Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, July 29, 1915, Sonntagsblatt, Image 11

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    —- f
· Erzähluqu m Martin Pensionen ;
, Jn der niedrigen Stube des halb
-« Ierfchosenen polnifchen Bienenbau-»
fes, in dein der- Iesimentsftnls her
M. Srenndiere houftn fchnurrte das
Telephon Der Adjutant ging nn den
Lippe-ten dann wandte er fich u seen
Oberft, der rnit dem Divi oniges
nernl, ilber eine Karte gebeugt, enn
Fenster faß· .
.Die Feldfliegerftntion 23 meldet,
das Leutnnnt von Berckendorf eben
zuriickgelocnmen ift, er hat die feind
liche Batterie leider nach nicht finden
lönnen!«
Der Oberst fagte zu dem Vorge
festen:
«Alfo der nach nichti Wenn«l der
Bereicndorf nicht geschafft hat, denn
findet überhaupt lein Flieget vie
Batterie heraust« -
Der General hob den Kopf:
»Wir müssen fie finden«, fagte er.
»die Kerle haben die Straer nach
Weisepoly unter Feuer und tön
nen uns jeden Transport ftören
Jest snäiffen Frelnilllige ’rnn. Wer
foll fie stellen, Herr Oberft?«
»Mein Regiment, Erzeuenz«, feig
te der Lberft und gnb dem Adiutnni
ten einen Wint. »ich will fofort einen
Mann besorgen loffent'« —
«Gnt," nickte der Geneml, »ich
möchte den Mann vorher noch fort
chen!«
Der Adjutant griff nach feiner
Mütze und ging zur Tür. Eine
Viertelstunde später tmn er zurück,
von einein breitfchultrigen Grenadier
gefolgt, der sich ftramrn vor vie Of
fiziere hinflelltr. Der General sie-nd
nnf nnd trat nuf den Soldaten zu
der den prüfenden Blick aus feinen
fchnmrzen tiefliegenden Augen ruhig
aushie!t.
aWie heißen Sie?«
«Kriegj - »rein-innrer Grennvier
Ephrnirn Gold um«
»Was-T Der General wandte lich
hall- su dem Adjutanten. Der
Oberleutnnnt tlappte die Hosen zu
irren-nen.
-Zu Beseht, Exzellenz. Der Gre
nadier Goldsarb hat mich inständigst
gebeten, ihn zu nehmer-. Er sagt
dass er die Gegend genau lennt!«
Der General runzelte die Stirn:
«So —- na gut! Der here Ober
lentnant hat Ihnen gesagt, worum
es sich handelt!«
Der Grenadier stand bewegungs
los und starr aufgerichtet.
,.EO ist kein Kinderspiel«, suhr
der General fort, ,,ei handelt sich
um die seindliehe Batterie. die uns
t·’ li beschießL Der Standort muß
g un n werden — um jeden Preis!
Sie müssen zwischen dem russischsn
Vorposten durchl« —
«Zu Beseht, E zelleng«, sagte der
Orenadier mit tiefer Stimme.
.Sie tennen die Gegend?« —
»so Befehl, dei Tag und bei
Nachti« —
-pret?« —
«Jch hab' dort Vieh gehandelt mit
meinem Vaterl«
Waden Sie noch Eltern?«
«Iiein, Ergeltenzi Meinen Vater
selig haben die Ksialen geschlagen
da ist er gestorben«, sehte der Soldat
mit leiser Stimme hinzu.
«-s)m«. der General räusperte sieh,
«da haben Sie wohl noch eine be
sondere Adreehnung mit den Aet
leni«
Der Orenadier Goldsarb sprach
nicht, aber in seinen Augen gliihte
eine solche Flamme des hassee auf,
daß der General es wie eine Antwort
nasses-te
»Kann ich mir denlent hoffent
lich haben Sie heute Gliielt Wenn
Sie wiederlommen und die Batteriei
stetiuna angeben tönnem sollen Sie
reich belohnt werden. Nun gehen Sie
mit Gott!«
Er reichte dem Soldaten die
Hand. die dieser zögernd nahm
Dann schlug er die backen zusammen
und verließ das Zimmer. Der Osti
zier trat an dass Fenster und sah zu
wie der Grenadier mit langen sesten
Schritten til-er den hos ging. Dann
wandte er sich an den Adjutanten: «
»Warum haben Sie gerade den . ..
na, wie hieß er doch, richtig. Gold
sarbf..» also den Goldsarb genom-?
men «
»Er bat so dringend darum. M
Hllenz. Er bat eine Wut aus die
sssen Deshalb bat er sich auch
als Uriegssreiwilliger gemeldet·«
,.Wtssen Sie mehr von dem
Manns-«
»Ich war sein Relrntenvssizier.
