Frau Majar schüttelte .den Kons. Jhr Lächeln war noch im mer da. Und ihre Hand hob sich und strich rasch, beinahe verschätnt über den grauen Aexmel des Kriegs mantels. Er hielt die Hand fest, streichelte sie ohne ein Wort. Uno da sagte die Frau Major ganz laut und start: »Ja, Kinder, ihr müßt mir aberz nun nicht böse sein Das-. ich noch nicht mit euch hinaussnhre nach Wann see. Tante Emilie sst lrani, sie er wartet mich heute morgen. Du, du bleibst ja fiins Tage hier, Junge,l nicht wahr? Da könnt ihr doch den ersten, oder vielleicht auch den zwei ten ncch ruhig erst mal ohne mich auslommen, denle ich.' l »Er s Tage bleibe ich, vielleicht sie ben,« agte der junge Ofsizier, und hielt plötzlich die Mutter im Arm. »Ist das auch nicht Fahnenflucht Mutter?« Sie schüttelte den Kopf. l »Ich glaube das Gegenteil, mein Junge« I Die junge Frau widerstrebte. Ganz( sassungelos und blu: übergossen stand! sie vor dem Auto u»d vrangte ge gen die alte Dame an »Mama, du mußt mit uns ton men. Jch verstehe das nicht, Ma ma.« Aber die Frau Major drängte selbst ihre Kinder in vie ossene Wa- i gentiir. ; »Ich habe dich ja nun erst mal ge-: sehen, ge übli, Junge! Und ich bin io froh. hr wißt das vielleicht ninjt, wie srth Seids auch zusammen Am ersten oder zio;.ten Osterseieri tage iomme ich, da haben wir noch viel Zeit zum Plaudern, meint ihr nichts« Das junge Paar hielte überzeugt Hielt sich schon wieder bei den Hän den und ließ sich von der alten Da me in das Auto dran-zin. . Um den ernsten Mund des Krie gerö aber tam ein Lachen, Leuchten, Begreisen. »Na, dann aus Wiedersehen, du prachtvolle, alte Danie." »Aus Wiedersehen!« Das Auto suhr, und die Frau Ma jor blieb noch ein ganzes Weilchen stehen und sah ihm nach, ehe sie sich ein eigenes suchte, um zu der Schwe ster in die stille Tiergartenstraße zu fahren Augen hatte sie, als wäre sie wirt lich um dreißig Jahre junger. —..-.-— Der Idiot. Jm Fischerdörschen Flundernort haben sie einen Jdioten. Jm Som mer wird Flundernort als Seebad besucht, und für die in recht statt licher Anzahl sich einsindenden Bade giiste ist der Jdiot ein Gegenstand großen Interesses. Er liebt es, blöd sinnig aus die See zu starren und sich dabei anstauncn zu lassen. Spre chen tann er ganz gut, aber natür lich gibt er immer verkehrte Antwor ten; das liegt nun einmal so in rer besonderen Beschaffenheit der Jdio ten. Am meisten Reiz aber gewährt ein Spiel mit ihm, dessen die Bade gäste nie miide werden. Man hält ihm zwei Geldstücke hin: ein Mart stück und ein solches von zehn Mart Und jedesmal nimmt der Jdiot beide in die Hand, dreht sie, sieht sie ganz genau an, legt schließlich die Krone aus das Martstück, findet, daß das Goldstück bedeutend kleiner ist, und steckt schließlich die Mark mit blöd sinnigen Grinsen ein, während er das Zehnmarkstiick dem Eigentümer widerstandglos wieder einhändigt. Das macht natürlich Svafi, und an manchen Tagen, besonders wenn neue Badegäste angekommen sind, kann der Jdiot bis zu einem Dutzend Markstiicke in die Tasche stecken. Neulich saß ich mit dem- Gemein devorsteher von Flundernort bei ei nem Glase Bier zusammen. Jch brachte das Gespräch auf den Dorf idioten. »Wissen Sie,« meinte ich, ,,eigentlich ist es doch merkwürdig daß er immer die Mart nimmt, auch wenn sie noch so abgegrifsen und un scheinbar ist. Man kann ja ver stehen, daß ihn das größere Geldstück reizt, aber andererseits sollte man doch auch meinen, daß er eher am Blinken und Glänzen des Goldes Freude haben müßte.« Da sah mich der Herr Gemeinde vorsteher sehr überlegen an, als ob ich eine große Dummheit gesagt hätte. »Na, wissen Sie,« antwor tete er, ,,da müßte ja unser Jdiot schassdämlich sein, wenn er das auch nur« einmal machte; kein Mensch würde ihm mehr eine Mart geben« III-che- Iek III-« Skizze vor Franz Lüdtfr. Der Feldgeistliche schritt durch M anmett, helfend, tröstend, segnend. Er tmn auch dahin, wo vie Schaden verwundeten lagen, deren Leten ins Flächer war. Da winkte ihm einer, schon zum letzten Gange gezeichnet. »Es geht zu Ende, Hochwiikden,«« flüstme er. »Aber lem tatholjscket Priester ist hier. Jch bitte, hören Sie mich —- ich muß beichtm — ganz kutz’». Er war mein bester