Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, August 19, 1915, Sonntagsblatt, Image 10

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    «M
Stich von Hans Hauptmann·
, Als der Bruder voll Begeifterung
in den Krieg zog, als der Vater
feine alte Unifornr hervorfnchte,
utn trotz feiner zweiundfiinhig Jah
re an dem gewaltigen Ringen gegen
eine Welt voll Feinden teilzuneh
men: da war es mit der scheinbaren
Gelassenheit Ottos zn Ende. Was
die erbitterten Vorwürfe des Vasl
ter5, was die Tränen der Mutter
bisher nicht vermocht hatten, das
gelang der aufriittelnden Kraft die
fer großen Zeit, — eine tiefe Be
fchännmg, eine herzzerkressendeReue
packten den jungen Mann. Jetzt, da
es zu spät war, fühlte er die heilige
Pflicht der Verantwortung gegen
höhere Instanzen. Jetzt erst er
kannte er die tollen Vergnügungen,
in denen er feine Leben-straft ge
danlenlos vergeudet hatte, als ein
Verbrechen. Wie ein Kainszeichen
trug er das Siechtum seines jungen
Körpers.
Mit denr Gedanken an einen ftiis
den Tod hatte er sich töngft abge
fnnden gehabt. Er war fo gleich
gültig dagegen geworden, daß er zu
lächeln imstande war, wenn ihin
sein hohlwangiges. von tückischer
Krankheit verwiiftetes Gesicht iin
Spiegel begegnete. Jet« habe mein
Leben genossen, war fein troßigee
Trost gewesen Jch bin here inei
nes Lebens, —- dainit hatte er sich
über Groll und Gram der Seinigen
hinweggefetzt. Und nun mit einem
rnal lani er sich wie ein Unredlicher
vor, der ein toftdnres ihm anver
trautes Gut nnterfchlagen hat. Er
mochte die scheuen Augen gar nicht
mehr vorn Boden erheben, ans Angst,
Blicken zu begegnen, die ihn irn
Namen des Vaterlandeo antlagen
tsnnten l
nnd Bauernsdhne, die Diener des
hauses und die Knechte ddrn Guts
hof erfüllten ihre Pflicht. Umarrnt
und gesegnet von den Mütter-n nnd
Frauen und Bräuten und Schwe
stern, waren sie zu den Fahnen ge
eilt, um die Grenzen der heimat
gegen sengende und brennende Hor
den zu schützen. Der Herrensohn
mußte daheim bleiben bei den Wei
bern nnd Unmiindigen. —- ein Un
brauchbarer, ein Auzgrsjoßeney ein
Nichtswürdigeri
Er fühlte es, daß die Mutter ih
re Zärtlichkeit derdoppelin um ihm
iiber die Schmach seine-. Lage hin
wegzuhelfen Ueber ihre gnt ge
meinte Versicherung daß fie Gcttl
danie, ihn« wenigstens als männli-!
chen Schuh an ihrer Seite zu habenx
lachte er verzweifelt auf. Er nahml
ein Messer vom Tisch nnd hielt es
in die Luft, damit sie das Zittern
feiner Hand sähe. die nicht einmal»
fähig war, für das Leben der Mut
ter einen Schuß abzuziehen
Nachts stieg er die tnarrendex
Treppe zum Turm hinauf, der denf
ältesten östliehen Flügel des Schlaf-I
fes iiderragte, lauschte und spähte.l
ob ihm nicht irgend eine Wahrneh
mung der fern tobenden Kämpfe geif
länge. In der dritten Nacht schan;
hörte er das Donners der GefchiiyeH
in der vierten sah er ungeheurei
Flammen anfsackeln Da ihm jede-f
Gehöft im weiten Umkreis bekannt
war, konnte er nicht daran zweifeln,
das-, diese stände auf deutschem Bd
den wiiteten. Das aber hieß: die!
Rufsen find im Landes « T
Otto were- unfiihig, an die näch
ften Folgen dieses seinrlichen Ein
dringenj zu denken. Jn der ersten
Bestiirzung blitzte nur der wahren-it
zige Einfall in ihm aut, daß diesesl
Schreckliche nicht geschehen wöre,.
wenn er sich nicht zuin sinkst-et ges?
macht hättet Daß er allein die
Schuld triige an den grauianren
Vernichtungen, die da draußen M
hintrot gegen den Nachthimmei loh
ten. Otto tanmeite gegen den Zin
neniranz des.1urmes. grub das
Gesicht in die senge seines seines
l
nnd schiuchztr.
