Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, July 22, 1915, Sonntagsblatt, Image 9

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    Sonntagiblatt des
Staats Anzetger und J cerold.
Gka dJsl IMde -IMD
sie gesamten-«
Von Fritz Müller.
Mein Freund. der in Italien
wohnt, hatte seine Schreibmaschine
nach Deutschland zur Reparatur ge
chickt. Da ich doch herüberginge,
cheied er, sollte ich sie ihm mitbrin
en. An der Grenze machte ich einen
leinen Seeabstecher und kam mit
meinem Gepiiel an einer winzigen
Zoll ation nach Italien.
» l passapotto, Signore?« Der
war natürlich in diesen kritischen
Zeiten erzbereit, visiert, signiert, pho
tographiert, deklariert, mit Fingerab
druck versehen, mit Schwiiren durch
sejt und mit Eiden eingesaßi. Er
hatte den Zweck, Eindruck aus das
ver-einigte Zollparlament zu machen.
Das orreinigte Zollpersonal be
stand aus dem Zollaufseher, dem
Zollgepiielössner, dein Zollgepiiclschlie
her, dem Zolldellaranten, dem Unter
zollvorsiand und dem Obersollvcrs
stand. Und es war der Einheitlich
keit wegen aus dieser Zollstcition in
einer einzi en Person konzentriert.
Dieses ersonnl geriet bei meiner
Anlunst in eine wimmelnde Auske
gung. Es hatte osfenbar seit Wo
chen keine Gelegenheit zur Betätigung
gehabt. Ich, Cis das erste Zollcb
jett seit langem, ward im nu um
zingelt. Kaltbliitig setzte ich mein
Paßbajonett an den rechten Arm an
und versuchte durchzudtingen.
Aber ich stieß ins Leere. Mein
Paß wurde laum beachtet. Es waren
offenbar in diesem Augenblick der
Zollgepiielössner und der Zollgepiicks
schließer, die mit dem Paßioesen
nichts zu schaffen haben. Ein paar
Schritte, da ries mich jemand barsch
zurück. Jetzt war es zweifellos der
Unterzollvorstand.
Er prüste den Paß umständlich,
lniss abwechselnd das eine und das
andere Auge zu, öugte mich iiber die
Photographie biniiber an, ale wollte
er ein Straßennivellenient ausnehmen,
murmelte etwas von der Miserabs
ligleit deerotographien im all emei
nen, überstog hochachtungsoo den
Stempel des Konsuli und verweilte
ziemlich lange auf meinem Fingerabs
druck an der Seite, wobei er nachsich
tig so etwas Ioie »Schtveinerei« be
merkte.
Darauf nahm ich den Paß und
wollte gehen. Aber-naht ein Ruf in
meinem Rücken, nur diesmal daheim
voll. Jch bliate um: Aha, der
Oberzoltvotftand. Er bliitterte nach
liissig in meinem Piißbiichlein mit
fpitzen Fingern, toie Könige prüfen.
Dann wintte er gnädig ab. Die
Tllklfzgefchichte war erledigt, jetzt kam
das Gepack. Der Oberzallvorftanv
tiappt zufammen. der Zollauffeher
trat in Tätigkeit.
«Zigaeren? Zigarettenk Tabats
Schott-ladet Zum-hölzer? Sulz?
Zucker? fchnurrte er auswendig her
unter. Jch fchiittelte den Kopf. Es
hätte mich nicht gewundert, wenn er
nach doppelznlindrigen Dampfmaschi
nen und nach Viettattmotoren oder
zufammentlappbaren hobelmafchinen
gefragt hätte. Jn diefen Zeiten tunn
man nicht vorsichtig genug fein
Aber er fragte nicht darnach, fon
dern wintte dem Zollgepäetöffner und
tlappte zufammen. Der Zollgepiikt
öffner wühlte in meiner Reifetafche
wie ein Geier, das Unterfte zu oberst.
