Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, February 10, 1916, Sonntagsblatt, Image 9

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    Sonntag-blast de
Staats Anzeiger thd J set-old.
Gen qusta th Tonne stgv 10 I.Feehis »Hm
sitt-nimm
Novelle von Wslther Rissen.
Man kann sogen, das bereits am
Tage noch der sechs-it die Sachen
anders In werden begonnen. Fran-(
ceieo Rotdh der, tpie die meisteni
neapolitaiiischen Omnibustutscher, ein«
heißes Temperamentchesoß und dem«
infolgedessen eine Sache sofort lan ·
weilig wurde. sobald er sie meist
hatte. sagte sich: »Nun, was jetzt? Jch
hin der rechtmäßige Ehegemahl der;
schönen blonden Antonietta, nnd so
viel ich sehe, tann ich vorläufig wei
ter nichts tun, nls mich hinsetzen und
Kinder ausziehen. Fault« Und sein
Verdruß stieg. als Antoniettos Be
nehmen ihm gegenüber sich immer
mehr änderte.-Sie, das kühle, abwei
Leinde Geschöpf, wozu erobern ihm
e größten Schwierigkeiten gemacht
hatte. ioar nach der Hochzeit plöhiich
von einer herzlichen Liebe zu ihm
ersnßt worden. Während er sriiher
um einen Blick von ihr betteln, einen
händedruck oder Kuß von ihr mit
saurer Miihe sich verdienen mußte.
hing Untonietta jetzt, sobald sich oer
eringste Born-and bot, an seinem
Halse Kam er nach Hause —- dschnpp
sog sie ihm entgegen und warf sich
an seine Brust, sodaß er beim besten
Willen nichts weiter tun konnte, als
seine Dände segnend aus ihr haupt
zu legen, wobei er sich dumm vorkam
wie ein Missionar.
Eine Zeitlang sah er sich bat mits
an, out einer gewissen Neugier-, wie?
lange es dauern wiirbr. Dann, als
es eben einfach dauerte, wurde er
neroös uns fluchte innerlich, dass die
herbe Aatonietta ein solches Süß
rnanl geworden sei und ihn also
quasi hineingelegt hatte. Er liebte sie
wie vorher. gewiß, aber seine Liebe
mußte etwas zu tun haben, rnnfzte
arbeiten können, sich regen, lebendig
sein« wollte nicht-- bloß so, bitt-, in
· Reserve dastehen.
An elnern dienstfreien Sonntag
rnor erwachte er, und ais er sich
geta langsam an erinnern begonn,
wo er sei, wie er heiße unb wo ge
rade die War-e .fttinbe. fii lte
er sich von Intoniettas schönen r
Ien bereits umschlungen
. .Diatiine!« Er stieß i re cchulter
unwillkürlich heftig zur «
.Braoo!« sagte er sofort zufrieden
zu sich selbst als er Antoniettas aus
gerissene Schreck-engen sah, «dag war
eine sehr gute Jbee oon rnit; das
wird sie sich doch wahrscheinlich nicht
gefallen lassen! Sehr interessant.'«
Antonietla sah ihn traurig an unb
immer trauriger, dann traten ihr die
» Tränen in bie Augen und ihr Mund
guckte.
«Gut.' dachte Franeesco, »nun
tommt es ganz darauf an, wiss wei
ter gebt.«
Ei eschah, daß Antonietta an sei
nern ett niedertniete unb ihm die
Hände tüsztr. Das fand Franresco
so empörend, so verächtlich,·so —
man tann gar nicht sagen, wie lang
weili , daß der Dass in ihrn aufzuate.
Er aßte Antonietta, weil-sie ihn
systematisch und mit aller Gewalt
verhinderte, sie zu lieben.
