Sdeei Staats TAnzetger und Wer-old III-IN Devu hefstng — J X siliis gest-. Erzählqu bmi Thomas Schäfer-. Mit einein jähen Knall ging die Tiir der guten Stube aus« und lider die Schwelle tugelte, ein osfenes Te legramm in der Rechten schwingend, die tleine, dicke, weißhaarige Frau Koneettde herein. «Er tonitntl Er kommt! Er lamenti« ries sie, die dunklen Kir schenaugen rollend, und reichte ihrem Gatten das Blatt mit der Freuden hoff-Deckt Der emeritierte Konrelidr Hage mann. der eben Zeile für Zeile, denn es drängte ihn ja niemand, seine Zeitung las, schod langsam die silber ne Brille aus der langen, schmalen Nase zurecht, sah seine ausgeregte besseres Hälfte mit ruhig prüfendem Blicke an, nahm gemessen das Tele gratnin und las: »Komm heute abend aus Urlaub. Willi.« «Hrn«. sagte er und ließ, ohne daß auch nur ein Zug in seinem hager-m dartlasen Gesichte sich verändert hätte, die Hand mit dem Telegtanun auf »seiner Schenkel sinken. «hn1 — das ist also alles, was Du dazu sagst?" decsetzte die Frau Konreitorin ein wenig gereizt «Sechgehn Monate hat man mit Zit tern und Bangen zugebracht, Tag und Nacht, Tag und Nacht —- und sent, wo der Augenblick endlich da ist, daß man den Jungen wieder-« sieht, sagst Du einfach »hm«, weiter nichts als »hrn« « Der Konrettor erhob sich, legte Zei tung und Telegramm aus den Tisch und trat, die Schöße seines Schlaf rvele-3, der ihm in diesen Kriegstagen arg weit geworden mai-, enger über einandersazlagena dicht vor seine Gattin hin »Ur-nimm einmal das-, tagte er, feine lange, schmale Gestalt übel« das tugel-unde Frauchen niederbeugend, legte die fchnmlen Hände auf ihre Schultern und driictte feine Lip pen leicht auf ihren vollen, schnee weißen Scheitel «Freuen wir uns. Altchen.« fuhr er dann fort, »daß nie diefen fchönen Tag noch erlebt haven.« »Ja, das ist wirtlich eine Freu de," erwiderte fie, .noch dazu jetzt, zwei Tage vor feinem Geburtstag. Und ’s ift ja auch alles bereit für ihn, leit Monate-L siehft Du. Nur abzuholen braucht man ihn — und das mußt Du schon allein besorgen, lieber Wilhelm. O Gott, o Gott, der Junge —- nein, Alter« wie ich mich freuel« Punlt sechs Uhr war Konreltor Dagemann auf dem Bahnhof. Der flillige Zug lief ein —- ohne Willi. Der nächste tam um sieben-. Uhr zwölf. Was deginnent Sich eine ganze gefchlagene Stunde in den lee ren Wartefaal fetzenl Draußen fiel, bei leichtem Frosc, in harten, eckigen Körnchen ein feiner Schnee vom Himmel Schon auf dem Hetzveg hatte ec-· ihn so ganz eigen durch wärmt, und fo lief er denn einfach weiter, immer am Rande der Heide etttlanI, und dann rechte in die breite Promenade, an der traulich die hell erleuchteten Villenfester schimmerten. llnd wie er so ging, da lamen fie doch wieder, die Grillen und Gedan ken. Nicht mehr fo nebelgrau brü .tend freilich. wie in all diesen Mo naten: es war, als ob oon dein tommenden Ereignis eln Licht in ihr waltende-Z Chaos fiele. Er»falf sich als dlutartnen jungen Studenten in der großen Stadt, ganz auf fich felbft angekoiefetn mit Korrekturen und Prkoatftunden fein Stückchen Brot erfchtoingend und mit Paul «L:sz:chlomivlle, den« Landsmann, Brot nnd Bude teilend. Er fah diese Bude im Ointerhnnse lser Chnusseestrnfze — l1d), rot-s fiir herrliche Tage hatte er dort oerlebti lind er sah sich als kaum DreLulidzwmizigjährtgen, ehe er noch daf- Linxmnen gemacht, mit Almine Bubliy ortlobt T— ver Toch ter feiner Zilmnrrlvirtim natürlich, dem hübschen rundlichen kleinen Winchesn das ihm uno Schwandtte des Morgen-« bevor sie ins Kollegj mager-. den ltlsftee aufs Zimmer brachte Und vermutlich auch ihre nicht immer heilen Stiefel io blitzt-laut putzte Wie va- nlles gekommen —( Gott, variiber war nachträglichfchwer etwas zu sagen. (» Ei war jn noch halbwegs gegan gen, und banger hatten sie nie geiitsj terr, nich ils ver Köpfe mit der Zeitj etwas viel wurden. Vier Töchter-, i teil kund und klein wie Frau Al Ivine, teils mager und groß wie der Zonketwy waren der Segen ihres Herzenebnaveil. Drei von ihnen hei rateten und hitten nn- wiever lauterl Tini-ten bis auf Milli. den ein igetH Seh-i ver friih verstorbenen elle iteii, den Stolz vernimm Familie. Oh er nun gleich, nach leinen- eben falu schon verstorbenen Later, nur ein simpler «Schrödet« war, sollte er doch dem Hagemannschen Blute den Weg nach oben bahnen und so vollenden, womit der Großvater einst aus halber Fahrt stecken geblie ben war. Studieren sollte er, loste es, was es wolle, und einmal Dot tor und Medizinalrat — er hatte sich siir die heiltunde entschieden — ;oder gar Prosessor werden. Da hieß ses denn silr den Konrettor Stunden «und immer wieder Stunden geben, wenn dieses Ziel erreicht werden sollte. Er hatte sriih in den Ruhe stand treten müssen —- «wegen eines Ohrenleidens«, wie es in dem amt lichen Verabschiedungjschreiben hieß, ladet er wußte schon, wie die Dinge in Wirklichkeit zusammenhingen Bis auf die Berliner Jugendtage ging die unerquickliche Sache zurück, auf die schön-: Zeit, da Wilhelm Hagemann ind Paul Schwandtle noch bei der längst verewigten Frau Exelutor Bubliz wohnten nnd das hübsche tleine Winchen ihnen den Morgen lassee aufs Zimmer brachte. Von diesem Zimmer aus ging der Blick über einen engen Hof nach den hin teren Wohngemächern des herrn Treibriemen- und Schmierölsarbri Dante-! Franz Andreas Pth dem das Haus gehörte· Und dort, an dem Fenster snit den mattgelben Vorhän gen, hatte so manches Mal Herrn Poth Einzige, die blasse Edith, ge stcnden und nach dem Studenten stiibchen herübergeblinzh und ein hal bes Jahr nach Wilhelm Hagemanns Verlobung, als Paul Schwandtle mit Ach und Leach sein Reserendarexa smen bestanden hatte, ging auf ein mal die große Neuigkeik durchs Haus: ,der andre herk don Frau Bublitz, Ider Dicke, den die Alwine ja eigent lich zuerst hätte haben wollen, sei der i».Zchsoiegersohn des reichen Hauswiris geworden. Vom Fleck weg habe er die Edith geheiratet, die ja teine große Schönheit war und ihn sicher nur mit ihrem großen Portemvnnaie erobert hatte —- der Rubinenschmuct allein, den sie bei der Trauung trug, hatte dreitausend Mart gekostet. Paul Schwandtte war nun ein gemachter Mann geworden: ais pfiffiger Kopf, siir den er sich selber hielt, ließ er tsich nicht erst aus das große Staats eramen ein, sondern ließ sich vorn iSchwiegervater ins orattische Leben ’einsiihren, machte den Doktor, wurde iSyri)ikus, Gründer von Vororttolos nien und Betrat aller