Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, September 09, 1915, Sonntagsblatt, Image 25

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    Sonntag-Matt de
Staats « Anzeignef 9und J cerold
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Okuu umstJöl awan -inD Ust;g:etid Sp Give-E 1915
—
sie Its-ein
Die Tage der Einrückung und der Ein
tlridung. s-— Vie der Dienst die jun
gen Muskeln itählt. —- Llnch der
Geist wird gedultt.
Ali der Krieg ausladerte in jenen
schmälen Augusttagen und sein
brennender Odem schon sast die Gren-«
zen des Landes zu dersengen schlen,
haben sie Hörsaal und Fabrik verlas
sen und sich mit der tleinen braunen
Handtnsche oder der Pnppschachtel
stundenlang vor die eisernen Tore
der Kusernew gestellt
Da trnsen sich denn der Korpsstui
dent mit den scharsen Schmissen aus
der Backe und der junge Schmiedeges
sen. der noch den Nuß der Esse ans
den Wangen trug, nnd beide betrach
teten sich neidisch, roer wohl der trös
tigere sei und mehr leisten würde nn
der Front. Und der durch den Sport
trainierte Körper des Studenten
strasste sich unwillkürlich, und er
überlegte, ob er wohl den Arbeiter
mit den plumpen Musteln weissen
tönnr. Und mancher, der beim Ten
nis oder beim Schilnus oder aus dem
Gleitsiy des Nenn-Einen seinen Kör
per jahrelang geübt hatte, dachte
dankbar und stolz ein die Zeit zurück.
wo er nicht studiert hatte, und die
nun ihm und seinem ganzen Lande
vielleicht mehr Nusen bringen würde,
alt alle Weisheit der gedruckten Sei
ten. Du, in der dichten Menge der
wartenden Jünglinge ging der Blick
nicht aus den Anzug, sondern aus den
Körper« und ängstlich verglich jeder
die Schulterdöhe und ihreite seines
Nebennmnnes mit sich selbst.
Lange mußten die Hunderte da
stehen und warten vor der grauen
dichten Eisenwnnd. Zuweilen slute
ten sie sittlich wert uver die Etrase
bis an die gegenüberliegende Häuser
reihe: wenn das Tor sich össnete und
ein Wagen oder ein Auto rücksicht5
los heraussuhr. Dann warsen die
jungen unschuldigen Männer einen
hungrigen Blick aus den Kasernenlzos
Ein paar Soldaten gingen da lii stg
im Drilchzeug iider den Kies, und
in der Mitte saß-der Wachlrneister an
einem Tisch mitten in der Sonne.
Aber es war ein Blick ins Parodie-,
und wunderschön schien ihnen das öde
Kasernement. Dann schob sich die
graue Wand wieder dazwischen, und
die lebende Flut drandete erneut da
gegen an. Bis mancher ungeduldig
wurde und andere lachten im der
bissenen Humor: »Mensch, wenn ich
hier noch lange in der Klemme stehen
muß, ital-« ich nachher den nötigen
Brnitunisang nicht mehr!" Und ein
anderer meinte: mspier werden einem
die Biigelsalten ja gratis plattge
drückt.'
Endlich adendö, als viele schon
abgefallen sind, erlliirt die Wache:
»So, einige können «rein.« Und alle
drängen und drücken, daß der Posten
wiitend wird und schnell das Tor
wieder zuschliigt. Einige sind drin,
und die anderen lnirschen vor Wut
Jnnen die siihlen sich plöszlich ganz
militärisch stellen sich slrnnun vor
den Tisch des Wachtrneisiers in zwei
Reihen hin, und einige ziehen den
hat. Tian geht-s der Reihe nach
,,Wer sind Sie, was sind Siei Was
ist Jhr Vater?« Man ist sehr wäh
lerisch, und lange nicht"alle werden
notiert. Wer adg aus dem Papier
steht, erhält den escheid: .Sie tön
nen in acht Tagen wiederkommen ".
Und die-Angenomr-n«em.n sind stolz
und ganz von-an Sie Warnen nur«
noch in Jivil her lausen zu mits
sen, und entschuldigen sich zu Hause
und in der Stadt. Auch sehen sie
sich im Casfs ein wenig weiter ab
von Fenster und Straße· Denn ie
der meint, es sei seiner unwiirdig
und eine Schmach, noch nicht im felds
grauen Tuch zu stecken.