Vater und Bruder, die Bauern
i
i
Als et mit pnchenlen Schläfenj
über die Treppe sich wieder hinan-«
terichleppte, Drang die Unruhe, des
aus dem Schlaf geschekctten Dante-«
zu ihm. Auf den Kulivoren bit-!
steten die Dienstmädche!- wimmernv
durcheinander Aus kem Zimmer
der Mutter lchrillte die Klingen Ein
fremder Mann eilte auf ihn«zu und
meldete eilig
»Etne Empfehlung von-. Herrn
Landrat, und die Denk-haften mäch
ten doch gleich nbreiten, —- es muß
alles geräumt werden, —- die Rola
ten kommen —"
Otto starrte den Beten mit fie
berheißen Augen nn. Der wandte
sich schnell ob, um den-Hohn zu
bergen, der ihm um den Mund
guckte. So ein Jammeklappent Nur
gut, daß der greisharetge Adminis
strator fein Pension im Schlqß
verzehrte, —- der behielt doch we
nigstens Einen Kopf oberst
Da tap- der Illte scheu mit steif
Mndens seines die Hauptteeppe
herauf, ver III-:- dtetem Au
RMMTMM »Ist
t s- g » en,
.-d M III-ts- · - T
«· I M L
hast«-FI- MINqu
M
Zum Kofferpaaen reich-! die Zeit
nicht mehr.«
Dann ftand er rnit gekrümmtem
Riicken an der Tür, die zu den Zim- !
mern der Baronin führte, und
klopfte bescheiden an. Als er anf
tlinlen wollte» legte Otto ihm die
Hand auf die Schulter.
»Sie begleiten Manto, Märter,"
befahl er init einer etfrgen Ruhe.
-’dte den Greis in Erstaunen setzte.
«Sagen Sie, ich führe mit dem
Auto und hätte den Umwe iider
das Jagdhaus nehmen rnii en.«
Otto verlor sich in dein Gedränge
der allgemeinen Flucht. Er hatte
einen Mantel ucngeworsen und ta
ftete sich an seinem Kriickftock in die
Finsternis des Parles hinein. All
mählich konnte er die Wege erken
nen. Er verfolgte die Kaftaniew
aller, die zur Dorfseite hinführte.
Jnnner deutlicher verriet sieh ihm
das Hasten der in Todesangst rnit
Vieh und Wagen fliehenden Fami
lien. Jeht konnte er durch das
Partgitter auf vie Landstraße hin
iiher sehen. An der Menge schwan
tender und sieh schnell oorwärtshewe
genden Lichter ermaß er die Endlos
sigleit des Zuges. Steinmengewirr,
Räderlnarrem Hasgetrappel und
Peitschentnallen — immer und im
mer noch. Dann vertant die Hei
aterde in ein schauerliehes Schwei
«en, als wüßte sie, daß die Stunde
der Verwüstung nahe war. .
Otto hörte sein Herz pochen in«
diefer hetlenunenden Stille nnd
stöhnte unter der Falter seiner wil
den Sehnsucht nach Sühne. Die Er
wartung eines Wunders niftete sich
in ihtn ein. Er glaubte, daß ir
gend eine Fiiguna auch ihm, dem
Kranlen nnd Kruftlofrtn noch die
Möglichteit schenken müßte, für das
Vaterland zu handeln oder zu free
den.
—- - « - »·-. -
Wie Braula-urs- lvuquen sem
Gedanlen. Wenn die Aussen kämen.
dann schlugen sie vielleicht ihr haupt
quartier im Schlosse aus. Wenn es
ihm am Ende als trunken, harm
losem hausgenofsen gelang, wichti
ges zu erlauschen, in Pläne und
Absichten des Feindes Einblick zu
gewinnen? Oder wenn er sich dem
Vaterlande wenigstens dadurch nütz
lich machen konnte, daß er durch
Fürsprache bei feinen ungebetenen
Gästen von den nöchstliegenden Ort
schaften, von einigen der unglückli
chen Bewohner Verwkåstung und
Brandschatzung abwandte? — Wenn
aber auch all das ihm verwehrt
blieb, ein große-, das- Gedächtnis
seines nutzlosen Lebens doch noch
oerllärendeo Glück würde er sich un
ter allen Umstänren erzwingen tön
nen: den Tod von Feindeshands
Jn dieser Hoffnung lächelten ihm
Trost und Erhebun-« Von den
taltweiszen Kissen seines Siechenbets
tes nielte ihm seine zertretene Ju
gend Vergebung zu.