Darauf wühlte der Zollgepäetfchtießer
das Oberste wieder zu unterst. War
aui ver Isiollauffeber wintte: »Ist
guk«. Woraus der solldellarant eine
gelangweilte Miene annahm. Worauf
der Zollausseher ptdtzlich meinen
Schreibmaschinentaften sal) und vor
sichtig mit dem Fingertnömel daran
klopfte. Woraus das vereinigte Zoll
personal Blihe unter inißtrauischen
Augenbrauen hervorschosz und mich
durchdringend ansah:
»Was —- toaaas — ist —- da —
drin —- he?«
Ich sagte möglichst unbeteiligt:
»Schön« Wetter heute, meine her
ren, nicht wahr?"
Da wurde der tlvpsende Knöchel
dringlicher, die Blicke drohende-:
»Was —- tvaas — wanaas ist —
da —- vrin —- he!?«
Ich versuchte das Klopfen und die
«Blilte aus eine Person hinter mir zu
beziehen und schaute mich um, um
auch meinerseits den Verviichtigen mit
den Augen ver Zollbehörve zu be
trachten. Aber es war niemand da.
»Ach so«, sagte ich und versuchte
das Emachen aus einein leichten
Rachmittassschliischen vermittelst Au
gen-eilten "su markieren. »sich so. Sie
meinen meine —- rneine Schreibwei
schine.«
.len wass« sagte das vereinigte
Zollpet mal.
.Menee Schreivmcschine«, sagte ich
leichtbity tote man etwa von einer
achnbiirste oder einein Iederlplter
rechen würde.
Die Subolternbsenmten der Zollbe
hiirde konnten sichtlich mit dem nie
gehörten Worte nicht«- anfangen und
versuchten, seine Laute rein optisch
mit den Lippen nochgubildem Woge
gen der Zolldetlarant mit Nachdruck
und Mißbilligung wiederholte:
«Jb —- re — Schreib —- ma —
schi —- nei« Woran der Unteron
vorftond die Augenbrauen runzelte
und sagte:
«leeh eine Schreibmoschine also?«
Und der Obergollvorstand unter Auf
bietung aller quergestrichenen Stirn
falten hinzuseßtez
«Sofo, eine Schreibmoschine,
soso2« Aber aus der Art ihrer Beto
nung ging hervor« daß auch der bor
gesesie Teil der vereinigten Zollbe
hörde so etwas wie eine Schreibwei
schine in diesem kleinen Zollneft nie
gesehen hatte. Meine Schreibmoschine
war die erste, die an dieser YStclle
die Grenze überschritt.
Das schien ihr in den Kopf zu
steigen. Sie gab unter dem Finger
tniichelzollgetlopf den Glockenton der
beendigten Zeile von sich. Erschreckt
fubr der Fingerlnöchel der vereinig
ten Zollbehorde zurück:
»Herr. was bedeutet das? Wenn
Sie der töniglichen Zollbehörde eine
falsche Angabe gemacht haben,
sv —«
»Aber, so überzeugen Sie sich doch
selbst, mein Herr«, sagte ich mild zu
dem Oberzollvorstnnd Dieser schaute
unbehaglich auf den schwarzglänzem
den Deckel meiner Schreibmafchine,
nickte und gab meine Aufforderung
vermittelst eines Vorgesetzten · Blickes
an den Unterzollvorstand weiter:
»Bitte, überzeugen Sie sich, Herr
Kollege«. Worauf der Unterzollvor
stand den Satz nn den Zollaufseher
fortleiteie: »Bitte, überzeugen Sie
sich doch!« Worauf der Zollaufseber
den Zollgepiielöffner augenblicklich an
fubr: «tleberzeugen Sie sich mal!«
Worauf der Zollgepiicköffner mich an
,briillte:
»Sie —- he — zum Donnerwettee,
überzeugen Sie sich doch, herrl«
»Ich bin schon überzeugt«, sagte
ich freundlich lächelnd, wie man die
dritte leischplatte bei Tische ablehnt.
»Deinen sollen Sie!" rief der
Zollamtsdetlarnnt und bliitterte hef
tig in seinem Taris in der Gegend
der Position «.höllenmafchinen«.
