Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, November 18, 1915, Sonntagsblatt, Image 9

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    Sonntag-Matt des
Staats Anzetger und II fes-old
Gra ndJsl dNb Dtm ckstsmd
W
sein Ists-.
Linn Siestried Bist-.
Es ronr spät nacht-, als wir nach
langem, Körper und Nerven abstump
sendem Marsche endlich das sitt uns
bestimmte Quartier erreichten. Vor
uns war gelitten-ji« und der Feind zu
rückgedrängt worden, o daß wir
während des ganzen Mut cheö nur an
Stätten des Brandes und der Ver
wüstung. des Elends und des Grau
ens, selbst schon mehr tot als lebend,
dorbeigetvnntt waren. Fast seit Ta
gesanbruch aus den Beinen, hatte sich
die immer leichdleidende Melodie
des Marschgeruusches, das Schlürsen
der sich mühsam weiterschleppenden
Tritte, das Knarren und Schlagen
der Ledersnchen nnd Wassen in unse
ren Grhirnen sestgeiressen. Dazu-die
sengende Sonne, die die siebten aus
diirrte, nnd der weiße, medlige Stund,
der Poren und Augen verliebte, aus
trocknete nnd entsiindet machte.
Die mit furchtbarem Getöse plat
zenden Fliegerbvmden, die natürtich
der Morschlolonne galten« sich aber
meistens seitwärts in den weichen,
lockeren Ackerboden einiviihlten, ver
mochten schon lange nicht einmal
mehr ein Ausbliclen zu bewirken.
Hier und da fausten verirrte Ar
tilleriegeschasse heran. rissen auch mnl
breite Lileten in diese bis zum Tode
ermüdrte eherne Schlange; mechanisch,
wie mif dem Exrrzierplntze, schlossen
sich wieder dir Glieder-. so gesiililtos
hatten die ungeheuren Anstrengungen
und mnszlvsen Entbehrungen jeden
einzelnen gegen Gesahren und eigene
Leiden sowie gegen die Fremder ge
mocht.
«
Meinem Bataillon war W Schxoß
B . » zum Quartier angewiesen wor
den. Die vier Kompagnien wurden
in den ini weiten Viereck sich hinter
dein Wohnhause lagernven Wirt
schastsgebhuden untergebmcht, wäh
rend wir das Schloß selbst beziehen
sollten.
Wie ein Schlaswnndeinder bog ich
in die Einsnhrt ein, deren hohe,
ichiniedeeiserne Torsliigei weii essen
stnnven. Jkn Psörtneehiiuschen rechts
alles still eine .loue, helle Sep
tembernacht. Weiches, flutendes
Mondlicht schiiist aus den weiten,
üpptggriinen Raiensliichem hängt sein
silberglänzendes Geschmeide ins leise
zitternde, durchsichtige Gezweige ver
hohen Akazien, die irn weiten Rund
um jene Saintslächen stehen und dro
ben die mächtigen Kronen einander
zuneigen, mit den findende-U tnors
iigen Aesten sich dicht verschränten,
daß die weißen Marmorbitder, die in
keuschen mattelloser Schönheit in dem
vönnnrigem hallennrtigen Raume
drunten sich erheben. sost lebendig
aus dein Schatten hervortreten.
In Ichronern wegenpnn zu dieser
Mirrchenstimtnung stand das Schloß
selde Ein Flügel war durch den
Volllrefser eines schweren Geschützes
vom Dach bis zum Keller aufgerissen,
so dnß die Zimmer ohne die umge
stofkene Außenwand wie ein mächtiges
Regel unmitteten aus dem in bun
tenr Durcheinander Betten, Seines,
Schrönte und Teppiche heraushingen.
Das Mittelgebäude und der andere
Flügel waren äußerlich underleßt,
aber bereits vorher von einem engli
schen Stabe besetzt gewesen, was auch
später die stelzengebliebenen Ausschrif
ten an den einzelnen Türen unsrig
ten. Schon die große Empfangghalle
irn Erdgeschoß bot ein Bild grauen
baftester Verwüstung und desschönds
lichiten Vandnlismus. Ab und zu
ertönte das starke Dröhnen eines
schweren Geichützes und das verein
zelte Geichieße ferner Vorposten ber
iiber irgendwo heulte ein hund.
