Somäagiblatt de Staaks III-Zeiger und Merold ,R;b Dsu TexkstAth Uti- heute-de seist. Eine Fiichqcschichie von Gram Lus Es gab in unserm schweizer Kur-s haus jedesmal einen kleinen AuslansJ tdenn Herr Nikolaus Grantiger, gess nanni der Obethetkieböinspeltor, zum Fischen auszog Wie herr Grantis get zu diesem vertrauenertveclenden Zunamen »der Oberbetriebsinsdettor« gekommen, isi nicht ohne weiteres llar. Es scheint allerdings, daß er in jiingern Jahren in irgend einer ausländischen Eisenbahnderwaitung eine höhere Beamtung bekleidet hatte. Jn den letzten zwanzig Jahren aber, die Herr Granitger als wohlhabender Junggeselle, Kurgast und Sportssis scher in möglichst angenehmer Weise in verschiedenen Kurdrtes der Schweiz und der anstoßenden Land striche derbracht hatte, war sein Dasein ddn keinerlei Arbeitspflichten mehr beschwert Da er jedoch, ein neuer Falstaff, troh seiner Körper fiille ein ungemetn belebendes Ele ment war und überall, wo er nur hinkam, durch seine Spässe und Schnurren »Betried in die Bude« brachte, so war ihm jener gehername in doppelter Bedeutung ir ebliehen, und er «ieß sich don seinen r nden und Belanntet unter Knarren mit Herr oder Oderdesttedsiit ten. . . In dem reizend ges »Kat haiis, wo ich iyn tenne , war er schon seit mehr als siin fi Jah ren jeweilen tin Spätsommer abge stiegen, uns sür einige Wochen an dem gutveoöltertea Forelle-um e, der zum Ddtel gehörte, der Sport ischerei ob zutiegen Er hatte da immer das gleiche Zimmer im ersten Stock und den gleichen Fenstetplay im Speise saal ersessen. Von Wirt und Perso nal wurde er mehr oder weniger als attei, ader nicht immer sehr bequeme Jnventaestiict betrachtet. Denn wenn er nicht gerade fischen ging oder nicht in der Dorstneipe saß, so trieb et sich, miutentlich dei« Regenwetter, Jvie eine pustende Damdswalze den gan zen Tag Hm Haus herum, plagte die Dienstboten, erzählte den alten Da men die uiiglaudlichsten Schauerges schichten nnd schiinpste zuweilen auch über die spotelliiche, die Bedienung uan allerlei andere irdische Unzuläng lichteiten. hin und wieder gab es auch einen lleiiien Austritt mit dem Wirt, der es indes meisterhast der stand, die unendlichen Beschwerden Grantigers mit einem fröhlichen Scherzmort azutum er lannte seinen Pappenheimer und wußte, daß er schon unter seinem Vater und Vor gänger iiber das »miserable Essen und die noch viel miserablere Bedie nung« gewettert hatte und doch jedes Spätjahr mit der Piinltlichleit eines Steuereinziehers immer wieder er schienen war. Bald lernten ihn auch die neuen Gäste richtig einschönen und ergötzten sich höchstens über seine Rempeteien und noch mehr iider die drolligen Geschichten, die er in wohlgeliiunten Stunden zum Besten gab. Sie lie ßen sich zum zwanzigsten und ein undzivanzigstrn Mal don dein heulen denhecht erzählen, der im Miitnenteich bunten am Doefwald sein gespensti sches Wesen treibei sollte. Jede-smal, wenn schlechtes Wetter tocnme, höre man ihn heulen und hellen, so erzähl te Grantiger allen, die es hören woll ten. Bald war dieser heulende Hecht gewissermaßen eine mhthische Persön lichbeit, die jeden Augenblick in den Gartenbanlen auftauchte, wie etwa die berühmte Seefchlange oder das Ungeheuer im Prämissen Es handle sich um den bösen Geist eine-« unge treuen Müllers oder eines Fis efretnl leis, fügte der Oberbetriebsinfpettor geheimnisvoll hinzu, jedenfalls sei er! ein uraltet, fündengrauer Kett. f »Gestern abend hat man ihn wie-» der gehört, dea heulenden hecht,: heute abend oder spätestens morgen früh gibts demnach wieder Regen, also muß ich heute noch aus die Fo rellenjagd«, hieß