Also öffnete ich den Kasten, wäh
rend sich die Zollbebörde bis an die
Wand des nächsten Zimmer-z zurück
zog, weit es weiter nicht mehr ging.
Blitzend und unternehmungslustig
schaute sich die Schreibmaschine in den
Zollriiumen um« »Pah«, machte sie
in der Richtung der rückwärts ton
zentrierten Zollbehördr. Diese machte
die band hohl und rief aus dem Re
benzzitninen
»He, herr, wozu dient das s-— das
Ding da, he?«
«Meistens zum Schreiben", sagte
ich, worauf die Zollbehörde wieder
nähertam.
»Ist das Ding auch nicht gefähr
lichs« sagte die Zollbehörde freundli
cher, »Sie verstehen — fest. wo fast
alle Welt im Krieg ist —«
»Aber wo denken Sie bin?« sagte
ich und strich liebtosend übers Tast
brett. Dabei gab es ein bescheidenes
Getnntter.
«Teufet!« sagte die Zollbebiirde und
leitete die Verhandlungen wieder
vom Nebenzicnmer aus-.
»Aber es ist wirklich lein Pulver
drin, meine herren«
»Und auch kein Benzin oder Spiri
tus, het«
»Nein, der Spiriius hat im Kopfe
desjenigen zu sein, der sie schreibt.«
«Also sozusagen neutral, Herri«
»Jatoohl, meine herren, wohlwoli’
lende Neutralität sogar.«
»Es ist sehr sonderbar, mein herr,
das-, Sie sich mit dem Transport bon;
Schreibmaschinen besassen — in die-i
sen ernsten Zeiten?" ?
»Eine Schreibnmschine ist nichts
Lustiges, meine herren.«
»Also doch gesiihtlich?«
»Durchaug nicht, ich werde es Ih
nen beweisen und daraus schreiben.
hie-, nus diesem Notizbuchblatt.
Possen Sie aus« seht geht’s los.«
« Um Gotte-willen —- also hochl«
Die Zollbehökde hatte sich wieder in
telephonische Entfernung zurückgese
gen, zoknsunlelnv, während ich, ge
iniiilich pseisend, aus der Maschine
herumllappekte: »Guten Morgen,
en Fischer —- hekr Fischer, guten
eigens« Die Zollbehökde im Ne
benzinnnek erwartete hinter dem
Punkt die Explosion. Ali diese nai
lpliebkbekuhigte sie sich und verlangte
das Uescheiebene su sehen.
.hier, bitte.«
»Gut«. Die llbehöede hielt dirs
Blatt verkehrt: , as süc eine Spra
che ist hast«
«Deutsch«.
»Die Einsicht deutsch schreibe-wer
Scheeibmaschinen wird in diesen lei
tischen Zeiten seine Schwierigkeitfn
haben, herr« .
»Sie kann auch italienisch seh-es
beri«.
»Dann allerdings —- lassen Sie
sie den Satz aus Jtalienisch schreibe-m
bitte.«
Und ich tlapperte vergnügt: Eppi
oa la dogana — es lebe die ils-e
hörde«. Die Zolldehörde war pract
tos. Erst nach einer Weile sagte sie
«Es ist doch ein ganz ordentle
Dingc
Und zutraulich strichen sie ihm
iiber das Gestänge und trauten ihn-I
am Fall-band »Es tut uns Leid ·
sagten sie endlich, »aber wir müssen
sie doch verzollen-« .
»Sie ist doch benützt, meine Her
ren.«
»Beniiszt oder unbeniitzh wie müs
sen sie oerzollen. Wir werden einmal
im Tarif nachschlagen — hin,
Schreibmaschinen steht nicht im Taris
—- Ivir müssen sie unter einem allge
meineren Begriff erfassen —- Winkel
eisen? —- nein, das geht nicht —
»Vielleicht unter Dampfpsliige?«
sagte ich gütig. Die Zollbehörde sah
mich mißttaurisch an. Das ginge
auch nicht, sagten sie, mangels
Dampf.
