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About Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918 | View Entire Issue (June 24, 1915)
M sie missen « Von Fi net Münzer-. Berlin war endlich eingeschneii. Die weiße Stadt fah ganz verwan delt aus, verspätet weihnachtlieh. und abends, wenn die Laternen den , weich fallenden Schnee zu goldenen Floelen machten, war es wie in Mär azen «Saleh ein zaudekiicher Abend war es« als ein kleines Mädchen eine laute und belehte Straße verließ und in eine stillere einbeg. Da waren nur jeht reiche Wohnhänier mit kleinen Gärten und prächtigen Partalen. Der Schnee lag unberührt auf Steinen, Gitter-n Fenstersimsen Es taar gar nicht talt, die unbetoegte Luft schien fast lall. Das Mädchen ging langsam und vergnügt dahin und schlenierte ein Täichehen hin und het. Man fah es ihrem hochgeteagenen Näschen an, daß ein heimlicher Stolz ihre Bruit schwellte. Niemand erriet, was für ein tüchtige-s Mädchen sie war; man tonnte es ihr wirklich nicht ansehen. Man sah nur, das sie hübsch und fein war, blond und braunäugig, gut angezogen und sittfmm Aber keiner ppn allen Leuten. die an ihr vorüber gingen« wußte, daß sie eine lleine Künstlerin war! Eine Strickliinstle rin! Das mag ja in ruhigen Zeiten nicht viel und nichts Außerordentlii ches lein, aber jetzt hatte das etwas zu bedeuten. Fräulein Kuliete, die handarbeitelehrerin, hatte heute vor mitag laut und verriet-much vor der ganzen Klasse gesagt: »Geeda, du bist wirllich eine tleine Künstlerin!« .Und warum? Gerda striitte Pano schuhel Aus weicher silbergrauer Wolle striate sie silnssingerige, nicht etwa Fausthandschuhe siir ihren dru der im Feld. Weiß Gatt, das llingt nach gar nichts und ist doch etwas ganz Besonderes. Handschuhe sind nämlich weit schwieriger als Socken oder Leibliinden oder halsschals. Von allen sechsundzwanzig Mädchen in der Mast-s lonnte nur noch eine außer ihr dieses Kunststück sertig bringen« und auch die nur langsam und mit vielen verlorenen Maschent Aber sie Gerda, striate das schwierige Wert miioelos und rasch, oie Hand schiihe formten sich so von selbst un ter den tlappernden Nadelii, einer war schon ganz sertig» und der zweite hatt-. » Aber Gerda war auch sleiszig gewe sen« Jn allen freien Stunden hatte sie gestriitt. Wenn sie in die Schule fuhr, hatten ihre Radeln getlappert, wennkdie Mutter abends die Zeitung rorlas,«hatte sie gearbeitet· Selbst heute nachmittag, wo sie bei ihrer te sten Freundin Meliita zum Kassee ge laden gewesen war —- ach, ed hatte Schott-lade und Ananastorte gegeben, zwei Stüclisiir jede und einen gro ßen Alex Schlagsaonc —- hatte sie nicht geruht. Und sie hätte noch den Daumen sertig betomnien. hätte sie nicht piinltlich um sieben Uhr daheim sein iniissen. Nun eilte sie schneller, die letzten hundert Schritt. Und da war auch schon das Hatt-. Ali sie oben läutete. hörte sie·hin ter der Tür schon laute und sreudige Stimmen. Das wunderte sie. Sonst war es immer sehr still bei ihnen. Die Mutter bangte doch um den Einzigein der draußen im Osten stand, von Ge secht zu Gefecht marschierte und sich das Kreuz endlich verdient hatte. Was gab es da drinnen Oh, die Mutter weinte, uno sueci rie, dar- nlte Mädchen, weinte. Ulrier e- waren eitel Freudentreinen Denn soeben war ein Telegrainin gekom men: Fritz, der Leutnnnt, triirde aus ' deni Wege nach deni