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About Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918 | View Entire Issue (July 6, 1916)
Ifssdkd Novellette baii L. W. Schitltbeis. Ein wenig bange war mir var dein Wirdetfeden mit Lisa und dein stillen hart-. ,Jch würde sehen, was idr , großer Schmerz aus ihr gemacht hat - te, wir würden sprechen, alter Tage gedenken, neue, tiefe Wunden berüh ren; da fühlte ich ihr Leid, als ob ei das meine wäre, und wurde zaghaft bar jeder Berührung. Es war f on spat, alHie antain. eind wir ver choben jede Aussprache auf den nächsten Tag; aber feltsain schien mir’s, dass sie mich in das gro se Schlafziinmer schickte, ehe wi: uns »gute Nacht" fagten, dae mitbet fchlafzirnmer, in deni die beiden gro ßen. blonden Buben noch schliefen, ebe fie hinauszogen mit ihren Regimens tren, der eine nach Oft, der andere nach West. Wie oft war ich mit ihr binaufge chlichrn (als sie noch korn Lelbe Wähnen trugen, dir über den Scheffel gefchnitten waren, und blaue Samtlittel), um sie schlafen zu sehen in ihren Betichen. —- und nun schlief einer in Frankreichs Erde und der andere war in Sibirien gefangen. Ar me Lifat Sie hatte niir aber eine kleine, elek trische Laterne in die Hand gedrückt und flüsterte: «Geb!«, während sie felbft mit einem seltsamen Ausdruck an der Treppe stehen blieb unt- mirj nachsah. Jch sann über diesen Aus druck. während ich hinaufstieg. Un-; ter der flackernden Flurlampe, die» farbige Lichter warf, fchiens fast, als ob unter dein Jammer, der lleine inu de Linien über ihr Gesicht gesogen stillt, clllt sctllvlgtuc unter-( unkom hr. Aber daiin erlosch der Schein, der auf ihre Augen siel, und ich sah nur noch die schmale Gestalt in Schwarz und einen Flimmer über dein schnell bleichenden Blonbhaan Lange stand ich zwischen Tiii und Angel und starrte in das Duntel und wunderte mich iiher Lisas seltsame Idee, bis mir der Gedanke inni, daß —- ja, dasz Erich aus Sibieieii zit riia sei, baß inan ihn ausgetauscht hätte. Jch tnipste eilig die Laterne an und trat in das Zimmer ein Das Licht wanderte leise iiber diaalten Möbel, über Lisas Buste, die die Jun gen sich herausgeholt hatten, überihs re weißgedeckten Betten. Ueber Li saö sechzehnjährigeg Stöpschen huschs ten Schatten, die sich in den Mund winletn vertiesten und die alte, liebe elinerei ausleben ließen. Arme sin! Die Betten waren leer, un oeriihrt seit jenem Morgen, an dem zwei blutjunge Soldaten hinauegezm gen waren Ein ganz leiser Seufzer zog durch den stillen Raum, ein Seufzer, wie ihn ein junge-, schlafendes Tierlein, oder Menschenlindtein von sich gibt. wenn es satt und gliittlich sich tin Schlase regt. Der lleine Laut er schrectte niich ein wenig, als ich aber dorthin leuchtete, von wo er zu kom inen schien, sah ich etwas seltsam:s. Zwischen den zwei großen Betten stand ein llein - winziges Gitterbetti chen, halb verschattet, und drin lag ein rundliches Knäuel mit einem dun telstraubenden Haarschops und zwei hartgedallten Faustchen, die sich in seltsamen Verrenluiigeii iii den klei nen Körper einzubohren versuchten, wie junge Rücken in das mütterliche Iedertleid. Jch stand und staunte, bitt ich un versehens die Feder an der elektrischen Laterne berührte und wieder im Dun tel stand wie vorher. Da iasteie ich mich hinaus und fand Lisa unten in ihrem Lesestiibchen. Sie sah inich an, und ein Schatten des Schelm-, der iiber bie Büste drohen geirrt war, saß in ihren Mundwintelw ,Lisa, das Dralle, Dunkle, Be schopste droben, das zwischen den Bett-en der Buben schläft, was ist das " »Das isi Inst-rag »Und wer ist Jstdorai« »Mein Kriegslinv." Jch verfiel in ein tiefes Sinnen »Jsidara«, murmelte ich. Meine Lisa lachte, ja sie lachte wie einst. »An Wochentagen nenn’ ich sie Darle, und sie selbst nennt sich Dola.