Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, July 22, 1915, Sonntagsblatt, Image 11

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    Zifpässithjen Diikkekkik
iAus Feldpostbtiesrn.)
Ein richtiges polnäsches Dorf —
da ist ein Regenbogen nichts dagegen!
Die Häuser sind himmelblau oder
tarrninrot gestrichen, die Fensterläs
den giftgriin mit orangegelben
Schnörkeln. Auf den Gartenstateten
hängen die Strümpfe und die Feder
betten der Bauern; kuriert, dottergelb
und blntwi oder gestreift grün und
violett. Die Marias und Marinakas
laufen herum, überladen mit rot.
gelb, grün, blau, schwarz gestreiflen
Tücherm in Tücher und Tücher ein
gehiillt bis zur Nasenspitze. Und die
Panjes tragen Westen· giftgriine oder
gelbe, an denen sich die Berliner
Schöpfer einer »neuen deutschen Mo
de« Gier könnte es die Eint-entring
Mode« fein) begeistern könnten. Ueber
jeder Haustijr Unterm Strohdach
den sind Luxus. Jeder scheint do set-;
ne paar Brocken aus dein Erdboden’
auszubauen, wie ihn der herrgott ge-»
schaffen hat —- und wie es da drin
nen aussehen mag, können Sie sich
denken. Da spielen die Hühner. En-.
ten, Gänse, Ferkel, Kinder und junge
Hunde miteinander in der Wohn
stube, trauchen unterm Bett herum,
und es ist keine Seltenheit« daß nn
terni Ehebett Gras spricht, oder sich
ein Gänseblümchm findet, sintemal
innn eben aus dein blanten Erdboden
zhaust Und hier hausen wir deutsche
FSotdaten jetzt mit, —- ost 20 Mann
»in einer Bude. Sie sind darauf an
Igewiesem mit diesen politischen Leu
sten auszukommen, die der Krieg arm
igemacht hat; und die »deutschen Bar
sbaren« suchen den Leuten in Feindes
Sonntags-nd- in einem russifchspotnisrlchr Dorqutaitter.
!
hängen einige bunte heiligenbilder,
meist mit der Modonna von Czens
stechen-m die schwarz aus goldenen
heiligenscheinen und goldenem Man
tel sieht. Wie gesagt also, da kann
ver Regenbogen einpaeten. Allerdings
ist es so regenbogensarbig nur ganz
in der Nähe größerer Söhn; anders
hi(
Lohns-bet- Bauerumndclien WI- einem
dumme-. Quartier in Anstand
wo ist es eintönig und garstig, und
die Armut, die für Polen charakteri
stisch ist« wagt es nicht« sich in so
farbenfkohek Lebensluft zu äußern.
Aber —, ob arm, ob reich, —- bei der
,polnischen Wirtschaft« Min im
mer. Meinen Sie etwa, in Polen auf
dem Lande kenne man so was wie
ein-en Holzfußboden, oder wie ein
siegelt-ach oder gar einen Keller?
Fundamente sind Luxus, Holzfnßbös
’land zu helfen, wo sie lönnen. Sie
"geben ihnen vorn Ueberslusz: Brot«
Salz, Zucker, Speck nnd Kassee. —
nicht zu vergessen die Paviruzc. die
»Zisarette, die ein volnischer Panje
weniger entbehren lann als das täg
sliche Brot; und nicht zu vergessen die
lSchotoladh sür die ein tleines pol
snischeg Mädchen sein Herz hingeben
stönnte . .. Das bißchen, wag die Leu
ste noch haben, verstecken sie natiirlich
Ivor uns-. An unmöglichsten Orten
hört man geheimnisvolles Schatten
Ivon Hiihnern und Grunzen von
YSchtoeinen... Von wo? —- Von
Gott tveisz tvoher!... Einmal iib:r·
nachteten wir ein paar Mann oben
unterm Dach eines Hauses im Stroh
und schlasen den seliasten Schlus.
Plötzlich ein wildes Gebrüll; ein
Ungetüm schritt iiber uns hin nn
Dunkel und brüllte. Jch tastete nach
meiner Taschenlatnpe und bekam da
bei —- dag Horn eines jungen Bal
len zu sassent Dabei stürzte eine von
dem Panie des Hauses rassiniert aus
Ztrohbunden aufgestellte Zwischen
tvand aus uns ein, hinter der er den
Ballen versteckt gehalten hatte.