Der Gewahrappell war vorüber,
bis zurn Mittag iollte Ruhe fein.
Sehn-unend, rauchend und fcherzend
lagen rneine Leute nui den Raseniliis
chen des Parlet im Schatten umher.
Langia-n wanderte ich die schmiege
rnden Alleen entlang, deren Einw
iungen von legelsörrnig geschnittenen
Buchsbiiurnen und viereckigen Taqu
betten wie die Zier-Härten der tleis
nen Kote-nen in Sei-non wunderbar
berührten· Aus den mit herrlichen
Glyeinien iiberspnnnten Laubengiins
sen glaubte nmn das leiie verhalte-re
Liedern reisender Noiotopersiinchen
zu bbren und das lirten goldbetress
ter, ichlnnter Kava iere.
Lieben einein zierlichen Papillen.
der wie ein Tempel der Liebe un
ter uralten Brechen und riesigen Tan
nen lieu-ersahng frische Gräber
Gräber deuticher beiden. deutscher
Diiitiere, die ca den winzigen S
geln zulenuuengeegten del-un -
del und Achselfttitte Felsen es. Mit
all seiner ihm su vie stehenden
Blusnenprncht bat der derbit iibers
reich die Grabiilitten arise-glitt
c:
Weiter hinten im Pari, da, wo der
Gemiisegarten anfängt, steht ein
Gärtnerhiinschem schon von weitem
höre ich leises Wimmern, das sich
deim hörbnriverden meiner Schritte
bis sum ohrenbetiiuhenden Geheule
steigert. Ein hühnerhund mit Iei
digtveißem Fell springt gegen das
Gitter und zerrt wie ein Wahnsinni
ger on dem Drahtgeflecht seines
fiwingerk Jetzt ist er ungepilegt,
truppig und verhungert, es muß aber
einmal ein wunderbares Tier gewesen
sein. Wahrscheinlich hatte man ihn
hier bei der allgemeinen Flucht ver
gessen, vielleicht- hatte et tagelang
nichts mehr zu fressen gehabt! Wer
dentt denn bei allgemeiner Panik und
Auflösung an einen hund. Wer
denkt denn daran, dasz auch ein Tier
leidet, ja bei Entdehrungen mehr lei
det als der Mensch, der doch wenig
stens von allem, was er zu erdulden
hat, die Ursachen und Beweggtiindel
kennt. Mit stehenden, heißhungrigen
Augen sieht er mich an, als wenn
von mir allein sein ganzes Schicksal
sein Wohl oder Wehe abhinge. Jchi
öffne die verriegelte Tiir und tretel
ein. Willig läßt er sich streicheln
und liehtofen. Jch lese aus dem-I
Onlihanln NArgeat Comie de B ..·l
B ...«, dann gehen wir den weiten
Weg durch den Port zurück, mit derl
hand im alsbnnd des nngestiim
nach dem chlosse zustrebenden hun
les der natiirlich diese Strecke ganz
genau tennt. !
Borr ues ich ihm aus der Feld-;
liiche das gerade fertiggewordene Ess(
sen, Erbsen mit Speck, geben« die
daf- verwöhnte Tier unter anderem
Umständen wohl taum gefressen hätte,
seht verschlang er heißhungrig einen
großen Napf davon.
Seit dieser Stunde hat mich Ar
gent nicht mehr verlassen, er blieb
fortan mein ständiger Begleiter aqu
Märschen, Patrouillengängen und
Feldtdnchen. So manches Mal hat er
mich durch seine Wachsanrteit und
fAufmerkfamkeit in dunkler Nacht, in
froqlbigeim zerlliifteten Gelände von
»der Anwesenheit oder Annäherung
des eindej unterrichtet So man
Jchet al hat er mich dadurch rsor
idrohendem Verderben, vielleecht vor
Gefangenschaft und Tod bewahrt.