«Geben Sie sich keine Mühe, meine
Herren,« sagte ich endlich, »ich zahle
keinen Zoll aus diese Schreibwei
schine.« "
»Dann —- dann werden wir sie
dabei-with
»Gut, vergessen Sie aber nicht, sie
regelmäßig zsu füttern-«
»Sie füttern?«
»Gewiß —- sie wird sonst verflucht
unangenehm. — Jch habe das ein
mal bei einer anderen Schreibwei
schine erlebt, meine herren —- am
zweiten Tage sing sie zu rasseln an
— am dritten brüllte sie —- und ain
vierten Tage explodierte sie und zer
riß den Mechaniker in tausend
Stücke-«
»Veeslucht verflucht machen
lSie, daß Sie weiterlommen. mit ih
rem dummen Kasten.« ,
.Jch mache Sie daran aufmerk
sam, daß die Maschine auch gegen un
geeignete geistige Behandlung sehr
empfindlich ist und vei fortgesetzter
Beleidigung —"
i »Wir bitten Sie, sich mit ihrer
geehrten Schreibmaschine aus unseren
:sriedlichen Räumen giitigst wegzulw
geben«.
« .«tlber der Zoll —« ,
»Lafsen Sie uns in Ruhe mit Ih
rem Zoll, mein herr«.
»Aber ich dachte doch, es sei Jhr
Zoll, den Sie —'·
»Unsere alten ehrlichen Zölle sind
zu gut siir derartige —«
Warnend ließ ich meine Schreib
maschine tlingeln.
«-—- für derartige unqunlisizierbare
Werte des Teu —'«
Abermals ilingelte die Schwime
schine.
»s-— des technischen modernen Er
sindungsgeistes —- wir empfehlen ian4
Ihnen, mein herrs« i
W '
Der Hauer-.
Eliqzc von S. Bariiiilnn »
Elsnben schließt die Entreetiir nnd
begibt szch in ihre Wohnung zuriict.
Die Vormittagssonne fließt durch die
gelben Sezessionsgnrdinen und schnsstl
in Verbindung mit der gleichfnrbigen
Tapete und den hellen, zierlichen Mö
beln eine goldene, lichte, fröhliche
Stimmung in dein Raum, den die
junge Frau betritt.
Lächelnd iiehtjie sich uni. Fur
ivahr, es ist ,,parndiesisch« bei ihr
und beinahe ivie ,,eine Königin«
fiihlt sie sich auchl Die Freundin,
die eben zu einer tleinen Pliruberei
bei ihr gewesen« hat nicht zu viel ge
sagt.
Nach rechts und lian stehen die
Türen offen. Hier zieht eine sanfte.
geheimnisvolle, grüne Dämmerung
die Augen an und lockt zum Träu
men; auf weichem, inoosdunllein
Pliisch spielen regenbogenschillernbe
Funken, die Neslere des prachtvollen,
modernen Glassensters, dirs eine
Bielengruppe und einen binsenge
säumten Teich rnit Schwänen veran
schaulicht. Drüben loht ersei in rot;
Wände, Teppiche Seidenbezilgr. Der
seidene Store wirtt transparent und
löst das grelle Sonnenlitht nur als
rosigen Schein herein. Das Blut treist
rascher, wenn man einen Blick in
diese Glut wirft.
So liebt sie's. Stimmung muß
jedes Gelas- haben, ein individueller
Gesicht. Und Morgens ist ihre Woh
nung am schönsten; da ist eben die
Sonne, geschickt durch mit Bebacht
gewählte Fensterverhlillungen ihrer
intensivere Stärke beraubt, die unüber
treisliche Künstlerin und malt Flam
men. Tinten und Töne in jeden Win
kel, die ein farbensreudiges Gemüt
bernuschen.