«Du bist kein Weib,« sagte er wit
end, .Du bist ein Kopfttssen oder
so etwas. Du bist irgend eine sehr
weiche Masse und ich kann bai nicht
mehr aushalten!«
»Frau-Max itiisterte Antonietta
fassungsloö, »Jenaer-rot« Francesco
wartete einen Augenblick und bemerkte
dann: ·Das ift allenfalls der An
fang von einem Satz —- tein Mensch
taan willen, was kommen foll.«
Antonietta gin- still zur Tiir hin
aus. Von da a änderten sich die
Sachen zum zweiten Male und de
gannen jetzt. sich auf einen anderen,
viel ernsteren Ton zu stimmen
Man lennt Maddalena Maglia,
die an der Via Salvator Rpsa in ei
nem Torbogen sist und Frauen fri
stert. Jammer-, der seit Jahren vier
mal am Tage mit einem Omnihut
bei ihr vorüber-Dann hatte vor lange
rer it ihre Belanntschait gemacht
und ogar dadurch Antonietta kennen
gelernt, die eine enge Freundin von
ihr war. Antonietia hatte ihm bedeu
tend besser gefallen, denn bei der
Maglia brauchte man nur zuzulani
sien und man hatte bereits, was man
wollte. Dieser Mavdalena, die ihn
natürlich längst nicht mehr griiste
und tannte und auch alle Beziehun
gen zu Intontetia abgebrochen hatte,
näherte iich Franeeseo zieht wieder.
Maddalena, eine se hist-free
schwarze Person. tat furchtbar kill
und spöttisch, hatte aber ine Grunde
die Erst-te Irr-by da ihr das
Seh fal u vergönnen thirty diese
Ehe su it« en. Franeeieo merkte has
« t. es war ihm alter l, denn
M ig- hlst daran, daß- ntonietta
wir der Joche erfuhre, . z
Das blieb nicht aus. Manietta
wußte schon nach kurzer Zeit alles,«
und da sie den an en langen Tag
allein war, fand te it, in der Kit
che stundenlang weinend zur Moden
na zu beten und sie innig anzuste
hen, the einen Rat zu geben; Die
Mut-onna blickte sonst und gütig uozn
Altar und sagte ni ts. Doch: ihre
Augen sagten, ein ib solle sich
nicht empören. Und Antontetto
tämpste ihre grenzenlose Verzweif
lung ntedet und dachte: ee muß ja
zu mit zutitcktornmen denn ich liebe
ihn doch zu sehe, daß ich nur leben
kann, .-wo et tst, und da er etn
Mörder wäre, wenn ee ntcht mehr
zu Mir zutiickkämr.
ssx s
VII IIVUII Mllllclb Uns Il( spal
tete ernst, demütig und still, zwang
sich sogar zur Heiterkeit, obgleich ihr
das täin schwerer fiel
anwis n war France-ro haupt
sächlich von dem einen Gedanken er
füllt, Antonietta seine Verachtung zu
zeigen. Er fühlte sich von« dieser hän
dischen Liebe wie oon einem Grimmi
»tuch eingediillt, das immer nachgab
und nie riß. nirgends Widerstand
senigegenseste und dennoch unentrinn
ibat festhielt. Er sagte sich, Antonietta
sei schließlich keine heilige, sondern
ein Mensch, ein Weib, und müsse aus
die eine oder andere Weise zum Aru
szersten gebracht werden können. Er
nahen sich nicht mehr die Mühe, ei
nen Bot-wand zu suchen, wenn er
abends allein ausging oder überhaupt
ni t nach hause tara- «
ntonietta betete zur Madonna
nnd bat sie, den has und Neid, det
gegen die Rimsin. in ihrem herzen
zu wachsen begann, zu töten, ehe er
rsßer würde. Und den Stoß von
he u nehmen und das Ehrgefiihl,
damt sie sich nicht etwa einmal ver
gssze und so den France-ev ganz und
ar verlöre. Die quonna sagte nicht
a und nicht nein und Antonietta
schlief nicht mehr in der Nacht und
skämpste wie eine heldtn gegen alle
fdnntlen und bösen Regungen ihres
Mute-.
’ Sinn-oh alt Franeesco Sonntags
siedet allein ausgehen wollte, den
t schief in die Stirn gedrückt, eine
rote Rette im Qnapsloch und schön
wieeinGott,fielsi-thchisein
nervöses Schluchgen, in eine Akt
Weintrampb
»Was hast Duf« fragte er, all es
zu Ende war.