Hatte er durch diese vielen Liebes
jdienste nicht die kleine Tat feiner
Rettung, die doch eigentlich nur aus
»Menschlichleit, Mitleid, entsprungen
war, schon lange wieder ausgegli
chen?l Hatte er nun nicht genug ge
tan, und war er nun nicht dadurch
alter Verpflichtungen gegen mich los
Hund ledig, gegen mich, der ich ihm
»doch ein vollkommen Fremder war?
;... Dantbarleikl Ja, Menschen
xmögen fo denken, weil fie berechnend
fund stets zu sehr auf ihren eigenen
’tl.torteil bedacht sind. Argent dachte
anders. Er wollte mir, seinem Le
bensrettey allei, seine ganze primi
itive Hundeseele, seine ganze Kraft,
seine ganzen Fähigkeiten hingeben,
nicht aus Berechnung, nur weil ein
bund in seiner Dankbarkeit aufhört,
an sich selbst zu denlen, er ist das
einzige Tier, das dich dann mehr
liebt als sich selbst
. Schon seit dem ersten Morgengrmi-l
en tobte vie Schlacht. Vor uns das
Walvstiickchem hinter dem wir als
Reserve lagen, schien lebendig von all
lden unzähligen Geschossen, vie tra
ichend gnnze Aeste niederfegten und
iden weichen Moogboden mit Eisen
hageln zersehtem hinter uns dröhn
ten in kurzen, dumpfen Schlägen
schwere Geschiihe in regelmäßigen
Abständen. Gerade diese Ruhe und
scheint-are Langtoeiligleit, mit der vie
itanoniere va hinten ihre Geschiike
bedienten, beruhigte auch unsere auf
geregten Nerven gan? unwillkürlich
ein wenig. Reben rn r lag Argent,
solange nur von drüben geschossen
wurde, liimrnerte ihn vns fast gar
nicht. Wir warten und warten
wäre doch diese namenlose Quälerei
erst vorüber!
Von rechts, hinter der Strohmiete
her, der Stellung des Regimentsstw
bett, kommt jeht ver Bataillonsadjus
tant, gebückt, in langen Sähen ange
lausem Schon von weitem ruft er:
«De S. und 7. Kompagnie soll in
die vorher-sie Schützeniinie einschmär
menl« Wir entwickeln von jeder
Kompagnie, noch vorläufig in Del
lung, zwei ilge, mit denen es dann
tn breiter ehiihenlinie durch ven
Wald geht« der vielen zum Grabe
wird. Kurz vor dem sen eitigen
Wall-runde halten wir eine inute,
damit jeder sich noch einmal ver
sznnu en konn, dann stiirtnen wir in
nell em Lauf in vie feuernde
Schüsenlinie vor. Wieder liegt Ar
gent vieht neben mie, das Schießen
meiner eigenen Leute In t ihn rar
vöser, leise stöhnenv und s tiernd ver
birgt er seine Schnauze tief in meiner
Umwe
So vergehen Stunden. Endlich
zeigt das anhaltende starke Maschi
nengewehrfeuer und heftige Infan
teriegeschieße auf dem linken Flügel,
daß die Umgebung der feindlichen
rechten Flanke vollendet ist, gleichzei
tig wird das Signal zum allgemeinen
Avancieren gegeben. Die Tamhoure
schlugen mit einem Stock, die Hor
niften blasen das altbekannte An
griffssignaL Wie oft hatten wir das
alles auf Exerzierplätzen und im
Manöver geübt, eigentlich viel anders
war ei auch heute nicht, nur dieses
ununterbrochene Singen und Pfei en
der vorüberfaufenden Kugeln, das
Zischen und Krachen der vor und
über uns in kleinen Wölkchen plat
zenden Schrot-um« kam heute hinzu.
So manchem wurde diese Schlachten
melodie zum Totenlied. Hunderte
verschwanden unter den hohen saftig
griinen Riesenhlättern des Zuckerrii
benfeldes, durch das unser Angriff
ging, um nie wieder aufzustehen;
bald ist die Luft erfüllt von Seufzen
und Klagen Verwundeter, vom Wie
hern und entsetzlichen Schreien veren
dender Pferde und immer noch
das alte Lied, sich von Minute zu
Minute zu ohrenbetäubendem Brau
sen fteigernd, Gehirn und Sinne mit
Schauder uni- Entfetzen erfüllend.
