Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, August 19, 1915, Sonntagsblatt, Image 12

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    : ,
Bis M let MHM
twnxsi Rer
—
(4« Institut-St
Melkert war ein junger Mann nnd
Deit intelligenter und fortgefchrittes
ner als seine Frau. Gegen den Bor
fchlag, Minerl ins Spital hinüber
traniportieren zu lassen, wehrte er fich
zwar entschieden, aber fonft war er
vernünftig und begriff fofort den
Wert einer Jmmunisierungoeinfpriti
sung.
Gewöhnlich stellt man die Mutter
liebe über die des Vaterz, aber wie
oft ift es umgekehrt. Die offenbare
Liebe des Mannes zu feinem Kinde
rührte Christian Er fragte nicht ein
mal nach dein Mittagessen, und die
Frau mußte ihm zuredem doch mit
ihm in die Lache zu kommen und
etwas zu essen.
Nachher mußte er wieder fort, aber
Christian verfprach ihm, nach Mög
lichkeit über das trante Kind zu wa
chen, und hieß ihn, der Kraft des
Serums nur zu vertrauen. So flößte
er dem Manne eine zuversicht ein, die
er felbe nicht teilte.
Auch Chrtfstian kannte nicht bei dein
Trauten Kinde bleiben, denn er mußte
am Nachmittag zu dem Schüler, den
er unterrichtete, und später zur
Abenorisite ins SpitaL Aber zwi
fchen beiden Verpflichtungen machte er
einen Sprung nach Haufe, um nach
der Minerl zu sehen, und als er aus
dem Spital zurückkehrte, feste er sich
an ihr Lager. nicht wenig beforgt,
denn ihr yeftiges Fieber drohte so
rafch tue geringen Kräfte des Kindes
anfzuzelzrein daß vielleicht die gute
Wirlang des Seruins zu spät eintre
ten würde, um es noch zu retten.
Die tleine Minerl fah juft aus wie
eines jener Kinder, die für einen fin
hrn Tod gezeichnet sind.
Doch woute er dreien wedamen
nicht aufkommen lassen. Er natyrn
sich var, die Minerl zu retten, tofte
es« was es wolle. Er war ihr fo
danldar, daß sie feine Aufmerksam
teit in Anspruch nahm und ihn ver
hinderte, sich an diesen trüben Tagen
mit sich seldsi zu beschäftigen.
Kaum, daß er minutenlang an
Agneg und den Abschied von ihr hätte
deuten Minnen
Außerdeni war ein Stück Aber
glaube dabei. Wenn ei ihra gelang
Minerl zu retten. dann, meinte er,
-bliihe ihm künftig in feinem Beruf
die Entschädigung für da- verlorene
Glück.
Arn Abend tani Martin. der nich
des Tages Pflichten den Weg nicht
gefcheut hatte, unt den Freund in
feinem neuen Heim aufzufuchem
Zu feinem Erstaunen fand er ihn
anders, als er erwartet, ani Lager
eines tranken Kindes, mit dem es
fchlechter und schlechter zu gehen
schien. Es war lein Wunder, daß
Martin kopfschüttelnd vor dein Bett
chen der Kleinen stehen blieb und leife
sagte: »Die gehört zu den 8,8 Pro
zent.« »
Christian verstand ihn gut genug
Das follte heißen: zu jenen, die »auch
jest nicht davonlornmen. »
Eigentlich fchien es ihm ja feldsi
fo, aber er böumte sich doch dagegeni
auf: «Sei fo gut und sprich nicht«
fo. Das Kind muß dawntpninien!«i
Martia binn- ihn ühikkaichi cis-.
Bielleicht verstand er halbwegs, wasi
den Freund bewegte. Und überhauth
waren sie ja noch junge setzte, die
sich nicht fo leicht dareinfinden, einen
vPatienten aufzugeben.
«Jch will mich gern geirrt haben,'
erklärte Martin gelassen.
Von Agnel und den übrigen da
heim sprach er kein Wort. Er war er
freut, zu sehen, daß Christian mit
ganz anderen Gedanken beschäftigt
staat ais mit denen an feine unglück
liche Liebe.