« »Wir hast du sie beri« »Von der Kriegssiirsorgr. Jch bat te dort zu tun, als man gerade ei ne Schar Kinder bereinbrachte, so ein kleines häuschen Unglück, zehn Stück, wenn man die Zwillinge mitrechnete.« »Warum sollte man sie nicht rnit rechnen?« »Ich meine, Zwillinge-sind eine Einheit wie ein Siriegsschiss. Aus diese Art gerechnet waren's nur acht, denn es waren zwei willingspörchen. Jstvora stand zwis en ihnen, allein ;.nd anders geartet; ie boeite in dein Augenblick, wo die anderen verschiichs tert waren, «iind all- ich sie fragte, ob sie brav sein wolle, sa te sie: Acheneini Jch verbrachte oen Igest meiner Zeit damit, ihr den Bock auszutreiben« und als ich sub, daß iet- ein Erziehun s problrm angeschnitten hatte-»das sich schwieriger erwies, als ich gedacht, holte ich mir sie heim.'« Früh uin sieben Uhr am nächsten Tage machte ich Jsivkraj Bekannt schaft. Es war aus dem oberen Treppeniltiin Sie kam ans einem stimmen geciisiet siir den Ja und eine Ereignisse Jch schiise ie aus zwei Jahre- Eie trug ein Kleid mit luizeixi Leitchen und langem Rock, die spärlichen Haare waren zii einein Katawschops aui ihrem Scheitel zu sqiiiinengebiinden lieber die Schul . —.—-«—-.J» , - ter fchlang ch das Band einer vier-1 eckigen Taf e, in der ein voluminös fes Tafchentu steckte. Später fah ich auf dein rund des Tuches ei nen zardinalroteii Ofterhafen, der in Anbetracht der Kriegszeiten fich aqu Eierlegen befonnen hatte, was ihm, Ins Stück zu drei Groschen, einen er heblichen Krieg-gewinn abwerfen mußte. Die ganze Erscheinung, famt Tasche und langem Rock, machte den Eindruck, als od fie fich tageiider da mit d chiiftigte, «Pfiiumchen« u fa gen, a r ein erfter Eindruck ifi tril gerifch. Sie fchivebte mir auf dein Trep penflur entgegen ivie eine anfgezogene Maus und sagte höflich: »Du out deflafen? Dola dut deflafem Dala dut deflafen.'« Dies wiederholte fie, Manger ihr Vergnügen machte. · Jch geftehe, bei mir handelte es sich um »Liebe auf den erften Blicl«, iron deni indora weit davon entfernt war, schön zu fein. Sie hatte ein lugeli rundes Gesicht, Beercnaugen und eine Stumpfnafr. Aber sie hatte Char me. Beim Frühstück wo meine wer denden Blicke sie fiörten, wandte fie» ja oft unfere Augen sich begegneieii, ihren Kopf ruckhaft zur Seite und zeigte nur die flizzenhaften Anfange eines Profils. Es wurde inir bald tlar, daß Jst dvras lleine Füße nicht gingen, wie die anderer fehr junger Menschen, nämlich auf einem Erdboden, den fie durch eigene, peinvvlle Erkenntnis als massid empfunden haben, —- indora bewegte sich dvii Anfang an auf je nen Brettern, die die Welt bedeuten und die nichts weniger als inaffiv find. «Bielleicht Haken est auch noch nicht einmal iene Breiten ionoein oie besondere, sägespiindustende Arena, die des »dumnien Aujust" Rekch ist. Denn wer sie unbefangen beobachtete, nirisz bemerken, daß der dumme Au just zu Jsidoras Wahloerioandischais ten gehörte. Sie liebte es, ioeiin sie sich unbemerkt glaubte. seine traurig orolligen Trick- auszusilhrem seierlii che »das seulo« und selbstersundene; »Cake Walli", wobei sie Kopf und .Oberkörber närrisch hin- und her »ioiegte und dazu im Rhythmus eines Trauerspiele-hats auf- nnd abichri:t. . Jm Anfang sragte ich mich ost, ioars luin ich mich