Der Morgen dummer-te aus. Otto
ging durch den Pakt zurück. An der
starten Hand ernes Entschlusses
schritt er lebha ter und leichter aus
als sonst. Der Gedanke-, auf diesem
väterlichen Grund ieyi allein zu
sein, umrauschte :hn mit seierlichen
Schwingen. Er blickte in das häus
chen des alten Torwärters hinein,
der ein halbes Jahrhunrert hier ge
wurzelt hatte; auch er war geflo
hen, um sein vielleicht nur wenige
Wochen noch zählendes Lebensrests
lein zu retten!
harttlingender husschlag raste die
Straße daher. Dampf segte um die
Flanlen de- Pferdeld Schwankends
hing sein Reiter irn Sattel. Und
seht, etwa zwanzla Meter vor dem
Parttor, fiel der Körper schwer nach
hinten iiber und löste sich von dem
zügelloj vorwärts stärinenden Tier.
Otto sah den Gestürzten im Staub
der Straße liegen unt« ging, so
schnell ihn eine süße tragen roolls
ten, zu ihm. Ein Deutscher. ein
Ulanenofsizier, blutiibeiströmt, ster
bend. Nur die nahlhizrten Artng
die den unmächtmen Helfer aus
sorschten. schienen noch zu leben. Ot
to kniete bei ihm nieder, versuchte
zitternd seinen Kopf zu frühen;
.Mein Gott! Was t.«inn ich fiirs
Sie tun —'f" l
Dak- Geiiiht sein« pigmeu Hin-H
losigteit zernmlnre ihn. Aug dems
Herzen herauf fühlte er die Tränen!
brennen, die ihm nu- den Augen
stiirztetr Ueber me innre Gesicht
des Verwundeten floa ein Lächeln
der Befreiung. da er Un Fremden
als Freund erkannte. Die heilige
Allmacht der Pfltckt hielt sein Leben
noch iiir einen Augenblick fest und
schenkte feiner toten Stimme nochl
eiunml leiien Klang.
»Die Tasche —,« Flüstern der
Sterbende, — »Ach-nei- Sie —
wichtige Dolnmente — sie dürfen
nicht in Feindeshnnd stillen —- —
msn seinen Preis —- —-«
Mit einer leitest Anstrengung leg
te sich die band auf tie Leberm
sche, die on einem Riemen von der
Schulter hing. stöhnte der»
Verwundele aus. S snriges Blut1
brach an- seinem Mund-. Der Toti
streckte feinen Körper. I
Orts hatte sich tief-s über ihn«
gebeugt Stärter noch. als die Erol
l
i
seissenheit vor dem Ton-, erschütter
ie ih- voi Glück, zu einem so gro
Int Resst Mr M Vaterland nun
IirMch berufen zu fern nnd auch
eine Verantwortung tragen zu blit
sen in dem gewaligen Ringen;
i
z
Er fühlte, daß hier "teine seit
zu verlieren war. Sicherlieh war es
eine Kugel seiner Versplger get-ve
sen, die diesen Tnpserie niederge
worsen hatte. Dinn tennten sie in
der nächsten Minute shon oustous
then. Otto versuchte es heißend.
dem Toten ·die Tasche mitsamt dein
quer iiber die Brust geiMnten
Riemen ob unehmen. Der Leichnam
kostete zu schwer-. — Doch —- tvar
ei nicht, als dröhnte der Boden
schon von Husschlagi Dort, tvv die
Landstraße von der Höhe hernbtnm,
wirbelte eine Staobivclte: Kosntenl
Mit seinem Tltschenncesser trenn
te Otto die Kuriertaiche des Toten
vorn Riemen, barq sie in seinem
Mantel nnd flüchtete in den Port.