»Jeden Tag kann ich nicht zu dirs
kommen,« meinte er beim Abschied
,,Und du kommst doch nicht hinaus·
Also müssen wir uns halbwegs tref
sen.« Er nannte ihm ein Kasseehaus,
wo sie sich manchmal sprechen wollten. l
Jn den nächsten Tagen kam Chri- »
siian jedoch nicht fort, denn er beschäf
tigte sich in seiner freien Zeit sast nur i
mit Minerl, bei der sich die Wir-i
sung des Serums nicht so rasch ein-s
stellen wollte, wie ee gehofft. ij
: Endlich, ais er schon gedacht, eti
müsse mit dem Kinde zu Ende gehen, i
ehe ein Rückgang dee bedrohlichen Er
scheinungen eintrat, ließ das Fieber
nach, die bösen Membranen, an denen
sie est dem Ersticken nahe gewesen.
lösten sich, und der Atem ging ruhi
r. Von da an machte die Besserung
o rasche Fortschritte, daß er schon
am vierten Tage hassen konnte, die
seine Patientin durchzubringem wenn
er sich die änßetste Mühe gab, allen
Fesseankheiten und Iclgeübeln m
. Deus-! M l U i
ner ge ’I est gut,
diesen-r M« sagte Frau Mel
Int an disse- Ssse in ihrer unbetei
Ues Beise, als g es sie n I
«- -«ss«s.:ss.· esse-.
r an. ge
swsesetbeska e vie Ue Mkneel und
O
im einen später trank e
W Sie II W- Most-R
»in-»vi- sn ichs-i W
i
MW
Tka aykistisiu anwen- main-Z
te sie es vor dein Kinde. das große
Augen machte. »Die Tafchinqer wird j
doch nicht fterbenf« fragte et fahrt
ängstlich. »Dis- Säk aber Hab-i
...Die it so viel lieb. »Es-dies
brav . . . Die beße aus der Matt«
.Sie win- geswiß nicht Heeren-l
beruhigte Christian »Der Don-set
wird ihr was eins-speist haben. Dis
ich dir, da wird ihr auch besser wer-(
den« .
.Ah, na!« wider-sprach Frau Mel-!
tert. .Die hat lein'n Seruni lriegt."
Die Frau Last-hingen das ist die
Tochter von der alten Hausfrau, der»
Frau Brendel, vie hat den alten»
Hausdottor, der noch ihre Mutter als
Kind behandelt hat. Die alte Frau, i
die laßt nix auf ihn kommen. Ubert
er i- halt ein lurioser Vert. Er
halt- nix auf Inst-fangen Seine
Madeln laufen mit BlatternarbenI
herum, weil er sie mit der Kuhlymphe 1
nicht hat vergiften lassen wollen, wie er «
sagt. und von dem neuinodifchen
Sen-in mag er schon aar nix wissen.
Da pinselt er fett schon den dritten
Tag an der Mizzerl herum, und ihr
wird alleweil’ schlechter nndzschlechter
Jch bin elf froh, daß ich ietn’n solchen
nobeln alten Hausdoltor hab',' setzte
sie triumphierend hinzu.
Christian ärgerte sich inserlich
über den alten Arzt. der nicht mit ver
Zeit fartfchreiten wollte. Daz arme
Rind, das würde wohl daran glauben
müssen und wäre vielleicht noch zu
retten.
.-,- ·- a -t ss « - -g»t,
CI IUUI Ilssll UCIWIU Uc- anle
halber lieb, als ihm bei seineni Nach
hauseiointnen nach Tisch Frau Mel
kert die Aufforderung überdrachte,
sich womöglich sofort in den ersten
Stock des Vorderhauses zu begeben,
um die Behandlung der kleinen Mis
zerl zu übernehmen. Frau Taschins
ger habe gehört, daß sich Minerl schon
erhole, wahrend ihr Kind zusehetids
schlechter werde, und da habe sie teine
Ruhe gegeben, bio die alte Frau end
flich schweren herzens eingewilligt
habe, denn sie wollte ihren atten Arzt
Inicht beleidigt sehen.
s Christian schien es sonderbar, daß
sdie Mutter des Kindes erst den Wi
sberstund der Großmutter zu besiegen
Jhatte und daß die Rücksich t aus den
Arzt mehr gelten sollte als die aus
das Leben des bedrohten Kinde-.
i Ei war eigentlich gegen die kolle
»giale Courtoifie, einen Fall zu über
nehmen, den schon ein Arzt in han
. den hatte, da dieser aber seine Pflicht
nicht zu tun schien. bedachte Christian
sich keinen Augenblick. Wie konnte er
zögern, wo es vielleicht ein Menschen
» leben galt? So nahen er Seruin und
lSpritze und begab sich hinunter und
i uber den Hos zurn Vorderhause.