ed dann gelegentlich beim Feuhstllet, und das war dann jedesmal ein kleines Ereignis in unsl ferm sonst so stillen Rath-tut Es bedeutete zunächst, daß herr Grantis gee schon um halb elf Uhr zu Mittag essen wollte, und daß um elf Uhr zwei Buben aud, dein Dorfe am haupteingang bereit sein mußten, utn dem beruhmten Sportfischer das t scherelgeriit, den blechernen isch a sten und ein opulentes Er hstllet« rntt einigen Ilaschen no zutragem Und weh-» wenn etwas nicht tlapptet Vom Hotelier und Küchenchef bis herunter zum Zimmermädchen und Chasseuk geriet daher alles in eine gelinde Aufregung wenn here Gran ttgee zum Fischen ausrlicken wollte. Gewöhnlich hatte er auch noch einen oder mehrere Mitgiiste zur Be lei-! tung eingeladen. die nun ihrerseitss auch noch nach Kräften zu dem allge-! meinen Auslauf beitragen. Eines Tages zog auch ich mit ihm hinaus durch den halms und com-« blumenumrantten Feldweg nach dem stillen Wall-doch dessen Forellen ei-’ nen so geschätzten Bestandteil unseres; Sonntags-nenne bildeten. Unterwegsj versuchte here Grantiger, so gut es« seine Kuczatmigleit erlaubte, mich in die Geheimnisse der »Müllensischerei« einzuweihen. »Die Mücke, da ist das einzig Wahre. Das allein ist Svottl Gar nicht zu vergleichen mit der armseli gen Wurmsischetei, die nebenbei eine Grausamkeit und eine Schweinerei ist! Denlen Sie nur« wie das arme Tier, der angespießte Wurm an der Angel sich dreht und windet! Und ldann die schmupigen Finger, die man dabei bekommt! Bei der Mücke da gegen ist alles sauber und elegant, sportmiiszig mit einem Wort! Mücken sischerei ist aber nicht nur ein Spott sondern auch eine Kunst, die man nur durch Ersah ung und langjährige Hebung sich vollkommen aneignen ann »Sie orauchen mindestens zwei Jahre dazu«, fügte er nach einer län gern Atmungspause hinzu. »Vor allem müssen Sie genau beobachten, welche Art von Mücken oder Fliegen den Bachlaus, an dem Sie fischen wollen, sich zum Tummelplatz erkoren hat· Manchmal sind es graue, manch mal.«griine oder rötliche Mücken. Alle Farben und Schattierungen kommen oor und wechseln ost von einem Tag zum andern. Und von jeder Sorte tniissen Sie eine künstliche Mücke in Ihrem Etui haben« Und dabei zeigte er mir seine wohla ortierte Sammlung von etwa Wonnng aus hörchen und Federchen zsein nachgeahnte Mücken mit dem nadelspiszen versteckten Angelhätelchen kdqtith »Ich beziehe meine Mücken immer solrett aus England, troh dem Krieg. Und auch die Angelrute ist englisches IFabrilat Sie tostet mich sechs Pfund, mit Fracht und Zoll etwa 160 Franken Aber sehen Sie, wie leicht und elegant und doch haltbar das al les gearbeitet ist! Qualitätsivare durch und durch! Vor dem Kriege war ich auch Mitglied des enalischen »Iisl)ing Gan der im Schwarz wald, im Bad Boll, seinen Sitz und dort eines der besten Forellen wasser Europas gepachtet hatte, Der Jahresbeitrag war aber auch danach: Fr. 125. Ja. der Angelsport ist durchaus lein billiges Vergnügen, auch in der Schweiz muß man jetzt sür den Kilometer eines guten Forel lenbaches jährlich Ir. 100 bis Fr· 200 Pachtzins rechnen. Eine Sport sischgesellschast, der ich seit Jahren angehörte, bezahlt siir einen etwa zehn Kilometer langen Bach rund Fr. 1000. Da kommt mich jeder Fisch, ob groß oder llein, aus minde stens Fr. 10 zu stehen!