Mechanisch hebe ich den Säbel: »Zum
Sturm fällt das Gewehr!'« Schon
lebe ich kaum fünfiia Schritt vor
mir die schwarzen, tierischen Gesichter
der Bier Mit hinterlistig fun
lelnden Augen und heftialisch ge
fletfchten Zähnen erwarten sie uns,
gleich muß der Zusammenftoß statt
finden und mit ihm das entsetzliche
Morden, Mann gegen Mann, wo die
Waffen nicht ausreichen, mit Zähnen
und Krallen, dieses viehische GemetzeL
in dem der Mensch alles Menschen
iihnliche verliert und tief hinabftrigt
auf dåe Stufe des in Unwissenheit
und Finsternis lebenden Tieres-.
Ein furchtbarer Schlag egen die
rechte Hüfte reißt mich zu l oden —
ich raffe mich auf, ftiirze wieder zu
sammen mein rechtes Bein ist
pliihlich lrafts und gefühllos . . . eine
niegetannte Müdigkeit befällt mich
mit Riefengewalt, ich fühle es, ich
tann schlafen trog des fürchterlichen
Getöses wie aus writer, weiter
Ferne höre ich noch hurragerufe
auf die Kohlblätter neben mir gehen
die Gefchofse wie ein Platzregen nie
der dann wird langsam alles
still nnd dunlel um mich her. . ..
Wie lange ich so gelegen habet . . .
Jch weifz es nicht, es war jedenfalls
tiefe Nacht, als ich wieder zum Be
wußtsein lam. Meine ersten Lebens
zeichen wurden sofort durch ein Freu
dengeheul Argents begrüßt« der mir
Geicht und hönde leckte und gar
ni t wußte, wie er mir noch weiter
seine Freude zeigen tönntr.
Argent war schon von seinekn drit
ten Erlundigungsgange resultatlos
zurückgelehrt. Rein Mensch schien
sich um uns kümmern zu wollen.
Seit dem Gefecht gestern mußten doch
wenigstens 16 Stunden vergangen
sein. Ein feiner Regen rieselte her
nieder, ein Regen, der durch alles
dringt, gegen den es keinen Schuh
gibt. -Daz Stöhnen wollte kein Ende
nehmen. Viele umfing mitleidig tiefe
Ohnmacht, aus der so mancher nie
weg erwachte.
a . auf der fernen Landstraße
in rafender Geschwindigkeit ein Auto!
Argent richtet sich auf und spin die
Ohren irn nächsten Augenblick
fchieth er auf den immer deutlicher
werdenden Wagen loj in der
Ferne höre ich fein verzweifeltes, ei
frigej Gebelle. Jn kaum zehn Mi
nuten ift er mit zwei Generalfttibs
affizieren wieder da. Der eine erklärt
mir lachend: »Der Köter gebärdete
sich fo wahnsinnig, da mußte man
doch mal fehen, was los ift!'« Nach
gr erfuhr ich, daß er direkt auf das
rittdrett gesprungen Ioar und mit
tläglichen Geheul zu verftehen gege
ben hatte, dafz er irgendeine große
Bitte auf dem Versen habe, fo feien
sie ihrn denn gefolgt. .. .
Da die Gegend unsicher war, muß
ten wir uns fehr beeilen, und halb
gestützt, halb getragen, gelangten wir
bald zum Auto, das die Reife fofort
weiter fortfehtr. Stolz faß Argent
nun neben dem Führer, mit weit
rauihängender Zunge und feeligen
Augen fah er sich immer wieder nach
mir um.
Jeht ging etfarch ein Dorf
aus einigen der letzten iiafer praf
felte Gewehrfeuer. »Geh te Geschwin
digkeit, Führeri« Bald lag das
Dorf weit hinter uns. Waren wir
alle heil gebliebeni Ja, gott
lobi Argent, aber wo war Ar
genti
Tief unten ini ond des Wagens
lag er mit zerf mettertem Kopf.
