Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, May 11, 1916, Sonntagsblatt, Image 12

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    « get-time m Eilet-.
seinem ans Qstpreußens Zcheectenssmgen
von Fritz Stummen
(2. Fortfetzung).
Jetzt hatte et gehofft, daß hanna
die tiefere Absicht seiner Aufforde
rung verstehen und die Gelegenheit
eeseeifen wuede, sich die Zufrieden
heit seiner Mutter zu erringen Oder
war es ihr so völlig gleichgültig, Daß
jie ihn nicht versteyen womit Das
me doch heute eine deutliche Abwei
fung seiner Beweedung gewesen.
Als seine Gedanlen bei diesem
Punkt angelangt waren, griff er mit
einem Seufzer nach seiner Mütze und
ging hinaus out den Hof. Jhm wen-,
alt hätte er ein langes Gespräch mit
seiner Mutter gehabt, und doch tvae
es nur ihr mitteidsvollee Blick gewe
sen« dee ihm sagte, daß ein neues
Mutteeheez uin ihn sorgte. Es war
teine Boteingenoinmenheit gegen
Hunnen das wußte et, sondern ehrlich
sorgende Muttecliebe, die den wacke
een Sohn vor einer Ehe bewahren
wollte, in der nach einem kurzen, hei
ßen Rausch eine Eenüchterung und
catftenidung eintreten mußte.
Gleich nach Mittag ritt Wolf nach
Ma, uin seine aus Rußlaiid an
toinsziiiendeii Schnitter in Empfang zu
nehmen. Er hatte einen alten, start
tiiochigen Gan unter sich, der seines
hohen Alters wegen das Gnadenbrot
erhielt es sich alier noch reichlich ver
diente, denn iin Sommer zog er das
kleine Wögelchen, in dein Frau Stut
terheiin saft täglich ins Feld fuhr.
Beim Einfahren des Getreides muste
er ins Scheuiiensach und unablässig
hin und her wandern, um es fest zii
trainpeln Und wenn er lange un
tätig gestanden hatte, wurde er auch
zu einein kurzen Riti in Anspruch ge
nommen. Für große Schnelligteit war
er nicht zu hauen, aber die verlangte
inaii ja auch von ihin nicht.
Da er noch reichlich Zeit hatte,
machte Wolf den tleineii umweg uder
Andreaswaide, um ·sich nach Hannas
Besiiiden zu ertuiidigen. Christel hatte
ihn aus der Giebelnube toinnieii se
hen und stand schon vor der Tür,
als er aus den Hof ritt. »Es geht
Vaniia nicht sehr gut, sie hat hohes
ziehet und heftige Kopsichmerzen
Wir haben schon das Auto nach dein
Arzt geschickt.«
Sie trat an sein Pferd und strei
chelte dessen hals. «Das wäre so
ein Pferd fiir Hamm, wenn sie noch
einmal Lust verspürt zu reiten«,
meinte sie iriit einein schelmischeii Lä
cheln. »Du würdest nicht springen,
aitee Groneberg i«
Rein.« erwiderte Wolf, »dafii·r ist
er nicht mehr zu haben. Fiir Dank-a
ist doch keine Gefahe?«
Christel zuate die Achseln. «Mit
solch einer schweren Eriältiing ist
nicht zu spaßen. Da loiniiit jetzt im
mer gleich die neuinodische Krankheit,
die Jnfluenza, dazu, und vor der
habe ich allen Respekt Nun mach
dir blos keine Gedanken, lieber Wolf,
ibchtagen werde sie schon zuin Schwigen
r
Er reichte ihr vorn Pferd herab die
Hand. Mhati Dank Christe!, fiir
deine Samaritertiitigkeit.«
Mit einein langen Blick sah sie ihm
nach. Ein Zorn war in ihr ausge
stiegen den sie mehr fühlte als dachte.
Ein Zorn aus ihre ältere Schwester,
die eine so treue Liebe nicht zu schät
zen wußte. Noch vor kurzem hatte
sie ihr, als sie von einein Dragoners
rittnieister schwärinte, der ihr eifrig
den has machte, uortvurssiioll gesagt,
daß sie ein schweres Unrecht heginge;
niid Haiina hatte lachend daraus er
·toiderl: »Der Wolf liiiist niir nicht
fort. Der wartet so lange, wie ich
ihn brauche. Aber hoffentlich werde
ich ihn nicht als Notnagel brauchen.
Und darin rnit häßlichein Lachen
JlIS dir spricht ja nur die Eifersucht.