stets an jene hölzernen Gliedergruppen alten Stils erinnerte die heute nur noch in England unter dem Namen »dutch Don-« beliebt sind; später sah ich, baß Jsidora lut siichlich die unnachahmlich starre Po se dieser Puppen und ihren nun-schilt terlichen Ernst besaß. Jm übrigen produzieue sie sich nie ans Geheiß, ihre Kunst wohnte abseits uno war nur selig in sich selbst. Solchergestalt war das Seelchcn, das der diriegsioind in das stille haus geweht hatte. Sie war trau rig-, genug, die kleine Geschichte von dem armen Leineweber, der im ersten miegsmonat schon die beiden hande verlor-, mit denen er seine hungrige Schar ernährte, und nicht viel spa ter dir Hausfrau und Mutter. Er gibt allzu vsxsle solcher trauriger, klei ner Geschichichen. Lisa hatte Jsidora stets um sich« wenn sie zu hause war. Sie holte sie zu sich herein, sobald sie ins Zim mer trat. Dennoch hatte sie osi das Gefühl, daß sie nicht anders getan haben würde, wenn es sich uin ein Schoßhllndchen gehandelt hätte. Das seltsame Treiben des Kindes beschäsi tigte sie, lenkte ihre traurigen Ge danken in andere Bahnen. Aber den Schlüssel zu Lisas warme-n, weichem herzem das seht ummaiiert ioar von Leid und Sorge, hatte der lleiiie ExzentriksArtist den gesunden? Ich glaube es nicht. Eines Morgens ging Lisa truh aus und brachte mir das Kriegstina dac ich während ihrer Abwesenheit denen en sollte. Eigentlich hatte ich teine Fortschritte mit ihr zu verzeichnen, sidora blieb mir gegenüber genau so unpersönlich-höflich-ablehnend wie sie es an dem ersten Tage gewesen. Ge nau so ruckhast drehte sie ihre lleine Stumpsnase aus die Seite, wenn eine Ausmerisamteit ihr unerwiinscht war. Jch wußte, daßsie zuweilen sang, ebenso salsch in der Harmonie wie tadellos im Rhythmus. Aus meine Bitte, etwas zu singen, sagte sie eben so höslich wie entscheidend: »Ache nein!« Als dann ein kleiner Junge draußen vorheitam — es war früher Schnee gefallen, nnd die Landschast erinnerte an Weihnachten —- der ei ne Mundharmonita blies, ging sie ganz von selbst in ine·3immerecle und sang von Oinde urg und seiner Macht im Osten. Jn diesem Augen blick kam Lene herein und legte einen Feldpostbries sür Lisa aus das Tisch chen. Da lroch sie hervor, irottete langsam um das Tischchen herum, die schwarzen Beerenangen aus den Brief gerichtet, streckte die hand aus, ließ sie aber wieder fallen, indem sie mur melte: »Man-es Brief, Motter weint.« —- Oieraus holte sie sich ein Kissen, das Lisa ost benutzte, sehte sich aus den Boden, schob das Kis sen in den Nacken und starrte mit un degreistichen Zügen vor sich hin. Jsidora war das seltsamste Balg, das mir se vorgekommen. Ich zwei selte manchmal daran, ob sie liber haupt so etwas wie eine Seele hatte Je länger ich sie beobachtete, desto ös ter mußte ich an einen Dund denken, den ich einst gekannt, der mit wahr fast Goetheschem Behagen seiner Per önlichleit lebte. Die Familie, deren Wohnstätte er teilte, gal- stets seine leibliche und seelische Unabhängigkeit-« zu: aus die Frage: »Wessen Hund ist « das?«, antwortete sie stillergeben: ; »Sein eigener!« Als Lisa gegen Mittag zurückkehr- ( te, sing Jstdora an zu plappern. Da bei beobachtete sie. wie Lisa den Brief nahm. Er war von Erich. ans Nuß land. Lisa nahm ihn aus nnd ging hinaus. Nach einer Weile kam sie wieder. Jhre Augen waren getötet; xte setzte sich ausxe das lleine Sosa, as in der Fen rnische stand, nnd stützte den Kops in die and. Jsidora stand in der ernsten Ecke und beobachtete. Nach einer Weile setzte sie sich in Bewegung. Sie trot tete in einem seltsamen Zickzack durch das Zimmer, bis sie ganz nahe bei Lisa war· Da stand sie mit einem Male neben ihrem Knie und sagte: »Bitte, bitte.