Seine legten drechenden Blicke galten
Stil-them Blicke voll Dankbarkeit und
Este Islas in den Ziimpfetn
Erzählung von Bodo Wildlscm
Diefe Geschichte wurde auf dem
Bahnhof zu Muniacs erzählt, zwi
fchen zwei Militärtronsporten, im
Durcheinander des von Menschen!
vollgepfropften Erfrischskiggratcmes.
Der Erzähler hatte die Geschichte
Ynicht in eigener Person erlebt. Er
tschöpfte aus den Mitteilungen feines
sOnkelT des Grasen T..., der man
»cherlei Merkwürdigeö aus halbver
Hilungener Zeit für die Nachwelt auf
xbenmhrt hat. Ihm, dem Erzählen
Zwar das Erlebnis TI. fo tief tn
sFleisch und Blut übergegangen, daß
fes fchien, als berichte er Dinge, die
ker mit eigenen Augen geschaut.
) »Wie hatten im Sommer jenes
fJahreB, das ich aus verschiedenen
IGriinden nicht nennen möchte, ein
ungewöhnlich interessantes Quartier
be ogen. Este-at dies ein ehemaliges
S lon der Bathorys, das mitten im
Sumpfe von Erfed, einem sogenann
ten an, gelegen ift und in jener Zeit
den Bauern der Umgegend zum Teil
als Heumagnzin diente. Der Sumpf
bezeichnete die Stelle einer blühenden
Landschaft, die allmählich durch das
Austreten des Kragnafluffeg ver
fchilft und mit einer Torfbecke über
lzogen worden war.
s- ----
Joch wckuc lllc Ucll Allgklisllll llch
gessen, da wir im Abendgrauen on
den verödeten Palast hernntamen. Er
schien nus einer Jnsel zu stehen, wir
aber mit der Steppe und den Mooren
ringsum durch mehrere Dämme ver
banden Vorn breitete sich ein klares,
helles Gewösser aus. Es war schein
hor nicht sehr tief und durchsichtig
bis zum Grunde, der aber, wie uns
Ortsiundige sagten, ans seinem
Schlamme bestand, in dem man un
Khlbnr hätte versinien müssen. Zur
echten der Anfahrt trümmte sich
ein Steppensluß, der durch die Ueber
schwemmungen der Theiß entstanden
tvar und eine Strecke weit den Burg
graben bildete
ch glaubte einem täuschenden
ILut tgebilde der Delibah, der Fata
Morgnna jener oberen Theißebenen,
unterlegen zu sein, als ich den über
raschend umfangreichen Bau aus den
klaren, von fahlen Abendlichtern
überglänzien Wassern steigen sah.
. Doch die Delibab wirkt ihr Wun
Ider nur in den Morgens und Mit
tagsstunden Das alte Bothoryschloß
toar eine ergreifende Tatsache· Ek- be
stand aus mehreren Teilen, die ans
sehr verschiedenen Zeitabschnitten zu
istnmmen schienen. Lints stieß der äl
teste, insiellortige Trnlt mit einem
riesigen runden Ecktnrm in den Lap;
rechtshin zog sich eine lange Froni in
üppigem, sichtlich von Wiener Mei
stern beeinflußte-n Baron; vor der
Einschrt, die ein steinernes Greisen
poar überschaitete, war ein breiter
Uferwall nusgeschiittet.
Dies Ufer ing in eine gemauerte,
in neuerer i mit Atazien be
pslanzie und mit freundlichen Mie
hislnuhen besetzte Terrasse über. Denn
in dem weitläufigen Bauwerk hatte
sich auch eine Csardn, ein Wirtshaus-,
eingenistet, dessen spärliche Gäste hier
in der Kühlung ihren Wein zu trin
ten vileaten.