Dir olliest aiir doch dankbar sein,
daß dir das Feld freilasse«.
Wie eme Flamme war Chr-met die
Röte ins Gesicht gestiegen. Wortlos
hatte sie sich abgewandt, um hinaus
zugehen und eine verfehwiegene Ecke
aufzufuchen, wo sie sich augweinen
bunte Und dabei war eH ihr zum
erstenmal klar geworden, daß es
nicht bloß Freundschaft war, was
sie für den Jugendgefpielen empfand,
sondern ehrliche, tiefe Liede. Und
sle wußte, das sie hoffnungslos war,
daß Wole Herz Ihrer Schwester
hanna gehörte, daß er um sie ward.
WI- holf es ihr, daß hnnna ihn
surlickwiezs Er würde doch für sie,
die chrifteL nie mehr empfinden als
« eine Schwester. Und ihr Gefühl
ogte ihr das Richtigk. »
Während der alte nach feinem frü
en Besiser genannte Gaul lang
arn nnd gemächlich dahinschritt,
wanderte fein herz zurück nsq dem
Ist-haufe, wo das gelieer Mädchens
in wir-en Fiebertränmen leissi Ge
Iri, sie Isa- Wlch, war
Miitig M seit herzu aufgelegt,
eian UenM p- acken Auch ihn
M fie heilte sen-L Oder verbarg
Unter des- thsen, lustigen
I- eise-s sich stunk-a Samt
m km- ichiimm den «pr »i
»New
LI- W
l
tapfer and hoffnungjsreudigx aus der
nn Sonnenschein leuchtenden srisch
ergrünenden Saat strahlte ihrn die
IBejahung des Lebens entgegen. Er
strertte die Hand ans und wintte der
Lerche zu.
An ihm vorbei rnsselten die Wagen
von Andreaiwalde, die auch aus den
Bahndos suhren, urn russische Schnit
ter abzieht-ten hinter ihnen ritt der
Jnspeuor Brinttnann. Er schloß sich
Wolf an und erzählte, daß er das
schöne Reitpferd von seiner Qual
durch einen Schuß erlöst habe. Dann
fragte Wolf, wieviel Schnitter er in
diesem Jahr bekomme.
»An hundert Stück sollen es sein,
herr Stutterheim«, erwiderte der Jn
Ipettor. »Ja, wir brauchen so viel
Uni fehlen mindestens sechs verheira
tete Jnstleute und auch einige Knechte.
Könnten Sie nicht mit dem Herrn
darüber sprechent Die Gnadige
kümmert sich nicht darum, die Main
sell tut, was sie will. Und die
Leute machen heutzutage Ansprüche,
die Knechte sind mit dein Essen nicht
zufrieden und gehen weg.«'
Wolf zuckte die Achseln. «Lieber
Brintmann, ich wollte Jhnen even
gerade ins Gewissen reden, daß die
Meierei nicht genügend beaufsichtigt
wird.«
»Ach Herr Stuttetheini, Sie wis
sen doch, daß ich nicht alles schaffen
tann. Die ganze Hofioirtschaft, die
Rechnungsführung die Amtsgeschiif
te die Außenwirtschaft, das tann ein
Mensch nicht bewältigem Und der
herr. se älter er wird, desto weni
ger tüitnnert er sich um den Betrieb
Er studiert in den Büchern, hält lan
ge Vorträge im landwirtschaftlichen
Verein, und in seiner eigenen Wirt
schaft tann ei gehen wie es will Jch
habe gestern gekündigt. «
Weis drehte sich iin Sattel zu ihm
um. »Aber Brintniann!"
Nein, here Stutterheiin, ich habe
auch Ehre im Leide. Jm Winter ist
alles verkauft worden, was an Ge
treide vorhanden war, und fett ninß
nicht nur Saat, sondern auch Fut
tergetreide getauft werden. Das siillt
aiich aus mich zurück· Jch bin in An
dreaswatde grau geworden und habe
meine beste straft hier gelassen, aber
nun mach ich Schluß, und Sie miissen
mir das Zeugnis iiusstellem daß ich
ehrlich into treu sitt meinen Herrn
gearbeitet habe«.
»Ja, das tann ich. Aber was soll
denn aus Anoreiigwatde werden,
wenn Sie gehen t«
Der Jnspettor zuate die Achseln.