An den nächsten Tagen kommen
wieder welche, wieder nach Stunden
des harrene durch das Tor, avee
nicht ein dritter Teil von all den
hunderten wird angenommen Wer
abgewiesen ist« geht zu einem anderen
Kav-.illerie-Reginrent, dann zur Jn
santerie und reist ost 14 Tage lang
von Kaserne zu Kosernr. Denn je
der will heraus, mit helfen und mit
kamt-sen Wenn man nur nicht im
mer das demütigende: »Was, Sie
sind noch hieri« zu hören bekäme.
Man tann doch nicht immer: »Ich
kann doch wirklich nichts dafür« ent
gegenhalten. Und wer von uns hat
Damals den Kern gesehen: daß all
die tausend Ireiwitkigen durchaus
nicht nötig waren, ja sast ein hemm
schuh an den Rädern der Mohitistes
rungsmaschinr.
Es ereignet sich während der Tage
del harrend etwas Großes, etwa-,
das unwillkürlich den Gedanken ge
biert: So, nun ist Plah site uns. Das
Regitnent rtiett aut. Wie gesund
und jung sie aussehen! Das helle
neue Lederzeu leuchtet an den Köp
sen der Viere und die Randaren
blisen im Regen. Trupp, trapp,
llausen mit im Regen. Keine Musik
geht's iiber den glänzenden Abs-halt,
und bald erstict werden die Ruse der
Menge, die da steht und hilte schwenlt
und Tücher, und mitliiust und wieder
steht, um sie alle, alle noch einmal
zusehen Hurra. hurral lind Frauen
bringen Liebesgaben aus den ossenen
Häuserm und Kinder und Mädchen
balten sich an den Bügeln sest und
erklingt, aber die Rufe der Menge
und der Trupp der Huse sind schöner
als Musik. Und der Regen singt
sein Lied in den Bäumen und strömt
über die Bogenlampem die glänzen
toie Augen hinter Tränen. Wie weh
das manchem tut, das harte Trapp
der stahlharten Buse, aber et ist ein
srischer Klang darin, ein froher-,
jauchzender Klang: Nun an den
Feind! An den Karabinern und
Tschaplas der Mannschasten stecken
Blumen und lleine Fähnchem Und;
man sühlt es und weiß es in voller«
jauchzender Zuversicht: Sie müssens
als Sieger wiederkehren Und danni
lommen ohne Blumen und Föhnchent
und ohne Lanze die Ossiziere. Sie
sind viel schlichter als die Mannschasi i
ten und auch viel ernster und ruhiger
Diese Männer sind nicht die Gebieterj
ihrer Leute, sondern ihre Kameradeni
und ihr Vorbild Ja, sie werden alle
als Sieger wiederkehren! ;
Und mancher der Freiwilligem der
mitgelausen ist ohne Hut und ohne
Mantel, siihlt eine brennende Träne
in sich ausquellen vor Wut und
Scham. Und der Regen rinnt ihm
mit der Träne liber- die Backe, und
er wischt sie trotzig weg und sint zu
hause lange schweigend bei Tisch und
sriszt den Zorn in sich herein.
UIVIIUI, cllsllllp III Dkk Lag ccc
Eintleidung da. Mit ihm lommt die
Komil der Ungewohnten, Fremden·
Die Kommiß-Ulnnla hängt viel zu
weit auf den Schultern, oder zwängt
den Hals ein zum Ersticken. Nicht
eine paßt. Das Kräychen endlich,
die Mütze ohne Schirm, vollendet den
Eindruck del Groteslem Lächerlichen.
Und sieht dem Dreijöhrigen noch bef
fer, als dem Dr. jur. Dem rät der
Berittfilhren ein braun verbrannter
Reseroist, mit breitem Mund und
großen Zähnen. den Kneifer mit der
Brille zu vertaufchen. »Na«chftens,
wenns ans Reiten geht. fällt dir das
Ding doch von der Rase.'« Und fleht
fich seine fünfzehn Jünglinge sei-mun
zelnd an, wie sie die Uniformen unter
einander vertaufchen und sich über fich
selber luftig machen. «Ja Kerls, beim
Kommis, da wird nicht lang’ gefragt.