Einige Tage fpater saß auf dieser
Terrafse, die der Burgg-aben mit sci
.nem Weidendickicht angenehm be
jgrenzte, eine muntere Gesellschaft lei
sammen, lauter Offiziere. Auf dem
blanl gescheuerten Holztisch stand eine
Reihe langhalfigee Weinflaschen. Be
haglich schmauchten wir aus unseren
Türkenpfeifen, sprachen von Frauen,
Pferden, Dienst, Avancement nnd
lkriegerischen Möglichkeiten. Die Stim
mung wäre ohne Tadel gewesen, hat
te sich nicht bei meinem Nachbar, dem
hauptmann Ferencth der, erst seit
gstern eingetroffen, sich nur auf der
urchreise befand, eine seltsame
Traurigkeit bemerkbar gemacht. Fe
renez war ein schöner, ernster Mann
mit Fchwarzem Vollbart und melan
cholischen, träumerisck dunklen Augen.
Als die Fröhlichkeit der Tafelrunde
immer lauter und iibermiitiger wur
de, zog er mich, den einzigen der an
wesenden Kameraden, den er schon
von seither kannte, an einen kleinen
Ecktifch, der, von Akazien dünnbe
schattet, im Winkel der hier nach Nor
den umspringenden Bastion stand,
und bekannte mir auf meine Frage,
was ihn denn so sehr verstimme, daß
ihm eine Erscheinung zuteil geworden
.sei, die er als ein Vorzeichen sein-I
nahen Endej betrachten müsse.
»Mit ist,« begann er zögernd,
»heute nacht der rote Mann erschie
nen — binnen kurzem fchon zum
dritten Make.«
Jch sah ihn befremdet an — hatte
ihn das Theihfieber ergriffeni Doch
imit einer.keichten Gebärde der Ect
schukdigung sprach er weiter
s »Du mußt wissen, lieber Kamerad,
i-——
daß dieses Phantom — ein Mann
in hochrotek Kleidung, mit undeutlirh
slackernden Zügen, der ständige Be
gleiter meines Lebens gewesen ist.
Jch glaube mich zu erinnern —- eg ist
wohl schwerlich eine spätere Einbili
dung —- daß ich schon als Kind aus
dem vergitterten, für mich von ge
heimnisvollen Schauern umwehten
Eingang einer kleinen Steinpyrainide
in unserem alten Hausgarten einen
Zwerg in larmesinsarbenem Anzug
hervorkommen sah. Dies geschah ös
terB, und danach bin ich jedesmal
recht wild und ungezogen gewesen
und habe meine guten Eltern schwer
betrübt-» Später-, als ich heran
wuchs, war aus dem roten Zwerg
ein stattlicher Mann geworden. Jch
sah ihn in mancher Krise meian Le
bens. Du weißt, daß ich etwas hitzi
ger Natur bin und daher häufiger
als die meisten anderen in Duelle
vermittelt wurde... Var jedem
Streit, der einein solchen :,ioeitan·ps
vorhergegangen, meinte ich plötzlich
den roten Mann zu erblicken-«
»Das war nur innere Erhitzung,
Bruder! Dn hast halt dann dein
Blutauge gehabt, wie es die Leute
hier nennen-«
,,Mag sein. Lange Zeit hat mich
nun der Rote verschont, und schon
stvähnte ich von ihm befreit zu sein
n — neulich —- aur meiner reizten
Station —- in jenem lauten, lustigen
Landbau-B —- sah ich die Erscheinung
wieder. Wir hatten bis in die Mit
ternacht hinein wie rasend Csardas
getanzt. Jch war dann in meinem
:Zimmer, ohne mich erst nuszuziehcm
jauss Bett gefallen. Mit einem Male
bin ich ganz wach und sehe aus einun
grünliche-i Soer dag an der Wand
gegenübersteht, einen blutrot geklei
deten Menschen liegen, wie zur Ruhe
ausgestreckt . . . Dann gestern» wieder,
als ich an den alten Palast heranritt
— es war in der Dämmerung — da
stand mit einem Male drüben aus
jener Landzunge, die vom großen Eck
turm in den Sumpf hinan-geht« eine
rotdurchgliihte Gestalt unbeweglich
wie eine senlrecht brennende Flamme.