möglichen und »unmöglichen Gesellschaften. ; Weit, weit über Wilhelm Hage rnannö horizont wuchs Paul Schwandtie empor. Wie aber der Zufall so bisweilen spielt: ein hal bes Menschenalter später, als Hage mann längst als Konrettor in einer der reichen Tuchstädte seines bran denburgischen heimatögaus amtierte, brachte er Winchen eines Tages die erstaunliche Neuigkeit mit heim, daß sein alter Budentlimerad zum Bür germeister der Stadt gewählt sei. Na, neugierig waren sie ja beide, wie sich Schwandites zu ihnen stellen würden denn schließlich an ihnen vorbeigehen, das konnten sie doch nicht gut, wenn gleich Schwandtte jetzt so eine Art Vorgesetzter des Konrettors war. An fangs ließ sich die Sache auch ganz leidlich an, die alte Kameradschaft schien sogar ein tlein wenig wieder aufzuleben, zwischen den Damen je doch begann, vielleicht aus bösen al ten tteimen, eine stille Feindschaft enipcrznwachsen die auch auf die Männer nicht ohne Einfluß blieb. Wie dem auch sein mochte, ob Frau Alevlae wirklich, wie es hieß, ihren Kopf bei den Begegnungen mit Frau Editli um einen Finger breit zu hoch trug, jedenfalls konnten sich Hage man-is der Vermutung nicht erweh ren, daß bei der beschleunigten Pen sionierung wegen des Ohrenleidens. dnH gar nicht so schlimm wur, diese tlenitichen Dinge mitgewirkt hatten. Ein paar Jahre später hatte das Schicksal dann auch Paul Schwandtte ereilt· Schon sein Bürgermeistern-m war ja eigentlich ein Abstieg oon den Höhen des Lebens gewesen, und wag daraus folgte, war schon mehr ein Sturz in die Tiefe. Ptöhlich schrillte ein Psiss mitten in seine Gedanken hinein: der nächste Zug fuhr ein! Er mußte laufen, um nicht zu spät zu tommen —- denn wenn er nun Willi versehlte und die ser allein bei der Großmutter ein traf: o, wie sähe das aus-? Und rich tig, wie er auf den Bahnhos kommt, steht Willi auch schon im Vortaum und sucht itn Gedränge, ob ihn denn niemand abholt »Gtoßvatekt« tust er, und die kleine, gedrungene seldgeane Gestalt des Entels fliegt auf den Konreltpr zu. Seite an Seite gingen sie tm Schneegestöbee rasch nach hause, zur Großmutter. - Endlich waren sie oben ln der mol ltgen kleinen Wohnstube, und da Aal-'s erst äu dreten die richtige, herz liche Veqr sung. Das Wort führte . I Edle Großmutter —- nun, mochte sie Inur immer, sie hatte ja auch in die sen vierzehn Urlaubstagen die haupt mlihe Wie er ihr glich, der Milli, lmit dem frischem runden Kinderw sicht und den suntelnden schwarzen Augen! Und wie der Konrettor den Enkel jeßt so anschaute, da bemertte er an seinem tressenumsäumten Kra ’gen pößlich große matglänzende Knöpse. »Du bist wohl avcinciert?« konnte erCsrch nicht enthalten zu stagen, als oie Großmutter den Suppenteller zum zweitenmal stillte. »Ach sa, das schrieb ich Euch noch gar nicht«, verseßte Willi lachend. ,,Vizeseldwebel bin ich neulich gewor den — dal« Er griss nach dem abseits aus ei nem Stuhle liegenden Seitengewehr mit dem silbernen Poetepee und hielt es dem Groß-mer vor die lurzscchti ·gen Augen. Es war eine ruppige al sk Kommißwassr. »Ja — trägt man denn da nicht den Ossiziersdegen?