II I If
Ein rheinliindischer Soldat, der
zu den Schanzarbeitern gehört, ver
ooltstandigt die obige Schilderung:
Das Land ist ja herrlich, fruchtbar
und segenschwer. Wie aber eine »pol
nische Wirtschaft« aussieht, das toill
ich hier getreulich schildern, ohne im
geringsten zu übertreiben
Die polnische Stuve besteht aus
drei unerschütterlichen Grundpseilern,
dein Herd, dem Bett und den Heili
genbitdem Es gibt teine Stube, in
der man diese drei nicht sände. Der
Herd ist stets geheizt, immer, auch
wenn draußen Tropentemperatur
herrscht Damit die Wärme hübsch
erhalten bleibt« werden die ohnehin
tleinen Fenster nie geöffnet, nie, auch
nicht des Morgens. Das Bett steht
in'.einer Ecke. Es ist an und siir sich
ein ganz normales Bett, nicht länger
und nicht breiter als unsere daheim;
« W-- ---- — s- »s
Vaneknsamjlie« .Nuss fch Pech-.
»f
W
aber höher, viel höher. Der Polin
Stolz ist das Federbett, und da sie
sehr stolz ist, so türmen sich die Kis
l. n
, -«'IE-cI-Is"dssk’·
sEin Anliegen an den Ortstoinmans
l daiten.
sen zu einem wahren Ehimborassd
empor, immer eines aus dein ande
ren. Sauber davon sind immer nur
die beiden obersten, sie haben Parad
beziige und werden nie beanst. Jn
diesem Bett — manchmal sind es
auch zwei —- schlasen drei bis sechs
Personen. Wie sie das machen, ent
zieht sich meiner Kenntnis, doch
stimmt die Zahl, denn ich habe jeden
Morgen das Vergnügen, dem Erwa
chen der Familie zuzuschauen. Manch
mal verläßt alH letzte die — Katze
das Vett, aber nicht immer. Unter
dem Bett — das darf nicht vergessen
werden — stehen drei strohgesiillle
Körbe, darin brüten drei Hühner,
neben dem Bett, unter einem ziem
lich wackligen, stets schmutzigen Tisch,
besindet sich eine Kiste voll Stroh,
darin schnattert eine Gans mit vie
len stillen. Jst das Wetter lalt, dann
werden diese winzig tteinen Gänse in
ein staches Sieb gepsercht und unter
die Federbetten gelegt, damit sie es
hübsch warm haben. Außerdem besin
den sich neben der Familie ans sieben
Köpfen in der Stube drei Katzen nnd
ein Hund, der sich beständig kratzt,
eine Beschäftigung, die er scheinbar
seinem Herrn abgesehen hat. Hin und
wieder stattet ein Schwein der Gänse
Hnntter einen freundschaftlich-grun
Izenden Besuch al- ader der Haushahn
linspiziert das Brntgeschiist seiner
I- Favoritinnem
III-C
Ein neuer Kriegsschauplatz itn
Osten hat neuerdings unsere Blicke
aus das alte Kurland gelenkt, in
das die deutschen Truppen aner
warteteeweise eingedrungen sindAls
zu Beginn des Krieges die russijchen
Heere an Ostpteußens Grenze er
schienen, da ging die landläufige
Meinung wohl dahin, man werde,
wenn der Feind erst ans der östli
chen Provinz verdrängt sci, ans
seiner Verfolgung alsbald tief nach
Kurland, Livland und Eithland
eindringen, um diesen einstmals
deutschen Boden zu deietzm Aber
die Krieggereignisse im Osten haben,
wie man heute weiß, eine ganz an
dere Entwickelung genommen. Die
Notwendigkeit, den österreichisch-un
gotischen Bundesgenossen zuk- Seite
zu stehen, und die Gefahr« die Po
len, dieser ties zwischen die deutschen
und österreichischen Lande sich ein
schiebende tussische Keil. bildete, nö
tigten die deutsche Denke-verwaltung
von einein Angeiss aus die russischen
Ostseeprovinzen bis zu gelegenerer
Zeit abzusehen. Nun, da der Früh
ling ins Land gezogen ist, stehen deut
sche heere auch auf diesem Boden des
weiten Russenreiches, und seltsame
Gefühle müssen den deutschen Teil
der turländifchen Bevölkerung be- ·
schleichen, die ihr heutiges Vaterland
von den Truppen des Voltes besetzt
sehen, dein sie Abstammung, Sprache
und Kultur verdanken, nnd dem sie
wesenggleich geblieben sind, obwohl
sich Rußland ein halbed Jahrhundert
hindurch mit allen Mitteln bemüht
hat, in seiner rücksichtslosen Art das
Deutschtuni in Kur-land, wie allem
halben in den Ostseeprovinzen zu un
terdriicten.