»Den Vtutterheinn da gehört eine
Junge straft hinein, die auch Geld
hinter sich hat, und eine junge, tüch
tige Frau. Die beiden Mödel könn
ten sa manches Gute schaffen. Han
nachen hat teider gar teinen Sinn da
für. Christel mochte ja, aber die
gnadige Frau sieht es nicht gern, daß
l sie in die Wirtschaft geht. Das wis
sen die Mamsello in der Küche wie in
der Meierei und sind frech gegen sie.
Ztttein, nein, Herr Stutterheiin, das
sgeht leinen guten Gang«
; Wolf schwieg. Alle-, was der
Graubari ihiii sagte, wußte er ja
s.selbst Schweigend ritten sie auf dem
Bahnhos ein, stiegen ab und banden
Iihre Pferde an Der Vorsteher kam
ihnen entgegen: »Der Zug hat eine
Viertelstunde Verspätung, meine Her
;ren. Mit dem Einladen der Aussen
hat er sich so lange ausgehaltenc
3, Langiam wanderten die beiden
iLandwirte auf dein Bahnsteig aus
und ab. Sie sprachen wieder iiber
EAndreaswaldr. Dazwischen fragte
Wolf: ·Wie werden Sie bloß mit
der Bande von hundert Menschen
! fertig werden?«
T »Ach, here Siutterheiiti, diesmal
ftoinint noch so eine Art Jnspettor
lniit. Er hat die ganze Gesellschaft
)angeworben und soll sie auch beauf
J.'·stchtigen
» «Ein Russei«
x :Wahrscheitilich doch, aber er
sschreibi ganz gut deutsch. Wissen
Sie, wae ich meines Das ift wohl
so eiii Vertrauensmann der russischen
Regierung« .
»Motiven Sie wirklich, daß die
rutsische Regierung sich darum küm
mert, wie es den Arbeitern bei uns
geht?'«
»Wer kann das missen, Herr Stut
terheim2 Es hat ja schon geheißen,
daß die rutfitche Regierung ihren
Leuten verbieten ivili, nach Deutsch
land zu gehen. Dann find wir in
Ostpreußen mit der Landwirtschaft
unfgeschniissen".
Aug der Ferne wurde ein Pfiff
hörbar. Der Zug rollte heran nnd
hielt. Aus dem Wagen vierter Klasse
ergoß sich eine Menschenmasse auf den
Bahnsteig. Männer, Frauen, halb
wiichjige Benget und Mädchen.
Schreieud und fluchend und sich sto
ßend nnd drängend fchleppten sie Ka
sten und Säele aus dem Wagen. Vor
der-i Vahnhofögeveiude standen einige
masneifche Bauern und Arbeiter. Mit
unrecht-steuer Geringtcheisung sehen
sie its-is den Schwarm Rassen. Und
sie hatten alle Ursache dazu. Denn
nicht nur da der Neide-W sondern
auch is Sessstiasidtuck unterschieden
ltlch die Istme sehe zu ihren
Mite- ven sen Landes-einh
iesiquiz verriet. set-W ten
fkd m us. sie ihr W
J Ins sei- Isset W Maße var
ist«- Wss W III-M
f
.ng
ltrat auf Wolf zu, lüstete den Hut
Hund frosgte in fremdtlingendenh dar
Xtem Deutsch: »Bitte« sind Sie aus
Andrenswalde?«
Der Gutsbesitzer schiittelte den
Kopf und wiej auf den Jnspettpe,
der eben eine Anzahl Männer und
Frauen vom Bahnfteig zu seinen Wa
gen führte. Einige Minuten später
hdrte Wolf einen scharfen, lauten
SWottwechseL Er ging an die Ecke
ldej Hauses and fah, wie der Ruffe
den Pferden des vordersten Wagens
in die Zügel fiel, während er auf
Russifchgdeinen Leuten abzusteigen be
fahl. aztvischen rief Brintinnnn
dein Knecht zu: »Du fährst leit«
Grinsend richtete sich der Knecht im
Sattel auf, tnallte mit ver langen
Peitsche und ließ die vier Pferde an
nahm Der Rasse sprang fluchend
zur Seite, während der Jnspettor
sich lachend in den Sattel schwang.
»Wenn Sie nicht wollen« können Sie
zu Fuß marschieren«.
»Was ist denn da los,» Print
mann?" tief Wolf nnd ging näher.
»Ach-Herr Stutterheitn, vetn Herrn
Jnspettor ists zu fein, rnit feinen Leu
ten zn fahren. Er verlangt einen ei
genen Wagen«.
»Jamm, das verlange ichs rief
der Aufse, »und ich glaube, daß man
in Deutschland Leute, die man
braucht, anständiger behandelt.«
»Noch viel zu anständig«, ries
Brintnmnin gao seinem Gaul die
Sporen und sprengte den Wagen
nach.