»Da fliegt einem so ein Dingen an
den Rom-. und das muß passen. Also
stellt euch mal schön da auf in zwei
Gliedern. So ift’s recht. Also ich
werde von nun an euer Vorgesetzter
fein. Wenn euch was fehlt, dann
kommt nur zu mir, ich werd’s euch
schon besorgen. Mertt euch das eine,
Stehlen· gibts nicht beim Kommiß,
aber es muß immer alles da fein.
Nun haltet gute Kameradfchaft unter
einander. Jhr müßt fein wie Bril
der, und einer muss dem andern hel
fen. Wenn ihr was gegen mich habt,
fo beschwert euch nicht, das sieht nicht
gut aus. Sagt mirs gerade ins Ge
sicht, dann will ich versuchen, ei bef
fer zu machen. Na, ich dente, wir
werden uns schon vertragen!« Den
15 Zreiwilligen gefällt feine Rede.
Und sie rufen lachend ihre Zustim
mung. Daß sich der gute Pöhn scheu
nmdceht, obs auch lein Wachtmeifter
gesehen hat, denn Disziplin steckt noch
Hei-ne in der Hande.
.- - ·
All Nil flllskllscll Lilgkll Uclclllllchl
die neuen Soldaten einen Begriff da
von, was warten heißt. Ei ift noch
lein rechter Dienst für die Freiwilli
gen angefeih und fo ftehen sie oft
stundenlang in zwei Gliedern auf dem
Kafernenhoi. haben nichts Rechtes zu
tun und dürfen doch nicht ihren Plag
verlassen »Die hälfle feines Lebens
wartet der Soldat vergebenö.« Auch
diefeg Warten will gelernt fein. Et
ift oft unendlich fchtver, lange Span
nen Zeit zu ftehen nnd des Befehlt
gewärtig zu fein. Geift und Körper
laffen nach, und tvenn der Augenblick
kommt, wo es gilt, auf den Befehl
fcharf zu achten und prornpt zu han
deln, derfagt im Anfang manche-.
Die Ungeduldigen fchimpfen und mei
nen, man könne doch mit ihrer Aus
bildung beginnen, aber bald fehen fie
den erzieherifchen Wert auch diefes
fcheinbaren Richtstuns ein und ler
nen die fchleichende Ungeduld beziihs
men. Manch einer, der fpiiter Nächte
lan auf dein hartgefrorenen Boden
Ru londs warten mußte, oder in dem
höllischen Aushalten im Feuer, hat
lächelnd an diefed Warten auf dein
anernenhof zurllckgedacht, das nur
ein Vorspiel und eine notwendige Er
ziehung zu dem großen Warten drau
ßen war. Der Krieg ift unerbittlich,
und manche Schlacht wurde gewonnen
durch Truppem die ziih toarlen und
im geeigneten Augenblick doch touchtig
losschlagen lonnten.
Nach einigen Tagen findet die Ver-»
eidigung ftatt Und wieder rniisfenl
die Hunderte von jungen Leuten in
der onne sieben nnd warten. Abers
nun können fie’s ja fchon ein wenig
beffer als irn Anfang. Und vor als»
lern wiffen sie, warum sie wartens
Ein einfacher Altar ift auf dem Kai«
sernenhof aufgebaut, und in Duf
eifenform stehen Taufende Jnfante
rissen-und Ulanen, die beim Auf
marsch miteinander wetteifern, wer
die Kommendoö in der kurzen Zeit
am besten auszuführen lernte. Un
endlich einfach und imposant ift die
ser Schwur, der an den Kaiser leitet,
und freiwillig und froh wird er von
taufend Kehlen auf den blitzenden De
gen des Leutnants abgelegt
Arn nöchften Tag ift wieder Dienst.
Man lernt grüßen, marschieren nnd
ftratnmftehen. Diefe einfachen Dinge
sind unendlich schwer, und mancher
erkennt mit Angel-, wie wenig er fei
nen Körper in der Gewalt hat. Kör
per und Wille sind zwei getrennte
Dinge, und der Jntellettualismuö der
höher Gefchulten verfagt vollkommen.