.Wahin gehst Du, Freundes-F
»Zum Tanz nach Zuorigrottcn
Was-umf« .
.Mit ME
«Mit Maddalena Maglia.' .
LZPO Du Maddalena5«
. - illst du frei von mir sein«
France-cos«
»Seht gern.«
.Du bist frei. Wenn Du noch
hause kommst, findest Du mich nicht
mehr hiet.«
«Wird mich freuen. Aber sag mal
übrigens, warum läßt Du Dir denn
das alles von mir gefallen?«
»Weil ich Dich liebe-«
»Das ist wohl die neuefle Mode.
die man in der Liebe trägt -—- was?
Eine blödsinnig dumme Mode, tnn
ich Dir nur sagen!« —
Francesco ging tiirzuschlngend fort
und schimpfte wütend vor sich hin.
Mnddalena Maglia wurde ihm ach
gerade lästig, denn sie war ih stets
gleichgültig gewesen« Aber sie war
doch wenigstens ein Weib. Efersiichi
tig wie eine Kape, eitel wie eine
Prinzefsim falsch wie ein Laffen
schein, eine Lügnerin und eine heuch
lerin, turzum ein Weib! Man mußte
sie bewachen wie einGoldftitckz wandte
man den Rücken, so war sie ganz
selbstverständlich nicht mehr da. Je
den Augenblick hatte man ihretwegen
RaufhöndeL lam in Lebensgefnhr,
schlug sich, zanlte sich, schrie — lebte,
lebtel Anders als bei Antonietta, bei
der man sicher war, ftupid, sicher und
ungefährdet wie im Gnsthaui zum
ewigen Frieden. Man wird ja um
Kretin wenn man sich vor n ts
mehr in acht zu nehmen braucht,
wenn nichts mehr zu wagen ift und
auf dem Spiele steht!
Argonietta packte wirklich die Sa
chen und verließ das aus. Sie
quartierte sich in einem it en Stadt
teil bei einem älteren Ehepaar ein,
hat einen sehr biederen Eindruck
machte, und dem sie ge en frei stofl
und Wo ung vie Wirt chaft besorg
te. Es ellte sich bald heran-, daß
diefe Leute zur Gomorra gehörten,
und das allerhand fragwiirdtges Pan
ssu ihnen lam. »
r Sie titt nnfiiglich unter der Tren
nung, frach mit niemandem ein
Wort, w rate alles in sich hinein und
Fieber und schelaflofe Nächte seeetits
ieten ihre Arn . Stuf einmal war et
tnit ihrer caltung vorbei. Die tiberi
menschliche Duldng rächte sich und
bei-n er wachen Nachsehen unt
innä Hirn-. »Es-sinn
wirre Vorstellungen tauchten vor ihr
auf; sie wollte sich töten, aber sie
lebte gan und ar in ihm, in Fran
eesro, alfo mu te sie vor allem ihn
töten. Dieser wilde Wahn anterte sich
in ihr fest und es war ihr, als hätte
sie einen Befehl bekommen oder ein
heinges Gebot.
In diesem Traum- und Jrrsinngs
zusiand versteckte sie sich mehrmals
nachts in der Nähe von Francescos
Wohnung nnd nahm eine Art Nect
sönger mit, den sie von ihrem Vater
geerbt hatte. Franceseo kam auch ein
paarmal an ihr vorüber. immer allein
und in sich versunken Aber sie fand
nie den Mut und wußte endlich, daß
sie nie den Mut finden würde. Ess
ab immer einen Augenblick i dein
fie drauf und dran war, sich ran
eesco, von der Liebe überwäliigt zu
Füßen zu werfen
— Ynd Hoch mußte eine Entscheidung
kaurrh Es war zu grau-usw« any
leben und nicht sterben zu können
Jhre Wirtsleute, die sehr gern er
fahren wollten, was es für eine Be
wanbnii mit ihr habe, drangen oit
mit Fragen in sie. Einmal machte sie
Andeutungm Die Leute begriffen
nicht, warum sie von so einein einfa
chen Ding ein Iokches Wesen mache
und stellten ihr am Abend zwei Ver
ten vor,— die gegen Zahlung-von 50
Lire sich ein Vergnügen voraus ma
chen wollten« einen- beliebigen Men
schen mn die Ecke zu bringen. Anto
nietta sagte; :«G«ut. unter der Be
dingung das es 1egi, Wori, iii vie
sem Augenblick geschiebi.« Da die
herren siir den Abend nichts bes
seres vorhatten, so machten sich die
drei aus den Weg und erwarteten
Franreseo in einer menschenleeren
Straße, durch die er kommen mußte
Franeeöro ließ aus sich warten, so
daß die Camorristen bereits na der
Uhr sahen. Endlich lam er, si tbars
angebeitert, obgleich er sonst niemaisj
trank. «
»Da ist er —,« lispelte Antonietta,"
klappernd Ior Angst als sie ihn sah.