Der Russe wandte sich zu Stut
terheiin. »Ich säh-re sofort meine
Leute weg«.
Wolf maß ihn mit einem kühlen
Blick. »Mit weni habe ich denn das
Vergnügeni«
»Mein Name ist Radiento, ich habe
die Leute angeioorben und habe für
sie zu sorgen- Jch bleibe nicht bei
Verrn Brettschneider.«
«Dariiber werden Sie wohl ver
dammt wenig zu bestimmen haben,
Herr Nadrento« wenn Sie einen Ver
trag mit meinem Nachbar Brettschneis
der abgeschlossen haben. Wir brau
chen wohl die russischen Arbeiter, aber
wir betrachten sie als ein notwendiges
Uebel. Und unsere Behörden ma
chen nicht diel Federlesens mit Ih
ren Landsleuten, zumal hier an der
Grenze, wo das Ausrucken so leicht
ist. oliid in Ihrem eigenen Jnieresie
rate ich Ihnen, oaß Sie sich jetzt zu
Fuß nach Andreaswaloe aus den Weg
machen«.
.Wer find Sie denn, daß Sie mir
das so sagen?«
»Ich bin der Nachbar oon An
dreaewalde und komme täglich dort
hin. Es tann sich nur uin ein Ver
sehen handeln, daß sür Sie lein
Wagen mitgetchickt worden ist«
»Das werde ich sofort feststellen,
wenn ich nach Andreaewolde tomme.«
Wolf lächelte. »Ich darf wohl an
nehmen, daß das in sehr höflicher
Form geschehen wird. Eine andere
Art vertragen wir hier in Ostpreup
ßen nicht mehr von den Herren Rus
sen«.
Er machte eine turze handbewes
gung nach der Mühe, wandte sich ab
und stieg auf seinen Groneberg.
Seine Schnitter, von denen die mei
sten schon seit Jahren wiedertehrten,
hatten ihn respetrooll gegrüßt und ih
ren Wagen bestiegen. Eben waren
die Wagen abgefahren. Einige hun
dert Schritt hinter dem Biihnhos
holte der Rasse Wolf ein und ging
aiit dein Fußiteig neben ihm. Sein
Zorn schien verraucht.
«herr Herr wie war doch
Jiyr Manni«
«Stutierheim«, erwiderte Wolf, sich
leicht ini Sattel oerbeugend.
Herr Stutterheini, dars ich srageii,
wie groß das Gut ist, wo ich hin
tonime-«
«Ueber viertausend Morgen mit
reinem Körnerbau«.
«Körnerbau? Ach so, Sie meinen,
ej wird nur Getreide gebaut«.
«Na, etwas Milchwirtschast ist
auch dabei, die verträgt sich damit.
Jnteressieren Sie sich so dosiiri«
Der Rasse nicktr. »O sehr. Ich
bin seit einigen Jahren Landwirt.
Vorher war ich allerdings etwas nn
deres, aber die Verhältnisse werfen
manchmal den Menschen aus einem
Beruf in den anderen.'«
Wolf nieste zustimmen-. »Sie
wollen wohl unsere Landwirtschaft
tennen lernen?«
«Jawohl, sehr richtig, Herr Stut
terheim. Wir wissen, daß Presßen
in der Landwirtschaft eine führende
Rolle einnimmt, das heißt, solange
wir Jhnen da5,nötige Uebel, die Ar
heim, liefern·'.
»Ich glaube, Sie verkennen das ge
genseitige Verhältnis. Wie nehmen
Ihnen die überschüssigen Arbeiter ah,
die Russland nicht ernähren tann, und
das Gelt-, pas Jhre Landsleute aus
Deutschland nach Hause bringen« trägt
viel dazu bei, Jhre Landwirtschaft zu
teiftigen«.
,,Das will ith nicht bestreiten
Herr Ontsbefißey aber es ifi doch
ein Freundsqnftjdienst meines Lan
des, dass es Ihnen die Arbeiter gibt,
ais· nur möglich, wenn Deutschland
rnie uns gute Freundschaft hsitc
Der stets hatte das sefiihh
ais wenn der Mr ihr wessen-en
Watte-wen Ton reizen Ipo , nnd
er hatte seine Luft, rnit dem Men
sche-, der ihm M ersten I entstie
»3MW var, seh Idee III n zu
« It M seh-I Ists ei
Her-V
tout mit den sporen, und Groneherg
war so liebenswürdig, steh '·r einige
hundert Meter in einein san ten Froh
zu halten. So llnn e zehn Minuten
früher in Anpreqswnl e an als Derr
Rudrentm Er stieg ab und ging zum
Onkel Brettschneiver hinein. ver in
einer Wolke von Tabatdunft über ein
Auch gebeugt faß. Der alte here
schob seine Brille auf die Stirn nnd
streckte ihni die Hand entgegen. »Du
willst dich wieder nach Hanna erkun
digeni G geht besser, Wölflein. Sie
hat tüchtig geschtvitzt«.