Zwischen Eins und Dreijiihrigen ift
laurn ein Unterschied. Der Student
faßt etwas schneller auf, aber in der
Ausführung ift er so tölpelhaft wie
der Sohn des Kutschen. Der Unr
ang mit Pferden ist ebenso etwas
Fremdes und Unangenehmes. Hier
find der verwöhnte Ataderniter und
der Kaufmann fogar im Nachteil
Sie haben Angst vor dem »3osfen«
wie vor einem wilden Tier, fürchten
fich vor Schlägen und Bissen, die
dann auch nicht ausbleiben nnd
Pöhnz heiterleit erregen. Aber bald
'lernt nian erkennen, daß das Pferd
keineswegs ein Tier ift, das dein
Menfchen nach dem Leben trachtet,
und arn vierten Tage hat man fein
Pferd schon lied. Bemuht sich sogar,
die Ungeschicllichteit überioindend, es
blanler zu puhem als alle andern.
Aber der Stalldienst, diese ungeheure
Erniedrigung der Würde und Er
höhung der Energie, ist und bleibt
das schwerste Wert mn Tage. Wie
man morgens schmerzlich die Augen
ausreißen muß, weni« um 5 Uhr in
die dicke Luft der Ställe geht. Wir
das nach Ammoniak riecht, deizt und
brennt, dasz die Tränen aus den Li
dern quellen. Die versoähnten Hände
müssen sich an die Behandlung des
Dungs gewöhnen, und der Geruch
hastet noch lange in den Kleidern.
Die erste Reitftnnde ist ein Ereignis.
Auf dem engen Hof geht’s immer
rund in der prallen Sonne, 15 Pferde
hintereinander, ohne Bügel und Kan
daren. Der Körper wird wund ge
rüttelt, und steif und zerschlagen führt
man das Pferd in den Stall zurück.
Wer nicht an den Ecken herunterge
sallen ist, beglückwünscht sich und
hofft, daß es morgen auch so gut ge
hen wird.
Ader die nächsten Tage sind sast
noch anstrengender. Trr Körper wird
immer miirder und vor allem der Te
tereiter muß aufs schärfste acht ge
ben, daß er leln Kommando der
siiunit. Wie bäumt sich alles aus vor
ohnmächtiger Wut gegen sich selbst
und den eigenen Willen, wenn der
Wachtmeifter schimpsen mus;. Ader
oft hilft lein Aufwand von Energie.
Der Körper tann nicht mehr, un der
Geist ist das ewige AuspeitschenXder
Kräfte noch nicht gewohnt. Abends
um 10 Uhr fällt man todmüde aufs
Bett und schläft doch nicht ties und
fest, sondern alle paar Stunden net
vöj ausschreckend —- ,,ift es auch noch
nicht 4 Uhr-" Morgens erhebt man
sich bleich und abgespannt, kaum aug
geruht. und steif nach gestörter Nacht.
Denn Trup en marschieren des Nachts
durch die traszen, ausriietende Jn
fanterie, und laute Lieder klingen zu
dem Tau-Takt der schweren Stiefel
durch das offene Fenster. Und ganze
Kolonnen von Last-Blum fahren
ldonnernd über das Pflaster, dasz die
Scheiben klirren. So ist man mor
gens immer bleicher, wenn's zum
Dienst geht, aber jeden Abend ist die
weiße Haut von der Sonne brauner
gebrannt, bit man die Anstrengungen
gewohnt ist und sie kaum noch emp
findet.
Nun werden langsam Geist und
AHrper eins, und beide werden bieg
sam wie Stahl und hart und straff
wie helles Eisen. Die Diszipliu wirkt
verhärtend nach auszen und nach in
nen, und et kommt langsam die Er
kenntnis« wozu dies alles ist und wo
u es führt. Bald schwingen die ge
ählten Muskeln leicht und willig
das schwere Rohr der Lanze, die sin
gend durch die Lust fliegt und hart
gegen den Körper schlägt wie Stahl
auf Stahl. G wächst die Freude am
Pferd, und-bald lst’s eine Lust, das
lebende Tier zwischen den nun wieder
gelenken Schenkeln zu fühlen. So
’das; beim Aufritt zur heide helle
Soldatenlieder durch die Morgenlust
schmettern und es eine Lust ist« auf
dein weichen Sand die Bewegungen
und Schwenkungen des Schwadron-;
exerziereuz mitzumachem Bald geht
das alles so leicht und einfach, das
man Muße hat, sich der Natur, der
Sonne, der stampfen Farben von
Heide und Kiefern zu erfreuen.