Ganz nach eigenem Gefallen hat
sie ihr Heim einrichten dürfen. Kein
Worte der E"nkede ist von heinrichs
Lippen geto men und zum Schluß
hat sie nur Loh geerntet, Lob von
ihm und Bewunderung von allen an
dern. i
Ja, ja, Geschmack hat sie alle Zeit
besessen, auch in der Wahl ihres
Gatten! heinrich ist ein hübscher
Mann, eine germanische Erscheinung,
und sie mit ihrer Liliputlieblichieir
darf sich arg zusammennehmen, um
an seiner Seite zur Geltung zu ge
langen. Die heiratslustigen Damen!
haben sie sämtlich beneidet um ihn,?
obgleich er mit einem Fehler behaftetl
ist. den sie allerdings erst jeßt zu be-;
incrten scheinen!
t Nun, sie will nicht boshast sein!
OF mag ihnen gegangen sein« wies
ih selbst; sie hat im ersten Liebes-l
ziicten site keinen Fehler gehalten»
« sich jetzt unmiihtich doch ais
sol er erweist, und jene so lange
« als die Möglichkeit, ihn zum
Manne zu getvinen, ihre Augen blen
dete! ;
heinrich ist derb, gerade, ohne alle
Spur on Galanterie nnd Liebe-us
" « wie sie die Frauen so
n. Jn der kurzen Vrautzeit
, sich aber zu Elsnbeas Er
eiii täppischer Bär ange
hat dann Besserung aus
Uehnisx erwartet, doch
alsche Schlußfolgerung
r tut ihr nnd andern
ihn die Wärme und
rzens antreibt, galant
der ständig
bald diese
eingesehen.
nlleö, wozu
Güte seines
ist er nicht!
Seine Gemütsverfassung erkennt
man schon auf thn Schritte Distanz.
Es fiillt ihm nicht ein zu hause,
wie draußen in der Welt sich irgend
zu herstellen, wenn er etwa ärgerlich
ist oder Eile hat oder eine unsympa
thische Person ihnpihre Gesellschaft
aufnötigt.
Alleg, was er spricht und schildert,
bringt er höchst schlicht und ohne An
sehen, ohne Anspusz und Effekt het
nug. Sie gesteht sich zuweilen grol
»lend, daß er ein großes Talent besitze,
’alles und jegliches ins Einsache, Be
scheidene, ja Gewohnliche zu ziehen.
Sie aber ist in einer iibernng ver
feinerten Atmosphäre ausgewachsen,
»in der Ritterlichteit, Schick, Eleganz
»und äußere Lebensart eine bedeutende
IRolle spielten. Da ist ihr nun man
ches an Heinrich nicht rechts
» Und es verdrießt sie, daß sie ost
von den Freundinnen nnd Schwestern
hören mußt »Tu. dein Mann ist ein
schönen Bauer! Jst mir heute begeg
lnet und hat inich lanm gegrüßt!«
Oder-. »Er nahns inir nicht mal ein
Paietchen ab uno sah doch, wie ich
beladen war!" Oder: »Er bot inir
dies und das niait an!« Oder: »Er
trug niir meinen Umhang und ;ies;
zihii in den Rot fallen!« Und so heißt
;es weiter. Tis. liebenswürdige Be-!
Tnenriung »Bauer« hat sich nicht in
Clsnbens Ohr festgeseht, sondern isti
schon in ihr Denken übergegangen.
Sie wendet sie ini Stillen bereits sel
hee an!
l
»Griiß dich matt, Liesei!« .
»Was fällt dir ein? LieielI Du»
sagst es schon eingge Male: Bin ichj
denn die Frau einer- Vlrbeiters?«·’
spricht sie entwis« l
l
»Gottlob, jik Eines Arbeiters(
im besten Einan Jch ichmeichle mirl
sogar, ein fleifknnssx Kerl zu sein!«
«Ach wag! sich meine etwa die.
srau eines Schuhmachersl Der mag)
eeine Frau Lieiei rnfeni'· ;
»Schuhe nnntxen kann ich aller
gingi nicht! Nur zerreißen!« ant-l
wortet er heiter.