Erzellenz. und ich muß sagen. daß er
ein guter Soldat ist. nur ist er sehr
sinsier und verschlossen. Aber er bat
Schlimmes erlebt. Er stammt que
einem lletnen Dors dicht an der;
Grenze, und eine KosatenabteilnngH
die den Ort gleich bei Kriegsheginni
til-ersieh hat alle Männer fortge
schleppt. Da ist sein alter Vater nn.
Ueberanstrengungen gestorben. Det!
Sohn sand ihn am Wege liegend, hat
ihn begraben nnd meldete sich am
nächsten Tage bei uns alt Jeeiwils
iijer. Seine Lebensgeschichte hat er
mir einmal erzählt und dann nicht
txt iiberslilssigei Wort mebe ausge
sprochenl« —- —- —
. -
In dem Walde zwischen Wetze
poly rent- Drapaeow lag der Grenas
vier cphtaisn Gelt-sor, in einem
hausen weisen Laube- eingehiillt, nnd
«s..-h ansespannt is das arm-schwarze
»Du-set oor ihr-. Er kannte hier ie
den sog; ost genug toot er hier mit
seinem Vater-, die breite Landstraße
nach Werken-In ver-I eidend, entlang
gez-regem um die lteiuon politischen
Mike geherreichech Er drückte die
schwarzen Augen sest zu; der Gednnlr
an seinen Vater schoß ihm heiß durchs
die Adern und trieb ihm trog vers
stostigen Frühtpinternacht die Glut
durch die Haut.
Langsam ging er weiter, vorsichtig.
bei jedem Schritt spähend· Die er
sten russischen horchvosten hatte er
hinter sich, deutlich hatte er den wa
sestehenden Gardeinsanteristen init’
Jdem schwarzen Tornisier gesehen der
hinter einein Baume stand nnd ins
»Weite starrte. Leise war er, im Bvsf
gen ausweichend, vom Nebel gedeckt,(
dordeigeschlichem Er ging weiter «
rlöilich fuhr er zusammen, wars sich
slach aus den Boden und horchte
FLinls non ihm tönten Stimmen und
sinarrte ein Wagenrad. Der deutsche
;·Jren(idier kroch, aus dein Bauche lie
gend. näher. Das Geräusch der
timmen war schwächer geworden
»und verhallte, und rings um ihn
klang nur die Stimme des Waldes,
das ewige Lied dec thdes in den
jlahlen Otoeigeiy der sallenden winter
..«ellen Blätter und des Raschelng
»die lleinen Tiere, die in ihre Ermö
»cher glitten. Der Späher schob sich
Stück um Stück vor, bis er zu seinem
Erstaunen nüs einen von schmalen
Madspuren ties «1.5gesahrenen Wea
traf, der sich im inonderhellten Nebel
zwischen den Bäumu hiiizog.
» Ter Grenadier dudte sich hinter
tinen Stamm und iiberlegte. Dieser
Weg mit den seischen Radspuren war
ihm von Friedenszeiten her ganz un
»belnnnt. Da tönte wieder Wagen
.lvarren und lnrn näher. Er verbarg
sich ganz im Laub nnd sah in den
.ebel« aus dem ietzt drei russische
Soldaten austauchten, die eine tleine
starre hinter sich herzogem Mit txt
staunen sah der Deutsche die Rassen
an. die aus den Mänteln die roten
Achselllappen der Artilleristen tru
gen. Wohin suhren die ;.erle hier
durch den Drapacower Wald?
llnd da aus dem Karten hatten
doch Weidengeslechte rnit Artillerie
munition gelegen —- drei, nein, vier»
solcher ceörbe sorglich mit Stroh sests
gestopst. lagen daraus.