Es war seines Gedenkens das erste
mal, dass er in eine zahlungssiihige
Familie gerufen wurde, denn bis jeit
hatten sich seine Patienten nur aus
den Kreisen seiner Wirts· und
hausmeisterleute reitutiert. Einmai
hatte er deni Schuster was verschrie
ben, und zuweilen gingen ihn arme
Leute um Hilfe an, die gerade im
hause wohnten. Das roar seine gan
ze Privatprakij.
Da war Martin schon besser dran, «
denn er hatte doch einen Bekannten
treis und toar verschiedener-nat zu Er
krantten gerufen worden«
Aus der vorderen Treppe sah ei
ungleich vornehmer aus als aus der
»Hu-eilen Stiege', obgleich auch hier
moderner Luqu fehlte. Es toar ein
einfaches, alteres Bittgerhaui.
Ein altliches Dienstmadchen össnete
ihm und blickte ihn fragend an.
·Jch bin der Dotter ans deur drit
ten Stoet von der Azweiten stiege,
sagte Christian. leiden Sie mich
Jhter Gnädigetn«
Der alten Person begannen die
Augen zu leuchten...
»Ah, bös is g’fcheit!« sagte sie et
freui. «J’ hol-I heut' eh' unsrer
Gnädigen in der Früh’ g’fagt, daß
bie Minerl von der Meliert fcho’
besser is und unfre no’ nöt. Der alte
Tapp hätt' f’ no' unter die Gran
bracht, die MizzerL Z' wegen was
gibt’s denn neuche Mittel, wann ma’
f nbt anwenden tut t«
Dienftfertig öffnete sie die Türe
zum Vorderzirnmer, lief ihm voraus,
aber dann hinein, während sie die
wahrscheinlich vorn Gefchirrivafchen
feuchten hände an der Schürze ab
trocknete.
Christian betrat einen etwas alt
inodifchen, bürgerlichen Solon, fiit
die Witwe eines Msrfchaunifabritans
ten, als welche ihm die Don-freut be
zeichnet worden war, febr passend.
Bald trat eine nette ältere Frau
ein die ihn freundlich begrüßte nnd
ibrn sehe wortreich nnd nmftanbltch
erzählte, was et fchpn von Fre
Meltert wußte, nämlich, das ihr
hause-est kein Sekun- anseloenbet ha
be und ei ihrer Enkelin xo chlecht
Fede, daß fie sich II einer
n der sehnt-blutig entschlossen bekü
ten. Jbe ersehn
en den pkvat
bertihmten Linden-ein telephonieet,
Regeln-ges follesensn Ri- Mnb en
M U MIM
kommen, nnd fs falle Ebetsttan nn
terbeffen dein M dte in
Und IW dke d
Æssss we ist«-»M
kckc - -
will entt ben- Seeiun nichts II tu
,
haben- itnd ein Minder Itzt
niiis hoch sein neben dein Bei-seyen
» Jeh bitt' Sie, her Moses-h It tatest
!eh' wieder gleich idea, Denn er seine
zwanzig Kronen eingesieckt hat . . .
Es ist ja nur so, damit inan sieh sa
gen kann· inan hat alles getan. Ich
hab’ volles Vertrauen zii Ihnen.
treiPs heißt. daß Sie die Melkerti
Minerl gerettet haben!'
Christian furchte die Stirn.
»Wenn es niir nicht schon zu spät.
i !' !
»Aber ich bitt’ Sie, sei-r Dotter!«.
sagte die alte Frat- er chrockein und;
als mahnten Christ-ans Worte sie gut
Eile, siihrte sie ihn in ein stenndiisk
thes, geräumiges Zimmer nebenan.’
wie er später erfuhr, ihr eigenes, wo
auch das hübsche weißlackierte Kinder-?
beltchen niit der blauseidenen Stepsz
deckt stand. s
Von einein Side daneben erhob sich!
eine reisende, mädchenhaste junges
Frau, die Mania des tranken Nin-;
des, die sich neben hei- energischen
Mutter noch ganz vie schüchternes
Hiislosigteit ihrer ledigen Jahre be
wahrt zu haben schien.
»Ja, ja, die dvminierenden Miit
ler!'· dachte Christian init einein!
Seufzer.