« sragte schüch tern der Konreltor, der nie in sei nem Leben Soldat gewesen war und von militärischen Dingen recht wenig verstand. Allerdings-, lieber Großpapa«, antwortete Willi, »das Recht dazu hab’ ich wohl —- aber da draußen sind diese Manneszierden nicht sur Gold zu haben, und auch sonst sind lie, offen gesagt, flir eine Studenten dörse happig teuer. Na, schließlich gel,t’5 auch so —« selbst Ossiziere tra gen ja draußen das Seitengewehr statt des langen Spicßes.« Der Großvater hatte aber schon recht mit der Vermutung, daß Wil lis Selbsttröttuna nicht aus dem fherzen lam. Der Degen — das war jdoch etwas, woran jeder deutfche jJunge feine helle Freude haben muß stel Der erste Degen, zu dem es ei iner vom Stamme Hagemann ge bracht —- o, der durfte tein bloßer Begriff bleiben, der mußte greifbare und sichtbare Gestalt annehmen. Und das ging dann fchon ihn, dem Konreltor. das Oberhaupt der Sip pc, ans ( Ja« aber wie. wie, wie sollte er ihn beschaffen? Das war die Fra ge, die nun in seinem Hirn zu boh ren und zu brennen begann. Wäh rend Willi und die Großmutter iiber all die ungezähltem höchst wichtigen Probleme oerhandeltem die fich in der langen Tennungszeit aufgehäuft hatten, gings dem Konreltor nur immer im Kopfe herum: wie fang’ ich es an, daß der Junge übermorgen, zum Geburtstage, seinen regelrechten Degen hat? Ganz so einfach war die Sache nicht, namentlich wenn er die Großmutter, der die häusliche Kas senfiihrung oblag. nicht mit ins Ge ·heimnig zog. Und das wollte er Hdiesmal nicht, er ganz allein wollte den Degen spenden. I Plötzlich, mitten in der Nacht, fuhr ;»er aus dem Schlummer empor: die sLösuitg war gefunden! Die Uhr wird einfach versetztU Da trug er nun solch ein Goldberg-out täglich fund ftiindlich mit sich herum und .zerbrrch sich den Kopf um plundrige EBO, 40 Mari, mehr tonnte doch folch sein Degen selbst in diesen Kriegs zeiten nicht kosten. Ja, die Uhr mußte itali, und nötigenfalls auch die Kette. Und wenn dann der Schlöchter ge zahlt hatte, wurde sie wieder einge slöft Der Traum hatte ihm den Weg gezeigt: ein Bild aus ferner sJugendzeit war ihm da erschienen lPaul Schwandtle sollte ins Referen ioarexamen steigen und lam am Tage Ivorher zu ihm, er möchte ihm 30 Hfiart bergen f-— er ffei abgebrannt »Dis- auy oen letzten Pfennig.’ Da nun auch Hagemann schwach bei Fiasse’ .tuar, so gingen sie beide zusammen nach Der Jägerstraßk ins Königliche ldeiharnh und versehten diese selhes Uhr, die der Konrettor heute nochs trug. Dann entnahtnen sie in einer Verleihanstalt Frack und Zylindey kauften Oberhemo und handfchuhe tmo puppten Schtvanvtte nach allen Regeln der Kunst in die Examentluft ’ein. Die 30 Mart hatte Wilhelm Hagemann nie zurückerhalten, die Uhr mußte er aus eigener Tafche wieder einlösen — — und heute, nach mehr als einem Menschenalter, sollte sie zum zweiten Mal den Weg nach der Jägerstraße antreten. Der Konrettor entschlummerie wie Der und schlief ganz vortrefflich bis in den Morgen hinein. Frau Altvine war bereits auf den Marti gegangen, als er aufstund, und Willi schnarchte noch kräftig im Zimmer nebenan. Der Konrektor trank feinen Gesund heiister. der auf dem Küchenherd fiir ihn bereit stand, und trat feinen Morgenspaziergang an. Das Ge schäft mit Schöneck war rasch abge wieieli. Als Hagemann heimtnrn. saßen Frau Altoine und Willi be reits heim Kaffee und unterhielten eh lebhaft iiber die Eint-reife in ersinnt-. Der Konreitor feste sich I -q-———-—.