Der Grenadiee Goldsarb spürte in-i
nerlich ein freudiges Erschreetens
Kein Zweifel. die Soldaten suhrens
die Munition zu einer Batterie die
aus diese merkwürdige und doch be«
gueme Weise mit Geschossen oersor ts
wurde Er überlegte. Ja. die M is
tuug stimmte. Das lonnte nur Mu «
Edition siir die geheimnisvolle Batterie
ern
Die rnssischen Artilleristen warenl
sorglos plaudernd vorbeigegangen,
und aus dem nächtlichen wogenden
Nebel tönte nur noch leise das Anat
ren der Wagenriider. Da richtete sich
Goldsard aus. Einen Augenbliet
schloß er die Augen und legte die
hand aus die Brust.
Hier tr er in der Jnnenlasche
des Stockes en Streifen, den er vorn
weißen Sterbetuch des Vaters ge
schnitten hatte, von demselben
schwarzgestreisten Tuch, das des Va
ters tleine, gebückte Gestalt an Feier
tagen umhüllt hatte. Das war alles
was die Kosalezi dem Grenadier
sephraim Goldsaeb von Heim und
Vater gelassen hatten. Und es war
ihm ein Erinnerungszeichen und ein
Schwur zugleich.
» Rasch nnd leise austretend, solgte
er den Radspueen zwischen den
Stil-nimm Nun stieß er aus abge
hauene srische Aeste, ein abgebroche
ner Spatenstiel lag am Wege« und
dort —- dort bewegten sich Gestat
ten.
Der deutsche Soldat schlich zur
Seite, duckte sich aus den Boden,
schlich von Deckung zu Deckung, bis
er hinter einem terdtoall liegen blieb
Er hob den Raps und starrte in den
Nebel. Allmählich gewöhnten sich sei
ne Augen an das wogende Grau,
und er unterschied Formen und Ge
stalten. Dort drüben lagen hohe
Erdschanzem steckten junge abge
hanene Bäume schies im Boden —
und dort stand die Batteriel
Goldsan atmete ties aus. Er
hatte das Ziel erreicht. Nun zurück!
Da suhr ihm ein Gedanke scharf
durch den Sinn. Wie sollte er die
Stellung angeben? Die Gelchiitze
standen ties im Walde, mußten mit
unendlicher Mühe, aus srisch gehe-is
ten Wnldivegen vielleicht, hergeschnsst
worden sein. Die Munitianstrantt
parte vorhin bewiesen ja die zähe
heimlichteit der Stellung. Er über
legte, tvie er die Batterie kennzeichnen
sollte.
Sollte er einen Ast umlniclenf
Das war von der sernen deutschen
Stellung ans nicht zu sehen. Er leg
te mechanisch die hand aus die Brust,
da siel ihm etwas ein. Er griss
unter den Mantel und zo einen lan
gen weißen Tuchstreisen Heraus. Mit
beiden hönden umsassle er ihn und
drückte sein Gesicht hinein. Dann zog
et Mantel und Ratt ans und sah ch
um. Reben ihm stand ein hoher d n
ner Stamm. de en Spthe in den Re
hel tauchte. r stapste das Tuch
in hie Dasentasche, ttnt an den
san-n und tlelterte langsam daran
empor, griss um die rauhe Rinde unt
zlelt sich endlich oben im Gezweig
st. Aus der Tasche zerrte er den
ioeihtn Streifen, leistete ihn une, den
lassen Aft send glitt dann rnfeh
sur Erde. hier nah-n er feine Sas
chen auf, warf noch einen Blick nach
oben nnd sing im Nebel feinen Weg
weil-. —- —— —
so
Der General fafz gerade heim
Morgenlaffee. als der GrenadiekJn
das Zimmer trot:
«Melde gehorntnft. Befehl ausge
iihrt, habe die Batterie gefunden!«
aqte er rnit atemloier, heiserer Stim
me.
«Donnerlvetter«, rief der General
und sprang anf, «gratnliere!« Er
drückte die Hand des Soldaten.
»Bei-v, brav! Wo fteht die Bat
terie?«
,Mitten im Drnpacower Walde
Exzellenz. Den Ort lnnn ich nicht
angeben, aber ich bin auf einen
Banne gellettert nnd hab’ oben den
Gebetrnnntel von meinem Vater felig
angbnndenla
er General fah ihn einen An
genbliel verftöndnislos an.
«Einen Streifen weißes Tuch, Ex
zellenz«, fetzte der Grenadier hinzu
»fobald der Nebel fort ift, man
man? von hier ans fehen tönnenl«
Der General fah zum Fenster-.