Westen Berlin passieren« heut nacht, um zehn Uhr Ade es auf dem Militardahnlwf L; inpelhof eine halbe Stunde mitent l,alt. Ach, welches- Gliicts Ein un verhofftes Wirt-ersehen nach sechs Monaten, und auf wie lange Zeit hinaust Schon jetzt war die Freude wehcniitig verstört Ader auch Gerda brach in Tränen auc, so leidenschaftlich, wie nur die kleinen Zehniiihrtgen weinen Minnen Und als die Mutter sie tröstend umfing, tagte sie vesztreifeln »Ich hab ja die handfchuh nicht fertig. Erst einen. Und den zweiten halb. Und nun tann ich sie Fritz nicht gedru. Und er wird denken, ich bin faul gewesen und will nicht mehr." Sie beruhigte sich erst, als die Ma nia ihr riet. dein Beuder den einen Handschuh mitzubringen Den zwei · ten würden sie in acht Tagen als Feldooftbrief yachtenden. Schlange tdnnte er sich schon noch behelfen. Das fah Gerda ein. Und nun be gann sie, zu rasten, zu paaen. Aller let« Gutes sollte doch der Dukchfahi rende mithetoinmen Und Marie flog hinunter um Rum und Schotolade, und Matna lief ihr nach, weil die Zi .garren vergessen waren, und Gerda - hutete das hau- und packte ihren sil « der-grauen handfchuh in Seidenpapier, und ein htenmetdlaues Band kam her unt. und das mußte wieder fort, weil etn Ichtvarmetseotei Band ver-1 ceetender schien. llm neun Uhr brachen fte aus« alle drei. Denn auch Maeie hatte gehe - M- mitkehen in dürfen. Sie war is sp ftp auf den jungen deren, Her Dust-IM- eutnant geworden war. In e« der ganzen Straße gab es keinen schö neren Mann. und sie wurde auch von allen Kolleginnen gehörig beneidet um ihre gute, warme und freundliche Stellung. Ein schwor er Menschensirom wälz te sich dem Zahnhos zu. Da unten glänzten die Gleise wie gesrorene Rinnsale weithin. Bunte Laternen glühten dazwischen, und der Schnee strahlte alles wider. Fast nur Frauen waren es, die da aus der Stadt ta knen, zu Fuß, zu Wagen und Auto, rnit der Straßenhahn. Die Nacht wur de laut und lärrnend; Junge Mädchen stinunen schallen erregt. Auch Kin »der trippelten dazwischen. Wie eine Flut Sehnsucht und Liebe schwoll es Ihcrnn und stürmte aus den Bahnhos Thinab. i Gerda stand zwischen der Mutter Hund Marie. Sie zitterte vor Erre guug. Der Zug tonnte noch lange nicht kommen, aber schon starrten alle »hinaus, wo die erhellte Nacht sich wie der in Finsternis verlor. -Driiben iider der Stadt lag ties eine rt an gegliihte Welte. Jrgendwo zischte Dampf, gellte eine Signalpseise. Der Zug lies nicht pünktlich ein. Es galt, zu warten. Gerda, die sonst um neun Uhr schon schlies, wußte nicht- von Müdigteit. Sie rührte sich nicht. So llein sie war, so begriss sie doch dieses Große und Erschiitternde. Diese Pause irn Krieg, dieses Wieder sehen irn großen Sterben. Alle die hundert Menschen schienen nur ein einziges Herz zu haben. Mit namen loser anrunst schlug es dem Zuge entgegen, der jetzt hörbar wurde. Es brauste und wallte fern irn Finstern, lzwei Augen glühten draußen aus, ein sUngeheuer, das, den Kopf geductt, Iüber die Erde dahinjagte. Näher nan näher. Es donnert, Stahl und I Eisen. es zischt, es braust, es treischt. Das sind schon die Brernsen Er jagt nicht vorbei, der Zug mit den hellen Fenstern, den Schatten darin. Lang samen langsamen Schon werden aus den Schatten Menschen, Leiber, Gesichter. Und ein Schrei steigt aus« ein huren das braust tvie ein jäher Sturm enipor. Und hinein laute