«-—-·. Izu ihnen, hörte ein Weilchen see-s streut zu und zog dann seine Uhr hervor. s »Was —- erst halb zehns« sagtel er ve schmitzt — er hatte die Zeiger-s nämlich um eine Stunde zurückgesl stellt »Oder sti der alte Sägee wie der mal stehen geblieben?« «Wie denn? Halb elf ist’s gleich«, versetzte Frau Alwine. »Lasz doch die Uhr einmal nachsehen ich habus schon immer gesagt. Du mußt ohnedies nach Berlin fahren, ich brauche so dies und jenes.« s Und er tam Zueecht Zwischen all den Vergnügungslotalen mit den lu stigen Namen, die es zu seiner Zeit’ noch nicht gegeben lag es immerf noch da, zweistöctig, nüchtern preu ßisch, einfach. Der Konrettor stieg die steinerne Treppe hinan und trat in den schmucklos tahlen Betsatzraum" zur Linien. Dort an dem langen Tische, in der Ecke rechts-, hatte er auch damals mit Paul Schwandtte gestanden, mit derselben goldenen Uhr. Jnstinttio trat er an denselben Platz, an dem niemand sonst war, und lugte ein wenig scheu nach dem andern Ende hin, wo ein halbes Dutzend weiblicher Gestalten einen be häbigen alten Herrn in einem start abgetzagenem weiten grauen Paletot imstand ,,Diese Rubine!. . Was für ein herrlicher Schmuck!. . « tlang es voll Bewunderung aus der Gruppe der Frauen. »Ja, wie gesagt, Herr Doltor: wir können nicht mehr geben," sagte der Tarator hinter dem Tische —- ,,hun dertundfiinfzig ist das allerhöchste Rubine find im Preise sehr gesun ten.« »Ich muß aber zweihundert ha ben, unbedingt«, sagte der Besitzer des Schmuckes — »dann geh’ ich eben zu Goldberg, ins Privatleih haus.« »Ja, tun Sie nur dag, Herr Dol tot « .,lautete· der tühle Bescheid. Der Herr im grauen Paletot soandte sich zum Gkhen Wie von ungesähr schaute ver Konrettor auf und ein Schreck durchsuhr ihn: es war Paul Schwandtle, sein einstiger Budentamerad, der da mit schlaf sem, miidem Schritt nach der Tür hin ging. Jhre Blickes lreuzten sich und im Auge des Bürgermeisters leuchtete es wie iähes Erkennen aus; doch dann erlosch das Flämmchen, und wie von einer beschämenden Er innerung gejagt, trippelte er rasch von dannen. »Muß der Alte wieder mal in der Klemme sein!« meinte der Taxator, ein noch junger Mensch, zu seinem älteren Kollegen. »Und wie stand der Mann ein mal da!« erwiderte dieser —- »mit Millionen hat er nur so gespielt, da draußen in Wilhelmshausem Das war wohl der Hochzeitsschmuck sei ner Alten, was er da brachte, der hat schon öfter bei uns gelagert. . . sWas ist gesällig?« wandte er sich geschästsmiißig trocken an Hage mnn - « Der Konrettor reichte ihm schwei gend die Uhr, die er von der Kette gelöst hatte. »Vier,iig Marl«, tam es mecha nisch über die Lippen des Beam ten. l »Ich brauche nur siinsunddreißigA »Schön . . .