Dem Einfall. die Dotumente in den
Teich zu werfen, mochte der nicht
nachgeben; vielleicht war et von
höchster Bedeutung. sie unversehrt
zu erhalten. Sie irgendwo unter
Bäumen und Steinen zu verbergen,
das hieß den Zufall einer Entdeti
tung hernussvtderm Er erinnerte
sich eines.Geheimsaches in dem nn
titen Schreibtisch einer Fremden
zirnniers. Dort würde die Tasche
— zunächst wenigstens —- nicht
entdeckt werden können. Durch das
Fenster diesRaumes sahOtto eine
feindliche Kavalleriepntrouille die
Stelle umdriingen. roo der Ulnneni
ossizier gestsuzt trat-. Die Nähe
der Gesahrderiveitete seine Erinne
rung. Vergebens bemühte er sich,
die Druckseder an der Rückwnnd des
Seiretärs zu finden. Angstschtveiß
netzte ihm die Stirn. Schon hörte
er Stimmen und Wossentlirren im
Hause, Schritte aus der Treppe. Da
schob er die ihm nnvrrtroute Ta
sche in die Feuerstelle des alten Ka
chelofens nnd wantte donn, die Leh
le zugeschnürt, durch die lange
Flucht der- Zimmer,»ugr durch. eine
entfernte Tutt Uncunuuig aus den
Korridvr hinauszutreirtu
Ein junger Leutnant der Grods
nower husarem von einigen seiner
Leute begleitet. rief ihn an. Da
war eine mahnende Stimme in dem
Jahrhunderte alten Gewölbe: Du
dienst dem Vaterlande! Und ein
eiserner Wille unterwars sich aue
Sinne und Nerven des stechen Man
nes. Otto näherte sich dem Offi
zier, nannte ihm seinen Namen,
stellte ihm sein haus sur Verfügung
Der Russe unterwars ihn einem Ver
hör: wer sich außer ihm noch im
Schlosse hesiindei Ob er wüßte,
daß ein deutscher Lssizier dicht vor
dem Parltor tot aus der Straße
läge? Ein versprengtek Adjutant,
den sie seit Stunden versolgten.
Mit teinem Wimperzucken verriet
Otto sein Geheimnis. Dennoch miß
traute ihm der Ausse, wies ihm ein
Zimmer an und gad ihm einen
Mann zur Bewachung mit.
Qualvolle Stunden des Bangent
brachte Otto zu. Während der li
stigen Augen seines Weichtersscheiw
bare Unbefangenheit ron ihm er
zwangem zerenarterte er sein hirn
um die Erleuchtung einer rettenden
Tat sür den Fall, dass die Tasche
von den Feinden gesunden werden
sollte. Die nuhiese Opferung sei
nes elenden, unfruchtbaren Leben-,
das war alles, was das Schicksal
ihm noch zu gönnen schien!
Am Spätnachtnrttag wurde Otto
ins Erdgeschoß hinunter und in den
Speisesaal gegiihet Er sah sich ei
ner Anzahl öherer russlschkr Offi
ziere gegenüber. Ein General sprach
ihn in lorrettern Deutsck an.
«Sie machen uns riel Mühe,
here Baron. Ihre sechzig Zimmer
zu durchsuchem ist keine Kleinigkeit
Wollen Sie unt nicht lieber sagen,
wo die Tasche geblieben ist?«
«Jch weiß von teiner Tasche, Ex
zellenz —'
»So —. Nun, dann bitte ich, sei
- T-- sont-o Exc
Die Ordonnange standen mit
dampfenden Schusseln bereit. Die
lange Tafel war feftlickx gedeckt. Al
le festen sich. Otto mußte dem
Wrnandierenden gegenüber Plas
nehmen. Er fah, daß zwei Stühle
leer blieben· Die unterirriehene Höf
lichieit, mit der Die Russen ihn de
handelien, lächelten, ihm zutri.tnlen,
peinigte«ihn«. Er fühlte es, daß sieh
eine Katastrophe vorbereitete. Jeden
Augenblick fürchtete er, die beiden
noch fehlenden Offiziere mit denen
ihm anvertrauien Dokamenten ein
treten zu sehen. W bleiche Ge
sicht des sterbenden Reiter- starrte
von feinem Teller zu ihm auf, nnd
er las die befchinörendc Mahnung
von feinen Lippen: ,Urn keinen
Preis q!« Das Mai-l fchien iein
Ende nehmen zu wollen. Sie un
terhielten sieh laut uni- lehhift in
ihrer Muttersprache. Otto wurde
innen noch beachtet
Plöhlich wurde die Tür aufge
riffen. Ein iuheinder Ruf getlte
in den Saal. Alle itrangtn auf.
Geschirr klirrte, Stühle fielen um«
Ueber die Köpfe der Lärrnendetn
wild sich dringenden schwang eine
Hand die Tasche Des iilanen. Dann
lag sie vor dem General auf dein
Tifsn Der legte die Faust d.1rnuf,
stroste den Fal- voe und lächelte
ironifch zu tto hiniihm
»Als-) doch, here Laroni Ich
danke Ihnen. —- Sie können gehet-l"
Oiio wankte ans dem Saal. Er
hiitte ein slut entziehet-. Zahlgols
dene Wein rang-en in einem toten
Nebel per seinen sie-en Do drin
W
nen war ei still. Nile gehen-isten
Pläne der obersten Kriegsleitung
ent "llten sich vielleicht in diesen
ent cheidunasdollen Minuten dem
Feinde. Gigantisch tiirmten sich
die Möglichkeiten entseslichee Zol
gen. Wenn die er Augenblick s
Schicksal des aterlanres ent ied
—t! — Ei durste nicht sein! Es
durste nicht — um leinen Preis!