Er trat an das Bett, unt das
trante Kind anzusehen. El war ein
puppenhast hübsches Mut-, init brau
nem Kiaiithaar und einein Kirschen
niündchetb der jungen Maina sehr
ahnlich, nnd von der Fieberglut aus
seinen Wangen noch verschönt.
Ali ei die dunklen Augen aus
schliig lind Christian kläglich ansah.
sagte siih dieser entschieden: «Dieser
herzige Schon darf nicht sterben!«
Aber die Untersuchung belehrte ihn,
das es in dem armen hölsehen sehr
bös aussah. Die Krankheit hatte tie
reits fürchterliche Verheeriingen ange
richtet.
unwiururnch machte er ein so sin
steres Gesicht, daß die junge Frau in
Tränen ausbrach. Doch diese merkten
weniger sein Mitleid als eine zornige
Emporng: »Warum hast du dich
nicht sriiher gegen den Einslusz deiner
Mutter gewehrt «t«' hatte er das junge
Geschops fragen mögen.
Die kleine Kranke schien von der
bisherigen Behandlung nicht erbaut.
»Nicht pinseln!« hauchte ste, als
Christian nach seiner Tasche griss.
«Nein, nein, du wirst nicht mehr
geptnselt!« beruhigte er das Kind.
Dieses ließ sich die Iniettion ruhig
gefallen, sroh. daß man ej nicht mehr
im Halse quälen wollte.
Auch die junge Frau heauernte sich
zu der immunisterendert Einsprisung.
Nur Frau Brendel wollte davon
nichts wissen.
»Bin ich so alt geworden ohne diese
modernen Sachen, werd' ich auch noch
älter werden," meinte fie.
Christian zuate die Achseln. oh
gleich ei so nahe lag, sie daraus aus
mertsain zu machen, welchen Schaden
solche und ähnliche Ansichten ost an
richteten und vielleicht auch hier ge
fristet hatten.
Ehe Christian fortging, wurde er
gebeten, um sechs Uhr noch einmal
wieder utornmen, da unt diese Zeit
Professor hinterholzer erscheinen
werde.
Christian srerite ßch nicht eben aus
dieses Zusammentreffen. denn er hatte
schon gehört, hinterholzer sei ein
höchst unangenehmer Mensch und ver
stehe es, Kollegen, rnit denen er am
Krantenhette in Berührung kam,
empfindlich zu demütigen
Jni ganzen befand sich jedoch
Christian noch irntner in einer Stim
mung, too weder Angenehmes noch
Widerwärtiget recht aus ihn zu wir
ren vermochten, und so ging er auch
dieser Unannehinttchteit rnit ziemlicher
Wurstigteit entgegen.
Ilsn Abend erwartete er den Profes
cssv s- schuld-absehen
Hinterholzer war ein äitlicher Herr
mit einer ziemlich tteinen, holzern
steifen Figur und einem hartziigigem
braunen Gesicht, von dem das eis
graue Kraujhaar des Kopfes und des
Henriquatre seltsam abstach.
Angenehm sah er gerade nicht aus,
Christian fand jedoch, daß er nuctz
nicht unangenehmer berührte ais ir
gendwelcher beliebige andere.
Durchdringend scharfe Augen inu
sierien Christian, ais et sich mit einer
Verbeugung dem berühmten Kollegen
vorstellte. Jn feiner Gleichgültigteit
gegen den Mann, von dein er nicht«
erhoffte und nichts erwartete, ahnte
er nicht, wie sehr feine Ruhe gegen
die Unsicherheit anderer junger Aerzte
abstach, die, wenn sie mit dem Ge
fürchteten in seriiheung tamen, be
fangen nnd aufgeregt zu iein pfleg
ten.
christinns Bericht iiher den Zell
var knapp, sehr knapp und lehr fach
lteh. rnu seendel sollte ein paar
tnal infihattungen machen, doch
hinterhotzer hat sie Iurg, den Jun
gen Mann« sprechen en lassen.
Rein wollte er darengehen, die
kleine ceankexe untersuchen, aber die
tratele hyi hatte gerade seine
Lus. den Mund au nni nnd
antwortete Ietdp us d sit en ihrer
Itmna nur dadurch. da sie die Lip
MLY WANT-i Zier s sei
—« · te unt en et.«
ptnterholzee tm.
Uns den- Mnde des zu ersparen,
MWsiåhvsrnndredete
lich
«Oeh’ Liszt, den Mund
nas. Du lamrs es v srth ohne
Löser . . . Und es trink doch sein«
IDer here Pwsesivr muß ehen, wie's
Ida drinnen aussieht«
Die Kleine blickte Christian vor
wurslpnll nn.