Und sie fand im Wasser drunten kein
Spiegelbildk
»Das wird ein Jrrlicht gewesen
sein« erwiderte ich eilig, »in diesen
Morasten sieht man ja allerlei son
derbare Dinge. Ueberhaupt, Bruder,
die Fieberlust des Lap scheint dir
nicht zuträglich zu sein. Kot-im, stei
gen wir einmal nus den Turm, da
weht etwas frischere Lust und n:nn
lann bis zu den Karpathen und den
Weint-eigen der Heghallya hinüber
schauen.«
»Ich bin heute nacht durchs Schloß
gewandert « entgegnete er ernst, »und
da ist mir die Erscheinung zum drit
ten Male begegnet. Sternenichein er
hellte die dumpfen, unverschlossenen
Gemächer des Traktes, in dem ich
mein Quartier habe. Jch konnte nicht
schlafen und irrte rastlos umher, de
trachtete wehmütig den vermoderten
Kram toter Jahrhunderte. Da stehe
ich vor einem großen Bilde, das die
Jnnenwand eines schmalen Zimmers
völlig einnimmt. Deutlich sehe ich im
rubinroten Glanze schicksalgvotier
Sterne das Bildnis eines in schar
lachene Gewänder gelteideten Man
nes — ohne Haupt! Dieses lag,
schwarzbiirtig neben ihm aus dem
Tische.« »
»"L)lls," etwioctlc lty Ia)iligkrrrrg,
,,ist das Porträt eines der früheren
Schloßherren, eines Zrinyi, glaubl
ich, der als Teilnehmer einer gegen
den König gerichteten Verschwörung
enthauptet worden war.«
. Meine realistischen Deutungcn
schienen doch einen gewissen Eindruck
auf Hauptmann Ferenczn hervorge
bracht zu haben. Gerade hob er sein
»Glas, um mir zuzutrinlen, da nä
herte sich unglücklicherweise ein Zigeu
nertrupp dem Schlosse, wimmelte un
ter feurigen Geigentönen iiber den
Damm zu uns heran.
Die Kameraden bestellten Wein fiir
das Gesindel, die Zigeuner musizier
ten und tanzten uns was vor, und
die Aeltermutter der Bande, ein Ge
schöpf von wahrhaft unmöglicher
»Wißlichieit, machte sich anheischig
uns aus den Linien der Hand die
Zukunft vorauszufagen Unter spöt
tischem Gelächter nahm man ihren
Vorfchlag an. Die here betrachtete
uns mit flammenden Augen, unser
Unglaube schien sie beleidigt zu haben.
Mit verzerrten Zügen übte sie ihr
Handwerk Ferenczy war der erste,
dessen hand sie mit ihren Klauen
anpackir.
«-Verreni« wandte sie sich an die
Gesellschaft. »Ihr werdet den Gast
nach einiger Zeit wiedersehen. Er
wird abermals bei Tische fein —
doch werdet ihr nur seinen Kon se
hen, nicht seinen Löwen« (
Ein dröhnendeö Gelächter begrüßte
diese abscheulichen Worte. Unbeirrt
wandte sich die Alte an den Major
Baron Spihenberg Er soll sich Sol
m
baten mitnehmen-, sonst kommt et
nicht lebendig zurück.«
Spitzenberg zuckte flüchtig zusam
men, und auch die anderen waren
verwundert; denn er hatte tatsächlich
den Austrag erhalten; am nächsten
Tage gewisse Wertpapiere nach Totai
zu bringen. Doch die Zigeuner haben
überall ihre Spione, und so war an
der Sache tautn etwas Wunderbares.
Sodann nahm sie sich meiner Hand
an und prophezeite mir, dasz ich in
der ersten Schlacht des bevorstehen
den Krieges sollen würde. Da ich
nach fast dreißig Jahren als Teilneh
mer an drei Kriegen diese Zeilen nie
derschreibe, so hat sich diese Vorher
sagung wenigstens nicht erfüllt.
Wir hatten nun genug Wange
nehcnes gehört, lohnten das Scheusal
ab und jagten es von der Terrasse.
Doch die gute Stimmung war ver
slogen, und alle Heiterkeit, die wir
nun noch zu ertiinsteln trachteten, er
losch alsbald wie ein Strohseuer.