«Siehst du, Schatz!« — er zieht
ihren Arm neun-nich in den seinen
und geht, ibrc Gereiztheit nicht be
achtend, mit ilir ins Eßzirnmer —
·— »ich sann Geziertheit· nnd Unna
tur von Grund ans nicht leiden, und
Eliabea, wie du dichfeit vierzehn Ta
gen nennst, ist doch schauderhaft un
natürlich und erkijnstem Wer wird
denn den eigenen Namen so verun
italteni Hast du das schon öfter
gemachti Freilich! Jch erienn’5 an
deinem Flammenijderzugi Lisa. Li
scbeth, Eise, Lisette, da biit du schon
durch? Als ich dich kennen lernte,
siehest du dich voll und richtig Elifas
bet, just wohl, weil Wagners »Anme
häuser« so sehr im allgemeinen Bor
dergrund stand! Mir legte sich be
reits in der Brautzeit das langest
mige Clisabet auf die Nerven; doch
da deine Umgebung so geflissentlich
daran festhielt, spielte ich die Rollel
miti Aber nun du inein bist, nennj
Ich dich, wiss mir gefällt! Liebe,i
k
süße Liesel, das klingt doch so schön
und traut?!«
Sein hunwrvoller Ton ist zum
Schluß ein inniger geworden. Nun
schaut er ihr warm in die Augen«
Sie zwickt eigensinnig die Lider zu
Jm Innersten ist sie tief beleidigt.
Er hat den Nagel auf den Kopf ge
troffen; sie hat sich genau Eliabet
nach Wagners »Tannh"ciuser" ge
nannt, aber doch nur, weil ihr Ge
liebter den gleichen Namen trug, wie
der Held in «Tannhäuser": »Heinrichl
Doch, was versteht von der subtilen
Zärtlichkeit eines Frauenherzens die
ser Bauer da!
«Liesel! An den Namen lnlipst sich
überdies meine einzige, liebste Ju
genderinnerung!« spricht et weiter.
Da schlägt sie die Augen neugierig
auf. Hat vielleicht seine Jugendges
liebte so geheißcni Und — und will
er ihr —- — ihr Herz bebt vor Angst
und Entrüsiung — will er ihr etwa
davon. . .
»Du weißt, ich wuchs aus einem
ganz einsamen Gehöfte heran, ohne
Geschwister, ohne Gespielen. Jmmer
war ich aus mich selbst angewiesen,
fühlte das aber erst schmerzlich, als
ich etwas größer wurde. Da schenkte
mir meine gutherzige Mutter an mei
nem achten Geburtstage zwei junge,
weiße Ziegen als Spielge ossen.
Von der einen will ichlxntcht re
den; sie war eben eine Ziege, ein ge
wöhnliches Tier. Die andere aber,
die andere war ein Wunder an Klug
heit,Jntelligenz und Aufsassungggabr.
Munter, anhänglich und gelehrig, so
ward sie mir als ein Spielzeug, ward
mir ein Freund, wie inir’s ein gleich
altriges Menschenkind kaum hätte
werden können. Jeh liebte sie unbe
schreiblich. Jch lehrte sie Runststiicke.
einfache, schwierige, seltsame; sie be
wältigte alle leicht und mit freudigem
Eifer. Was sie leistete, würde in
einem Zirtus rauschenden Beifall ge
weckt haben!
Zwei Jahre hagte ich sie. Eines
Tage-i wurde ein Balle los, rannte»
wie besessen im hose herum, trampeltes
einen Hund nieder spkeßte meine sie-l
ge aus, schleuderte sie hoch, und alös
sie niederfiel, war der einzige Freunds
meiner Kindheit, meine arme, so heiß »
geliebte Liesel tot!«
Kreischend flieht die junge Frau
von ihm weg. ·
,,Liefel hieß sie! Bauer, der du«
visit Bin ich denn eine weißt-u l
Berbliisst starrt sie Heinrich an..