«Den Alten nie-g i« nöt, bloß
Ihm-' beachte tie«
Hinterholzer hatte die miihsam ge
sliisierten Worte doch auch verstanden.
»Die wird Hutt« sagte er belustigt.
»Man bloß den jungen Doktor!«
Schließlich lieh sich Mizzi doch in
den hole hineinsehen, und auch der
Professor belnrn das-ei ein sehr ernstei
Aussehen.
aWarum haben S’ denn nicht frü
her einen vernünftigen Menschen ge
rufen?« sragte er nachher im Be
suchdzimrner drinnen die alte Frau,
während die junge, die in der Be
gierde, den Ausspruch des Prosessors
zu hören, sogar ihr Töchterches im
Stich gelassen hatte« zitternd an der
Türe lehnte.
uDen Kreis nur-gerechnet beut-»
Jch lenn’ ihn. Das ist der rückstän
digste Mensch in ganz Wien. Der soll
aus dem Mond praltizieren . . .
Nicht einmal meinen Hund möcht- ich
ihm anvertrauen. Das heißt» den erst
recht nicht."
.Meine Tochter hat halt so viel
Vertrauen zu unserem alten Doktor
gehabt,« schlnchste Frau BrendeL
Die junge Frau wars ihrer Mutter
einen vorwurssvollen Blick zu, daß
see jest ans einmal ihr die Schuld
geben wollte. und hinterholzer, der
sich wohl dachte, wer eigentlich das
ronservative Element im hause vor
stellte, machte sein satirischstee Ge
n .
Mit einem raschen Schritt trat er
auf die junge Frau zu und faßte sie
an den Händen
,Es ift spät, aber nicht zu spöt!..
Der junge Herr Kollege da wird da
zuschauenS . . . Vertrauen Sie ihm!
Der ist tüchtig! Der tann s! Nur
Matt Alles ordentlich befolgen!
Mit ’rn Plagen ist hier nichts getan.
Tränen — ad acta! Kopf in die
hohe und ausgeraßtl Jch tomine
wieder-. Wollen Sie mich begleiten,
Herr Kollege?« -
Christian meinte, bloß hinunterl
zum Wagen, ater als sie hinunter-:
kamen, ergab fich, daß Hinterhalzer1
diesen weggeschiitt tintte, um an dem;
milden Aprtlaheno zu Fuß nach
hause zu gehen.
«Wegen der verdammten Eite, die
man immer hat, tommt man gar
nicht dazu, die Beine zu regen,
brummte er. »Jetzt gehe ich aber.
Kommen Sie mitf Miichen Sie sich
vielleicht auch zu wenig Bewegung't"
Ehriftian entgegnete, daß er bis
vor einigen Tagen in Rudolioheim
gewohnt und infolgedessen sich durch
die täglichen Gange ins Spital Ve
wagung genug gemacht habe. Das
ginge ihm nun etwas ah.
»Nun, io begleiten Sie mich!«
wiederholte Hinterholzetu »Ich have
auch, alt ich Student war und noch
später, immer gern weit vom Spitat
gewohnt. Bin leidenschaftlicher Fuß
giinger gewesen. Bin es noch. Wa
gen und Pferde brauchte ed meinet
hathen gar nicht zu geben. Aber man
hat ja teine Zeit. So muß ich im
mer fahren, ich, der ich das Jahren
verabscheue. Das nennt man den
freien Willen des Menschen, merten
Sie sich dass
Da der Professor ihn aufgefordert
hatt-, ihn zu dsgl-mir tchem Chri
stian hdflich an feiner Linten, doch
von der Devotion oder der Beflissen
heit, die manche junge Leute in iolchen
Fällen fiir angezeigt halten, war bei
ihm nicht die Rede.
«Vaden Sie Vossriung siir dass
Kind, Herr Prosessors« fragte er.
«Jaiooyl, die kommt durchk« der
sicherte hinterholzer. »Das heißt,
vorläufig sieht die Geschichte verzwei
felt aus. So ein Hälscheii hab' ich
Gott sei Dank schon lange nicht ge
sehen, und dein May sein Verdienst
ist es rrirtlich nicht . . . Aber das
Kind ist don gutem Schlag, das sieht
man. Das hatt noch aus, und unsl
terdessen ioirtt das Serurri. Nur
achtgeheii, junger Mann. Wissen Sie,
es ist schon so. Man tanii nicht je
den Fall einzig aus seine größere oder
geringere Gefährlichkeit hin betrachten.