Und plöhlich wie ein gespenstisch
aus dem Boden auswachsender Fel
sen, ragte ein furchtbarer Entschluß
in die Verwirrung der Sinne.
Unterhalb des Speisesaals lagen
die Kellerriiume mit den Maschinen
und Batterien sür die eletttische
Lichts und Kraftanlage. Dort la
gerten nebenan die großen Benzins
dehälter zur Speisung des Mater-·
L Otto wußte, dass ihm teine an
dere Wahl mehr blieb. Da liber
lam ian ein lveibevdlles Glücksges
siihl. Ohne Reue und Elel tonnte
er sich seines Levens erinnern. Es
war ihm nichts mehr, als der vcm
Schicksal dorgezeichnete Weg, der
ihn zu seiner das Vaterland erret
tenden Tat hinsiihrie.
Er schlich lautlos die Kellertreppe
phinab und durch die ihm wohlbe
ilannten Gänge. Er stand an den
lBenzinfiissern und nahen mit dem
iSchraubschliissel die tantigen Ver
Ischlußbolzen ad. Jn eins der Fäs
iser sentte er einen Hei-er und ließ
Jden Inhalt aus den Brden aussliei
Jszen. Er wartete ab, tiI die schwö
.lenden Dampfe chn sast ersticktem
jTann zog er ein kleines, goldenes
iBiichschen mit Wachsziindhölzern
Haus der Westentaschr. Er sal- noch
das Funteln seines Brillantringes.
als er die braune Kappe an die
sReidesläche ansetzte, und lächelte wie
sein Kind und wie ein Held —- —-«
; Jn Trümmern lag der ehrwür
dige Mittelbau des schEnen preußi
schen herrensihet Die deutschen
fTruppen drängten daran darbei
Tdem weichenden Russenheere nach. »
» »Weiß man immer noch nicht« wert
es sertiggebracht l;at, einen ganzen!
iAemeesiab hier einzududdeln?« s
«Vielleicht ein Zeppelin —« s
Die beiden Ulanenostiziere wen-:
den sich im Sattel nach der much-»
geschmärzlen Ruine zurück und rei
ten lachend weiter. (
-—.-—
Du erste tren.
—
Von Leuise Schutze Brück.
Schon fast ein Jahr hat man denl
Pitter Busch vor des Ortsvorsteher-»
Ohren nicht nennen dürsen, ohne daß
er mit der Faust aus den Tisch ge
hauen hat — oder in die Lust —,
und mit einer Stimme, die vor Horn
iibergeschnappt, gebriillt hat: »Der
hungerleider, seid niir still von
Ebrrn«..« ’
Eine Zeitlang hat niemand so recht
gewußt, warum. Dann ists einmal
an einem Sonntagabend im Wirts-«
haus herausgekommen - Genug geil
trunlen hatten die Manns!eute alle
»— und geschraubt haben sie sich dann,
wie sie’g immer machen in dein Fall,
und deni Ortsvorsteher haben sie auch
den.tslitter Busch wieder zu Ohren
gebracht und er ist iin Gesicht braun
sund blau geworden, vor Gist und
lGalle und hat richtig wieder losge
jschlagem »Der Huttgerleidey der»
«dentt, er kriegt rneine Agnes, der hat
nix und Garnix.'
z Die Burschen ain anderen Tisch
ihaben sich angestoßen und der Pitter
Nitsch der zwischen ihnen gesessen
bot, ist sich durch seinen dicken brau
nen tVaiirschops gefahren hat ganz
laut gelacht, ist ausgestanden, daß erJ
in seiner ganzen Lunge zu sehen war,
,l,at sein Glas emporgehoben ,»und
durch die ganze Stube·oolter Men-?
,schen an den Tisch hinübergerutem
;..tttrostt, here Ortenoeiteher.« hat«
Irann seinen Hut ausgestiilpt, ist lang- I
kam durch die Leute durch, hat sich»
in den hiisten gekriegt die Hände in;
ten Taschen und ist zur Tür-hin
lHaus« -
! Der LIrridortteyek In seinem Ltlch
That erst nicht recht begriffen, was
Mich da begeben hat. Wie eng in sei
Hrent unilnren Schädel belotnnten hat,
Hat er dem Pitter Busch nachgewollt.