« Unter solchem Geplauber, das vielleicht zeitweise etwas ans Fischer latein streifen mochte, hatten wir das stille Waldtal erreicht, und Herr Grantiger begann im Schatten einer alten Eiche mit großer Umstäudlich leit sein Angelzeug in Ordnung zu bringen. Die beiden Tragbuben und meine Wenigteit erhielten daoec die schärfsten Maßregeln, die darin gips selten, ja nie vorauszueilen, sondern immer möglichst geräuschlos hinter ihm herzugehen, und zwar imkrer so, daß niemals unsere Schatten ins Wasser salle. «Wissen Sie, beim Fischen, da ver stehe ich keinen Spaß,« fügte er mit gewaltigem Stirnrunzeln hinzu »Da verlange ich unbedingten Gehor sam! Entweder man fischt, und dann wird nicht gebummelt, oder man bummelt, und dann ist’s lein Fischen mehrt« Mit dieser tiefsinnigen Belehrung begann er seine hantierungen und ließ die künstliche Miicke mit elegan tem Schwunge ins murmelnde Wasser fallen und ein Stück weit darin trei-J ben, um sie sogleich wieder herauszuis ziehen und sie immer wieder auszuss werfen. s »Das muß man im Dandgeleni haben«, belehrte er mich. »Die Haupt sache ist, daß die Mücke möglichst sentrecht ins Wasser stillt, ganz ge nau, wie wenn eine wirlliche Mücke ohnmächtig wird und ins Wasser stürzt, den hungrig lauernden Forel len zum Fraß. Dieser Schwung aber erfordert jahrelange Uebung!« Von Zeit zu Zeit warf er nun wirklich mit mehr Behendigleit, als man seiner umfangreichen Leiblichteit zugetrautshüttr. etwas Zappelndeö un Gliherndes ins Wiesengras her aus. Jedesmal stürzten sich dann die beiden Buben wie die Sperber daraus, um den Fisch oon der Angels zu lösen und in dem mit Wasser geil füllten blecherneu Fischbehiilter unter- s zubringen. Vorier aber musten sie, ieweilen den zappelnden Fang demj »Dberdetriedsinspeitor« zur Kontrolle! verlegen, und wenn der Fisch nachz obersliichlicher Schiizung weniger alss zwanzig Zentimeter in der Länge maß, wurde er großmütig der tiihlenl Flut zurückgegeben. 1 »Ich halte stets daraus, daß manj auch bei Fischen streng weidgerechti oersahre«, erilörte mir herr Crantiis ger mit gewichtiger Miene. ? Die hauptsache aber war ihm bei’ dem ganzen Verfahren, daß er ja niel sich zu blicken genötigt war; denn das : Biicken conr entschieden die schwache Seite seiner ilberbehäbigen Falstas s» Statut-. Nachdem er etwa anderhalb Stun den sleißig gesischt hatte, ertiärte er, der erst vor zwei Stunden Haut und Bnlg odllgegessen hatte, erhalte es oor hunger nicht mehr aus und wolle eine längere Pause machen, damit auch die Fische ruhig zu Mittag essen können. Unter Pusten und treuchen tletterte er den steilen Wiescnhang inach einem schattigen Waldwintel ;empor, hinter ihm die beiden Jüng jlinge, von denen der eine Herrn sGrantigers zweites Mittagessen im jRucksack trug Schlarafsisch zwi lschen zwei jungen Burschen hingela »gert und von Mundschent und Trach ssesz rechts und lints bedient, ließ er sich das Pianict so herrlich wundes-, ializ ob er acht Tage nichts rechtes imehr unter die Zähne bekommen hät te. Jch aber verabschiedete mich, um aus einem stillen Waldweg nach Thause zu wandern. ! ,,Griäszen Sie mir unsere gutgliiu sbigen Hotelgrazien«, rief er mir snach, »und sagen Sie ihnen, daß ich saus dem Heimweg auch noch dem lheulenden Hecht im Mühlenteich einen Besuch abstatten werde. Vielleicht gelingt es mir diesmal, ihn zu san gen«. — ES folgte ein stiller, mit schweren Wolken tief oeebiingter Nachmittag und ein schwüler Abend mit Wetter »leuchten und fernem Donner-rollen iiiber dem See. Zur Abendtasel war here Grantis ger ganz gegen seine Gewohnheit nicht eingetrofsen. Seine beiden Be gleitbuben waren gegen 6 Uhr mit den Fischen und dem leeren Rucksacl allein zurückgekehrt und verrichtetem Herr Grantiger habe nach dein Mit tagessen bis gegen Abend geschlafen und geschwind Dann sei er erwacht und habe sie nach Hause geschiat, mit der Bemerkung, er sei inwendig ganz ausgehöhlt vor