»Da! Es wird draußen fchon
lichter. tonunen Sie nml mitl«
Eilig griff er nach dein Fernglas
und lief iiber die Straße zn dem
zerfchossenen Kirchturnr, der der Ae
tillerie als Beobachtungsftnnd diente.
Hoftig polterte er die wncklige Holz
trrpoe zum Turmfenfter herauf, hob
den Trieder an die Augen nnd rief:
»Wahrhaftig, dort drüben im Wal
de hängt ein weißer Streifen! Ru
fen Sie doch, bitte, fofort den Ile
tilleriehauptmann her. der da fteht!«
Eine halbe Stunde später tain der
General die Treppe wieder herunter
nnd traf, vor der Tiir wartend, den
Grenadiet Goldfarb.
»Dein-, cnein Sohn«, fagte die Ex
zellenz und klopste dem Soldaten lo
bend aus den Arm. »Das Eiserne
Kreuz ist Jhnen sicher. ich will Sie
sogar siir die erste Klasse vorschla
gen! Uebrigens sagen Sie 'mal,
wie nannten Sie vorhin das Stint
Tuch. das Sie da als Martierung
angebunden haben?«
Stockend nnd errötend erzählte der
Grenadier, von häufig-n Fragen des
Generalo unterbrochen
»So?'· machte schließlich der Os
sizier« »so ist das bei Jhneni Sa
en Sie mal. da muß Jhnen doch
sehr daran liegen, das Tuch wieder
zubekommen ?"
Der Soldat sah ihn mit nassen
Augen an.
Der General wandte sich um:
»Kommen Sie mit hinüber in das
Regimentszimmer«, sagte er und ging
eilig in die Bauernstube zurück.
Hier trat er an den Telephonapparat
und nahm den Hörer.
»heillo! Hier General von Schus
ser selbst! Jst mein Adjutant dorii
Ja, Herr hauptmanm hören Sie,
bitte, zu — Wir haben die seindliche
Stellung tm Walde bei Drapaeow
entdeckt. Dat- Ziel wird durch einen
weißen Tuchstretsen i einem Baum
gipsel markiert —- ben Sie der
skandeni Ich denke, heute nachmittag
wird die Stellung schon sturmreis
sein. Nun lege ich den größten —
hören Sie — den allergrößten Wert
daraus, daß dieser weiße Tuchstrei
sen gesunden und mir persönlich ge
bracht wird! Jch bitte. dies als Be
seht sosort allen Soldaten bekannt zu
geben —- dante!«
Er legte den Hörer hin und drehte
sich u dem Grenadier um:
Kun, ist's recht spi« sagte er lö
chelnd. Da beugte sich der grosse
Soldat nieder und kiiszte dem Ge
neral, ehe der es verhindern konnte,
die Hand.
Eine vollkommene Persönlichkeit
Jn einem Vortrag iiber »Das voll
tommene Jdeal« hatte der Gelehrte
eben erklärt, daß der Mensch niemals
die absolute Vollkommenheit errei
chen könne, und wandte sich nun an
die Zuhörer mit den Worten: »Den
ken Sie alle einmal angestrengt dar
iiber nach, ob einer von Ihnen fe
mals einen vollkommenen Menschen
gekannt oder von ihm gehort han«
Einen Augenblick lang tiefes Schwei
gen im Saal; dann aber asgt schüch
tern und in halt-lautem Ton eine
Frauensiirnrne: »Ja, ich habe von ei
ner solchen Person gehört.« Alles
dreht sich erstaunt noch ver Spre
cherin um, und der Redner fragt
ironisch: .Diirsten wir vielleicht
wissen, wer dieser vollkommene
Mensch wart« »Ja, gen-ißt Die erste
Frau meines Mannes war«s!«
--
—- Tristige Gründe. »War
urn haben Sie eigentlich nicht gehei
ratet, here Krausei«
»Das will ich Ihnen sagen: zu
einer Geldheirat hatte ich teine Rei
gung und zu einer Neigungsheirat
hatte ich tein Gelv!«
- Irrtum. Bei einem Diner
sitt ein tahltilpsiger General neben
einer lurssichtigen heezogitr. Dem
General entfällt die Serviette, und
als er sich nach ihr dilat, berührt er
leise mit dem Kvps den Arm der
emin. Diese wendet ich zur
ite und'sagt in der einung,»
daß ihr setviert werde: »Dante silr
Melonr. Ich siehe Inanas vor.«
—
Nun Margarete fLiiideili Stint-.