»Dann ist er murrend und bcutnment
istzen geblieben und am andern Mor
iben hat er einen so diesen Kopi.ge
?r,abt, daß er nicht mehr recht gewußt
ist«-et nme gefchehen ist« s
T Tiie andern aber nahm«- gewußt
lind das ganze Dorf hat ieine Mei
nung darüber gehabt und die ist io
oder fo- oder noch andere getreten.
te nachdem. Die nleen Leute« die
Eltern von Töchtern. die deitigen
Bauern, die haben natürlich den
Ortsvorsteher recht gegeben. -Das
teöre ja auch noch schöner-, wmn ie
ksee junge Kerl, der nicht viel ande
res hat, als seine geraden Glieder,
ein paar veriiixte Augen, ein vor
toiyigei Mauiwert und einen mitge
stustett Schnorres drüber, wenn der
tzntmen iiinni« und bei dent einzigen
timd vom reichlien Mann lrn Dort
ersinnt-ern »Me, io non mir unser
Kinder nit erst-sen. Der Ortsvor
steher hat recht, das hat er....«
Die geringen Lauert-, r hoben
ient Bittre Bu ch recht ge n. Jer.
toll denn imme · mich mehr Geld zu
Geld inmitten? Die Agne- Schnitt-«
ten, die hat ja genug iiir sich und
tm Bitten Die kann doch heiraten
nach ihrem Gaste und braucht doch
nicht nach dem Geldsack In gucken.
Und man wird schon sehen, die Ug
neI. die seiest den Ptttee auch. Die
hat grad sp'n diiten Kopf- wie ihr
Vater auch. Die sekis durch. .
Die Burschen, die waren geteilt
Die reichen sauetniungen hätten na
türlich dem Pilter am liebsten alle
Knochen irn Leide zerschlagen, weil er
:i1,·nen die Agnes sdrlgeschleppt hat«
sAbee erstens haben sie gewußt daß
man mit dem Pitter nicht gut an
dinden kann. weil man sie nachhe-.
richtig wiedersindei« zweitens ist am
Geschehenen nichts zu ändern, drit
tens hat die Agnes sie auch alle schon
absahren lassen. Und die andern«
die sind stolz daraus gewesen« daß
der Pitter die Agnes lriegl weil ja
der Ortsschulz zuletzt doch nicht-I
wird machen lonnen, nnd daß es ei
nem von ihnen so gut geht.
Und die Mädchen im Dars, die
haben den Mund verzogen und laut
gesagt, daß sie so einen wie den Vit
rer doch gar nicht möchten, ver nichts
liat und nicht von viel her ist« und
daß gerade Beine und lange Seiten
und blihige Augen und immer die
Hände in den holentaschen und die
Welt draus ansehen, vb sie einem
auch gehört, noch lange nicht genug
ist, nni draus zu heieaten. Und
heimlich hatten sie alle den Pitter
selbst gern gehabt, siir’5 Leben ger .
Das geht nun schon sasl ein Jaxr
so· Der Ortsschulz, der hat meclen
müssen, daß man nicht viel gegen
verliebteö Voll alt-richten l..nn. Die
Agneö hat«-s ihm auch lnezweg ge
Ingl, pas ne reinen anoern me Den
Pitter heiratet, und wenn sie den nicht
kriegt, dann wird sie eben eine alte
Jungfer, to eine Dutzel wte die Tante
Regin’, die dein Vater doch sicherlich
sehr gut gefällt, wenn sie lornrnt und
ihm die Ohren voll jammert. Und
hüten tann er die Agnee grad so
wenig wie einen Sack voll Flöh. Je
gendwo finden die zwei sich doch zu
farnrnen und es iit überhaupt schon
ein Wunder, daß da noch teirr Un
glück passiert ist, das hat der Schulz
ichon mehr als einmal von der Ver
wandtschaft hören rnLissem Zumal
keine Mutter mehr da ist, die ans die
Tochter auipaßt Akte der Orts
ichulz gibt nicht bei. Rein par-tout
richt. Und je länger die Zeit wird,
je weniger. Und seit der Pater
Busch einmal, als der Vater die zwei
erwischt hat« lachend von dannen ge
gangen iit und gesagt hatt ««Jlt1.
kann auch guten Abend, Schwieger
rater,« da ist er ganz rabiat. Er gibt
nun mal feine Agnes leincm Hun
;,erleider. Und dein da erst recht
nicht.