« Lisa hob sie halb mechanisch, halb bewußt neben sich. Da stand sie ganz ruhig an Lisas Schulter gelehnt und blickte aus die stachen, schneebedeclten Hügel, über denen eine späte Winter sonne stand· Nach einer eigentümlich langen Stille, — denn Jsidora war dpch noch ein sehr lleines Kind, icukn iiber zwei Jahre alt —-, legte sie eine dicke. tleine Patsche an Lisas Kinn, drehte ihr das Gesicht nach dem Fenster und der Landschast draußen und sag te: »Sieh, die liebe Sonne!« Es ist möglich, es ist sogar wahr scheinlich, dasz jemand ihr diese Worte beim Erscheinen des Himmelslichts vorgesagt hatte, es steckte genug vom Affen und Papagei in ihr, um sie ge legentlich anzuwenden; aber wer hatte ) i ihr das rührend weiche Stimmchen gegeben und die Höndchen voller Zärt-l lichteiti Hingen an dem schleppenden Saume ihres Röckchens da nicht jene Wöltchen, von denen der Dichter spricht: Glorientvöltchen aus dem Pa radies, die das Kind mitzith aus die Erde? Jhr bißchen »liebe Sonne« schmolz allerlei in Leid und Kummer Erstarr tes und ließ die warmen Quellen vom Herzen in die Augen steigen. Isido ra wußte nichts davon, sie hielt sich noch wie vor an Lisa sest, bis diese plötzlich den Arm augstreckte und den runden warmen liörper an sich preß te, lo sest und innig, wie sie einst die Glieder ihrer Buben an sich gedrückt hatte, als sie noch gelbe Mähnen hat ten nnd blaue Samttittel. , Jsidora sagte ernsthaft: »Mutte:«« und Lisa murmelte: »Mein llleines, Liebes . . .'« I . . Jch bekam einen Weihnachtsgliicks wunsch von Lisa. Auf eine Karte ausgetlebt ein selbst ausgenomsiirncö Bild Jsidortis. Jch bin jetzt geneigt, zu glauben, daß Lifas Krieg-lind ei ne Art von Seele hat, die sich mit der Zeit entwickeln wird. Aus diesem Bilde aber erscheint sie so, wie sie mir von Anfang erschienen war· Aus den Brettern, die ihr die Welt bedeu ten, —- diestiial ist es ein Puppen etntetvagen — steht sie, unerschijlterli chen Ernst in dem Apfelgesicht. Der rechte Arm ist iii unvertennbarer Red iierstellung erhoben; der tleine Mund sestgeschlossen, dennoch siihlt jeder, der das Bild beschaut, daß er im nächsten Augenblick» bedeutuiigsvolle Worte sprechen wird; ungefähr so: »Und somit sordere ich Sie aus, meine herren, eiiizustimnien mit mir in den Ruf usw. usw.« Jch habe nie ein spreche-wes Por trät gesehen. Its DIMWM — Ziiezc von Elia Löwinssn »Seht geehrtes gnädiges Fräulein! Heute früh beim Morgengrauen ratterte der Feldpost-Panjetoage11 mal ausnahmsweise bis an eine ver nünftige Entfernung von unseren Troglodytemoohnungen uno über brachte mir Ihr Paket. Nun danke ich Ihnen dafür recht herzlich, beson ders fiir das große Marzipanherz« das mir in jerer Beziehung wohlge schtneekt hat. Mit ergebenftem Gruß dantbarst Jhr Dr. Maurus Branle Leutnant der Reserve icn Jnfanterie regiment. . .« Der kleinen Nonny Raldegger rutschte vor Erstaunen die Martnelas de auf ihre niedliche Kleiderfchiirzr. Was war denn pas fiir eine merk würdige Sachei Die Feldposttarte noch vor der Nase, fuhr Ronny zer streut mit dem Finger über die Marmelade auf ihrem Schoße, und erst, als sie den Finger leekte, merkte sse an dem süßen Fruchtgeschmach daß sie nicht träumte. Da hörte doch wirklich verschiedenes ans! Sie, Nonny Naldegger, sollte dem Dr. Maurus Branle eine Liebesgabe ge schickt haben. Gott ja, sie hatte ihn gern gehabt. Und wie! Aber