Sie —- rrr —- rir schrillte die
Teicphoutlingel in dir Stille eini
vornehinimulich ausgestattet-n Ge
mnches hinein. «
Eine schmale, schiiiie Ziniieiihnnts
leistete siey so zogeriid zu dein Anru
rai, das-, die Glocke ause- neue zii inu
ien begann.
Die weiße Hund griss jetzt zip-It
etwas schneller zu, sie erhob« merklich
.itteriid, den Qui-er, so daß der Mund
ke- Läuieiverts oeiliuiisinie, juiit
minii oder, wie iintet einer-u schwe
ren Bürde nus das dunkeln-te zusch
des tleinen Dchreivtischex nui de.i.
der Apparat stund, mit ihrer reift
herüb.
Hier blieb sie, den Hörer sist uni
tininmert haltend, liegen.
Arme-Maria Weinberg wußte mich
ungehört die schicksaiöschiveieii Worte
tie ihr cuil dein schwarzen Lippiiriii
rii gesagt werden würden. Warum
zögerte sie noch, das zu hören, weis
nur die Bestätigung ihrer duiitein
Ahnung wart
Wie iiiig weiter Nebelsernc tönte
ihr die Stimme der neben iiireiii Ses
sel lehiienden Schwester iiii due Ohr;
»Dottor Reichmniinl —- Q Gott,
ton- iverden wir zu hören intoni
inen!« "
Du gab sich Arme-Maria eine-i
Ruc; sie wußte die Botschaft dce
Arztes in iin voraus, wozu noch feig-:
zögern.
Inst brutal schlug sie den Tele
phonhdrer nn das Ohr und ganz hei
ser und spröde, ihr selbst fremd, iikilm
der Apparat die Worte aus:
«hier Auen-Maria Reiiibeig.«
Und da kam teiii Laut niehr durch
vie fest aufeinander gepreßieii Lip
pen, die ioie ein schnialer, blutrotei
Streifen das einzige waren, was i-i
dein ietzt totenbliiisen Antlitz mit den
geschlosienen Augen noch Leben ver
riet.
Dunips schlug der hörer ans sei
nen Platz zuruci, siie einen Herz
schlag lang vie unheimliche stille iiii-.
ierbrechend.
Und dann war es wieder da, das
toteniihnliche Etwas, das niir höch
stes Glück oder tiefste-i Leid hervor
reinge.
Die Totenstille.
Als Blum-Maria Reinbcrg, die
jüngste der beiden Töchter des-erstor
beneri Kommerzienrats Weinberg sih
lurz vor Ausbruch des Krieges niil
Doktor Herbert Ullrnami verlobte,
war die Ueberraschung alleiithalben
groß.
Die jüngere Weinberg, eine viel
iiniworbene, reiche Sa,oriheii, schi;n
aus den Märchenprinzen zu warten.
Und nun dieser junge, unbedeutende
Schriftsteller, von dessen Existenz
man gerade durch seinen soeben er
schienenen ersten Roman etwas hört-.
War es eine Laune Ariiie-Marias«i'
— Liebte sie Verliert llllmann wirk
lich? — Niemand wußte es, sie
lchwieg sich gegen jedermann darüber
aus. Es blieb selbst ihrer einzigen
Angehörigen, der älteren Schwester,
mit der sie seit dem Tode des Ba
tere die vornehme Siadtoilla, umge
ben von der zahlreichen Dienerschast,
bewohnte, verborgen.
Daß Derbert Ullinanii einer der
wenigen Männer, wohl der einzige
Mann war, der iachi an dem
Trinniphwagen der reichen Erbin
zog, hatte die junge Dame zuerst
mit ungläubigem Staunen, dann
aber mit ehrlicher Bewunderung er
füllt.
So gab es also wirliiih und wahr
hasiig noch Männer, die leine Mit
gistjiiger waren?!
Diese Erkenntnis war der sitt-s
iaidzivanzigjiihrigen weltersahrensn
Arme-Maria etwas so Neues, Un
saßbares, daß wie auf einen Hieb
ihr Interesse siir den jungen Schrift
!steller, dem sie im Hause einer Freun
din zuerst begegnet ir-.ir, geivecii
wurde.