« Wenige Minuten daraus besand sich der Konreltor wieder in deri Friedrichstrasze, doch er sah nichts! von ihrem lebhaften, bunten Treiben, er :n ißte nur immer wieder an Paul Schwasidtie denken Erst jenseitsi der Linden, als ein Schwarm von jungen Ossizieren degenklirrend an ihm vorüberstrich, fiel ihm der Zweck feiner Fahrt wieder ein. Jn derl Marisllulzr, girrw neuen srrucui uneu Brrchlxändlen touszte er solch einen Laden. in dein eg zu tausen gab, was er suchte. Rechte Prachtstiicke von Degen gab es da, doch er wählte eine ganz schlichte, solide gangbare Klinge mit seuervcrgoldetern Griff, nicht zu lang, zu zweiunddreißig Mart siinszig Pfennig. Soll ich noch erzählen, wie Kon rettor hagemann Willis Degen heim lich unter seinem Paletot nach Hause brachte, wie er ihn zwölf Stunden lang unter Ausbietung seiner ganzen Verschlagenheit und List bald da, dald dort versteckte Jind dann am nächsten Morgen aus den Geburts tagzssch zwischen die von der Groß mutter gebackene Rußtorte und die Wollsocken der tleinen Lusinen pral tiziertei Soll ich die Freude des jungen Krtegers. das Erstaunen der Großmutter und das Triumphgesühl des Konreltors beschreiben? Soll ich schildern, wie Frau Alwine, trotz aller Mitsreude, doch den ganzen Tag die qualvolle Vorstellung nicht loiwurde, daß da etwas ohne ihr Wissen und Einvernehmen geschehen sei, und wie sie erst Ruhe gal- und Ruhe sr.nd, als der Konrettor ihr R alles, den heimlichen Palt mit Schlächterkneister Sei-durch und den Gang nach dem Leihamt, und das Zusammentreffen mit Schwandtte, und die Geschichte mit dem Rubinen schmuck bis ins tleinste erzählt hatte? Nein —- das alles soll sich jeder viel schöner selbst ausmalenl Von Haus Fr. ABlunck Wenn Niels Rissen, der Landbrief träger, die Feldpust im Dorf ausfrug, las er immer sorgfältig alle Karten durch, so daß er jedem einigermaßen Bescheid geben konnte, was mit den Lieben und Liebsten vorging. Und wenn er von Hof zu Hof ging, rief er's den Bauern und den Mädchen schon von weitem entgegen, was es an Wichtigem gab. »Hans schreibt, er geht nun nach Serbien«, oder »Ja-: ist umkommam viert, der ist nun Bursche beim Ma 1or«. Man war zufrieden damit, denn das Lesen tostet doch immer viel Zeit, wenn man rasch wissen will, was los ist. Und so tain"5, daß Niels Nissen seinen Schnaps für die gute Nachricht kriegte und daß er zwischendurch auch von den anderen erzählen mußte, von Hans Happe, der auf dem Untersee fuhr, oder von Jan Eltjes, der täg lich aus der Ferne schrieb» tein Mensch wußte, woher —- vielleicht aus Jn dien. « Aber nach Niels Nissens eigenem Jung fragte niemand. Der hatte ei nen niedergeschlagen und war vor Jahren in einem fremden Hafen von Bord gelaufen, alH er unter der Siteichgflagge diente. Und das wußten sie auch: daß es an dem Alten zehrte wie eine Krankheit Nur der Amtsrichter Stenger, der mit einem Bein aus dem strieg heim ueiehrt war und sich am Meer erholte, hatte den Landbriefträger einmal da nach gefragt. Da war Niels Niffen ioienvleich geworden, hatte sich wori ws umgedreht und war gegangen. Seit dem Tag wühlte es in dem Al ten, etwas Verharschtes war aufge brochen, und wenn er über den Teich ging, sprach er mit irgendeinem da draußen im Nebel, einein, der seinen Namen trug und thn Unehre gemacht hatte, und gegen den er kämpfte wie gegen einen Schatten im Watt. Aber das Meer war erbiirntungslos, rollte einförmig in schwerem Wellenschlag heran, fpottete seiner und verhallte verstend zu ewiger Wiederkehr. Was ift denn deine Ehre, Niels Rissen? Die Menschen feiern ihre große