Wenn’o zum Sprunggarten geht, ju
beit man auf, und die Signale des
Trompeten klingen wie Vogelfang in
weiter Lust. Und eines Tages-, als
die Schwadron in Marschkolonne und
im Rühren von der Heide kommt und
die kleine Erhöhung am Eingang pas
siert, tauchen dort oben unter den
Tannen feine Gestalten im Nebel auf
»Man sieht ein blaues Seidenlleid und
blonde Haare aber das scharfe Auge
des Wachtmeisters sann den nicht ent
decken, der sich das Möbel hinbestelltr.
ESo geschickt verbirgt er seine Freude
unter der stummen Miene.
Jm Kasernernent werden die Pferde
an die Mauer gebunden und in der
Sonne geputzt, daß es fast eine Freude
ist und viel schneller und leichter geht,
als in dem stickigen Stall. Auch ist
man die Sache jetzt gewohnt und hat
gelernt, sich zu drücken. Hauptsache
ist ja, daß das Resultat gut ist.
Nachmittags geh« dann wieder hin
’aui zum Fußgefecht, und mit Platz
»patronen wird eine Schlacht gemimt.
Oder es gebt zum Scheibenstand, wo
die scharfen Patronen durch die Lust
pfeisen und dumpf einschlagen, ins
;Zentrurn, oder in die Scheibe oder —
die Traverse Es gibt manche Ueber
raschung, aber die Resultate sind mei
steno gut. Denn mancher hat sich aus
der Jagd durch lange Jahre zu einem
guten Schügen herausgebildet n(
iRegentagen wird irn Stall geturnt,
oder es geht zur Instruktion auf die!
Stube Das aber ift meist ziemlich
iid Am schönsten bleibt die Betäti- T
gang, das Zusammenwirken von Geist
und Korper in der freien Luft.
» So geht’s denn monatelang. Tag
sein, tagaus derselbe Dienst. Bis der
sDrang zur Front immer mächtiger
wird und die Lust, zu erproben, was
Tman lernte. Als r erste Nachschub
Falter Leute ausrii t, hält der Ritt
»meister, der mit ihnen zieht, eine be
igeisterte Ansprache. Und die 50Mann
kreiten in voller Ausrüstung aus dem
TKnsernenhos rund und singen: »Dem
Maiser Wilhelm haben wiss geschwo
ren«, daß es von den Mauern wider
halli. Die Freiwilligen stehen ab
seits und tnirschen mit den Zähnen
vor Groll und Ungeduld. Und weiter
gebt der Dienst seinen eisernen Gang.
Tagaug, tagein, manchmal auch
nachts, und stets heißt’s: Dienst,
Dienst, Dienst. Nur Sonntags hat
man ein paar Stunden frei, und
dann promeniert der stolze illan in
der Stadt mit blanter Tschapta in
Extra-Unisorm, und an seinem noch
etwas Ungeschicktem Grüßen und
selbstbewußtem Wesen tann man aus
hundert Schritt den Kriegssreiwillii
sgen erkennen. Dessen werden sich
einige bewußt und legen, srech gewor
den, abends die llniiorm ab, um in
Zivil beimliche Nächte in überschna
mendee Lebensluft zu genießen. Es
sind wehe Nächte olme Schlaf, aber
morgens ist man wieder pünktlich
beim Dienst, wohl etwas blasser als
sonst, aber immer tislichttreu und mit
eiserner Energie. Tenn wehe, wenn
einer beim Bummeln abgesangen wird,
oder es sonstwie l)erai1-Jtommt. Man
ist nicht umsonst Soldat
Den langen Heil-it hindurch geht’tl
so von Tag zu Tag in den schier noch
längeren Winter hinein· Und täglich
geb« morgens zur Heide, manchmal
durch eisige Winde in Schnee und
Regen. Wohl erstarren manchem
Hände und Glieder, aber er oerbeiszt
den Schmerz und läßt auch seinen
Willen starr werden, daß er ja unter
den ersten ist, die zum Regiment nach
geschickt werden.