dann war aus decn wichtigen Zwischenfall ein großer Streit geworden. Oh, Ronnn war ordentlich froh gewesen« daß es so ekonnnen war, denn sie wolltedochkeinesp Mann haben,der so ohne weiteres auf die kotetten Kün ste jener Person, der »mondänen« Jutta Faltim hereinfieL Allerdings« was hatte Frau Jutta aber auch denl Herren so s machtende Blicke zuzu wersen, wie small, als ihr Mau rut nach dein Balle fast ärtlich — Nonny bekan. in ver rinnerung noch eine förmliche Wut —- das gold broiatgefiittette ermelineape um die Schultern leg e. Und auf je dem Empfang-ins Juttas war Mauer-z zu sehen gewesen, und ein mal hatte ihn Ronny sogar allein mit Jutta in der gegenüberliegenden Loge beobachtet, noch dabei in »Tristan und Jsolde«! Ronny hatte zwar ein »ganz lo inisches Gefühl«. wie sie es inner lich bezeichnete, gehabt, damals, ais sie nach beenden-r Mobilmachung vom Gute ihrer TM wieder nach Hause gereist war und ihr tleiner Bruder ihr ganz aufgeregt von all den Be kannten erzählte, die vor dem Aus riieten noch schnell einen Abschiedss besuch gemacht hatten. Dr. Brauch war auch darunter gewesen. Na, das Schicksal hatte es wohl so ge wollt, daß sie eben nicht dagewesen war. Punttum — Und nun diese verdrehte Karte Wer tonnte ihr denn diesen Streich gespielt habeni Er, der Herr Dr. jur. Maurus Branlh, Leutnant der Reserve im Jnsanterieregiment. . » mußte natürlich denken, sie, Ronnh wolle wieder ausangem Noch dazu gleich mit einen: ssszen Marzipanhers sen. Hohol Ronnh lies in ihr Zim mer, holte ihr bestes Geburtstagös briespapier heraus und schrieb; »Seht geehrter here Dottort Jhre Karte war mir eine ebenso grotze wie reinliche Ueberraschung-« Denn ich habe Ihnen gar nichts ge schickt, und denke auch gar nicht dar an, so etwas zu tun. Obwohl mir jede Handhabe fehlt, werde ich selbst verständlich alles in Bewegung set sen, um die Persönlichkeit heraus zusinden und zur Rede zu stellen, die sich diesen ebenso dummen wie talts tosen Streich erlaubt hat. Mit bestem Gruß Georgine Matoegger." Als Nonnn den Brief adresstert, zugetlebt und selbst schleunigst in den Brieftasten am Gartentor ge worfen hatte, begann sie nachdruck lichst zu überlegen, wer die Missetat wohl begangen haben tannte. Etwa eine ihrer »besten" Freundinnen? Aber was tonnten sie davon ha ben? Oder th- der Bengel, Vetter Ludwig, der Zie immer «chon mit Dr. Branlh aufgezogen hattet Rouny spitzte ’die Ohren, klopfte iiberall vorsichtig auf den Busch, fah siedermann mit niißtrauischen Augen an. Vergebens Es lam nichts her aus, dafür aber nach einiger Zeit ein -Feldpostbrief: »Seht geehrtes, gnädigeg Fräulein! Gestatten Sie mir gütigft die Be mertung, daß Jhr Brief mich aufs Eiußerfte erstaunt hat« tun so mehr, ule nach einigen Tagen wieder ein uinfangreiches Palet mit Ihrem Na men fiir mich hier eingetroffen ist. Und das eigentümlichstu die Adresse zeigt fast genau dieselbe Handschrift wie Jhr Brief. Selbstverständlich brauche ich Jhnen nicht erst zu ver sichert» daß ich Jhrer Mitteilung be dingungslos glaube. Uebrigens hoffe ich, in absehbarer Zeit die Oiina mit der Spree vertauschen zu dürfen. Na türlich werde ich mich dann bemühen, das Rätsel zu lösen, das Ihnen, mein sehr verehrte-s giiödiges Frau 1ein, überaus peinlich fein muß. Mit ergeberftein Gruß Jhr Dr. Mauriis Braiith.