Als er nur noch siins Schritte von
ibnen entfernt war und die beiden
herren gerade ihre Pslicht tun woll
ten. stürzte sich Antonietta schreiend
ihm entgegen.
»Hei-re um, ich will nicht, ich will
nichtt«
»Was willst Du denn nicht?«
sragte Franeeoco. »Und wie siehst Du
oenn überhaupt aus —- wies«
»Geh geli, fie wollen Dich töten!«
»Wen, michs« sagte Franresco, von
dem der Nebel zu weichen begann.
»Wer denn — die beiden dort?«
Er zog schnell sein Messer. Die
beiden rren kamen heran und stag
ten bös ich, ob sie etwa störten, und
ob sich Signora und Signore wieder
vertriigen, und ob die Signora glau
be, dasz es rätlich sei, ernste Männer
wie sie, zu diesen Mätzchen zu be
nisten.
»Ich sann nicht —- ich kann ja
nicht!« schluchzte Antonietta. Dann
raffte sie sich zusammen und sagte
wild: »Geh weiter, Francesco, schnellt
Schnell, bitte! Sonst — ein Wink
von mir uiid es ist niit Dir aus!«
France-ro benahm sich ziemlich
toll· Er wars seinen Hut in die Lust,
tanzte wie ein Verriickter, siel Anto
nietta um den Hals, drückte den bei
den herren die Hände und gewann
endlich die Sprache wieder: »Auto
niettat Garinat Zwei Leute hast Du
emietet um mich kalt machen zu las
feni Mich sortscheren soll ich. sagst
Du, sonst —- Antontetta, Du bist ja
eine großartige erson! Solcher Sa
chen muß man bei Dir versehen?
Willst Du mich umpen denn noch?
Willst Du wieder bei mir bleiben?
Jch tann’t sa doch nicht inebr aus
halten, lause rum wie ein hund!«
»Und Maddaienai« sragte Anto
nietta weinend vor Nervosität.
hat schon die drei Nächsten hin
ter sich. Ach Gott« das mit der Mad
dalena war doch blosz so ein Trink«
Er riß sie mit seiner ganzen KrastJ
an sich und tiiszte sie immer wieder.s
Die beiden Betten bemerkten, ihnens
werde ganz übel, und sie müßten entis
weder einen Schädel,einschlagen oderx
einen Schnadi trinken.
Fransresro liid sie in die nächste
Osterta, wo die vier noch lange ge
intitlich zusammen saßen
— Kriegstindettnund Der
Papa, auf Urlaub daheim, erzählt,
wie feine Truppe einmal eine feind
liche Battetie zum Schweigen ge
bracht Die kleine Etna gibt das
Erlauschie weites-: «... Und einmal
hat Papa mit einen Kameraden auch
eine feindliche ttetie gestilli!«
—Unqetoollier amor
Junge: Nun wirW jeden ag mie
seti Frühee beachte wenigstens der
Staub iIn hetbsi ein kleines Brü
detchen oder Schwesterchen — aber
eit der Papa im Felde steht, traut
auch diese-nicht mehr keean
solt-f Ihn-»O ,
Von Richard Riefz·
Die Familie flammte aus Ober-!
fchlesiekn Aber sie ließ sich nicht gean
daran erinnern. Denn damals wa
ren die helds noch wenig begütette
Leute gewesen, und der Vater hatte
asßet zehn Kindern nicht viel hinter
Laffen Aber die Zeiten waren gut,
und ein geschickter-, pfiffiger Kopf
konnte es zu etwas bringen. So ka
Men die hell-S denn vorwärts. . . bis:
auf die beiden jüngsten Brüder-»die
(
nieht gut taten, and oeshcuv vom Ja-;
mllienältestem dem Bankier P. F..