Die Zlviespältigteit der Kultur in
diesem Teil des russifchen Reiches
spiegelt sich deutlich in nein Gemisch
deutscher und russischer Ortsnamen.
Ueberall, loenn man das Land durch
wundert, trifft man auf die Spuren
der Herrschaft des Deutschen Ordens,
der dieses Gebiet der Zivilisation des
Westens dereinst erschloß. Stolzras
gende Ordensschlösser, alte Kirchen,
Adelåsitze aus der Ordcngzeit sind
über das ganze Land verstreut und
mahnen den Reisenden an eine längst
vergangene Epoche. Mit zähen echt
deutscher Llusdauet haben sich denn
g
Pomifchc Väucrinnm vor itzko durch rnfjsfchcs Akkillericscncr in Brand qcratcucn
spät-sum
Ueber alledem aber thronen in viel
sarbiger Buntheit ZU Heiligenbilder
mit polnischem russisehen tnid latein
nisehen Unterschriften. Staub und
Spinngewed von Jahrzehnten haben
sie dick überzogein
Neben diesen eisernen Bestandtei
len jeder politischen Stube ist da noch
ein Gewier von tleinen Geräten,
Bauten, bunten Truhen und Kruzi
sixen, die alle nur das eine gemein
sam haben, daß sie schmutzig oder
mit einer dicken Staubschicht überzo
gen sind.
Und wie die Leute daheim sind, so
find sie es auch nach außen. Die
Häuser sind niedrige Lehmbaracken
mit Strohdiichern, die Straßen sind
schlainmig und abgrundtief und die
Höfe sind gewöhnlich ein einziger
großer Misthausen· Und um dein
allen die Krone auszusetzem hat solch
politisches Dorf dann noch einen siir
normale Zungen unaussprechlichen
Namen.
Um diesem Schmutz nicht rettungs
los zu verfallen, haben desxstaisers
Schanztruppen eine eigene Kantine
eingerichtet, in der es sauber und
gemiitlich ist. Zwei diedere Rhein
länder, die in Zivil ganz etwas an
deres sind, siihren hier das Zepter
und, wenn nach des Tages Last und
lMiihen beim schäumenden Glase Hei-—
matslieder erklingen, dann siihlt man
sich wieder ein Stückchen näher der
heimat
Am Tage aber wird draußen aus
freiem Felde gearbeitet; »wir picken,
idasz die Erde spriht, wir schanzen
TGräben und Verhau«, und während
Ihier Hunderte von deutschen Män
Inern die Axt schwingen, blüht und
sgriint auf allen den weiten Feldern
ringsum russisches Korn siir deut
sches Brot« aus daß Altiions Plan
zuschanden werde« Deutschland aus
szuhungem '
sprich die Deutschmku durch aue
Stürme hindurch ihre Eigenart und
.ihren lutherischen Glauben bewahrt,
und der auf seinen ererbten Schlös
sern sitzende LItdel funlt zqu größten
ILeile noch deutsch, nie es seine Vor- l
fahren taten. Lig unten nicht zumf
tleinsten Teile diese Butten, die zu»
dein Aufschwung thuleands in den
letzten Jahrzehnten tseigetragen haben. ;
tlurland ist itn siesentlcchen auch
heute noch ein V.:-iernland. Der
Vlckerbau bildet die Grundlage der
wirtschaftlichen tsxijie1u, und die Jn
dustrie, die nur gezinge Bedeutung
hat, befaßt sich mit Ler Verwertung
der im Lande gewordenen landwirt
schaftlichen Produkte Lqu dem plat
ten Lande wogen iui Sommer weite
Getreidefelder; Rennen und Weizen,
Hafer und Gerste werden überall an
gebaut, wo es die Bodenbeschassenheit
gestattet. Auch gedeiht in Kutland
vorzüglichelz Obst; für den Martt der »
größeren Städte wird ein unisang-’
reicher Gemüsebau betrieben. Auf den l
weiten Wiesen weidet aut aussehendes ’
iVielY um dessen Veredelung sich der;
Landadel bemüht. So sind die viel- ?
fach minderwertigeu rusfischen Rassen »
an Hornvieh und Pferden schon zum
Teil durch bessere Schläge ersetzt.