Zeit und du bist nicht dabei, dein Blut, dein Stamm verscholl Aber end lofer noch als diese Jahre braust das Meer, flutet über die Erden der Völ ter, versenkt Länder und gibt neue Berge frei, wenn sein Schöpfer es will. Bist du nicht selbst der Schat ten im Nebel, gegen den du schreist? Was willst du artnselig Menschlein um deinen Namen bangen? Jrn zwölften Monat nach Kriegs beginn lanr ein Brief von dem Jung, der brachte den Alten ein Stiict Ehre wieder und neue Qual daneben. »Weder Vater« —- fo lautete er ——, ich bin auf einem Schwcden glücklich herübergelotnmen. Ja der Ostsee hat uns der »Adalbert" angehalten und ich bin gleich an Bord genommen. Jetzt bin ich wieder Soldat und man weiß nichts von mir. —- Dein glück licher Sohn Peet·'. Als der Alte den Brief erhalten hatte, war ihm zum erstenmal auf seinen langen Wegen ganz sonderbar zumute gewesen. Es war, als hätten sich die Straßen eine ganze Weile ge dreht. War wohl das Alter, das ihm den Verstand fraß. Und dann hatte er zu allen Bauern laufen wol ten und schreien: warum habt itjr mich nie nach meinem Jung gefragt? Der steht jetzt auf der ,,«.)ldalvert«, sag’ ich euch; heut’ hah’ ich auch ei nen Brief getriegr. Da tvar ihm plötzlich der letzte Satz eingefallen, und noch einmal war eel gewesen, als- fei der Dorf teich geschwollen und wäre voll von Feuer ,,Und man weisz nicht-H von mir«. Herrgott, wenn die nnchsruqten und erfuhren, daß es Peer Rissen, der Fuhnenslüchtige, der Totschläger man Die würden ihn festhalten und mür. den ihn ver-urteilen und im Dorf würden siess ersahrem daß Nielg Nissens Sohn im Gefängnis saß. Der Alte ließ die Tasche fahren, schlug die hände zusammen, mitten aus der Straße, und wimmerte leise betend vor sich hin: ,,Hertgott im Himmel, sei mir gnädig!« Drei Tage mußten die Bauern sich ihre Briese selbst boten, dann ging der Landbriesiräger wieder von Tür zu Tür. von Hof zu hof und brachte das Neue aus der Welt in die ein-; same Wurf hinter dem Seedeich. Aber er las die Briese nicht mehr, er gab sie an die Kinder, die dkaußen spielten, und lief weiter wie land flüchtig. Die Bauern schiittelten die Köpfe, hätten gar zu ern von den anderen im Dorf gewu t und sagten schließlich, der Alte sei etwas son derbar geworden Und vielleicht hatten sie nicht un recht. Wenn Niels Nifsen über den Seedeich ging, sprach er laut vor sich hin, kämpfte gegen den Westwind und fah seltsame Gesichter im Nebel drau ßen. Schiffe warens, irgend ein Schiff, das draußen im Watt lag und langsam den Priel hinauskam. Und Menschen waren an Bord und winlten und schrien. Sprachen sie nicht von Peer Rissen, dem Fahnen fliichtigeni Er hörte es deutlich und lr hörte den Namen, den der Wind blies. Peer Rissen schrie er. Peet Nifsen und Peer Nissen. Und die Menschen lachten —- so nah lag das Schiff — und wintte herüber und zeigte auf den Landbriefttäger, der über den Deich lief. Nielz Nissen ging rascher, um sie nicht zu hören, aber das Schiff fuhr neben ihm her, über alle Untiefe n und Halligen hinweg, verzerrte sich im Ne bel wenn der Wind wehte und wuchs doch wieder zusammen. Und die Men schen schrien auf den Kaiser, ganz laut schrien sie· Aber Peer Nisfen war auch dabei und sah mit großen