Id, nach Kanada geschickt wurden.
’e anderen aber lebten in Schlesien,
Berlin und Hamburg und waren an
gesehene Leute. Und reiche Leute ton
ren sie geworden die Held-i Freilich,
die Herzensgüte des Alten hatte tei
nee der Söhne geerbt; aber vielleicht
ging es ihnen gerade deshalb besser
als ihrem Vater, der den Grundsatz
thie, niemgls feine Schuldner zu exk
Uns-U- swclla II Uclll LUUUUII sub
ginge, würde er mich occ: selber be
zahlen«, sagte er stets. »Und soll ich
seine Not noch vergrößern7« —- Er
war ein guter Mann, der alte hell-.
Uberier start-in Armut. Der alte
held hatte einen Schwager, den On
iel Schmipr Der überlebte alle
Verwandten seines Geschlechtes. Auch
ihm ging es nicht gut. Er bezog eine
Jnoalidenrente, da er bei Mars la
Tour eine Kugel in den Oberschentel
beiommen hatte und seit dieser Zeit
hinlie. Er verdiente sich auch ein
wenig durch die Uebernahme kleiner
Vermittlungen. Daß er bisweilen
heimlich Adressen schrieb, Adressen sür
ein Versondtgeschäst. . . mit seiner
seinen, zierlichen Damenhandschrist
. . tausend Stück slir 4,15 Mart. . .
das ersuhr man erst nach seinem ico
de. Keiner in der Familie des Ban
kiers P. F. held wußte ei. Aber
man wußte ja auch nicht, daß Onkel»
Schnuppj bisweilen hungerte. Di !
Pension isnne doch wirklich reichen»
meinte man im all emeinen. Denn
was brauchte schlie lich solch alter»
Mann. . .! Und —- alleö, was wahr.
ist! —- An jedem Quartalsersteni
übergab Bankier held dem Onkel ei-l
nen Fünfzigmarkschein . . als Woh-!
nungszuschusz. Das war so ausge-!
macht in der Familie. Denn man tats
etwas für einander. Der Geheimes
Justizrat Gottfried Walter held gab»
fünf Mart dazu, Banidireitor Wal-?
demar in Hamburg zehn; Franz Ed-;
gar, mit vierzig Jahren bereits Ren-!
tier, stistete eine Doppeltrone, und derl
Bankier rundeie die Summe ab. Man
war sehr pietätvoll in dieser Familie,
und Franz Edgar sandte dem Onkeli
bisweilen sogar einen abgelegteni
Rock. s
Der Bankier P. F. Held aber tat
noch ein iibriges siir OcitelSchnupps.
Allsonntäglich durfte der Alte in die
Gartenvilla lommen, um an einem
Seitentischchen seinen Anteil am
Heldschen Sonntagsessen zu verzehren.
An einem Seitentischchen Denn der
Onkel hatte nur noch wenig Zähne.
Man versteht mich wohl: Jngeborg
war sehr empfindlich. . .Geräuschen
gegenüber· . .Wenn Helds aber gerade
einmal Tischgäste hatten, dann mußte
der Diener dem alten Herrn bedeuten.
daß die herrschasten heute bedauern
ließen. Heute ginge es beim besten
Willen nicht, aber man freue sich schon
aus den nächsten Sonntag. · .an diesen
Tagen humpelte der Onkel die Frei
treppe hinunter, ging durch den Vor
garten und blinzelte betrübt in die
Sonne, die in dieser Stunde stets ge
rade über dem Hause stand. Und
taufte sich einen Ring Knoblauckp
warst, die er aus einer Bank in den
städtischen Anlagen verzehrte. Denn
es war ja Sonntag, und da durste
efscch etwas antun. —- Acht Tage
später aber rührte er wieder an der
Läwenglocke der Heldschen Van und
skente sich, wenn die jüngeren Kinder
bei seinem Anblick das Haus durch
johltem »Ontel Schnupps ist da. . .