« Ronny geriet ganz aus dein Häuschen. Oas- ioiir doch zu viel! ixie tam sich furchtoar toinproitiit tiert und vtaiiiiett our, denn trotz Br. Branthg evenfo höflichen wie beruhigenden Worten glaubte sie eine deutlia;e Jronie aus fuiieiim Bricse herauszulesen Und nun betaiti er gar Urlaub! Wieder bot Ronny ihren ganzen- Witz auf, uin den Uebeltäter zu erwischeii: wenn sie ihn nur erst hätte, na, der sollte sich saber freuen! Eines Morgeng, als Monny gerade ;n ihren Kindechdrt gehen wollte, wurd« sie oon der Gartentür noch Ischnell ans . Telefon zurückgerufen. "thenilos, denn es war schon spät, stürzte sie über den Rasen und die Verandatreppe hinauf. Wahrhaftig: «.Dier Dr. Branth Mein gnädiges Fräulein, ich bin dem schnöden Spaßbogel auf der Spur, ja, ich Lglaube nicht zu viel zu versprechen, wenn ich behaupte, ihn Jhnen binnen Iliirzester Zeit zu Füßen legen zu tön lnelh Würde es Ihnen möglich fein, Imickz natürlich lediglich in dieser An gelegenheit heute nachmittag auf ei Inige Augenblicke zu empfangen?« J»Jch werde Mutter fragen, ob es ihr paßt.« Jawohl, Frau Naldegger freute sich, den ihr von Jugend auf bekannten Offiziet wieder einmal zu sehen. — ’ Den Kindern im Hort lam Tante Ronnh heute noch lustiger und netter als gewöhnlich dor. Nenn-h tdnnte, aus Neugierde, wir sie meinte, den Nachmittag laum er warten. Als es dann aber so weit war, fragte sie doch ganz tleinlaut: »Ach, Herr Doktor, wer ist es denn nur gewesen?« — Maurus Branlh sah ihr einen Herzschlag lang fest in die Augen« — dann nahm er sie behutsam in seine Arme: »Du Dann-schen gar leinerl Das Marzipanherz war ja nur erfunden. lStreitegie nennt man dast« ) —.-— » cchlittelreinn Die freudiaeBraut amBahns hof. hr Ilu e tut tvle bei der ska glänzen, nns on an feineri großen lade kennt c n. en Wmeeo Eli-He von Julius Otoh. Am Abend, wenn all die Millio nen Lichter von New-Yort-City wie zu einem einzigen mächtigen,»einem ewig bewegten und schillernden Flammenmeek erstrahlten, fühlte sdch Sten Larsen, dieser Bettler b n Bowerystreet und Quartiergänger des Zentr-.-lparts, ein wenig freier; in der immer tiefer werdenden Dunkelheit, die um die Riesenstadt einen dertlii renden Schimmer und scheinbar ein geruhsameres, sanfteres Leben breite te, wurde auch er beinahe wieder zum Menschen. . . Ja, in aller Tatsächlichkeit: dieses abendiiche Licht, das nun über alle Gestalten und Dinge seinen unsiche ren und zitternden Dämmerschein wars, hatte viel Gutes für Sten Larsen. Man sah da nicht mehr so deutlich seine arg zerrissenen IKleide-: oder den schmutzigen hemdtragem seine vor Verzweiflung und Sorgen wirrblictenden Augen oder seine vor Hunger eingefallenen, hohlen Wan gen. Es geschahen überhaupt in sol chen Abendstunden wahrhafte Wun der: Hausierer nannten Sten Lotsen tros-, seiner durchgetretenen Stiefel nichts Geringeres als -— Sirl Und die Ausruser des Kinos baten den höchst achtenswerten Mister Lotsen der teinen einzigen roten Cent in sei ner Tasche hatte, um die hohe Ehre, ihr Etablissement, in dem blde heute noch das seenhasi ausgestattete Demna: »Die Rose oon Wild-West« zur Ausführung gelangen würde, mit seinem sch"jtzbaren Besuch auszuzeichs Ucll. es aber am Abend noch manch an dere, und sozusagen reellere Genüsse siir den obdach- und subsisienzlos herumirrenden Dänen. Unten im Tenderloin, an oer Hafengegend, fiel sür Sten Larsen oftmals diese oder jene größere Gabe ab. Jn den schmierigen, vom Lärm, Mqu und Tabalsqualm erfüllten Matrosentneis ren, die dort in alten, düsteren und oerruienen Häusern lagen. Speluns len mit von Whisley und Bier or dentlich geiriinlten Tischen, in deren Platten die langen, scharfen Seiten messer der stets trunlenen und rauf lustigen Seeleuie stalen. Tische, an denen man Angehörige der Kriegs und Handelsmarine aller Flaggen der Erde fehen konnte, da hier Jrliini der wie Spanier, Russen wie Japa ner, Türken wie Schweden, oder sonst andere Nationen bei Whist und Pater saßen uno nie genug Brannt wein und Porter in die Kehle bela - men, Rigger ihren Two-steep tanzten, iChinesen Odium feil.