Rose, Namen iiber Namen von zit ternden Fraiienlippen Der Zug halt. Einen Herzschlag lang Stille, Schwei gen, Starrheit. Und dann Getüm mel, erhobene Arme« bleiche Gesichter, nasse Augen« Lachen und Musen. Jun qe Mädchen teilen Sudpe und Brot aug, Zigarren und Ter. Alles ist plötzlich voll von Soldaten Graiie Gestalten, schmusige und saubere, la chende, ernste, suchende. einsame, von loielen umschlungene, hier orrtvilderte IVärte, dort Knabengesichten Jünglin Ige, Männer. Wie ein Glückstauniel litt es iiber allen. I Gerda hängt am Rock des Bruders Die Mutter hält den Sohn in den Armen. Marie weint und lachl durch esnanden und das Schwesterchen um tlammert den Leutnant, daß man sie nicht von ihin trenne. Wie Martia glücklich lacht! Sie stopst ihm alle Ta schen voll, sie sragt hundert Fragen, wartet keine Antwor-. ab, küßt den igroßen Jungen, tätschelt ihn, sieht ihn lan. Er ist heil und gesund. Wie Isiolz blickt das Kreuz an seiner Brust! Wie schön ist er! So männlich, so reif, so freudig-ernst! Und iiberall solche Gruppen der Liebe. Aber hier iind da auch Cin same, die teinen haben, die niemand erwartet. Fast bitter blicken sie aus die Glut-lichem die zwitchen den Schlachten Liede, heimat, Frieden at men dürfen. Gerdn wagt endlich, ihren Hand schnh anzubieten. Ath, sie tut es nicht niit nngetriibtein Stolz. Es ist ja nur einer. Aber sie erzählt sosort dein Bruder vie Geschichte, nnd daß er den szweiten sehr bald nachbetominen soll. Erhebt sie ans, nls wäre sie ein tleines Kind, tiißt sie, packt den Handschnh aus, lobt Ihn sehr, ist ent zückt und steckt ihn ein. Gean ist nun doch ganz stolz. Und dann soll er erzählen, der Fris. Denn was sind Brieer Jetzt, wp man ihn le bendig hat. —- — Aber im ein Rus, ein gelte-wer Psiss, der Uniarniungen trennt, Lie »dem-one zerreißt. Einsteigeni Wei )ter! Fert, hinaus in die Schlacht! sDer Traum ist vorüber. . . Alles ha siet durcheinander. Das Lachen er stickt. Die Wagen siillen sich. Tau isend hande« die hinaus-, hinausm »gen Brechende Stimmen, gesliisterte lWiinsche, gestninrnelie Namen. Hun skett Mütter- in bitterlichee Pein. Männer, Söhne, Freunde mit zucken ivem Herzen. So ein tleines Häuflein iMensaien aus winzige-n Etdenslect sund doch eine ganze Welt von Liebe Hund Not. - Es bewegt sich. Die Erde scheint »sich zu drehen, gespalten in zwei Teile. idier bleiben sie zurück, weichen, flie Jhen, bott teiszt es sie soet, zieht sie Thinab. Die-Müder drehen sich. Blasse Gesichter, winkende hörst-. weiße Tit chet, graue Mühen. Sie singen. Da einee siingt an, alle sollen ein: »Deutschland, Deuts land iiher al les«. . .Die Räder ro en eine Beglei tung dazu, dumps, ties, unterirdisch. Und plöhlieh weinen alle. die zueiicls bleiben, die fortgerissen werden. Ein Schluchzen steigt aus« und darin ver ttgnst das Lied. «Ueber nilet in der e « . . . . L ! Die tleine Gerda frsfielt. Sie weint nicht mehr. Aber fest weint die Mutter. Crft fest. Mit dem Tuch, womit fre dem Sohne nachge iointt, bedeckt sie das Gesicht und fchluchzc schreit aus, als bräche ein unbezwinglicher Schmerz durch. Jetzt darf fid meinen: der Sohn sieht es nicht mehr. Als am nächsten Morgen die Mut fter an Gerdas Bett trat, um sie zum .Schulgang zu werten, lag das Kind ;mit offenen glänzenden Augen und Jroien Backen da. Es wußte nichts fvon sich und der Umgebung und flü therte nur ane- dem