Zwischen Hosen und Be
lebet-.
Novelleite von Z. Variukaln
Er liebte,seine Mutter abgötiisch.
Ali sei sie ein txliihendes Mädchen,
so gern chnute er sie on. Obgleich
ihre Wangen matt, ihre Augen wis
sensernst und ihre Haare schon silbrig
waren. Ali sei sie seine Braut, so
sor lich eleitete er sie, umgab sie tnit
Aufmerksamkeiten in allen Formen.
Jeden Tag brachte er ihr Blumen.
Denn sie hatte an diesen. poetischens
Wundern der Natur eine besondere«
tende. Er wählte ihre jeweiligen
Dieblingn im Frühling die Ringe-;
schtvnngenen Maienqlöetchem die sos
frischen Wo lgeruch geben und gnnzl
des Lenzes innbild sind; iin Som
mer die Rosen in all ihren Varian
ten an Farben und Düften, gieichend
schmälen, leuchtenden Sonnentagenz
Reseden im herbst, bescheiden wie die
ser, nicht des Reises und der Schön
heit entbehrend, ein wenig miide siirs
Auge und selbst der Dust ein wenig
traurig. Der Winter gibt keine Bin
men; Treibhuusergclsnisse mochte sie
nichts ihr schnelleg Likclten verursachte
ihr chmetz. ]
Er war ein guter, zärtlicher Sohns
und gab seiner Mutter ein großes«
Glück.
Unerbittlich trennte sie das Schick
sal und des Kaisers Wille, als der
Kriegsrus wie eine wilde Sturzslut
über das deutsche Reich brauste.
Der Abschied gehörte zu denen, die
Herzen zerreißen und alle Lebensgeis
ster töten möchten. Er war ein Er
lebnis, wie man nie glaubt, es je
gehabt zu haben, und bestimmt weiß,
es ein zweites Mal nicht mehr er
tragen zu können.
Aber er ging zum Schlusse stark
und von hohen, lriegerischen Eigen
schaften erfüllt ins Feld. Die Hand
der Mutter schmückte ihn und sein
Krieg-gerät mit roten Rosen und er
sah aus, als hätte ihn nicht Mars-,
der Kriegsgott, befohlen, sondern er
solge den Lockungen in Amor-z holde,
lachende Gärten.
Mit heitetem Gesicht winlte ihm
die Mutter den letzten Gruß zu, als
er mit den anderen in einer Wolle
der Begeisterung abzog. Das Letzte,
was et von ihr sah, war ihr strahlen
des, enthusiastisches Auge. So wollte
sie’"5. Ein trübes Bild sollte nicht
in seiner Erinnerung haften, sollte
nickt seine stolzen Kräfte schwächen.
Dann freilich, als sie allein war,
brach das Weh aus ihr· Sie schloß
sich eiii und gab sich der schmerzlichen
Gewalt hin. Und trat erst wieder
ins Leben hinaus, als sie jene Fas
sung errungen hatte, die im llmgang
mit Menschen nötia ist
Er schrieb ihr bald. Der erste
Brief war eine Dithhrambe auf das
Vaterland und seinen Kaiser, auch
seine Truppen. Alle Flammen höch
ster Begeisterung schlugen daraus.
Vrennender Zorn, lodernder Mannes
mut, Kampfbegierde und Siegesge:
wißheit sprühten ihr entgegen.
Sie lächelte und war doch voll
fchwellender Freude. O, er würde
tapfer sein! Und seinen Soldaten.
vorangehen, kühn und jauchzend deml
Feind entgegen. Ach, möge der Hirn-«
mel seine Gnadenhand über ihn hal
ten! Ueber ihn, ihren geliebten
Sohn! «
Der zweite Brief belundete ihr
feine Feuertaufe.
»Mutter, es ist herrlich. Soldat zu
sein!« schloß er. »Alle Kräfte in unz
schwelgen! Kampf ist das rechte Ele-’
ment des starken, gesunden Manne-.