«)oten, Langsin Nebst an diesem Ekskeuiichm gaol ger iiach Beute spähten und lose »Mäd:hen ihr Treiben hatten. ’ Sten Liirsen saß da, zumeisi ir gendwo im hintersten Winkel einer solchen Kneipe, bis ihm eine mitleidi ge Seele an den Tisch rief und ihm einen Tkuiit anbot, manchmal sogar ein Essen zahltr. Wenn ihm da der Vianoh in den Kopf siieg, oie Speise seinen geschwächten, lniirrenden Ma-« gen mit einer sähen, labenden Wär me erfüllte, iah Sten Larsen alles« wieder in einem rosigen Lichte. Je geiid ein vertneintlicher Rettunggweg, - der ihn aus all seiner Not und seinem « Elend führen wiirde. tauchte als gan tclndes Trugbild ooii seiner erregten Phantasie auf und das Leben betain I für Sten Linse-: auf einmal wieder einen gewissen Wert. Er konnte dann über die rohen Scherze der Miitrosen lachen oder iiber das alte, böse New-Yorler Gas lenlieo, das die Mädchen öfters den schwatzen Tanzern zum Spott san gen: »Wenn der Mann im Monde wär ein . « Nigger. Zumeilen jedoch, besonders wennl seine Landsleute, die gutherzigenl dänlschen Malrosen, die für dei. ar men Sten Larsen manchen Nicket und Quarte-. übrig hatten, fehlten, weil kein heiniatliches Schiff ani! Brootlhner Pier lag, verfiel er ins tiefste Schwermut und Berzagtheit. Und je fröhlicher es ringsum wur des eine desto größere Traurigkeits erfaßte ihn. Gerade bei all diesem» Tanzen und Lärrnem diesem Singen und Johlen — inmitten dieser gesun den, fetten und Geld verdienenden Menschen tamen Sten Larsen seine eigene Armut und Richtigteit nur allzu deutlich und klar zum Bewußt sein. Triibe Gedanken und weh mutsvolle Erinnerungen quälten ihn dann. Er sah im Geiste die Hei mat, das freundliche dänische Dörf chen. . . Sah die stattlichen Gehöfte, die wogenden Erntefelder und die saftigen Wiesen mit ihren vielen bun ten Blumen — — Sten Larsen vergaß in solchen Augenblicken ganz auf seine Umge bung. Jn seiner Muttersprache re dete er laut und gleichsam wie ein Fremder, ein Zweiter auf sich selbst ein. Und er sprach da von all seinen bitteren Leiden und seinen täglichen ualen und von all der furchtbaren Leere und Aussichtslvfigteit feines Daseins. Schon zu wiederholten Malen hatte Sten Larsen daran gedacht,« nach Dänemarl zurückzukehren Be- s vor ee starb wollte er wenigstens noch einmal durch jenes diinische Dorf ges « den. Noch einmal seinen bei-nasche den betreten, er. der so lange like hendutch sich nach ihm gesehm, i in tausend Träumen mit tränendem Au ge zu schauen wähnte. . . Er faßte den Iesten Entschluß: allf dem nächsten tönischen Schiffe, das :n den New-Dotter Hasen einfuhr-« wollts er sich als Kohlentrimmer, oder als was immer verheuern «Die schwerste Arbeit wollte er verrichten, · um nur wieder heimzukommenl Und Sten Lassen roar ganz entzückt von diesem Plan, der ihm ordentlich neue Daseinssreude und neuen Lebensgler zu geben schein. Jn den kalten, nebelverhangenen Wintertagen stand nun Sten Lar sen oom frühesten Morgen bis in die sintenre Nacht am Brooklyner Dort und wartete aus die einsahrenden Dampser, die sich zuerst ganz unten an der Küste von Sandy hook als winzige kleine Pünktchen zeigten. Welch große Enttäuichung bereitete es da Sten Lotsen. wenn so ein Schiff, das