»Gros1 ist auch der Waldbestand in
lKurland5 im Westen und Süden ge
Jdeiht, dank dem hier noch recht gün
s stigen Klima, schöner Laubwald wäh
; rend im· Norden und Osten Nadelhöl
l zer vorherrschen. An der flachen, gar
Inicht gegliederten Lstseeküste fehlt es
fast völlig an bösem nur Libau und
Windau besihen natürliche Höer von
Jausreichender Ausdehnung für die
JGroßschiffahrt; dazu kommt noch der
’mtttelbar jenseits der deutschen Gren
izh Von Süden her, aus Litanen,
ziehen sich flache Höhenrücken nord
wärts ksrch Kur-leiern deren Höhe
Dir Kämpfe Iti Ums-.
zwischen 70 und 130 Meter
schwankt, und die das Lliiidschafts
bild vielsach reizvoll gestalten. Jn
der Ebene werden die weiten Fla
chen durch zahlreiche kleine Seen un
terbrochen; von den Flüssen sind mn
bedeutendsten die Kurische Aa, die
Windau und die Dünn, die das
Gouvernement Kurland von den Gou
vernements Witebsk und Livland
trennt. Auch verschiedene künstliche
Wasserstraszen sind angelegt.
Die Bevölkerung Kurlands beträgt
heute mehr als Zs4 Millionen und
besteht zu nicht ganz drei Vierteln aus
Protestanten, 18 Prozent gehören der
orthodoxen und der Wunsch-katholi
schen Kirche an; dazu tommen noch
8 Prozent Juden. 75 Prozent, näm
lich der ganze Bauernstand, besteht
aus Letten; in weitem Abstande sol
gen die Deutschen mit 8,2 Prozent
und die 8 Prozent Juden. Russen——
sask nur Bpamte und Militärs —
slnd mit 31-2 Prozent vertreten; den
Rest der Bevölkerung bilden Polen
und Littauer. Die Oberschicht der
Bevölkerung gehört sast ausnahms
los dem Deutschtum an, das neben
dem Adel auch die gesamte Ober
schicht der städlischen Bevölkerung und
einen kleineren Teil des mittleren
Bürgertuan umfaßt.
Die- Stammbevolkerung Kurlandä
seit der Böllerwanderung loaren die
Huren, die wohl sicherlich lettischen
Stammes gewesen sind. Als um di-:
Mitte des Js. Jahrhunderts der
Deutsche Orden ins Land kam nnd
die Kuren unterwarf, wurde das
Christentum eingeführt. Kurland bil
dete seitdem einen Teil des Deutsch:
Ordensgebiets bis zur Abtrennung
vom Deutschen Reiche. Dann, um die
Mitte des 16. Jahrhunderts-, wurde es
unter politischer Oberlehnshoheit ein
Herzogtum Der letzte deutsche Or
densmeister, Gotthard Kettler, tvurle
der erste Herzog von Kurland Seine
Söhne und Nachfolger lagen in fort
dauernden Fehden mit den Stunden-.
im Jahre 1737 erlosch der Name
Kettler, und Finrland kam ganz unter
russischen Einfluß. Der letzte Herzog
Peter, der Familie Biron entstam
mend, trat 1795 sein Herzogtnm ge
gen ein Jahresgehalt an Rllszland ab.
Dek Mehr-m is Eile-.
Auf ein originclles Mittel, Gelder
für den Witwen-« und Waisenfonds
zu sammeln, ist man zuerst in Wien
verfallen, und das Beispiel hat auch
in einzelnen Städten Deutschlands
Nachahmung gefunden. Es wurde
dort eine lebensgroße Holzstatue, ei
nen mittelalterlichen Niter darstel
lend, errichtet, und in diese darf je
der, der mindestens eine Krone für
den genannten Fonds spendet, einen
Nagel einschlagen, sodaß die ganze
Figur schließlich ein eisernes Gewand
erhält. Ein solcher ,,Wehtmann-in
Eisen« ist hier im Bilde wiedergege
ben.
-
»Der Rest ist Sch:oelgen!« rief der
Landlvehimann Schulze freudig aus-,
da betain er für seine Tapferkeit das
lfiserne Kreuz nnd vierzehn Tage
Illrlaub in die Heimat.
i y
! »l?inmal reißt auch der stäklste
HWalzn entzlrei!« dachte man in Neu
ltralien und begann die Siegesdepes
schen des Treiverlsandeg mit kritischen
Plagen anzusehen.
Die deutschen Soldaten im Zithtnftskrirrx.