Onkel Schnuppz ist da. . . Er hat
heute Ferdls blauen Rock an. . .«
Fetdl aber war der etwas gecienhaste
älteste Sahn des Hause-.
P. F. helds Kinder waren es ja
auch, die Onkel-Schandtat seinen Bei
nahmen gegeben halten. Eigentlich
hieß er nämlich Bernhard Matthias
Bei der Ramensnennung wurde da
bei aus den einzigen Luxus angespielt,
den der Onkel sich leistete: aus die
immer gestillte Schnupstabaitdose,
ans der er allen Bekannten anzubie
ten pslegte. Selbst die Dienstboten
sollten den echten Kanaster probieren
Und der Alte tätschelte ihnen gluelsend
die Hüften-,- wenn sie laut tin end
ablehnten. Das Mädchen ma n sich
dann itber ihn lustig. Sie nahmen
ig- ia nicht ernst und ielten ihn stle
eegleicem weil er n arn Dere
schaststische aß und- nie ·ein Trink
geld hetgab. Sie sahen ja auch, daß
selbst die teinsten heldttndek ihr Vet
gnügewdatan hatten, den alten Onkel
zu neclen. Er war aber auch ein zu
spaßiget Hektt Und . . .wie tappig
et einherhinlte, wenn et die Ziganen
suchte, diee ihm Betta und Rolf wie
die Ostereier am ersten Ostertage in
isgendetnem Zimmeewintel versteckt
hatten. Die Zigakten, die der Onkel
allspnntäglich bekam, süns Stück zu
sechs Pfennig. Man hatte sie in ei
ner besonderen Kiste, die man die
«Ontet Schnupxz-Kiste« nannte. Füns
Zigarten aus einer eigenen Kiste! Die
Familie tat tvtrtlich etwas site den
alten Ontel Schnupps.
P. F. eld, der Vater, drückte dem
Onkel b der Begrüßung stets flüch
tig die Hand. Daß et sie regelmäßig
bald nachher wusch, das geschah wohl
nut, weil man ja immer bald darauf
zum Essen ging. Bei Tische sprach
er kein Wort. Ketzengeeade präst
dieete er stumm die Tafel. Stets
schien er mit sich und feinen Gedan
ten beschäftigt, und es ging das Ge
rucht, daß P. F. Held bestäRig tech
ne. Wufzte man doch, daßd r Ban
kiek taglich den ganzen Kurszettel
auswendig kenne sind daß er imstande
fei, über den Kursstand jedweden
Papiers aus jedem Tage der letzten
zehn Jahre Auskunft zu geben. Wenn
held gut aufgelegi war. dann ließ er
sich gern daraufhin prüfen. Und er
reefagte niemals, mochte es sich nun
um Rufs-sch- äeophthaszvte- Akten(
handeln oder um die Papiere des;
Stollbetger Zinkivekkes. . . Man
konnte ihm jedenfalls nie einen Fehler
nachweisen. . .
Seine Frau, die Tante Tine,
schminlte sich-ziemlich stark und be
mühte sich auch sonst um die Reputas
tion der Familie. Frev. Franz Ed
garz Aeltester, hatte ihr den Spihi
nennen «Tante Terpentine« gegeben.
Denn er sand, daß die Tante stets
so aussah wie ein gerade frisch ge
Jrichteten Parlettbodem Das war der
Familienwitz der Franz Edgarschen
Linie.
s Aber ich wollte ja von Onkel
Schnitt-di erzählen. .