Nun begreife ich, warum unsere Vor
fahren feit Jahrtausenden immer wie
der zum Schwerte griffen. Und nn
fere Nachkommen werden es tun, sof
lange die Erde besteht. Krieg —
Karnpf ·— Sieg —- Hnrrah!«
Die Mutter schüttelte ein wenig
den Kopf. Wie hatte der striegsgeist
von ihrem Jungen vollständi Besitz
genommen! Bisher war er so ganz
aufgegangen in den seinen Genüsseni
des Friedens« in sinnst und Wissen-i
schaft! Doch sie war stolz auf ihn.F
Sie liebte die kühnen Männer. Auch
sein Vater war ein solcher gewesen
und darum hatte sie ihm einst ihr
Herz geschentt! I
Jn rascher Folge langte der drittei
Brief an. t
»Liebe Mutter«, hieß es da, »das
große Sterben um mich wirkt wun
rerbar auf mich ein. Gar nicht so
schrecklich, wie du deuten möchtest-«
Denn unsere Soldaten sterben schön«
und tapfer, im brechenden Auge noch;
die Lust am lKampfe oder den Jubel.
des Siege-L oder zum mindesten die;
heroische straft llagloser StummheitJ
Selten, daß einer feig und wimmeruds
sein Ende nimmt. !
Vor einigen Tagen hatte ich diesenl
Traum: ich war ges-Heu nnd blieb«
aus dem Schlachtselde liegen, tot für
menschliche Begriffe Jch sah und»
hörte aber. —- Die Nacht zog herab,l
der Himmel hing schwarz und schwer
über uns. — Mit einem Mal barst erl
auseinander und es sloß strahlende«
helle über die Erde. Aus ihren wil-!
den, fliegenden N)ssen kamen die»
Schildmädchen Wotans mit sunlelnder;
Brünne, dem Speer und dem wallen I
den hnnr hernieder zu uns. .
Janchzend und trinmphierendj
sprengten sie iiber den Schliichtpliitz"
und hoben im Laus die Gefollenen zu
sich aufs Pferd. Sie kehrtest mit
ihnen zurück in den goldenen Spalt,
von wo sie gekommen
Jn Walhall zogen tvir ein« zu
neuem Leben erwacht! Empfangen
von den mächtigen, göttlichen Heer
vnter und Iricla, seiner stolzen, stren-«
gen Frau; von den lustigen, liihnen
Waltiiren, die uns mit Lorbeer krön
ten, Siegesliedee sangen, Plnmenzweii
ge iiber uns schwenkten und uns ewig
rerjiingenden Wein lredenztenz vereint
mit den Tausenden von heldem die
nach ruhmreichen Leistungen vor Uns
eingezogen waren in Glorie und lin
steihlichleit . . ;
Seitdem sinnt ich viel iiber den,
Tod nach. s
Mutter, der Tod auf dem Schlacht-;
felde ist der schönste Menschentod,«
glaubt es mir! Jch sah viele hinsinlenj
mit leuchtenden Blicken, mit edlen
Zügen, entstanden aus dem Hochge
siihl ihrer Tat; der Glanz eines höch
sten Opsers fiir eine große Sache
gänzte aus ihren erblaßten Stirnen.
saB irdische Verlöscheu merkten sie
taum.
Jch beneide sie! Wahrhaftig!
Mutter, verstehe mich recht!
So hochgehoben werden, wie wir
jeht, und in diesem Rausch der Selbst
rerleugnnng und Begeisterung dahin
gehen dürfen, bestrahlt von allen Seg
nungen unsterblicherVerdienste, welch
ein Glüctl
Wie schmerzlich aber muß das Nie
dersinten in die Allttialichteit und ihre
hundert und hundert kleinen Interes
sen nach solcher Zeit voll Schwung
und eTaten sein! Das Zurücklehren
in die Nüchternheit. die gewöhnlichen
Zweifel und Reibunqu und Süchtei
leien unseres rätselhaften Lebens-! Jn
die Atmosphäre oon Heuchelei und
Strebsaniteit, Streit und Neid und
Haß, Unzufriedenheit, Eifersucht und
Flaschheitl Wieder mit nichtigen
Dingen die Stunden füllen, wieder
um vergängiiche Giiter ringen, nach
zeitlichen Vorteilen jagen, bis zum
Ekel, bis zur Erschöpfung. bis uns
das Leben selbst ermürgt hat und
wir elend im Bette sterben! —
Und das nach diesen Tagen voll
unaussprechlicher Hoheit und unbe
gkenzter Bedeutung!