Er selbst hätte in seicier Beschei
denheii niemals gewagn seine Augen
Lzu dem vieluiiiidoriscncii, schönen
Mädchen, von deren Reichtum Mär
chen umgingeei, zu eiljcbenx Anne
Marias eigenartige Schonheit in Ber
sbindung init ihrer außerordentlich lu
xiiriösen Lebensweise muteten den
sioeltsretndeii Dichter wie ein Erleb
nie aus Tausend und einer Nacht an.
Arme-Maria hatte ihn jedoch so
cssenkiindig vor aller Welt bevor
zugi, ihm ihre Zuneiguiig, ihr Jn
teresse täglich· stündlich ossenbar wer
.teii lassen, dasi er sie an einein
dusts weren Juliiiachinitiage glücks
Iberait cht in die Arme nahm«
Maria-Anne, die um ein Jahr äl
tere Schwester Anker-Marias, hatte
vieles mit der jüngeren Reinbetg ge
meinsam, nur nicht deren wunder
volle Schönheit
Die beiden Mädchen waren vose
gleicher, groß-vornehmer Erscheinun ;
heteliches Blondhaar zierte den schö
nen soff Amte-Marias und um
mhmte gleicher Pracht und at
benschönhett das häßliche Anttiß
ein-Amtes.
Das merkwürdigfte ober, was diese’
beiden ungleichen Schwestern gemein
bam hatten, war eine ganz gleiche«
heraus sympathische, melodische
Sprache. ·
ielgfiiebt den dein mein fak« est
i
lie die is fellene herrliche A ftirnsi
ine vermuten, war beiden Reinhergsl
sgek en.
ngn frllhefter Jugend an die
gleiche modulntidnsfiihige Tonfall,
du- gleiche petlende Lachen bei bei-· «
den Schweftern; die Eltern, die EI
zieher, die Freundinnen, niemand
stonnte nngefehen unterscheiden, wes
Inon beiden Mädchen sprach.
J War es Maria-Anve- oder Anne
fMarias Stimme, die auc- dem Spin
l
i Dnsfelbe wundervolle Organ, dun
l
l
l
stlatz, im Garten, aus einein entfern
»ien Zimmer zu hören Ivari
Die Natur hatte hier in weiser
Vorausiihtiung, vielleicht auch in fro
her Laune, etwas Seltfameg geschni
, feu.
Mari.1-Anne und AnnesMakiiszs
dazu die gleichen Namen; auch ein
frdhliehe Laune der friihverftorbenesU
lustigen, jungen Mutter, die im won
nigen Alter von 18 Jahre, umgehe-H
von Liebe nnd Reichtum ihrem erst-!
gebotenen Töchterchen ihren Lied (
lingsnanien Maria- Unne gab 19 l
fährig wurde ihr das zweite Tisch f
terrhen gefcherill; in uvekfprudelndems
Glückggefiihl und froher Laune taufsel
man die Zweitgeborene das Korn-J
merzienrais auf den gleichen Na-»
men. « «
Als Amte-Marias Hochzeitggloelin
läuten frllien, riefen die Kriege-glot
len ihre fchickfalsfchwere Stunde ducjy
die Lande. Herbert Ullmann lvir
einer der ersten, der freiwillig unr
ireudig dein Rufe des obersten kriegs
l,errn folgte, der voller Begesfteeurig
zu den Fahnen eilte.
Mit einem stolzer-, großen Gefiilyi
in der Brust zog er ner Krieg-sied
ioilliger hinaus-, um auch der Braut
die Hei-nat zu erhalten.
Jn den Kämpfen um Antwerpen
erhielt der junge Dichter die Feuer
taufe.
Schwer, tvuchtig legte sich die Hand
Les Schicifals uuf fein Haupt, ihn
nuiö den Höhen des fonnigen Glücke-J
in die dnnlelften Tiefen unfugbarsten
Leiden stürzend.
herbert Ullinami hatte dem Vater
iaiid fein Augenlicht zum Opfer drin
gen müssen.
Jn der Heimat waren die berühm
testen Augeiiärzte. die einerlaiintesteii
Autoritäten ivocheiilang uni den Verz
iisundeten bemüht, um ihin wenig
stens. die Sehtraft des einen Auge
zu erhalten.