Hunger und Durst und wolle noch im Dorswirtkhaug ein Krüglein Bier henehmigen Her nach werde er aus dem Heimweg aus dem Mühlenteich noch schnell den heulenden Hecht mitnehmen. Dieser werde sich heute abend wohl wieder hören lassen, da offenbar ein Don nerwetter im Anzug sei. Nach dem Nachtessen war sozusa gen die ganze Kurgesellschast vor dein hotel unter den Platanen versam cnlt, um die Frösche quaten zu hören, die sehr problematische Abendliihle zu genießen und den boshast singen gen Mücken, die in ganzen Scharen oom Mühlenteicks herüberschwärmten, mit Tabalrauch und Tascheniüchern eine erbitterte Schlacht-zu liefern. « »Es-I Mag llllc Dck Uscksclllcsbllls spettor stecken?« fragte man da und dort an den tletnen Zischen. Denn Herr Grantiger hatte sich als Spaß nnicher und Geschichtenerzähler doch einigermaßen unentbehrlich zu ma chen verstanden. Das mertte man aber erst, wenn er fehlte. Eben hat ten die Feierabendglocken im nahen Dorslirchlein ausgetlungem als sich durch die sinkende Nacht vom Mühlen teich her ein unheimliches Heulen und Brüllen erhob. Ein langgeon genes Ohohoho: erscholl jämmerlich heftig anschwellend und dann wieders leis vertlagend durch die Abend-l san-· So drei-, via-, fünfmal nach-l einander. I ,, st das nicht der heulende Hecht —- o hört docht« rief es halb la chend, halb ängstlich verwundert durcheinander und wie auf ein ver abredetes Zeichen lief die ganze Ge sellschaft den Wiesenweg hinunter nach der Mühle zu, von der das Ohohoho immer deutlicher und im mer triibsellger uns entgegentlang. Bald mischten sich laute Männer stimmen in das Klagelied und der Schein einer Laterne bewegte sich zwischen dem Duntel der Weiden am Teiche. »Er lebt nacht« schrie man uns entgegen, als wir den Schauplah die ser nächtlichen Szene betraten. »Wer eri« srafte tnan aus unserer Schar, «der heu ende DechM . Auf dem Ufcrbord aber lag zwi schen zwei Müllerknechten im unge wissen Schein einer alten Stallaterne ein prustendeö, platscherndes, pudel nasses Ungeheuer, das viel mehr Aehnlichkeit mit Herrn Graniiger als mit irgend einem der ständigen Bewohner des Wasserreicheg auf wies. Jn der Tat, er war es selber, der Oberbetriebsinspetior, naß bis auf die Knochen, über und über voll Schlamm und Schmut-« aber sonst wohl und munter, wie er sogleich durch ein ternhastes Donnerwetter oon Fluchen und Verwünschungen mit allem Nachdruck bewies. Er war, wie aus seiner noch et was unzusatnmenhängenden und durch häufige Kraftworte über die elenden Wegoerhiiltnisse dieser Ge gend gewürzten Erzäblung hervor ging, auf dem Heimweg an der Milb ie vorbei in der Tuntelheit über einen Weidenstruni gestolpett und nn der .1bschiissigen Stelle lopfvomn in den Teich hineingepurzelt. Glücklicher weile hatten die beiden Müllertnechte den Plumps und das Angstgeschrei sosort gehört und die zweieinhalb Zentner schwere ,,Wasserleiche« nicht ohne beträchtliche Miihe mit Stangen und Feuerbalen glücklich ans Land gezogen. « Von diesem Tage ak- erzählte Herr Atrantiger das Märchen vom beu lenden Hecht nicht mehr. Jm Gegen teil, er wurde jedesmal wütend, wenn von anderer Seite auch nur mit dem leZsesten Wörtchen daran erinnert wurde. »Qspreuhische Oetmattitänge Von Agnes Hardcr. » Am Abend bin ich in Königsbern angekommen. Das Fremdenheim liegt Fig-fällig dicht neben der Tragheimei irche, in der ich getauft bin. Jch habe manche Stunde schlagen hören, nnd es war tein Wunder, daß ein langer Zug von Erinnerungen an mir vorbeizog Am lebhaftesten wa ren natürlich die, die mir nur das «Wort übermittelt hatte. Jch war in der Judenstraße geboren, die man ietzt, nach