Hat er eine Dununheit gesath Mit"
hilfloseni Gesichtsaugdrurt steht ers
da und kratzt sich die Wange. l
»Das war nun wirklich gut ge-?
meint, Fraucheni Wenn ich an meines
Jugendgespielin denle, wird mir umsl
Herz so warm! Und der Name istl
mir wirklich so arg lieb und. . s
»Ein Bauer bist du! Recht ha-·
ben alle, die dich so nennen! Wenn«
diese Geschichte ein Mensch gehörtj
hätte, könnte ich mich nimmer sehen;
lassen!« ' " (
»Aber es hat sie ja niemand gehört«
und ich sprach dir nur davon, damit:
du eher begreifen. . .
»Nichts begreise ich«, fällt sie zor
nig ein, »als daß du wirklich unds
wahrhaftig ein Bauer bist! Mich Lie-s
sel zu benanisen und noch dazu aus-I
Anhänglichkeit an solches Tier! Ach,·
was werde ich an deiner Seite noch
zu leiden haben! Du wirst deinei
Herlunft nie überwinden iönnenl"
»Du kanntest meine Herlnnft!««
spricht er gekränkt. »Ich habe nie-,
rnnls ein Hehl daraus gemacht, inr
Gegenteil; ich bin stolz, trotzdem ich
aus einfachen, ländlichen Verhältnis-I
sen hervorgegangen bin, es so weit
gebracht zu haben! Uebrigens, auch
toenn meine Hertunft eine andere ge
wesen, ware ich ni: solch ein Hampelss
mann geworden, oer der EinbildungI
engherziger Menschen gemäß bald so,s
dann so zappelt! Aus Ueberzeugung,
und innerstem Trieb, aus Abscheu vorI
diesem glattem nichtgfagenden, er-l
logenen Wesen und Benehmen nickttlj
Müßte mir nngeschlachtem Burschenl
auch gut anstehen, so tatsenbuetelnds
und Rratzfjisie ziehend mich abzitpln:
gen!' i
»Das verlangt keine Seele oon dir!
Doch könntest ou immerhin gegen«
nnsere Verwandten und Freunde et-’
was höflicher und rücksichtsvoller
sein! Und noch mehr gegen deine!
Frau! Nenne mich nie mehr miti
dem plebejischen Namen, verstehst dul!
Ich mag ihn nicht hören! Er ist ab- ·
instance-n s
»Wenn’6 dir nnlieb ist, werde ich’St
sein lassen!« antwortet er und ver
läßt das Zimmer, um den Streit zu
beenden. i
Von da ab zürnen sie einander
Wohl schmilzt der Groll alsbald vorri
Stunde zu Stunde mehr zusammenxs
doch ziingelt schon gleich wieder eint
anderer Zorn empor, der Zorn des·
W
·Einen darüber-, daß ihm der Andere
Iiiberhaupr zürnen lannL
Nun wird die Situation noch
Ischlimmer; sie findet aber einen uner
iwarteten Abschluß. Heinrich erkrankt.
Mitten in der Nacht faßt ihn ein
Schüttelfrost, und bis der von der
’erfchreckten Frau herbeigerufene Arzt
’erscheint, liegt er in flammendern
Fieber und ohne Bewußtsein.
i Elsabea hat noch nie einen Schwer
tranten gesehen. Sie ist entseht. Die
wilden Zuelungen des trauten Leibes,
die wirren Reden ängstigen sie. Da
bei laufen ihr unaufhaltsam die Trä
nen iiber die Wangen vor heißem
Mitleid rnit dem Gatten.
Der Aerzt weiß mit der jungen,
ver-störten Frau nichts anzufangen.
Die Ernsthaftigteit der Krankheit
aber —- irupöse Lungenentziindung—
erfordert peinlichste Pflege. Er ord
net eine Krantenschwester herbei
Wenn der Kranke heftig aufstiihnt,
fo daß Elsabea furchtsam zurück
weicht, wie sanft streicht ihm die Pfle
gcrin über die Stirne und die zucken
den Finger, Ivie sorglich rückt sie ihm
das Kissen hoch, wie weich und leise
spricht sie zu ihmt
Da bricht in der jungen Frau eine
impulsive Eifersucht aug. Und diese
Eifersucht gibs ihr Kraft, das Grau
en und die Schwäche zu überwinden
Jit nicht ihr Platz an jenem Bette?