Etwas Intuition gehört auch dazw
An dern Bettchen von dein Kind hab
ich einsach den Tod nicht stehen ge
schen-«
.Sonderhar!« meinte Christian.
-Jch hab' such tv ein Geists-L Ich
meine, ich niiiß es ahnen, ob tch den
Kranken durchbtiiige oder nicht, auch
ohne die Aussichten wissenschastltch
aheaioägenk
«Ra sa. lassen Sie das nur nie
mand anders hören,« riet htnterhols
zer. «Sonst lacht nian uns ans.«
»Das Esset-seen- dM Protest-ex
nahen christian nach etner Pause das
Gespräch totedee aus, «toariiin Sie
intch den Damen dort ode- als ttlchttg
empfahl-us Sie tsnnen so doch nichts
davon wissen eind . . .«
et, Ioenu dte Frauen
fgeteiäterthegessen M haben,
mit du Wes-Ist sich Its-«
s . .ltnd das tst me wieder Jn
tsitioin Ich stande, brauche et;
W
sen blas 'an;ufehen. und ich Iaerl
chi- an, oh er zum Arzt Faust ode
nicht«
Er stellte noch ein paar lurze Im
sen: warum Christian bis var lur
zern in Rudolfiheiin gewohnt hab
nnd weshalb er fehl dort nieggezoaei
lei, nnd die Iri feiner Fragestellum
war eine falsche, daß rnan leicht dazi
gelangte, lhrn mehr zu antworten, als
man eigentlich wallte
Durch die hlöultchgrane Abend
dsmrnrrung, von der die schon dren
nenden Laternen und die Beleuchtung
der Sdaufenstrr und Wagen um f
gelblicher ahflacheu, führte ihn de
Professor durch allerlei Quergaifei
des neunten Bezirks der Donauaegenl
zu, ohne daß Christian viel des We
ges achtete. Dafür aimele er ini
Wohlgefühl die laue· und doch frisch
Aprilabendlufl ein. ·
Schließlich fing Hinierholzer an
über Christiani Kliuilenchef, Profef
ffar Bohnflellen, loszuziehem
; »Bei-dienstlich« Mann! reißt sid
fnichl leugnen! Aber der Nepolismus
fNePolismucl Schand-rhan was lei
Mean Söhne, Schwiegersöhne, Nef(
fen und —- Goit its-i gellagll —
bald auch schon Enlel hat« die all
Assiflenlen, Primarärzie, Dozenlrr
und wenigstens Außerordeniliche ioeri
den sollen. Andere Schiller hat-ei
bei ihm keine Aussichten, was? Dem
damit feine Neffen bei feinen guter
Freunden untern-innrem muß er sicl
wieder deren Neffen annehmen
Großes Kirchenlichl, der junge Zeis
berger, fein iediger Assifletm nlchl
wahrl«
»Das nicht. Aber er ist wenigstent
mit Leib und Seele dabei·'·
«Geniigt nicht. Jrn Hirnkastet
muß man was haben, sonst nutzt alter
Eifer nichts . . . Der junge Zet
bergeri Es ist schon am alten nich
viel. Ein europiiischer Standal
Kommt bei mir nicht vor! Protegierer
tu« ich mal wen, aber verdienen mus
mnn’tt . . . Das ist der Unterschied
Nepotisrnus gibts nicht hei niir
Neffen existieren mitt. sticht, daß ut
nicht auch Messen hätte. Sehr viel
sogari . . . Massenhan . . . Ader
Gott sei Dant, meistens Juristen-.
Nur eine meiner Schwestern hat ihi
Sohnert durchaus Medizin studierer
lassen müssen . . . Wenn man einer
Bruder hat« der ein großes Tier tftJ
. Maus Spiials eher Universitäts
tarriere . . . Ader aus dem Ohr
höre ich nicht . . . Da hauen ne
dem Jungltng ein Sanatortuin ein
gerichtet . . . Für Leute. denen niazte
sehtt . . . Geht giänzend, und Scha
den kann er ieinen stiften.«
Christian toar ganz verblüfft iibei
sie scharfe Offenheit, mit der stet·
Hinterhalzer iiver ihm so nahestendi
Personen ausdriijte, zu ihm, dem
tFremden, dern unbedeutenden Tini
fanget
Er war jedenfall- ganz anders, alt
er sich ihn uorgeftetlt hatte. Er frag
te ihn auch recht freundlich uut seinen
Studiengaug und autunfteauonehten
aus und ermunterce ihn, nur mutig
auszuharrem wer seine Sache ver
stehe, der rniisse endlich feinen Weg
machen.