der Kürassiertaserne Wrangelstraße genannt hat. Meine jungen Eltern desaszen einen unge tvöhnlich schönen Pudel, Cato, der ein Feind der Kürassiere war und sie iviktend ansiel, wo er sie sah. Eine-« Morgens fanden meine Eltern ihn erschlagen und mit den Pfoten an ihre Ttir genagelt, als sei er getreu zigt. Auch diesen niegesehenen Cato brachte mir der Stundenschlag der Uhr an meiner Tanstirche zurück. Arn nächsten Morgen ging ich von dem Tragheiin in den Kneighof Kö niggberg hat die alte Bezeichnung der Stadtteile bewahrt. Man hat in der siönigsstadt zu tun, oder in der Ylltstadt, aus dein Haber-berg, oder dein Steindamm, sporunter ganze Viertel verstanden werden Jst der Tragheim mit seinen Nebengassen für einfache Gemüter schon überwal tigend, so wirkt der Kneiphof mit seinem Gewirr ganz und gar entmu tigend. Oben sind bin und wieder noch nene Straßen durchgebrvchen. Unten aber drängt und schiebt sich alles um den Dorn. Wer die ver schiedenen Stile, die verschiedene Größe und Ansehnlichteit der Bau ten dieser« Gegend schildern will, muß an oen hunmnjasen waret jeiojr den ten, der regnen läßt über Böse nnd Gute, über Gerechte und Ungerechte. Und doch siihlt sich der gebotene Kö nigsbetger gerade in dem Gassenge wirr der ehemaligen Festung viel toohler als in den breitnnsladenden Gartenvorstädten, die entstanden, seit die Wälle sielen. Auch gibt es ztoei Pole, nach denen sich der Suchende richten kann, das Schloß und den Ptegei. Ausatmcnd stand ich an je netn ersten der drei Besorgunggtnge, die ich siir mein Teil in Beitrags lnge uincoandelte, am Schloß. Nun sand ich mich zurecht Jch ging durch den geliebten Schloßhos und grüßte nach dem ältesten Erler hinaus. Ob wohl Georg Wilhelm, der Vater des Großen Kursiirstem in jenem Flügel gewohnt hattet Während des Drei szigjährrgen Krieges siedelte er nach Qstpreuszen über, jagte Elche in Ge orgswnlde im Satnland, das ihm seinen Namen verdankt, und in Großraum bei Königsberg, und hatte gegen die Politik jener Tage eine leider berechtigte Abneigung. An der Wache vorbei geht es dann durch einen unergriindlichen Schmutz über gief Schmiedebriicke nach dem Kneip o . Von der Schmiedebrücke hat man den besten Umblick im alten Königs berg. Rechts, hinter der Krämer briicke, die Speicher der Lastadie, die Waheseiehen des Getreidehandeli, der zugleich mit dem holzhnndel Königsberg groß machte. Hohe Fach wertbauten, einer am anderen. Von Hder Krämerbrüae bis zur Schmiede brücte ist das eine User der Fisch martt, dac- nndere der »Kunstmarkt"; ietzt sagen Feine der »Kohlmartt". Aber der alte Provinzinlisrnug ist so gnr in die Kunstsprache gedrungen. Das undurchsichtige, höher geschätzte Bernstein heißt »inmstsarbiger«. Linls von der Schmiedebriicle lie gen jedem ostpreußischen Herzen teure Häuser. Ein alter, brauner-, gichts briichiger Kasten, mit unregelmäßi gen, kleinen Fenstern und ver-kutsch tem Ziegeldach: die alte Universität. Erst denle ich immer daran, dnß mein Vater sie besuchte — wo ist der Student, der sich heute noch mit der Universität seiner Heimatprovinz begnügie? — aber ganz rasch, um »unseren Nationniheiligen nicht zu lränten, gebe ich dann Kant die Ehre, die ihm gebührt. Das Haus, in dem er wohnte, ist abgebrochen. Aber die nlte Universität, die jetzt Bibliothel ist, wird mnn ihm zu Ehren wohl erhalten. Dicht dabei, in einer äußeren Domtapelle, ist er auch »begtnben, seinen schönen Spruch vom «,,gestirnten Himmel über mir und dem moralischen Gesetz in mir« zu Häupten. Der Platz hinter dem Dom ;ist der Auslaus sür die Schüler des Kneiphöfischen Gymnasiums daneben. IKant