»Dann dir fiir die gute Nachricht,
Onkel. Jch will dich nur bitten, daß
du deinen russischen Jnipettor heute
nicht eint-fängst Jch tornine mor
gen früh her, dann liiizt du ihn rufen.
Jch erzähle dir nachher, weshalb ich
dar fiir sehr wünschenswert halte«.
«Selbitverftiindlich, mein Jungchen.
Ich bin dir sehr dann-an wenn du
inir einen guten Rat gibst«.
Als sich Herr Uladrento eine Bier
ielftunde später meiden ließ, erhielt er
den Bescheid, der Herr iei nicht zu
sprechen, er werde morgen früh, wenn
der Herr Zeit habe, gerufen werden.
Der Jruhltng war rnrr seinem
ganzen Gefolge ins Land gezogen.
Die Berge irn Walde waren init
blauen Leberbliimchen und weißen
Anemonen übersät, ou dein Scheu
nendach stand klappern der Storch,
und aus allen Bäumen und Hecken
erklang das Jubellied der kleinen
Sänger, die fleißig an ihren Nestern
arbeiteten. Ein lauer Wind strich
iiber die Erde, der die Sonne auf
reizte und die Körper zu wohliger
Müdigieii erschlaffie.
Singend zogen die russischen
Schnitter ins Feld. Aus den häß
lichen Raupen waren bunte Schmet
terlinge geworden, die sich rnit il
farbenen Miedern und Kopftii rn
schmückten Wie siohlen glühten die
schwarzen Augen in deni bräunlichen
Gesicht. Nur unten, von den tur
zen Rocken abwärts war noch teine
Verschönerung eingetreten denn die
Füße steckten noch in den plumpen
Männerstiefelru
Vierzehn Tage hatte Hanna fest
zu Bett gelegen, und ebenso lange
dauerte eb, bis sie wieder etwas zu
Kräften lam, bis sie aus dem Liege
stuhl aufstehen und einen kurzen
Spaziergang durch den Garten un
ternehmen konnte. Jhr Gesicht hatte
einen anderen Ausdruck bekommen.
Es wurde vollständig beherrscht von
den duntlen Augen, die das iibers
mütige Lachen verlernt zu haben
schienen. Jhre Schönheit hatte da
durch einen neuen, eigenartigen
Reiz gewonnen
Das traurige Ende der schönen
Stute, das sie oerschuldet hatte, war
ihr nahe gegangen. Auch an Wolf
mußte sie oft denten. Die Schwe
stern hatten ihr erzählt, wie er sie
reitend nach hause gebracht und sich
täglich nach ihrem Befinden erkun
digt hätte. Aber seitdem sie auf
gestanden war, hatte sie ihn noch
nicht gesehen. Nur telephonisch hat
te er sich einige Male nach ihrem
Besinden erkundigt.
Hanna war von aller Welt so ver
wöhnt, daß sie es als eine Vernach
lässigung empfand. Sie hatte die
soielen Beweise von Wolfi Zuneis
gung wie etwas Selbstverständliches
hingenonimen. Nun striiubte sich ih
lre Eitelkeit gegen den Gedanten
daß er sich von ihr zurückziehen
könnte Vielleicht hatte sie ihn durch
jihre übermütigen Worte gekränkt?
l Sie war nicht weit von der
Wahrheit entfernt. Wolf hatte in
der Zeit, wo et hanna nicht täglich
sah, sich in Gedanken viel mit ihr
beschäftigt Schon mehrere Male,
Jwenn er ihr die Möglichkeit einer
Verbindung angedeutet hatte, war
sie ihm ausgewichem oder sie hatte
auch schon rnal gesagt, daß sie nicht
saus detn Lande derheiratet sein möch
-te. Dann hatte er dazu gelacht und
zes als eine Reiterei aufgenommen.
Dies-nat waren ihre Worte bei ihm
tiefer gegangen. llnd damit tani
inm die entrinnt-ung, das er gar»
tein Recht hatte, sich so sehr um
hannas Befinden besorgt zu zeigen.