Man könnte denken das Leben des
Alten sei inbaltzlos gewesen, . . .
denn: Zi arrenrauchen und eien
zSonntagötrsch seimeine gar zu ma
re Lebenserfiillung — doch neinl n
jkel Schnupps hatte eine Mission Er
war ein Stiicl Märtyrer, den ein gro
’szer Gedanke befreite. Und dieser Ge
danke, der Onkel Schnupps' Leben
aussiillte, war ein asletischen Er
Itranl lein Bier! . . . Ja! Er trank
kein Bier! Jbr werdet mir sagen
daß vielen Menschen der Alcohol aus
JGesundheitsrücksichten verboten sei
Jund daß anderen das Bier nicht
schmecke . doch: Onkel Schnupps
jwar längesund und ebedem leiden
»schastlicher Biertrinler gewesen. Und
Inun . . . seit zehn Jahre entbehrte er
Jes. Freiwillig Es liegt Größe in
diesem Gedanken! Ihr werdet sagen,
eine Selbstopserung, Buße, eine Wet
te??! Nein,-Eigensinn, nichts als Ei
gensinn war es, der Onkel Schnuppg
den Becher aus der Hand nahm. Aber
dieser Eigensinn und seine Konsequenz
war für ihn Kraft und Selbstvertraui
en und Glauben und Sicherheit. Wie
alles kam, das war eine eigene Ge
schichte, die der Onkel allsonntäglich
bei Heldö zum besten gab. Allsonn
täglich. Denn Ferdl liebte es, »den
Onlel auszuzieben« und alle freuten
sich, wenn der Alte stets dieselben
Worte gebrauchte und immer wieder
in eine ganze junge Wut geriet, wenn
er den Verlauf jener denlwürdigen
Billardpartie erzählte. Beim Billard
war es nämlich, wo Onlel Schnuppö
das Biertrinlen abgeschworen hatte.
Die Bierunterbaltung begann nun re
gelmäßig damit, daß Ferdl dem Ou
tel ein Glas Pilsener anbot. «
,,Jch trink kein Vier, Willy«,
lehnte der ab (den Namen Ferdl, der
ihm als seht modern erschien, mochte
er nicht behalten.)
»Warum trinkst du denn iein Bier,
lieber Onkel? Jch glaub, du bist ein
heuchleV . ." drang Ferdl nun ki
chernd vor.
»Ich hab einmal geschworen, kein
Bier mehr zu trinken und seit die
ier Zeit trinke ich eben iein Bier
mehr."
Und nun drängte die ganze Famile,
bis Onkel Schnupps zu erzählen he
ganm Wie er einmal beim Billard
das «Daupibuch« geführt habe und
dafür vom Beriierer mit einem Glase
Bier belohnt werden sollte. Wie
der aber, als das Bier getrunken war
wütend auffuhr-. Und der Onkel er
zählte-.
- »Wie kommen Sie dazu, sich auf
meine Rechnung ein Glas Bier zu
bestelleni«-sagt er. Es war ein ge
wisser Fins. Apotheler sink. »Weil
wir’s halt so ausgemacht haben«, sag
»ich. «Oar nichts haben wir ausse
machi«, fagt er. »Sie können bloß
nicht einen Augenblick ohne das Sanf
glas dasihen«, sagt ek, »Musik« sag
ich. »Wie können Sie fowas sagen?
Jch werde Jhnen zeigen, ob ich es
ohne Bier aushalten iann,« sag ich.
Jch werde einen ganzen Monat lang
kein Glas mehr trintenk «Oho«, sagt
et. »Nicht einen Tag werden Sie’s
aushalten« — Da sag ich: ,,Mach«en
wir ’ne Wette auf ein Jahr.« »Ich
will Sie nich ums Geld bringen,«
sagt er. »Und ich werde doch kein
Bier mehr ttinien,« sag ich. Und
seit der Zeit trinke ich eben tein Bier
mehr
Wenn viele Erzahlung geendet war,
die zum Ergötzen der Zuhöree stets
im gleichen Rhythmus vorgetragen
wurde, dann war ote Mission Onkel
(Schnuppö' für diesen Sonntag et
ftillt. Nach Tisch pflegte man sich
jc zum Mittagslchlafe zurückzuziehen
und den Alten dem Dienstmädchen
zu überlassen. das beachte ihm eine
Tasse Koffee. trieb auch wohl einen
Scherz mit ihm und half ihm dann
in den grauen Ueberzieher, den der
Vnnllce erst vor ganz kurzer Zeit ab
gelegt hatte.