mag sie oft genug lärmen hö ren in seiner Gruft. Aber den Spruch Nehmen sie alle mit hinaus ins Le :ben, ost unbewußt, bis Zeiten, wie die unsere, ihn plötzlich bewußt ma chen; und nicht nur für Königsberg, wenn er da auch in diesem Krieg am ndtigsten gebraucht wurde. Denn wohin ich in diesen meinen Freundestagen auch komme, ob in sdas Dichterstiibchen Agnes Miegels, Hdas auch im Banne des Domes liegt, ob in das alte, vornehme Familien siist in der Königsstadt ob wirklich izu Besorgungen in die großen, alten Geschäfte, aus denen aller Glanz meiner Jugend in die kleinen Städte der Provinz tam, in die mich dann die typische preußische Beamtenlaufs bahn des Vaters Mfelnd ver schlag, bis sie in Königsberg wieder endigte, überall fühle ich —- so nah wie hier war ich dem Kriege nir gends-. Während der Rausch der gro ßen Siege im Westen wochenlang iiiber Berlin lagerte, ist in Königs jberg vor Tannenberg teine Fahne trausgehängt worden. .Wie einen Oeimattrieg hat Ostpreuszen diesen itirieg genommen, mit seinem Leid und seinem Sieg Während die west iliciken Siegesnachrichten aus-gerufen Iwurdem spähte man nach dem jRauch brennender Dörfer, empfing lman Flüchtlinge, weinte iiber Ge Imordete. Denn diesen Stachel im iSchmerz lennen ja nur die, deren Verwandte in den kleinen Städten hinter Königgberg wohnten, deren Namen mir so vertraut sind. »Mein IBruder ist gefallen!« Bei allem JSchmetz leine Verzweiflung Aber: s»Mein Bruder ist gemordct, meine »Mutter, die über Siebzig ist, haben die Rassen verschleppt, nach Astra chan« —- und aus den Worten tlingt es schon, daß dieses Herz nie mehr IRuhe findet. Wenigstens- paßt sich das äußere Bild dem inneren an In dem sonst sehr el eganten Königs verg ist man einfach geworden Wer die alte Modetorheit mitmachte, läßt sie und stürzt sich nicht sogleich in seine neue. Die Schauspielerinnen itraten ruhig in engen Rocken aufi s Zwar m das grojze Draotiheaien und damit auch die Oper, Lazarett geworden. Man tommt nicht ganz um das- Gefühl hinivegI aus Spar samkeit! Arme Künstler! Aber das sogenannte »New Schauspielhaug« und der Prachtbau des Louisenthea terH, der Qperette geweiht, sind os sen. Jch besuche sie beide, mit der llnternehmungglust des Zusallsrei senden, der in der Fremde aussucht, was et daheim im Uebersluß hat, genieße tie »Komödie der Worte« und teile siir Augenblicke die Freude am »Juxbaron«. Beide Theater sind ganz voll, in der Operette ist selb grau Trumps Neben mir sitzt ein junger Mensch, dem nur der Krieg und die Unisorm die Bekanntschaft mit der Operctte vermitteln. Was für eine Freude bereitet ihm »Glau tehlchen«, der stürmisch umjubelte Liebling des Publikums! Wie wird unser Volk jetzt durch einandergerüttelt, was bekommt es zu sehen, zu hören! Fast sind die Zeiten der Kreuzziige zurückgekehrt Und wie sorgt einer siir den andern! Jm Empfangsraum des großen Grammophongeschäits sitzt ein hö herer Ofsizier und sucht Platten aus siir den Apparat, der seinem Regi ment, draußen an der Front, gehört. Das Allerschiinste sollen die Leute im Unterstand hören. Mehreres hat er schon abgewiesen, als zu wekchlich A— Die Sehnfucht foll nicht mehr als nötig geweckt werden. Da klingt es ihm marfchartig entgegen: »Noch Frankreich zogen zwei Grenndier, die waren in Rußlnnd gefangen!« Er nickt beifällig. »Das nehmen wir, Fräulein, das hat Kraft.