Jugendsreund Auf dem Gymnasrum nannren sie ihn Läuschen, denn er hieß Wlabiolaus mit Bornamen, Hochwürden -—. und Lehrer und Mitschüler verspotteten ihn oft. —- Er schrieb schlecht und knickte die langen Buchstaben so merk würdig scharf ein, so etwa. — Auch wußte er in der Physit nicht« ob die schiefe Ebene nach unten oder nach oben führe. Darauf fiel er immer hinein, obwohl der Professor zu Ihm zu sagen pflegte: Mäuschen die schiefe Ebene lanu nach oben, sie kann aber, auch nach unten führen! —- Aus Obertertia ging er ab, und ich hörte lange nichts von ihm. Jch wurde Postbeamter und war, obwohl ich Zbigniew Motrinski hieß, ein guter Deutscher. Glauben Sie es mir« Hochwürden! Da kam der Krieg. aber meine akte Mutter wollte nicht, dafz ich freiwil-. lig eintrat. So blieb ich auf dens Amt. Jm Herbst erschienen die Rus sen in unserer Nähe und gruben sich ein. — Wir hatten Postsperre, und ich mußte die eingelieserten Sachen durchsehen helfen. Da fiel mir immer wieder eine Handschrift mit so selt sam eingetniclien Buchstaben auf, und, Hochwürden, ich erkannte sie: Läuschen war am Orte. Aber was er schrieb, Hochwürden! Es klang ganz harmlos, immer an einen Besit zer in der Nachbarschaft. Da stand zum Beispiel: Alexander ist scholt gesund, Josef noch nicht, wird es abes in den nächsten Tagen werden, undY die Stanislawa sei eben erkrankt. Auch seien tausend Zentner Kartoffeln angekommen und so ähnlich mehr. Hochwürden, zuerst erschienen mir diese srch dauernd wiederholendm Meldungen als dummes Zeug· doelj schließlich mußte man es ia mertenz Läuechen war Spion! —- Die Na-. men bedeuteten Strecken im Geländeq die ariniert wurden, und die Zahlen waren Berstäriungen oder Regimen ter. —- Jesus Maria, was sollte ich tun! Jch hatte ihn anzuzeigen das war klar, aber Löuschen war mein bester Freund und hatte mich einmal aus dem Wasser gezogen, wie ich als Junge im Eis eingebrochen war. Wäre ich nur ertrunken, hochwiirdie ger Herr, denn nun wußte ich nicht, was tun! Es war eine schreckliche Zeit für mich. — Da suchte ich Läuschen auf! — Jch fand ihn in einer Gast wirtschaft, doch wie: Heruntergeloms men, schlecht, ganz schlecht· Jch sagte ihm alles auf den Kopf, und er gab. es zu. Aber dabei verhöhnte er mich daß ich eine deutsche Uniform trüge« ein Nimiec, ein preußischer Hunger-. leider sei. Er llapperte mit dem Juq dasgeld in der Tasche. Jch warnt ihn, ich bat ihn. Er lachte mich ausck doch dann erzählte er von seinem sverpsuschten Leben, und daß dtIA Jschiefe Ebene ihn nach unten geführlt hätte. Aber sie tönne auch wieder nnd loka führen! Jch drohte ihm mit einen tAnzeiga da lachte er wieder uns lschrie: Deinen Lebensretter. deinens sFreund —- tu's, psiatrewt Da konnt sich’s nicht· Jch marterte mich, aßs nicht, schlief nicht. Bis eines Abendst —- da tain das Entsetzliche, die deut sche Stellung wurde überfallen, und! es wurde laut gesagt: nur durch Spi-. onage sei das möglich gewesen. Dankt wurden die Toten, die Verwundeten durch das Städtchen gefahren! Was lich da ausgestanden habe, Hochwür ,den, ich schrecke noch jetzt in meiner letzten Stunde zusammen, wenn ichj daran denke. — Jch lam mir wi der Verräter, der Mörder vor! Ant selben Tage war Läuschen verschwunq den. Und dann —- dann brachten siq einen zu uns, zu meiner alten Mut ter ins Haus, der schrie Tag und Nacht, ehe er starb. Ein junger Oftl fizier, Bauchschuß. Jch hatte ihn ge mordet, Hochwürden! Da wollte ich« mich erhängen, aber, gelobt sei Je-. sus Christus!, ich besann mich! Jckj wurde Soldat, um zu sühnen . .. mei-. ne entsetzliche Schuld! Und Gottt jschentte mir Gnade — ich konnt liimpfen und darf jetzt sterben, hoch-» würdiger Herr, sterben fürs Vater-« land — und ein bißchen sühnen —·· ein llein bißchen sühnen —- -—." Ein Blutsturz endete seine Beichte« sein Leben. s Der Feldgeistliche drüctte ihm die« iAugen zu und segnete auch diesen Toten. Gefühnt . .. .-.-—— —- Doch etto a g. Schauspielerq »,,Jch bin unter ausgezeichneten Bedqu igungen an das Theater in X. enga i irrt. Gage bekomme ich ja aller ; ingg vorerst teine, aber der Direttor hat mir tontrattlich versprochen, das er mich in den ersten sechs Wochen nicht animian —