Vielleicht, vafz seine Zuriidhaitung
auch sie dazu veranlaßte, ihre Stel
lung zueinander zu prüfen.
Jn gewissem Sinne hatte er recht.
Denn eines Vormittags, als die
Sonne so recht warm schien, tauchte
sich Hannn auf den Weg, um Tante
Mathilde in Dultowen zu besuchen
Eine freudige Kraft war in ihr.
Den Ausreißeh den Wolf, wollte sie
zur Rede ftellen und so lieb und
nett zu ihrn sein! Frau Stuiter
heim saß in ihrem Wagen am
OFenster ihres Zimmers, von dem!
aus sie den hof und allez, was
darauf geschah, übersehen konnte.
Da sah see dann auch öfters ihren
Sohn, wenn er vorn Felde heim
tam und noch kurzem Verweilen
wieder hinauseitt
Freundlich, wie immer, empfing
sie den Besuch und beqliicktoüu chte
bannt- zu ihrer Genesung. Miit-«
pterlich besorgt strich sie ihr iiber Die
jWang ge, vie von ihrer Its-du und
frischen satt-e viel einsebiißt
fund ihr suse mpfaeQ dass von
dein Nikel ein neuer Zauber aus
iginz seitdem He ernster Ins sM
se ums-u am. erhe- schpu on te
sei iiin den dunklen sagen schrie-it
)
i
r
Mc
Ue t du, Tun , das solf
Isido- E tosen- i
fange, wie ich aus bin, nicht bei uns
hat sehen lasseni
»Mein feind, est-hat zuviel zu
tun. Morgens vor Tage-grauen
steht et auf zum Weiten und but
tern. Dann reitet er ausi ld und
steht bei den Leuten. Ich ehe ihn
nur zu Mittags und Abendbrot ans
eine Biefielstunde. Und bis ties in
die Nacht fist er iiber seinen Bil
chern und chreiht Briefe...«
»Aber Tantchen, das tnnn doch
kein Mensch aus vie Dauer aushol
irn. Was hat er denn von seinem
Lebe-ji«
.Arbeit, Hamm, die unseren Le
benszwed ausmacht«
Mit einem Blick, aus dem der
alte Urberknut sprühte« sah hanna
zu ihr aus. »Ich habe immer sagen
hören, Tuntchem Eine Beschäfti
gung muß der Mensch haben, aber
die darf nicht in Arbeit ausarten-«
Frau Stutterheim machte eine ab
wetsende Miene. »Das ist nichts
weiter als ein schlechter Scherz, mein
Kind. Jeder Mensch musz die Sm
le ausfüllen, aus die ihn pas Schick
sal gestellt hat. Mein Sohn hat
eine große und schwere, aber schöne
Pflicht zu erfüllen. Er tut es Jnit
Freuden« und es bekommt ihm sehr
gut. Der Junge ist wie von Eisen.«
»Er könnte sich doch wenigstens
einen Jnspektor halten«
»Jawohl, das könnte er. Aber die
tüchtigen Menschen sind diinn gesat
und noch dünner aufgegangen. Ehe
er sich mit einem schlechten Beamten
herumiirgert, tut er selbst die Ar
beit.«
»Ich würde an deiner Stelle doch
daraus dringen, daß er sich nicht zu
viel zumuten Sein herz ist doch
nicht ganz takisest.
»Ach, du spieisl aus den Unsall
an, der ihn bei der legten Uebung
vom Pferde wars und seiner milis
tätischen Laufbahn ein jähes Ende
bereitete? Ja, Kind, das hat rnir
damals auch Kopfschmerzen bereitet,
daß sein herz nicht ganz in Ord
nung sein sollte. Wer weiß, was
das gewesen ists Jch meine, au
ein Stabsarzt lann sich irren. J
Ihabe auch unter der band Ertundis
Jgungen eingezogen und in Erfah
rung gebracht, daß die jungen Os
siziere die Nachricht von eine-n be
vorstehenden Kriege mit Russland
sehr energisch gefeiert hatten. Und
du weißt doch, daß Wolf nie mit
Altohol iiber die Schnur gehauen
hat. Nein, Kindchen,' fuhr sie nach
Jeiner kurzen Pause fort, «dariiber
»mache ich mir keine Sorgen mehr.
Wenn er man sonst mit seinem her
»zen in Ordnung wäre."