Jst-gleich ich zugebe, das- ei besser
und leichter geht· wenn man einen
Onkel hat!" schloß er lachend.
Unoersehens waren si-« bis an die
stille Seitenstrase Be- neunten Be
zirtei getotnmen, wo der Professor
ein vornehme-i Familienhaus ve
wahnte. hier verabschiedete ihn hin
terholzer, nicht ohise noch ein paar
Minuten beim Tore mit ihm stehen
zubleibern
»Sie machen mir einen guten Ein
druck wiederholte er. «Tuissen Sie«
was Rapoleon gesagt hat« toie ei
Goethe saht «Voila un dont-net«
Das tann man tei- den heutigen fun
gen Männern so selten sagen . . .
«liersethung, herr Professor, ich
glaube, er hat gesagt: »Alten« etet
un homme.'
»Als neh- oenn das-«
»Im Goethe most-·
»Na schön. wenn Sie den Mann
auch manchmal lefen. Man oerfachs
fimpelt ja ohnehin bald ganz. Fan
gen Sie nicht zu früh damit an.
Alfox »Ur-us etei un hoinme!« Adieu,
Herr Kollege!«
Chriftion war einer lleinlichen Ei
telkeit nicht leicht zugänglich, aber die
freundliche Beachtung, die hinterhols
Her ihm geschenkt« tat ihm doch wohl.
Einige Tage nachher öffnete fogat
Bohnftetten, der große Bohnftetten.
iir den feine jungen Doktoren außer
medizinifch gar nicht vorhanden zu
fein pflegten, den Mund, uin ihn in
feiner vornehnr lifpelnden Weife zu
fragen
«Wie find Sie denn zu hinterhols
zer getonnnent Wenn der nach je
mandeni fragt, sich nach jemandein
Munde das ift außerordentlich
viel! ielleicht lann er Ihnen nähen
Jeh habe die befte Auslnnft gegeben.'
Dies zwang Christian sieh fehiin it
bedanten, obgleich er die Ueberzeus
gu te. Bohnftetten fich fe
iihl und oberst ehlieh wie nur irgend
möglich ausgedrilett haben toll-de
Mit der kleinen Miggerl Tafehins
ger stand es tagelang fehr zweifelhaft
weil hie Krantheit vor der Jnjettion
bereits zu große Jortfehritte ge
hatte. Sie lsg nich immer danie
als Minerl Melken fehon wieder auf-·
flehen tonntr. Doch als Otnterholgee
W
i Hain zweiten Meile trun, langte er
r dich schon die Uederivindnng der
Krankheit in Aussicht stelle-.
Christian hatte fein möglichstes ge
tan. Zwei Nächte lang saß er eilt
wechfelnd niit Mutter und Tochter
am Kranlenlager drs Kinde-, uni fiir
den Fall einer heoiigftigenden Wen
diing zur Stelle zu fein. Und nun
hatte er die Genugtuung, das sich die
heilsanie Wirtung des Sen-ins ein
zustellen begrinn und der Zustand del
Kindes sich besserte
Diesinal war hinter-heiser gerade
nni Mittag getonimeii. Wieder be
gleitete Christum ihn hinab, nnd der
Professor liid ihn ein, init ihin in
den Wagen zu steigen, der ihn ins
Cottage bringen sollte, roo inein seine
Anwesenheit dringend verlangte, od
gleich der lleine Patient frtson jiberi
den Berg war.