Diirfen andere Hände als die ihren
den Gatten berühren? Alle seine gu
ten Eigenschafnn treten vor sie hin,
und was ihr bis jetzt ein Fehler ge
däucht, klärt sich in oen Stunden des
Bangens zur Tugend auf.
· Er braucht den Firnig der törich
ten Welt nicht! Die Stärke, die
Eitelnheit und die Wärme feines Her
zens ftrahlen einen Glanz aus-, der
allen falschen Schein entbehren läßt!
Dasz nicht jedermanns Verstand ihn
verstehen kann, was tut’s! Sein
Weib sieht ihn leuchten, von dieser
Stunde an leuchten —- wie ein heili
ges Feuer, und sie begreift ihn mit
vollem, seligen Gemüte.
Dei Arzt ist bald erstaunt über
ihre Veränderung. Von Tag zu
Tag hantiert sie ruhiger, sicherer am
Krankenlager. Sie verdrängt lang
sam die Pslegerin, und alles, was
wichtig ist, schasst sie schließlich al
lein; nur unterstützen dars sie oie an
dere, ihr die Miihsal und Beschwer
den erleichtern
Freilich innerlich ist sie nicht so
ruhig. Sie leidet mit Heinrich
schwer. Sein Stöhnen reißt ihr das
Herz auf. Sie möchte den jammern
den Mann aus ihre Arme nehmen
und umhertragen wie ein kleines
Kind, vielleicht wiirde er stiller wer
den. Sie möchte ihn an ihre Brust
betten und trösten: Jch bin ja bei
dir! Jch, die ich dch iiber alles und
unaussprechlich liebe! Jch teile deine
Pein! Jch will sie dir lindern! Und
ich werde dich gesund pflegen!
Und zu all der Qual, die sie mit
Anstrengung verbirgt schläft sie teine
Setuude, genießt nichts-« alg manch
mal einen Schlucl ttärtenden Weins.
der bereit steht siir den Kranken, sie
umsorgt den Gatten mit aufmerksam
iter Genauigkeit und vollbringt so,
was nur die echte Liebe zu verllbrin
gen vermag
Und endlich, endlich haben sie ihn
durch. ie Gefahr ist vorbei; er er
holt sich. Da ist Elsabea, als niiiszte
sie die Arme ausbreiten und schreien,
schreien, daß es bis ans Ende der
Welt tönt: »Er bleibt bei mir! Ich
darf ihn behalten!«
ists ist am dritten Tage nach der
Krisis-. Die Kranienschtvester ist
fort; sie sind zum ersten Male allein.
heinrich sitzt halb aufrecht im Bett.
Die junge Frau tritt ing Zimmer
nnd bringt ihm die Sappe.
Sein Blick schweift ernst über sie
hin. »Liesel«. sagte er, »den siehst
schlecht ans! Hast du. .
UndU dann schweigt er verlegen.
Ihr Streit zieht ihm durch den Kopf.
Bis heute hat er nimmer ihren Na
men ausgesprochen nnd jetzt eben un
besonnen den, den sie nie mehr hören
wallte!
Sie aber lächelt, und doch stehen
ihre Augen voll Tränen.
Er schallt sie schen und betroffen
an. Da stellt sie die Tasse mit
Bouillon beiseite, fällt ihm plötz
lich um den Hals und stammeltc
.Sag’ LieseL Geliebten sag' wieder
Liesell Sag' ein langes, gesegnetes
Leben lang den Namen den dein Vers
knie- gab!«
—- Der Prophet. Schnei
dermeister lle seinem Nachbar, als er
einen Trupp Studenten als Krie O
sreiwillige ins Feld ziehen sieht): - le
kommen alle heil wieder zurück!
Nachbar: Woher wollen Sie das
ivlssctl?
Schneidernieisten Die waren schen
von je her so schwer zu tressenl JJ