Wenige Tage später wurden wir
aus recht traurige Art an den Be
such der Zigeuner erinnert. Major
Spitzenberg, der jenen Warnungcn
zum Trotz seine Fahrt nun erst recht
unbedenklich in Zivil und im Mägd
chen des Wirte-Es unternommen hatte,
war in der Einöde von Betyaren
überfallen, niedergehauen und aus
geraubt worden
m k! ..t --. k.c .«!1 ask-»
Ukl Ulksck ILUIIUC sus, Alls-, III-Isr«
czy mit Bedeutung an, und auch ich
siihlte einen Augenblick lang ein son
derbares Grauen an mir heraushie
chen. Doch sagte man sich schließlich,
daß die Zigeuner, wie so ost, mit den
Räubern unter einer Decle gesteckt
haben mochten — was denn die ein
geleitete Untersuchung auch als rich
tig erwiesen hat·
»Im folgenden,« suhr mein Ge
währsmann fort, »gebe ich die Dar
stellung meines Qntels wörtlich aus
seinen Etinnerungen wieder, so un
auslöschlich hat sie sich meinem Ge
dächtnis eingegraben:
Bald daraus war der Feldzug in
vollem Gange. Am Abend eines
durchtämpsten Tages saßen wieder
mehrere von uns in begreiflicher Er
schöpfung bei unseren seldinäßigen
Vorräten zusammen. Wir sprachen
über das letzte Gefecht, erwogen in
allerhand Vermutungen die nächsten
Operationen, tranken aus das Wohl
unseres Kaisers und aus die tapferen
Führer der Armee.
Da trat plötzlich ein junger Assi
stenzarzt, der eben erst die Akademie
verlassen hatte, mit einem in ein
schwarzes Tuch gehüllten Gegenstand
an uns heran. Er legte den Gegen
stand vor uns aus den Tisch: »Meine
erken, diesen Kopf habe ich aus dem
chlachtfelde gesunden; ein getöte
ter Walache hatte ihn in einem Sacke
neben sich liegen.'«
Er schlug das Tuch auseinander,
und ich erkannte das blutige, schwatz
bärtige Antlitz des Hauptmanns Fe
renczy."
li( III
»Und wie ertlären Sie es sich,«
stagte ich nach einer Pause, »daß die
Prophezeiung in zwei Fällen ein
tras, während Ihr Onkel die Pro
phetin Lügen strafte?«
bunbujuuukz Iaq Hut Svui SUC
des Empfänger-H zusammenhängen.
Vielleicht auch war die Ieyernche
Kraft der Zigeunerhexe bereits er
schöpft, als sie bei meinem Onkel an
langte. Uebrigens bin ich der Ansicht,
daß solche llngliiclsprapheten ihre
Weissagnngen oft aus reiner Bos
heit ersinden. Jndem dann das Opfer
gleichsam einer Eingebung unterliegt,
macht es den Spruch wider Willen
wahr.«
»Und wie erklären Sie sich dir
Geschichte mit dem roten Mann, dem
Begleiter Ferenczys?« fragte ich d:«1
Erzählen
Er össneie den Mund zu eine:
Antwort; aber in diesem Augenblwt
trat ein Sold-It an ihn heran nnd
machte ihm mit halblauter Stimme
eine Meldung. Der Erzähler sprang
auf, zahlte eiligst, drückte mir die
Hand und war alsbald im Gedränge
des Bahnsteiges verschwunden Ich
habe ihn seitdem nicht wiedergesehen.
—- Galgenhumor. Soldat
(im Lazarett, zu einem im Bett lie
genden Verwundeten): Was fehlt dir
denn, Kamerad?
Verwundeler: Mir? Dei linke
Been!
—- G ut gesag t. Feldwebel (als
wieder eine ganze Anzahl Rassen
Mblinde hoch« gegen die Kompagnie
marschiert komme-m A solches Ent
gegenkommen hätt’ man von den Her
ren Rassen gar net erwartet!
— A u s K ala u. Warum bemiis
hen sich die Rassen nur so sehr um
Rumänien?
Jedenfalls, weil es mit R n m an
fängt!