- hanna errötetr. Noch nie hatte
Tante Mathiide eine solche Anspie
lung gemacht. Sie hätte sie gern
durch eine lustige und schelmifche
Antwort zurückgetviesem aber ihr
fiel in diesem Augenblick nichts ein.
Ganz beklommen fragte sie: »Was
sehlt ihm denn?'«
Frau Stutterheim seufzte ties auf
,,Ach viel, mein Kind. Du bist mit
ihm so befreundet, daß du nicht
darüber sprechen wirst·«
»Nein, Tantchen, gewiß nicht-«
.Na, dann will ich es dir erzäh
len. Du bist ja sehr tlug und
kannst mir vielleicht einen guten
Rat geben-» höre zu: Wolf hat
sich in ein Mädchen verliebt, das ich
nicht gern zur Schwiegertochter ha
ben will«
»Ach, wieso nicht, Tanlchen?«ent
fuhr es hanna. In demselben An
genblick lam es ihr zum Bewußt
sein, baß sie sich durch die heftig
keit, mit der sie die Worte hervor
gestoszen hatte, verraten hätte.
»Das wirst du gleich hören. Da
Mödchen ist ganz großstädtisch er
zogen, hat gar teinen Sinn siir
Landwirtschaft und, was nochschlims
mer ist, keine Neigung siir den Be
ruf einei Landwirts. Er liebt sie
mit allen Fasern seines treuen Her
zens und ist ties unglücklich, weil ihn
diese Liebe in einen schweren Kon
siikt schwerer Pflichten bringt. Stel
le dir mal dor, Hannm Ein Mann,
der bei seiner Frau nicht das ge
ringste Verständnis siir vie Pflichten
seines Beruses findet! Er muß
doch schwere Bedenken tragen, solrh
ein Möbel trod der größten Liebe
an sieh zu sesseln. Ich empfinde es
in solcher Zeit als seine Mutter
schon so schwer, daß ich ihn nur zu
den Mahlzeiten sehe, und stelle mir
das siir eine Frau, die ihren Mann
liebt, noch viel schwerer vor.«
»Liebt sie ihn beant« fragte Hans
nn leise
»Mein Rind, das weiß ich nicht,
Sie muß et doch merken, daß er
sich um ihre Zumigung bewirbt.
Trost-ern bringt sie es fertig, ihn!
zu sagen, daß sie nur siir Musik und
Theater schwärrnt und nur in der
Stadt leben will. Wenn sie ihn
richtig liebte, würde sie ihm das
nicht sagen· Oh sie nicht doch so
sagen würden, wenn er sie vor die
entscheidende Frage stellt, weiß ith
nicht« Aber das geht mir wider den
Strieh Mein Junge verdient eine
grau, die ihn ans tiefer-, herzlich-r
iebe nun-it Dann mag sie inei
nettvesen file die Landwirtschaft sae
keinen sinn hohen er isi Mannes
gemes. uen Feeiils rate
entbehren zu isnnem aber die lebe
muß vorhanden sein« dte große, ehe
ldiecheto Liede tilgte die es teine rechte,
l il «
l its etnen Imdlttt M
Ound sah auf das Mädchen zu ihren
Isiißein das den Kot gesenkt hatte
»und sit den Frauen der- Stabi
« decke spielte. «Sag mai, mein Kind
dabe ich nicht recht?«
hanna nickte ein paarrnal mit
langsamer Kopfbewegung. »Ja.
Tantchen.« Jbre Stimme klang
traurig und bebte leise. »Aber das
Mädchen kann doch nichts verständ-aß
Bol! sich in sie veriiebt hat« Und
sie ann doch nicht eine Liebe beu
chein, die sie nicht empfindet! Sie
kann auch nicht aus ihrer Haut fah
ren, wenn sie so erzogen ist, daß sie
nur für andere Dinge Sinn nnd
Verständnis han« Sie bob den
Kon und sah der alten Dame frei
ins Gesicht. »Sag mai, Taute, du
bift doch eine erfahrene Frau, woran
erkennt man eigentlich die richtige
Liebe? Jst es wahr, daß man seine
Ruhe hat, daß man immerfort an
den Mann denken muß und gar
ieine anderen Gedanken hats ais an
ihn, daß man alles andere über ihn
Jvergißt? Jst das wahri«
.
s Ihre Augen stammten, und
schön geschnittene Mund zitterte,
tote in banget Erwartung Lang-«
sum hob die alte Dame die hat-d
und strich ihr iiber das Haar-. »Ja,
mein Kind, das sind die richtigen
Zeichen. Jch habe es selbst erfahren.