Augen zu ihm herüber. ganz groß, denn er stand ihn am nächsten, ganz vorn am Anlersaill· Warum schrien sie alle? Alo Niels Nissen recht zusah, er schrak er. Das große Schiff im Nebel sank langsam in die Matten. Wie in zwei Teile gespalten schien’ö. Rasch sank es, kmmer rascher. Und die Menschen -schrien und winkten. Aber als Nielg Rissen recht hinhören wollte, war’H der Wind, der fuhr und die Nebel jagte. Als Niels Rissen an dein Tag dem Amtsrichter die Zeitung brachte, muß te er sich eine Weile aus«-ruhen, so son derbar war ilnn aer Spuk in die Glie der gefahren. Der Amte-richtet saß beim Morgenlafer hatte ihm ein Glas hingeschoben und faltete langsam die Zeitung auseinander. Aber er zog die Stirn zusammen, seufzte ein paarmal und nickte zu Niels Rissen hinüber: »Wir haben ein großes Schiff ve,rloren wissen Sies schon? Den »Prinz Adalbert« « Der Lanovrreftrager fah ihn eine Weile unsagbar erschrocken an. Dann stöhnte er auf, schien langsam zu be-, greifen und liefz den Kopf sinken. »Da war men Jung drauf, Herr Amtgrichter!« Niels Rissen ging den weiten Weg zurück zum Dorf-. Als er an die Stelle gekommen war, wo das Schiff im Nebel gelegen hatte, blieb er ste hen und sah lange iiber das schmutzi ge, braune Vorland, dast- in der Ebbe voll zerrissener Soden und Schilfbiiden lag. Da, ungefähr da, wo der Stark zu Ende ging, war das Schiff gesunken. Der Briefträger nahm seine Mütze ab und legte sie an den Mund. Er wollte beten, aber er wußte nicht recht. was er sagen sollte. Ob's der Herrgott so gewollt hatte, um ihnen allen die Schmach zu ersparen? Er trar noch zu be täubt, konnte keinen klaren Gedanken fassen Es lag auch zuviel Zeit da zwischen, seit der Jung gegangen war, seine alternden Sinne faßten sein Bild nicht mehr recht. Nur das Ne belschiff sah er, und vorn irgendeinen Schatten Der schrie und winkte. ais er sterben sollte. Was sagte ers Auf den Kaiser hurra rief er, Niels Rissen hatte es deutlich wahrgenom men. Und keiner wußte nun, dasz Peer ins Gefängnis sollte. Der war ehrlich gestorben wie die anderen --— war er dass nicht? . Als er daran Dachtr, löste sich etwa-J in seine-n Innern. Nielsz Rissen be gann zu weinen, vor Schmerz und vor Stolz. So ging er langsam auf die Höfe und brachte die Post. Er war mühseliger als sonst und fein Schritt war schwer und müde. Aber wenn die Bauern ihn fragten, erzähl te er, daß ein großes Schiff gesunken sei und Peer Rissen drauf, sein Jung. L du Minder-mund. s Lottchen spielte gar zu gern nuf Idec Straße und fing natiirlich dabei ’auch Worte aus, die sich ganz und gar nicht zum Gebrauch siir kleine, wohl serzogene Kinder eignen. So brachte »sic- letzthin auch Wieder einen Kraft lansdruct mit nach Hause. Um ihr das Abgewöhnen leichter zu machen, versuchte es die Mutter diesmal mit einer in Aussicht gestellten Belohnung. »Lotti, versprich mir, dies häßliche Wort nicht mehr zu sagen. Höre ich es nicht mehr, so sollst du auch einen neuen Nictel von mir betommen«. Lottchen versprach-«- und hielt Wort. Nach einigen Wochen jedoch tnm sie .fteudeitral:.leiid zu ihrer Mutter ge rannt und rief triumphierend: .Mut ti! Muttit Jeht hob ich als-c ein Wort, das ist mindestens einen Quar ter wert". «