Heute sollte die Entscheidung fal
len, ob mein überhaupt nrch zu eine-r
Operatien schreiten würde
Deis ivareii die schietsalssehiveresi
Worte gewesen, die Anne- Maria so
edeii aus dem Munde des Augenarz-s
tes gehört hatte: »Blind fiir des
ganze Ledenl«
Sie saß noch iiiinier regungslos,
stumm, neben dein Telephon, als die
Glocke desselben wiederum ertönte
Da richtete sie den tief gesenkt-In
Kopf auf: »Herbert —- ich tanii
nicht — sprich du init ihm, Maria
Anne!«
Fest, wie um ein Schicksal zu inei
stern, griff die kräftige, schöne Mäd- i
chenhand der älteren Reinberg nachz
dem hörerz fest nnd doch mit einem;
leisen, zitternden Unterton hörte maxi»
die gleiche, so überaus fpinhathisehe
Stimme, wie die der jüngeren Schwe
ster.
»Neinderg!«
Und dann weiteten fich die klugen,
grauen Augen in dem so reizloseii
Gesicht des Mädchens.
. Was sie da hören mußte, das war
Ha nicht fiir ihre Ohren destinimtz
warum hörte sie nur weiter auf diese
leidenschaftlichen, iiie gehörten Lie
besworte, die ihr nicht galten? —i
Warum rief sie dein Sprecheiiden
nicht durch den schwarzen Apparatj
;zu: »Ich bin es nicht siir die dii
niich heilt st?«
Sentrrcht stand eine strenge Fa ti
;zivischen deii groß aufgeschlageneii»
ljelugensternem die einzige SchönheiiI
lin dein häßlichen Gesicht, feftgrnlviis
sich die Zähne iii die Lippen, daiij
diese fast weiß erschienen, da alle-—
’Blut daraus eiitwichen war.
i Noch ein lurze5, ganz festes: »Ja-s
ich tummel« —- dumpf fiel der Höre-r
sauf den Apparat nieder.
’ Maria- Aiine Reinberg trat zu dei:
sschönen Schwester-, deren Antlitz tin-.l
Eversteiiiert erschien.
»Anm, Herbert wartet auf dia;
—- er lennt sein trauriges Lots; so
lange er deine Liede besitzt, will ei
nicht tlagen. Schon morgen sollst
du ihm durch Kriegdtrauung ver
bunden werden; feinen Tag, teiiie
Stunde will er dich fest mehr enti
hehren. Alles das mußte ich eben airi
Telephon hören; unserer gleichen
Sprache wegen hielt er mich für dich.«
Von der Tragit der Stunde er
schüttert, sangen sich die Worte stofz
weise von den Lippen Marias.
Doch was die ältere Schweste:
dann aus dem Munde der jüngeren
ersicht, machte iht das Biut in den
Adern fast erstarren.
Das war ihre Schwester!
Mit dein Blinden, der sein Augen
licht auch ihretwegen dahingegeben
hatte, konnte, wollte sie nicht lebet-h
Einen Krüppel würde sie niemals
lieben können!
Sie wollte dem Verlobten, der in
heißes-, verzehrendet Sehnsucht auf
iie wartete, das Wort zurüngebeni
Das war also die Treue über des
Tod hinan-!
Schwer, als seien ihre Glieder mit
yleigewichten belastet, erhob sich Ma
im.
Maria-Intr- iteinberg zog sie
mechanisch die Klingel an heil-ers
Ullrnanirs Wohnung.
Als der helle Ton ein ihr Oh
schiug, tain ihr erst zum Bewußt
sein, was sie eigentlich hier wollte.
Jhn trösten-i — Tiöcen über du
Treubruch der Schwester, deren sie
sich schämte, doppelt schämte, da es
ihre Schwester wai. Gsb eol denn
überhaupt einen Trost sitt ihn?
Und dann stand sie in yet-denk
Ziniiney mußte in zwei erloschene
Augen sehen —- und konnte, bis ins
Jnnekste erschüttert, nichts weiter
tun, als aus den init dein Eisernen
Kreuz Geschmiictten hinstiiizem uno
laut und qunlvoll, zu seinen Füßen
iiiedertniend nur das eine einzige
Wort heran-pressen: «.hetbert!«
Der sagte tein Wit.
Ein Schimmer von etwas ungeahsit
Schonun, ganz Großun, lag ans deni
bleichen Dulderiiiitlitz.
Er uinfaszte die vor ihm Knienee,
zog sie zart und vorsfchtig zu sich
hinan und tiißte ihke Augen, ihre
Hände, ihre Lippen, so durstig ursd
wild wie ein Verschmnchtendei, des-i
nach langem, qualvotlen Warten der
erste Trunk Wasser dargeieirhi wirb.