Dämmnerreich, in fdeni es weilte, in die Wirtlichleit fhiniiben »Den Handschuh. Jch muß ihn fertig machen. . . den Hand schnh««. . . . Sie wurde unruhig, aber als Wolle und Nat-ein in ihren Händen lagen, ward fie still. Sie lächelte und wollte stricken. Aber die Nadeln tlapperten nur, die Maschen fielen herunter, der Faden verwirrte fich. Dann lam der Arzt. . . - Es war acht Tag-e später. Es gab teinen Schnee nnd teinen Frost mehr. ts- taute. Von allen Dachern und Simsen tropfte und rieselte es, es rauschte und plätscherte. Tiefchäni Igende Wolken schaben sich überk die Stad: hinweg. Es war wie Dorfs-äh ling. Die Uhren schlugen Mitternacht, aber die Klänge verloren sich unge hört in der dicken lauen Luft. Noch nach dieser Stunde waren in der großen Stadt viele Fenster hell. Da gab es Stuben, in denen war man lustig, in anderen wurde gele fen, gearbeitet, gemeint. Jn vielen mochten auch Kranic, ja Sterbende liegen. Die Mauern schwiegen und verbargen. Da, wo die tleine Gerda lag, brannte eine Kerze hinter einem Pa pierfchirm. Das Zimmer war trilbe erhellt und dumpf. Auf die Fen sterbleche tropfte es monoton, die Straße war ganz still. Jm Sofa schlief, niilde zusasnrnengesunten, die alte Marie. Aber die Mutter wachte. Sie safz an Gerdaä Bett und betrach tete starr das bleiche stille Gesicht. Gerda atmete laut, erschreckend laut, dar tlang, als gurgelte das Schwei gen, als tochte die Stille. Jn den Fingern hielt sie den Handschuh. Reine neue Masche war hinzugetonis men. Aber man «)atte ihr das Strick zeug niemals fortnehmen dürfen. Jn ihren Fieberträumen rief sie angst voll danach. Sie wollte den Hand schuh fertig machen fiir Fritz, der so arg an der unbeschiigten Linien frie ren mußte· Aber seit heut war sie still geworden Die Mutter hatte schon an man chem Sterbebett gesessen. Sie wußte, was das bedeutete, tue der Atem lau ter und lauter wurde. Das war das Röcheln, mit dem das Leben scheidet. Gerdas müde Finger lösten sich, die. Arme fielen zurück. Sie schlug die Augen auf, und im gleichen Augenblick ging mit diesen schönen braunen Augen eine furchtbare Verän derung bor sich. lind schon war das Kind still. . . Diese Stille war so groß und ent lich. daß die alte Marie davon er wachte. Benominen sah ste, wie die Frau vorn Bettchen aufstand und das Strictzeug den unvollenbeten Hand schuh, in die Kommode legte und da f ein weißes Tuch herausnahim A s sie das über das stille Kind brei tete, mit linden und liebevollen Hän den, schrie Marie, des Geschehenen jäh bewußt, laut auf. Aber die Frau wandte sich um und bedeutete ihr mit einer herrischen Gebärdnng, still zu kein und das heilige Schweigen nicht zu stören. l Es ist dieselbe Nacht, aber unten in lden Bogesenwiildern. Zwei deutsche i«Jnfanteeietoninagnien haben den Be lf:hl, eine Höhe zu nehmen, die der xffeind besetzt hält. Uedemil ist der Schnee geschmolzem inur ini Walde liegt er noch hoch, vtoeich, weiß. Jn der Dunkelheit itenchtet er. Der Zöhn streicht durch siie Fichten. Es duftet derauscheno :.ach Frühlingsntenk Leise, vorsichtig schleichen s"chattenl)nste Gestislten durch llnterholz, zwischen Bäumen- Es kommt eine Achtung fumpfig, es llatscht untere den Stiefeln. Gestillte Stämme, Holzstöße, nasse Gräben. Hiniiber, weiter. Jn den Winseln snust es· Jetzt bergan. Flüsterstiw men. Wieder Schweigen Aber der Atem Hunderter geht