Die Seligkeit, für das Vaterland
und seine Ehre und Rettung zu ster
ben, muß mächtig sein! Sicher ist
tier Mensch, der seine Habe, seine Exi
stenz, Blut und Leben, sein Lieb
stes und sein Alles fiir eine heilige,
frgabene Sache läßt, namenloz glück
r . —
Ach, du meine gute, heiskgeliebte
Mutter, wenn ich fiele, du dürftest
nicht um inich weinen . .«
- Ergriffen bis in alle Tiefen ihres
Enipfindens von seinem flaninienden
Ueberschwcing, faktete sie den Brief
und drückte ihn init einein schweren
Seufzer an ihre Lippen.
Seine Vaterlandsliebe war größer
als die Liebe zu ihr. Das tat ein
wenig weh, ein tlein wenig. .
Dann erhielt sie einige Wochen
teine Nachricht.
Die Rosen waren im Vergehen.
Nur Spätlinge hingen in fahler
Schönheit am halbentblätterten Ge
sträuch. Die ersten Blütentrauben der
Reseden quollen an den niedrigen
Büschen auf und dufteten voll
Schwernint.
Sie muszte das Golgatha hinaus,
das in diesen Zeiten Millionen von
Frauen auf- und niedersteigen. Am
Gipfel der Petri angelangt, erhielt
ihr Herz den Stoß, an dem es blu
ten sollte, bis es den letzten Schlag
tat; Rosen hatte ihr Junge ihr noch
gebrachtt — Reseden würde er ihr
nicht mehr bringen —- nicht in diesem
Jahr — nicht in einem späteren —
nie mehr. . .
Zwischen der Rosen- nnd Resedeni
blüte hatte sie den terloren, den sie
liebte, wie nichts auf diesem Plane
ten. Eine tleine, unscheinbare Dem
sche meldete ihr den großen wichti
gen Verlust!
tfr war gefallen — tot —— getilgt
ans den Reihen derer. die Da atmen
und die Sonne schalten und sich beide
gen. An seine Stelle war längst ein
anderer getreten; die Lücke, die er
ließ, hatte sich in der nächsten Minute
geschlossen —- dtaußen, wo Millionen
Krieger ini Streite standen — nicht
te daheim, wo er ein Herz so ganz
ausgefüllt hattet
Dem lenler Ortes inocyie in einer
Stimmung verfaßt worden sein, die
ihn so ties und mächtig durchtröntte,
daß sich Seherlriisie in ihm regten.
»Wenn ich siele, du dürftest nicht
um mich weinen. . «
O, sie weinte doch! Und wie sie
meinte! Wie nur eine Mutter um
ihren Sohn und um einen solchen
Sohn, mit dem sie so riihrende Liebe
verband!
Die drei Briese sind ihr Heiligtum
und ihr täglich Brot. Sie lebt von
ihnen sast mehr als von Speise und
Trank. —- Sie sind ja die letzten Zei
chen von ihm! Sie,sagen ihr das
leyte Wort der Liebe. Und sie hel
fen ihr den bitteren Verlust ein we
nig tragen: er ducsie den Tod neh
men, den er als den schönsten und
erhabensten erkannt hatte — er durfte
einziehen in Wnlhalls HeldensaaL —
— Das neue Rottäppchen.
Bonne (erziihlend): » . . . und der
böse Wols verschluckte die arme Groß
mutter«.
Lieschen (die kürzlich einen Knopf
verschluett hat): »Muszte da der Wolf
auch soviel iliizinusöl einnehmen?«
—- Olus dein Dorfe. 1. Bauer-:
»Jetzt is’-I aber , eit, das; mer bald an
anderen Postmei ter irien’n«.
2. Bauer: »Warum denn nachak«
1. Bauers »Noja — slder fein
Monat hnn i’ jetzt loan oanzina
Bries mehr lriagt!«