Jch war einundztvanzig Jahre alt,
als mein Mann zum erstenmal in
mein Elternhaus kann Er beachtete
mich gar nicht« Ich glaube, wir
haben nicht drei Säßc miteinander
gesprochen- Aber von der Stunde
an verließ mich sein Bild nicht« nie
der tm Wachen noch im Träumen.
Als er das nächste Mal zu unt
tam und ich ihn empfangen mußte,
da hatte ich ein Gefühl wie ein ar
mer Siinder. Jch hatte das Ge
siihl, daß er es mii am Gesicht ab
lesen müßte, was ich dachte und
fühlte. Wie mit Blut übergossen
stand ich vor ihm und tvar verlegen
ivie ein kleines Göt.'·
Jhre Augen schienen ins Weite
zu gehen. als wenn sie noch sähen,
tvab der Mund erzählte. Mit be
wegter Stimme suhr sie sort: »Er
hat mir später erzählt, daß er mich
in diesem Augenblick schön sand —
mein Kind, ich habe nie aus be
sondere Schsnheit Anspruch machen
tönnen — und daß er mir die Rei
gung aus dem Gesicht ablus. Und
da wurde er auch verlegen, und wir
standen uns wie zwei kleine Kinder
gegenüber, die sich sremd sind und
sich nicht anzureden getrauin. Ja,
Kind, das ist die Liebe aus den
ersten Blick. Es gibt auch eine an
dere, ruhigere, aber die soll auch
voll heißer Sehnsucht sein.«
Hanna hatte ihren Kops wieder
sinken lassen. Ein paar Tränen
tropsten ihr aus den Augen. Die
alte Frau sah mild aus sie nieder,
nahm ihre hand und zog sie aus
ihren Schoß· »Was ist dir, mein
;Kindi Sprich dich ossen aus! Du
ltoeißt, ich habe dich von tlein aui
llieb wie eine Tochter. Sei ossen
lzu mir, Hannm es handelt sich um
ldas Glück zweier Menschen« die ich
iliebhabr. Und der eine davon ist
)
. mein Aeltester.«
I hanna hatte das Gesicht an ihrer
lBriist geborgen. Ganz leise begann
lsie zu sprechen:’Jch weiß, daß du
!mir sehr böse sein wirst, Tantchen
faber ich tann beim besten Willen
JWols nicht heiraten. Er tut mir
’ja so surchtbar leid, aber ich habe
doch teine Schuld daran, daß er
mich so lieb hat· Jch glaube, wir
Jhaben zu sriih als llinder Brauts
paar gespielt. Jch habe ed immer
als Spaß genommen und er im
Ernst. Glaub mir, Tantchem jeßt
- während der Krankheit, als ich nicht
einmal lesen darste, habe ich mich
viel mit Gedanken geplagt, was doch
sonst nicht meine Art ist. Und da
habe ich mir gesagt: »Wenn du den
« Wols nimmst, bist du geborgen." Jch
weiß, daß ed bei uns zu hause nicht
gut steht. Und ich weiß, daß Wolf
mich aus den händen tragen würde,
aber ich tann nicht."
«Sag mai offen, daß du einen
anderen tiebst.«
Linnaei richtete sich empor nnd
drückte beide Hände gegen ihre
Brust. »Bei Gctt nicht, Tantchen.
Mir macht es Spaß, wen-: die Of
fiziere sich nm mich drängen, um
mir Schmeicheleien zu tagen, aber
sie sind mir alle qteichgiittig.« Sie
sprang auf und stellte sich vor die
Frau. Der Schelm erwachte in itzt.
»Tante, ich muß eine geistige Miß
geburt sein. Andere Mädchen in mit-i
nein Alter haben sich schon min «
steni ein hatt-es dntzendnmt ver
«ttebt oder wenigstens sitt einen Meintf
getchcvärint. Ich noch nicht ein«
einziges Mol. Jch glaube, ich tosen
gar nicht liebe-if
Mit-PMB MIU
! — Eine Etgenttnntge.
« »Liebe-i Sie nun endlich eine posseride
Braut gesunde-it« .
J »Ja, ich tvtißt' mir schon eine;
Giebe- dte hat zu eigensinntge Unsich
» u.««
F »Juki-reisen demn
k »Der gefalle ich nichtt««
« —tssrahnan . stem- Den
»te Vie, Männe: neun ist soeben
rate dem Lenkt-allen enges-nament«
« »Nami- .hnb« ich Dir-'s nicht Ie
tagt NUM: Es liegt irgendwo
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