aus und ab loie das Kettchen eines großen Tieres. Es itropst von den Bäumen, es ricselt )iiberall, es ist wie Mustt in der Nacht oder wie Kindes-weinen Aus einmal ein Schuß, ein Trom petensignal. Ein Feuer flammt auf. Sie sind entdeckt. Sie antworten mit Hutte-. Aus dem Schleichen wird Sturm, Laus, Uebeesoll. Jiih ist die ganze Nacht aufgeweckt die Stille zer rissen. Die Schüsse prasseln. Es schlägt in die Wipfel ein, Aeste fal ten. Ein Menschenschrei. Stöhnen, Fluchen. Und schon Kampf Mann ar- Mann. Bajonette büßen, Mes ser, Säbel. Die Flinten schweigen. Um eine Kanone ist wildes Getüm mel. Einer steht oben auf dem Rohr und schwingt den Getoehrkolben. Ein Schoß, er heult aus, stüzt in die Rin «aenden hinab. Es riecht nach Blut nnd Schweiß und Pulver. Ein Rei sigbiindel lodert aus und umslatnmt morderische Gruppen Wüste Traum phantasien haben Fleisch und Blut und Gestalt bekommen. Kleine schwar ze Soldaten fliehen, andere werfen die Wasse fort. Verwundete ducken sich vor Fußtritten. Als der Morgen graut, trübe, schwer und lau, atmen die deutschen Sieger aus. Sie sammeln die Ver . wundeien, Freund und Feind, und be graben die Toten. Ein junger Leut nant ist dabei. Er hält, glücklich lächelnd, die Linie aus sein Herz gepreßt. Und dieses Herz ist durch schossen· Jn seiner Brusttasche findet tnan einen weichen, silbergrauen Handschuh. Die Kugel hat ihn durch löchert, nnd das Herzblut hat ihn ge tötet. Oben auf der Höhe unter einer alten Buche kommt der Lentnant in die Erde. Die Maunschast ent dliiszt die Köpfe, ein stille-s Gebet, und die Zeit, der Krieg, der Mond rollen weiter. . Die Mutter saß am Tisch vor ei nem leeren Bogen und wußte nicht, wie sie es dem Sohne mitteilen sollte, daß man Gerda gestern begraben hat te. Die lleine Gerda, die sich erkaltet hatte, als sie dem Bruder den Hand schuh zum Zuge gebracht hatte; die lleine Gerda, die noch sterbend den zweiten Handschuh hatte fertig machen wollen-bis ihn der Tod aus der göttlichen band nahm. Während sie so saß, lam die nlte Marie herein. Ein Feldpostbries, schwer und gewichtig Und von stem ·der Hand. Wie zitterte das Messer, das ihn nuffchnittt Ein Brief war darin vom Haupt mann, ein Zigarrentiifchlein, ein Ring, eine zerbrochene Uhr, ein Ta fchenbuch und ein Handschuh. Ein weichen silbergrauer handschuh, von einer Kugel durchlöchert und init Blut getränkt« . . So waren sie wieder zusammenge tommen, die beiden Handschuhe, un fertig der eine, zerfchossen der andere. Und wie die Mutter fd dnfaß, die bei den in der Hand, wars ihr, als wäre ihr auf der Welt nichts weiter geblie ben- denn ein Stückchen Wolle mit dem Blut des Sohnes und dem Todes fchweiß der Tochter. II tiefem-tin Novelle ans Neu Manier-im t«i«.i LI. Heisa Der Leutnant Wilhelm Fahne er wachte. Die Glieder waren ihm schwer wie Blei, und er fühlte sich noch zerfchlngener alg vor dem Schla fe. Wie in einem qualvollen Traume vernimmt er, wie feine Lljtilizsoldai ten neben dem Zelt aufstehen-. Er müßte es auch tun, doch nat er leine Courage. Eine unübekwindliche Lahinheit bannt ihn auf den Bo den. Da plötzlich tönt ein Schrei durch das Dunkel und wectt den Widerhall des Tropenhachiualdes. Man hört Schritte, dann turze Rede und Ant wort. , »Ja-ihm ist est« . »Ist er tot?'· »Aber da ift ja Blut!