Aber nun ist der Hungerleider iortk
Jst in den Krieg mit harrst und
Singen, als wenn’s zu einer Itirrnes
ginge! hat noch uui der Wirte vor
alten Leuten feine Vind geichiittelt,
tuß es getracht hat« und lustig ge
sagt: «Nu «1djütt. Schwiegervater.
Wenn.-ich heimlomm«. dann gib«
Hochzeit Die Franzosen, die oertoi
taten wir erst noch und die Zitutiers
und die Engländer! Aber dann,
tsexnn wird geheirat«t. Nicht eine
Stund« wird dann rnehr gewartet,
gelt Agnes?«
»Mit dem Maul bist du vornedmn,
du. . . .«. hat der Alte wild getnurrt
— «Wart mal, bis dn drein bist irn
Krieg. Da werden tie din) tlein trie
gen, du Großhtrns. Da brauchen sie
ganze Kerle.«
»Man nir. emwrenervmr. Hm
kreiß, das-, ich ’n ganzer Kerl kin.
Ich tomm’ mit dein Kreuz nnd mir
ten Tretlenk Anders nttk«
»Du Prnhlmani. du. ..«
»Und dann ist Hochzeit Hörttr
Dinnesk Aojüg nach all· zusammen
ldjiis Schwiegervater, nojilk Agnes.«
Und haft du nicht vrefrben, nat die
lKleine-s noch einen Auf-. nutgelnallt
xzeltiegt vor allen Leuten, und fort
lind die Kerle den Berg hinunter,
gonz rabtat sind le gewesen, und ge
sungen haben si, daß ei gelchallt
bat, sich immer wieder unrgedreht nnd
gewinkt, und der Pitter hat ncch zu
leht aus vollem hold qelrttchent Lud
iüs Anqenei —- Ange —- nes!«
Dann ist's still geworden. Lange
Tage. Das Warten hat angetan-ten,
das Warten auf die Nachrichten von
den Jungen. Sieg hat in ver Zei
tung gestanden, und Schlacht und
stumpf von aller Arl. Aber teine
Nachricht Erst Wochen nicht-er·
Karten sank-«- gewelen, ganz kurz.
»Wir hauen vie Ironkolen und die
Belgter und sie lauten wie vie Ha
fer-I »Wir haben Lüttich kriegt und
sind vor Antwerpen Tot find schon
manche ron uns unr- verwundet nach
Aber Uns geht ei noch gut."
Auch der Pitter W geschrieben.
An dle Innes erefe nnd an ten
Ortsvorsteher Karten Karten. daß
der gespuelt M vor Zorn. Ell geht
itan lehr gut tm Krieg, gian extra
but geht's ihn-, nnd er nich dern
Schwiegervater schon weile-, wenn
die Gelegenheit tman daß er ein
ganzer Kerl ill. Brs ietzt hot sichs
noch nicht so recht gemacht, aber es
tornmt schon, ver Schwiegervater loll
nur etwas Geduld hoben.
Jedes-nat hol der Ortsvorsteher vie
nor-ten höhnisch der Agnel- lytnge
»l·t)mtssen. »Ein Maul hat er noch
»rrnrner, der hungerlelber. Aber lonst
vix-. Da sie Its-, nn wnst für ein
choßrnonl d dich gehängt hatt-«
l Und äm Wirt-han« ntn Senat-m
hat et den Mund verzogen, wenn vom
Pitter geredet worden ist, und zwi
schen den Zähnen beraus,;eq.seticht:
»Der-! En halber Kerl nnd anderthalb
Brahlmaull Schweigt mir nur still
den deutl«
Dann sind weder Briese noch Kors
ten gekommen. Zwei Wowen usw«
drei, vier! Die Abnee ist mit vermein
ten Augen im hauf- umhergelauiem
ganz still — ganz mager ist sie ge
trorsfn und blaß. Und der Alte
hat nicht einmal mehr gemurrt, —
nber manchmal hat er ties geatmet f
und gedacht, daß nun wohl um den
— den Hungeel.». nee. den Pstter
Busch lein Standal neehr iein wird,
isnd daß nun die Agnes doch seinen
Willen tun wird.
Dann istj ein Sonntngnhend ge
wesen. Das Wirtghous gemedelt
voll alter Männer, die heftig mich
terieren vom Krieg. Und der Orte
tcrsteher erben am Tisch, in einer
Rauchtvolle und in allerhand Gedan
ten. Da ist die Agned hereingelcmi
men« hat einen Brief siir den Vater
gebracht, »Esfigeschrieben« und »Gut-ich
zu bestellen«. Der Brieftriiger sitzt
daheim und wartet und ruht sich in
der Zeit aus.