»Ich habe rnit Bohnftetteii über
Sie gesprochen,« sagte hinterhotzer
mit lrächzendein Lachen, als der
Wcigenschlcig geschlossen war und sie
die Atserstraße hinabrolltem
»Darf ich fragen, was der Chef
. gesagt hatt«
»Nichts natürlich, was er nicht
- über den erftheften Lrotiet auch sogen
tönnte. Er hat in die bekannte Mo
nier, fich anszuqnetschem fo das inmi,
wenn er von einein Menschen spricht,
nictsi weiß, ist das ein vortrefflicher
Mann oder vielleicht ein Straßeniäus
ver, über den er mild nnd schonend
urteilen will. Wo wird er sich für
. Sie ins Zeug legeni Sind Sie ir
gend ienmndtt Neffe? Na, oder ich
tenn’ doch meinen Bohnftetten tni ins
Knochennisitt . . .
i
Von der Stadien-seit her, wie wie
beide noch tein ganzes Paar Schuhe
« anzuziehen hatten. Mit drin hing
zur seelischen Vornehmaekt war er in
dessen schon damals behasten Na al
so, ich lenn' ihn und weist zwischen
: den Zeilen zn lesen . . . Sie sollten
ej machen wie er. Eine reiche hei
rat! · . . Der Mensch hat doch gleich
in den ersten Anfängen so viel Geld
erheiratet, daß er gar keines verdie
nen miißte . . . nnd gerade darum
verdient er nur um so viel nieth
christian schiittelte blos den Kaps.
.Schon verdandelts Mit der Toch
ier vom Zimmerdrachen wahrschein
lichi . . . Ach. dort sind Sie ja sortl
Also, was ist's-N
«Durchau- nicht verhandelt, Herr
Professor-. Sie will mich nämlich gar
nicht«
,Eine unglückliche Liebes Sie
Glualicherl Wirklich, der Mensch
hat alles siir sich. Besser, viel besser,
mein Lieber, wenn man nicht gleich
dingsest gemacht wird.'·
So viel Talt besaß hinterhalser
doch, zu vemerlen. dasz der Gegen
stand dem jungen Mann unangenehin
war. Er ließ ihn alio fallen.
Draußen im Caltkige mußte Chri
stian var der schloßnrtigen Van Les
hosopernsängers warten, zu dessen
Zähnchen Hinterhalzer gerufen wur
den war, aber er lehrte sehr bald
wieder zurück, und nun suhr man
wieder der Stadt zu, wo Christian
an der siir ihn geeigneten Stelle ab
geseyt werden sollte. -
.Wundern Sie sich eigentlich nicht,
dass ich mich so sür Sie interessiere't"
fragte Hinterholzer, als-der Wagen
hielt.
«Ansrichtig gestanden, sa.«
»Der Hinterholzee ist doch sonst
lein so lieber Mensch.« sagen die
Leute. Jch will Ihnen das Rätsel
lösen . . . Sie sehen meinem Sohn
ähnlich, meinem Georg. Er ist mein
einziger . . . Dach, wenn er das
auch nicht wäre. Er hat mir zwar
viel Kummer gemacht . . .«
.Wiesof« srngte Christian. »Ich
hörte doch, er ist ein iiichtiger Phi
lola und schon in jungen Jahren
Prosessor in heidelberg.«
l »Ich meinte ja auch nicht böse
Streiche, Schulden, Weiber oder
dergleichen. Nein, eben dac, die
Philoldgie... Muß er denn just
Philologie studieren, der dumme
Kerl! Jch hnb’ mein Lebtag von
Wissenschaften nichts gehalten, die
nicht mit dein Leben zusammenhän
gen... Na, einerlei! Stolz bin
ich doch auf ihn. lind wie gesagt
Sie sehen ihm ähnlich. Jch muß
Sie meiner Frau darstellen. Die
wird’e freilich nicht gelten lassen.
Denn wie lönnte jemand ihrem
Schorschl gleichsehen?«
Also da war's! Es war ihm
angenehm, das rätselhaste Wohl
wollen des Prosessdrj aus eine so
natürliche Weise erklärt zu sehen.
Denn et hatte sich schon den Kopf
darüber zerbrochen, tvieso er gerade
dazu sont-ne, von hinterholzer aut
gezeichnet zu werden. Es ivar ihm
auch lieber, wenn das interesse oee
Prosessors nicht bloß e Laune
entspran. Sonst war ee durch
Uns-nett ainleii don Lehnen eder
Vor festen nicht gerade derwölsnt
Ippr n, denn der talentdollsie Schli
ler hatte bei Bodnstetten wenig Lini
sicht, esiirdert in werden, wenn et
nicht gesondere Verbindungen besaß.
Ilisadiel wollte er sich aber keines
alls von dieser Oelenntfchax der
prechen, denn hinteeholzer tte ei
gene Hchiiler genug, so dass ee stie
einen Menschen, dee ihn aar nichts
anging, wohl lauen etwas tin
konnt-.
Mein-e tot-U