« ruft eine europiiische Stimme. »Mut! Trdy feiner Schwäche springt Leutnant Fahne auf die Bei ne. Er wantt und fahrt sich init der Hand über die Stirn. Es ist ihm, alr wiire sie n.it einer zähen Schicht de dectt, die auf der Haut tlebt. Doch ir achtet nicht darauf und tritt aus deni Zelt. -,. . Dort am Feuer, nso die targe Mahl zeit der Truppe tanzt, hat sich eine Gruppe qebildet Als sie seine Ztnnnie vernehmen, treten sie zurück, und in dem phnntn stischen Licht der Flammen gewahrt le einen auggestreitten teörper. Tag Antlitz ist sction sic:rr. Die Augen stieren trübe — ec« ist ein Toten der zu den Fiißen des Leutnantg liegt. »Das Fieber, nicht math« Der Sergeant tinrlstsoe biickt sich nnd wendet den Leichnam so, daß die linke Seite vom Feuer beschienen wird. Und da erblint der Osfizier in der Höhe des Herzen-» eine tlnssende Wunde, aus der non; einige Tropfen Blut sickerm »Er-morden . .? Von Wein? Wie?« Der Sergeant deutet nur durch eine Gebärde an, daß er eci nicht weiß. Ein schwarzer Träger aber gibt dem Ge danken aller Ausdruck »An und Weise der Wilden, basi« Ein Ausruf Karlslioes läßt die Gruppe schaudernd zusammenfuhr-en »Den Leutnant. . . da. . . ans Ihrer Stirnl« Jnslinitiv hebt Leutnant Fahne den Arm, doch vollendet er die Bewe ung nicht — er hält die Hand in Augenhöbe, von den rötlichen Flam men erhellt. · « Auch an seinen Fingern lleth Blatt s , Da entsinnt sich der Ossizier —l eben als ee ausstand, subr er sich l l mit der Hand iiber die Stirn« Daher der rote Fleck, den der Seegeant ent ,dectte. » »Sie sind doch nicht verletzt, Herr iLeutnantW s ijniti s Barsch wendet sich Fahne zu seinem Zelt nnd tritt ein. Ein Schrei dringt heraus zu den andern —- schon er scheint et wieder und hält etwas in der Hand. Er nähert sich dem euer, und nun gewahren alle einen olch, dessen Klinge mit einer dicken, drau nen Schicht geronnenen Blutes über zogen ist. « »Mein Messerl« kommt es über die zuckenden Lippen des Offiziers. »Mit meinem Messer hat man ihn erstochen!« , . Ein ganz unvernünftiges Entsetzen bemächtigt sich seiner Leute. Was ist das siir einer, der da so geschickt und mutig ist, um den Posten zu täuschen und in das Lager einzudrin qen —-, un; im Zelt des Besehlshaoers einen Dolch zu stehlen, einen Miliz soldnten damit zu toten und dann die Waffe wieder yinzulegen, ivo er sie genoinnien.» . .? Die Soldaten bliaen um sich und spähen in das Gebüvsch, das- sie ein schließt. Wenn man sie nicht zurück l)ielte, würden die Milizleute ins sDiaicht eindringen und Treivjagd ma Tchetn Doch ein Leichnam mehr darf iden Marsch der Kolonne nicht ans sisaltew Sie müssen ausbrechen ; Schnell ist ein Grab geschauselt. sTnntary wird hineingelegt, und die TSoldaten sieben weiter· Schon til-er einen Monat hat das Detachement der Schutztruppe seine .Station am Sanglsaslnsse verlassen imit dem Auftrage, das Gebiet zu er forschen, das Rainer-un mit dem iUbangi verbindet und bei dem letzten IVertrage von Frankreich an Deutsch iland avgetreten wurde. l Ueber einen Monat marschiert er in dem fumpfigen Walde. Die Männer sind mager. Jhr Blut hat die Kraft verloren. Es ist nur noch eine helle lFliifsigteit, der das purpurne Leben sentflohen ist. ? Es sind ihrer fünfzig —- fiinfzig lbraune Köpfe mit stahlhartem Blick. Drei Weiße befehligen fie: zwei Unteroffiziere und der Leutnant iFahne s Alle feine Waffen hat der feind-fe slige Wald gegen sie aufgeboten. Und ials wäre et