näher kam und immer deutlicher erkennbar wurde, eine fremde Flagge trug. Endlich, endlich erblickte er die be kannte Heimatsfarbe —- mit dein Wappen des Danebrog. . . Vor hel ler Freude schwang Sten Larsen sei ne arg zersetzte Kappe hoch in der Luft, und so, wie er nur aus das Den des Schifer kommen konnte, sprach er auch sogleich mit dem rangältesien Mant. Dieser schien g.eich im ersten Augenblick gewillt, den so armselig aussehenden Landsmann dem Kapitän für die Rücksahrt anzu empsehlen. Und mehr der Form we gen, frug er Sten Lotsen noch seinen Papieren Dieser wies die Dotumente vor. ,,Sten Larsen aus Helingss borg?" ,,Jawohl, mein Herrl« Der dicke Bootsmann begann hell auf zu lachen. Und als er nun gar Slen Larsens ganz verwunderte Miene bemerkte ging sein Lachen in ein wahres Wiehern über. Mit sei reen breiten, schwieligen händen schlug sich der Maat liatschend auf die mäch tigen Schenkeln «O. . .mein Gott; Solch ein Spaß! Aber das ist ja gar nicht möglich! — Jhr seid ja gar nicht dieser Sten Larsen!« »Herr!« Die Stimme des Bettler-s bebte vor innerer Erregung. »War um denn nicht?« »Warum? Warum?« gröhlte der Mant. »Weil Sten Larsen, dieser Ruhm und Stolz von ganz Helingsi borg, ein Millionär sein soll! Ja, ja, schaut nur. Ein jedes Kind er zählt in Eurem Heimatsdorf, daß Seen Larsen ein steinreicher Mann ist, der Petroleumgruben, Diamant felde:, Paläste und weiß Gott, was sonst noch siir Schätze und Herrlich teiten besitzt.« Sten Larsen sah ganz verständ nislos dem andern ins Gesicht. Und dem Maat erbarmte schließlich der arme Teufel. Denn eine duntle Ah nung sagte ihm den wahren Sachver halt »Na —- -— nu —- tröstet Euch! Wahrscheinlich wird alles Lüge sem. Man hat da in den Schenken und Spinnstuben ocn Helingsborg etwas von Euren Millionen zusammenge sluntert, wie dies in anderen Orten auch schon vorkam. Unsere Bauern prahlen eben gern mit ihren reichen amerikanischen Landsleuten —- und bei Gott! einen allzu freundlichen Empfang wird man Euch in der Hei mat gewiß nicht bereiten, wenn Ihr — statt als Millionär — als solch ein Vagabund zurücklommt!« ----———---—-· Am selben Abend vertraut Sten Lotsen alle seine wenigen ersparten Nidel in einer Tendeelointneipe. Und während wieder alles lachte und sich vergnügte, die Schwarzen tanz ten und die Mädchen ihr Lied an stimmten: »Wenn der Mani. iin Mond wär ein Nigger. . ·«, paate Sten Larsen eine wilde Verzweif lung. Also, ein Vagabund war- erl Und als einen unwilltominenen Bet telrnann würde aian ihn daheim einp fangen. Seine einstigen Spiel- und Schultarneradei;. die nun alle Ban ern mit Haus und Hof, satte Leute mit seiften, roten Gesichtern wart-it, würden ihn verpfluchen und wohl auch ihre Hunde nach ihm hetzen. Und sein Ende: irgendwo in einer offenen Scheuer oder hinter oem Wegstrauch. . . Aller Stolz, alle "Menschenwiirde, die ein erbärmliches Leben in Sten Larsen fiir lange Zeit zum Schweigen gebracht hatte, er wachte nun wieder in diesem detach teten und derlassenen Menschen. . . Als der Maat später in die Schänle trat, siand bald Sten Lar sen vor ihm. Bleich und mit zuelenden Lippen sagte er zu dein Seemann: s« »Ich hiib’"es mir überlegt — ich bleibe hier. Vielleicht läßt sich doch noch Arbeit finden. . .« -.—--— —- Das erklärt die Sache. Wirt: »Deinen Sie sich: getaeixi abend stelle ich meine neuen Stieiel auf den noch warmen Mannen-ed zum Trocknen, meine Frau ts. iit sie nicht, macht Feuer an unt »Aha —- nuii treisi ich aiict:, id-.ii.«in gestern abend mein Versiteat so zjh wart« -