Und dann brach es sich von sein-«
Lippen, jubelnd, nicht schinekzvol::
,,’Llnne-Maria, wie tonnte ich nur
einen Moment sit-eitelm du würd-it
nicht iominen! —- Jetzi erst weiß inz,
dasz deine Liebe zu niir über den Tod
hinaus geht. Tu! — Du, die Du
mit deiner strahlenden Schlichti)ei;,
die ich in einstmals erschauen durfte,
den dunilen Lebenspsnd des artneri
Blinden erhellen wulst. O, Gott«
ich dante dir, wie bin ich ten l"
Ganz langsam begriff das haßliche
Mädchen da nn der Brust des Man
nes — dann aber gitt es an ihr
herab, Lähntend, angstvoll.
Herbett Ulliiiann hielt ne siir seine
Braut! llni Gott, was tuni
Leise streichelte die Hand des Blin
den über den blonden Mädchentopi,
ten er sest an sein Herz gepreßt hiel:.
»Sage mir nur ein Wert, meine
Arme-Maria«
Da sprach Maria-Anne, die Von
dem gewaltigen Schielsah das hier
machtvoll über zwei Menschen gebot,
in die Knie gezwungen war. Sagte
ihm liebe, trdstende Worte, nahm ihr
itndegehrtes, überholer Herz in beide
Hände nnd schwur ihm, ihn nie mehr
zu verlassen.
Und der Mann lauschte dieser lang
entbehrten, süßen Stimme, die ihm
wie Sphärenmusit zum Herzen drang.
Am andern Tage wurden Maria
Anne von Reinberg und Herbert Uti
niann siir ein Menschenleben verbun
den.
Einen verllärten Ausdruck im Ge
sicht, lauschte der blinde Krieger den
Worten des Geistlichen, die Hand de:
ihm angetrauten jungen Frau sest i-:
der seinen haltend, um sie nie mehr
zu lassen.
Kurz nach der Trauung bat Ma
ria-Anne den Gatten: »Nimm mich
don heute an nur Maria — dieser
ist mir von meinen beiden Namen der
liebste.«
Der sliisterte ihr leise zu: »Ca
ritas!«
Und Caritas hieß sie fortan, til-Z
hiitte es nie eine Anne-Maria sür ihn
gegeben.
Jn einer stillen Grunewaldvilln
wohnt das Glück.
Der blinde Dichter diktiert seine
herrlichsten Gedanken seinem jungen,
angebeteten Weibe, die sie in die Welt
hinausschicki.
Herbert llllmann tennt die strah
lende Schönheit seiner Caritas aus
glückvollen Tagen, da er sie erschaule
durfte.
Und die junge Frau des Dichters
die ihn schon geliebt hatte, als er
iiber ihre Häßliehteit hinweg die schöne
Schwester ertor, hütet ängstlich ih:
Glück.
Niemand dars kommen er- zu ek
schnuen; sie hat ein Paradies geschaf
sen, in dein zwei Menschen glücklich
sind.
— Die Warnung Einen-I
Stabsfeldwebet nlrs Führer ei:.ec
Verpflegimgsiolonne wird in der rus
sisch-poliiifcl)en Stadt L. Quartier
bei einer Frau Snx zugewiesen. Dus
Zinimer, in dein du Leute schlafen
sollen, ist fürchterlich iinsaiiber. chl
von Ungezieser, und die Tlltannichuft
veriebt eine qualbolle Nacht. Am
Morgen vor drin Abmarsch schreibt
der Feldivebel mit Kreide tm lsie
Haustür: »Kanieruden, die Frau
behauptet. sie beißt Sar. Aber laßt
Euch ieiu X für ein li ii-achen.«
— Begreiflicher Ent
schuldigungsgruui Lehrer:
»Jn Deinem Aufsatz über »Gut-aut
und die Engliinker« ist er- eine auf
fnlleude Erscheiiiuiiq, daß Du die
Worte »Englmid« und »Eugliindcr"
durchweg schlecht, fast unleferlich ge
schrieben hast, während sich Dem
Aussay im übrigen durch gute
Schrift auszeichnet.«
Schüler-: ,,T-ufijr tann ich nicht
Herr Lehrer, denn immer, wenn ich
die betreffenden Werte sckieiben soll,
sträubt sich mir die Feder.« s