noch nicht mächtig ge snug. sind ihm die Eingeborenen noch zu Hilfe geeilt —- lauernd umstreifen l sie die Kot-onna l Niemand tann sich von der klei ’nen Truppe entfernen, oder er ist ein Kind des Todes. Von allen Sei ten spähen grausame- Augen, und fcharfe Klingen lauern auf den Augenå blick, da fie den Leib des Weißen nnd seiner Soldaten zerstückeln können Zuweilen pfeift eine Sagaje (Spiefz der Wilden) aus dem oerriiterischen Dunlel. Wie wahnsinnig ftiirzen die Soldaten hinzu, doch nie finden sic etwas. Der Marsch wird immer beschwer licher Ter Lentnat marschiert an lder Spitze der Trupdr. Jeden An genbli its strauchelt er — feine ehwcren fZiiße haben nicht mehr die Kraft, fich über die Wurzeln zu heben, die wie riefige Schlangen iiber den Boden kriechen. Der Schädel brunLint ihm s— wie Feder ftriimt es durch seine Adern. Schon mehrere Tage halt ihn die geheimnisvolle Krantheit in ihren Klauen und nimmt ihm alle Lebens lraft. Geftern konnte er sich tauin auf den Füßen halten. Wird er heute die Etappe zurücklegen? Vom Fieber verheert, schwankt sein Körper, schwer wie Blei. Er muß wieder on den ermorde ten Soldaten denken. Untoillliirlich steibt er sich die Hände, nlg wolle er einen hartnäckigen Fleck entfernen. l Longsain geht es weiter. Endlich »schl"agt die Stunde der Rast. Die Männer strecken sich miß und suchen sini Schlaf die vernuggabten sträste Izu ersetzen. Wie niederaeichlagene L Tiere liegen sie da. Tie Nacht tcnnnt und bringt ihnen orrhältnigniiiszige Küme Wieder graut der Tag — sie mits lsen ausbrechen. Da ein Schrei: » »Herr Sergeant. . . ein Toter!« s Wirtlich — regungslos liegt ein lMilizsoldat da, und seine linke iSeite zeigt in der Höhe des Herzens die gleiche tödliche Wunde wie bei Tuntorhz Bei dem Ruf ist der Leutnant ans gesahren — er hat sosort begriffen, was los war. Der geheimnisvolle Mörder hat ein neues Verbrechen be gangen. Und ein Stöhnen entringt sich seiner Brust « an seinen Hän den tlebt es wieder rot wie» ge stern, und der Dolch neben seinem Kopstissen ist von neuem braun ge färbt. " si Miihsam und bang geht es weiter. Jn der brennenden Sonnenhitze, die lvahnsinnige Ideen erzeugt, erscheint ihnen der Mörder als ein phantosti sches Wesen, als ein blutiger Gott. Er ist da, unter den oerräterischen Bäumen, immer bereit, sich aus die tleine Schar zu stürzen. Vielleicht wählt sein Blick schon sein nächstes Opfer in der Truppe. Der Leutnant lonnte nicht mar schieren. Erschöpft, im Fiebersrost schlotternd, nicht Herr seines Willens-, mußte er sich aus einen Maulesel he ben lasen, dessen Last aus die ande ren verteilt wurde. Zum erstenmal unter dem dkstern Laubgetoölbe wirt- dte Kolonne von Furcht befallen — non der obeiglcius - , bischen Furcht der Menschen, die noch auf der Stufe des Kindes stehen, die sie wehrlos dem Feinde in die Hände spielen würde. Noch einmal bezieh« die Truppe ihr Lager, und die Nacht sinkt herab. Am andern Morgen tvnndert sich niemand, einen neuen-Leichnam zu finden und die Hände des Ofsiziers mit-Blut be flectt zu fehen. » So beginnt der dritte Tag des Grauens. Der Leutnant hoctt nuf dent Maultien Er wendet alle Kräfte an nni sich nn den Sattel zu tlanitneru und nicht auf den Boden zu sinken, wo er die Ruhe endlich finden wür den. Der Tod bedroht auch ihn, nicht mit scharfer Klinge, sondern xnit sei nem furchtbaren Henker —- dem Fie ber. Auf dem Lagerplatz nähert sich Karls-hoc und sagt: »Ja) werde bei Ihrem Zelte wachen, Herr LeutnanL Wenn Sie etwas brauchen. . .