« Die Ver täuferin will Einwendungen machen. Aber der Offizier wehrt nd. Kennt er das Lied leidenschaftlicher An hänglichkeit an Napoleon nicht — oder denkt er, daß es nur auf die Treue ankommt? Jmmer wieder zieht es mich zu einer der Pregelbriicken. Das gur gelnde Wasser ist gelb und schmutzig. Hoch, bis fnst unter die Holzbretter der Brücke reicht es herauf. An den Ufern liegen dicht aneinander die Kähne im Winterhnfen. Recht eigentlich der Pregel hat der Pro vinz zu ihrer Größe geholfen. Wahr lich, tein Strom, der neben Weichfel und Memel zu nennen wäret Aber fiir die Verhältnisse dieses öftlichen Vorwertes gerade das Richtige. Wie viel Holz, wieviel Getreideschiffe sind ihn hinaufgezogen in den letzten fünfhundert Jahren! Der Pregel und die Fischwertfpeicher der Last adie verstehen sich wohl. Sie kennen beide die Vergangenheit, sie hoffen beide auf die Zukunft. Denn von veränderten Grenzen nach einem sieg reichen Frieden würde Königsberg in erster Linie Nutzen ziehen Abends sitzt man im »Blutge richt«, der alten Foltertammer im Schloß, einer bürgerlichen, guten Weinftube. Vom Schloßhof steigt man herunter in die Tiefe. Auch das »Blutgericht« ift feldgrnu, vor allem heute,-wo oben Truppenvereidigung war; 1unge Gesichter neben recht ge reiften, bättigen, wie es eben kam. Die Fässer sind in die schimmeligen Wände eingelassen, die Luft ist an genehm ,,historisch«, und junge Kü fer, die noch nicht das Maß haben, bedienen. Es gibt die Tageökarte und frische Austern, die herrlich nach dem Meer duften· Aber der Kaviar ist seit kurzem ausgegangen Armes Deutschlandl Welche Entbehrungen werden dir auferlegt! Immerhin, auch ohne Kaviay sißt man t- ei nem ErdenwinleL der zu dem russi schen Reich in recht engen Beziehun gen stand. Einige Stocktverke über dem ,,Blutgericht« liegt der große Moskowitersaal, dessen langes höl zernes Tonnengetvölbe auf manch trunkfesteg Gelage herabgesehen hat. Auch die Erinnerung an die drei Jahre russischer Herrschaft zur Zeit des Siebenjährigen Krieges kommt bei dem herben Ungartvein, kommt und geht. Große Zeiten und alte Stätten können auch Erinnerungen werten Es bedarf nicht immer der Uhr der Taufkirchr. Die schlägt mir jeßt zum letzten Male. Es gibt wenig Ruhe. Neben mir liegen Soldaten im Quartier. Die Inhaberin des Fremdenheims hat sie eben aufnehmen müssen· Jn dieser Nacht rücken sie aus, und jetzt striegeln sie ihre Sachen. Ganz gleichmäßig, wie es der Schlaflosen scheint, stundenlang. Jmmer der gleiche Strich, den die Stille der Nacht wiedergibt. Da ist plötzlich wieder der Offizier in der Straße, den ich im Vorbeigehen sagen hörte: »Man mußte in Ostprenßen an ihn denken, er führte bei Tannen berg —«; da grüßt dir griechenfrohe Professor, dem Königsberg sein Schillerdenimal verdankt, und der seit Kriegsausbruch als Major Dienste tut und täglich pünktlich die ,,schtvarze Sappe« seiner Spartaner abschmecih da lacht der Leutnant mit dem Kindetgesicht, der so glück lich über sein künstliches Bein ist — a Heimat! Heimat! »- Yeriihigung Hasel-Gast; »Hier sind 1a unzählige Wanzen im Bett, und man hat mir doch ver llzcklekts daß das Bett wanzensrei ware« Hausdienert »Ja, im Bett nisten se ooch nich, die ioer’n woll aus der Tapete getomineii seiu.« —- Unbetvuszte Selbsttris tit. An Dem Schutze muß es doch seht fchSscht gehen! B.: Wieso? A.: Er hat mich in der vorigen Woche dreimal aufgefordert, ihm- die hundert DolJarH wiederzugeben, vie er mir vor sechs Monaten geborgt hal! —- Alles umsons» »Nun, lvie weit bist Du kenn mit dem jun gen Buchhandlu, sur den Du Dich so sturx interessierst?« »Ach, das ist ein entsetzlicher Stock sischl Bis heute habe ich bereits vier Liebesbriefstetler, zweiKochbiicher, drei Bände »Die Kunst, einen guteanns zu bekommen« und das Wert »Das Weib als Gattin und Mutter« in Lieferungen getaust, aber glaubst Du, er merkt etwas?·