Jn Onkel Schnupps aver rannte
nach solchen Tagen die Geschichte von
seinem Bier - Abschwue lange nicht
zur Ruhe kommen-. Seine Standhas
tigkeit erfüllte ihn mit glühendem
Stolze. Denn niemals war er unter
legen. »Ich hal- meine Chr bewahrt«,
sagte er sich voller- Genugtuung. »Mein
Gewissen ist rein. Jch hab meinen
Schwur gehalten, und der Herrgott
koird mit mir zufrieden sein« So
hielt ihn fein selbstgewähltes Marth
rium hoch. Das- Bewußtsein, seit ie
ner denkwiirdigen Billardpartsie kein
Bier mehr getrunken zu haben, trug
er wie einen Seelenadel in sich. Und
daran lebte er auf. — Das war
Onkel Schnupps, der Familie Held
Senior, der Ueber-lebende einer alten
Generation. . .
Als er eines Tages siard. . Plötz
lich. . .im Bette. . .und man fand
ieine Leiche erst drei Tage nach feinem
Tode. . . da kiindete der Draht nach
Berlin und Hamburg, nach Posensch
Lissa undKanadch daß Onkel Bern
bard gestorben sei. Onkel Bernhard.
Denn nun hatten sie auf einmal alle
Ehrfurcht vor dem Onkel, und sein
Spitznamen wurde vergessen.
Und alle kamen Hur Beerdigung.
Denn-is lebte ein guter Geist von
Pietät in dieser Familie, der um so
sichtbarer zutage trat, als in jenen
Tagen gerade in der Stadt, iu der
Onkel Schnupps gestorben war, eine
weitbedeutende Ausstellung zu sehen
war. Aber es war nicht nur Schau
lust, die Onkel Siegesmund aus
Blankenese führte. . . es war in der
Tat viel Pietät dabei. . .
Und: Wie schön der Geistliche
sprach! Dem Bankier P. F. Held
rollten die Tränen über den schwar
zen Seidenreoers des neuen Satan
rocls, und Tante (Terpen-) Tine,
dir der traurigen Würde des Tages
dadurch gerecht wurde, daß sie heute
nur Perlenschmuck trug, niclte betrübt
und sagte zu ihrer Nachbarin: »Es ist
doch ein erhebendes Gefühl fiir uns,
daß Onkel Bernhard in unserem
Hause ein zweites Heim gefunden
hat. . .« Und der Geistliche sprach von
dem unersetzlichen Verluste, den der
Tod Bernhard Helds fiir die ganze
Familie bedeute, und er pries die
Anhänglichkeit des Onkels an die Fa
milie und die Anhänglichkeit der Fa
milie an den Onkel. Nur von dem
einen sprach er nicht, von dem Le
densgedanken Onkel Bernhards wäh
rend all der letzten Jahre: davon, daß
er das Bieririnken abgeschworen hat
te. Und man hätte es wohl auch als
sehr unpassend empfunden
Was ist paradox?
Wenn jemand von einer Flasche
Rotwein blau wird.
Wenn ein Schlnfwagentontrolleur
ein aufgelvecltet Kerl ist.
. Wenn ein anfeehnuslellner ohne
Grund entlassen wird.
’ Wenn ein Delinquent topflos wird.
Wenn einem Schlveinetkeibet sau
Pnäßig zu Mute ist«
Wenn ein Hungerkiinstler in Essen
auftritt
Wenn ein Photograph im Kran
ken us keine Aufnahme findet.
l enn ein Fischhändlet beim Kar
tenspiel einen Lachs verliert.
Wenn einem Gerbet die Felle weg
geschwommen find. —
—— Unter Spitzbubew
»Warum nimmst Du Deine Frau
garnicht niit heraus?«
»Weil sie vor jedem Schaufenstee
Iftthen bleibt alle acht Tage muß
»ich bei einer anderen Pnhmachetin ein
lorechear »