« »Nein, nicht nötig. Ruhen Sie sich aus, Sie haben es nötiger als ich.« »Wie Sie wünschet-, Herr Leut nant.« ,,Gute Nacht, starlgl)0e.« »Gute Nacht, Herr Lentnant.« Und die Stimme entfernt sich. Von neuem drückt das tiefe Schwei gen. Der Leuinant dentt an den Kerl, der wohl in diesem Augenblick um sein Zelt schlecht nnd auf den günstigen Moment lauert, um hineinzudringen und die niörderische Waffe zu ergrei sen Hiihnisch malt sich der Osfizier den Empfang aus« den er dem Scheusal bereiten wird. Seine Hand fährt nach dem Heft des Dolches. Beim Morgengrauen wird die Klinge wieder mit Blut be fleckt sein, doch nich; mit dem Blut eines Soldaten, sondern mit dem des Mörders selbst. . · Ein Schrei, der jäh an sein Ohr tönt, tust ihn zur Wirklichkeit zu rück. Was ist denn? Gewiß der Mörder! Ein paar Hände fesseln seine Arme. Wütend sträubt er sich. Er hat das Messer noch in ver Hand und sucht damit zu schlagen, den Gegner nie derzustrecken Aber wo ist er denn eigentlich. . .? Ueber seinem Haupte ivdlbt sich der Riesendom des llrtvaldeåu Einige Sterne schimmern durch das Laub dach. Sollte er das Zelt verlassen haben, ohne es zu vierten. . .? Ein Gesicht beugt sich iiber ihn. Jst es- das Gesicht des Mörderst Nein, es sind die betannten Züge eines sei ner Soldaten. llnd andere eilen noch herbei. Aus gcregte Werte kreisen das Ohr des Ossizierg, der noch immer auf den Boden niedergedrüät wird. »Was fesselst du denn den Herrn Lentnant. . B« »Hat sich anf mich gestürzt-Just Messer. Jch nicht geschlafen, mich getvehrt!« »Was sagst du da?« Der Mann wiederholt seine Erklä rang. Mit tonsternierter Stimme, in der größeres Entsetzen liegt denn, je, da plötzlich ein Gedante in ihm ausbliszt, ächzt der Sergeant: »Du liigst! Das ist ja nicht mög »Ich nicht tuge!« erioideet der Schwarze. ,Warum, warum nur hat er das getan3« murmelt Karte-been »Ah, ich · verstehe, wohl das Fieber. Die heima turische Gallsucht erzeugt solche perio disehen, unbemußten Anfälle. . Gefiihllog hat Leutnant Fahne al tes niie angehört Er lann er- noch gar nicht glauben. Er sollte die ILeuie etmordet hatten, Janlarn und Guinbut Sollte daz- Fieoer das schaue-erhaer Beil-reiten o.rann:ßt nnd ihn zum Mörder gemacht haben im oen Sokdatein die er doch gern · hat? « Zuctende Empöruna gegen das all zu zürchterliche fchiittelt den unglück lichen Offizier. Einen Augenblick schlagen seine Augen trarnpshaft mit Den Liberm eils- ivollten sie trotz allem leugnen. . was Blut leug"n-n, das Iseine Hände bestem- Doch plöhlich !toirfr er sich dein fEergennten in die i Atme l Da er mit dieier unheimlichen Er innerung nicht mehr leben lonnte, hat «et sich den Tod gegeben, roie den Soldaten, die er im Fieocrtoahne um gebracht ————«——-—-.- - .-—-— — Instruktion llnterofsis zier: Was muß derjenige sein, der mit militarischen Ehren begraben wird-? Rekrut: Tot muß er sein! » —— Sicheres Mittel. A.: Was ist denn eigentlich aus unserem Freunde Großmann geworden? B.: Der hat auf sechs Monate eine Stellung tn einem Pulver-magerin angenommen. A.: So? Warum denn? Der hat es doch gar nicht nötig, der könnte ja als Rentier leben! BJ Ja, wissen Sie, das hat sei nen guten Grund, er tvill sich nämlich das Rauchen abgewöhnent . L