Der Ortsvorsteher hat seine Brille
daheim gelassen, darum reicht er das
Schreiben dem neben ihm sitzenden
Rechner zum Vorlesen. Der setzt sich
in Positur. schaut hinein, stunk, schaut
wieder hinein, ungeduldig stößt ihn
der Ortsvorsteher mi: »Na. much
doch! S’ wird ja lein Schineiisch
sein«
,,,Nee owtver der is doch an dich«
»Ja, wenn schon! Les dor."
Daraufhin erhebt der Reif-net seine
Stimme. Lieit laut und mit Beto
?.’llflfl« -
.Sebr geehrter Herr!
Jin Austrage des Herrn Unter
ossiziers Peter Busch, welcher seit vier
Wochen schwer verwundet bier im La
zarett liegt. habe ich Ihnen mitzutei
len, daß Genannter das Eiserne
Kreuz vor einigen Tagen bekommen ,
bat. —- Aber er liiszt Jlsnen sagenz«
daß er leider kein ganzer Kerl mehr
is: weil ihm det linke Fuß abgenom
men werden muste, und daß er nun
wohl daraus verzichten mußspsie als
Schwiegervater zu betcmmen, welches
ich anen also nunmehr aus Wunsch
meines Kameraden geschrieben habe.
Mit hochachtung
Lorenz Month «
Elisabetbi Laznrett in Trier.
Nachschein- Der Busch dar zwei
Schiisse im rechten Arn-, aber bioß
im Fleisch und einen Kopfschuse, abee
auch blos-, Streif, und der Fuss ist
sreilich schlimm, aber soll wieder ganz
leil werden« und ist kei ganz asiter
Hoffnung aber nur itt grrs ssgrn stum
ner wegen seiner Braut und mus;
ich anen sagen. das: er eine große
Heldentat begangen bat und über
daupt ein sdrscher Kerl und sehr be
tnbt ist im Lazaiett. und daß er
auch ohne linken Fuß immer noch
mehr wert ist, als mancher andere mir
zwei Füßen, woraus ich mit Hoch-ich
tung verbleibe
Der Obige."
Es i ganz still in der Stube,
dann ut die Agnes einen lauten
Schrei und siillt um. Die Weiber
treischen, es gibt einen Ausstand, ei
rer sprist ihr Wasser ins Gesicht
Ter Schulz ist agisnrsvcungen und
starrt aus den Bries, als vd da noch
trersp weiss was rauszulesen wäre Die
,"tgnes kommt langsam zu sich richtet
«s:ch aus, guctt um sich schaut aus ib
ren Vater Die ganze Stube schaut
sus den Alten
Der röuspert sich, svuctt aus, dann
lrichtet er sich zusammen.
»Na ja — du brauchst net die Ob
ren voll zu lreischen, Angenec -— da
werde mer denn morgen sriih emvl
esss Trier sabrek
———?-.---s—
—- Varsatz. Soldat lder in
einer Festung die dort ausgestapelren
großen Ranonenkugeln subti: Ater
wenn ich heimlornrn', so groß mus
sen die ersten Maß« sein« die ich nur
machen lasset
— Unauienerksarn Stamm
gnst (zunr Wirt): Warum hast du
denn vorhin dem Pittvlo eine nas
gewischti
Wirt: Na, der wird mir nach ver
rückt, der Lausbua, —- heute hat er
bereits schon dem dritten Gast, aer
die Speisenlarte verlangte, die Karte
vom Kriegsschaar-las hinaegebeni
s-— Det kleine Taktiter.
Irikchen hat etwas ausgefeessen und
ist nun unter das Bett getrochen.
urn iich einer körperlichen Züchrigung
zu entziehen
.s Willst du gleich hervorkommen!«
schilt die Mutter· «Wnd hast cu
denn da unten zu .suchen't«
.»Deetungl« ·errvivert Insel-en
prompi
—— enn das nicht hilst.
Frau A.: Jst Jhr Mann noch ge
,unv und munter?
Frau BJ Das schon; blaß über
lalte Füße klagte er lesthln Da
hab’ ich ihm einen Karten Glitt
strömt-se ins Feld geschickt!
—,Yr«'t einem Felde-ast
ltries«. ».und seit wir ein Klavier
irrt Schütengmben hoben, wagen
die Feinde auch nicht mein-, uns an
zugreisem schabe, daß, nicht Tante
.Ler-narc heriammen und ihnen mal
iwnsjcrsingen lauen dann tolirken sit
Fächer freiwillig ihre Stellungen räu
ianL s ·
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