Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, June 03, 1915, Sonntagsblatt, Image 12

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    Die letzte net?
Rom-m von Hans Leier.
G. Jenseit-nat
Den ersten Anlaß hatten Depei
schen aus Russland gegeben, nach be
ren Empfang Herr Richard Frank
ville mit-Maßen stundenlang in set
nern Kabinett bei verschlossener Tür
gesessen hatte. Das toar sonst nicht
ilblichz auch baß alle Telegrarnme,
die Masken selbst zum Telegraphens
arnl tru , vie Gefchäststopierbuqer
nicht pa retten, war aufgefallen —
strttt zu arbeiten, standen bie Konto
risten in Gruppen zusammen und
slüsterten. ab und zu einen scheuen
Blick nach der Tür bei Kabinett-l
werfentn Nur wenn diese einmal
geöffnet wurde, Maßen beraustarn
um gleich wieder mit hastig ergriffe
nen Geschö tsbiichern zu verschwinde-n
hatten sie ch schnell wieder an ihre
Pulte gesehn Dann ging ein Rau
nen und Flüstern: »Haben Sie be
merkt? Maßen hat auch das Haupt
buch aus dem Tresor mitgenommen«
—- einer der Schreiber hatte das ge
sehen.«
Ein Druck lag auf allen, ließ die
Gewitter nicht zur Ruhe tornnlern
ein Etwa-« das man nicht kannte,
nicht fassen konnte — aber bit zum
jüngsten Lehrling herunter fühlte bot
Pers-nah daß etwas Schlimmes dem
Hause Frantville bevorstand.
Jtn Kabinett sasz Richard Frank
-bille nnd rechnete. Hin und wieder
warf er eine Frage zu Klaszen her
über, der um Schreibtische des Se
niorchess mit Durchsicht von Papie
ren und Büchern beschäftigt war,
dann ging die Arbeit schweigenbweii
Ikc.
Endlich hielt Richard Frantdille in
sseiner Tätigkeit inne.
Ei geht nicht, es kommt nichts da
bei heraus, wir können uns nicht
halten. Das russische Aussahrverdot
allein bringt unt zu Fall. Sehen
Sie rnnk hier die Di erenzen, die
glatt ans den Tisch gelegt werden —
dahei habe ich noch nicht einmal die
hausse ans den anderen Getreides
miitkten ganz in Anrechnung drin
gen können. Der Banterott der Anl
werpenser Firma verschlingt auch eine
hohe Summe. Wie Vertens öc To.
schreiben, werden kaum zehn Pro
sent zu retten sein —- wie soll das
alles eingeholt werden?! Das Kn
pital, welches bleibt, reicht zu keinem
großen Umsah, steckt ja auch zum
Teil in Gebäuden. den Speichern.
also: Liquidation. ch kann nnd
will doch setzt nicht an angen, Kredit
zn suchen, um nen auszubauen Mein
Bruder ist krank, und ich —- viel
leicht halte ich mich noch einige Jahre
—- wenn,-mich diese Geschichte nicht
zsriiher umwirft —- ich sehe keine
Aussicht, wieder in die sähe zu korn
rnen. Und noch einz, Maßen. ich ge
stehe das ganz ossen ein: rnir sehlt
auch der Mut, um weiterzuardeiten.'
Er schwieg und wollte sich wieder
niit seinen Papieren beschästigen, Ma
ßen jedoch hatte noch etwas zu sa
gen:
»Liegt denn nicht Pol-ne mnjenke
dor, kann uns das nicht retten, rniiss
gen wir unter solchen Umständen lie
ern« —
siichard Frantville erhob den Raps
mä sah seinen Prokuristen ernst, sast
streng an:
.Mein lieber Maßen, das sind in
diesem Falle Spiisindigkeiten —- ich
weiß ja, gut gemeinte, aber das Hans
Frankville ö- Co. darf an so etwas
nicht denken.
Porsrsa ninjeurrs —- gewiß, aber
nicht für uns, nicht zu unseren Gun
sten, denn wag gehen unsere Käufer
die Quellen an, aus denen wir schöp
fen. Wir haben ihnen Hafer, Rog
gen, anderes Getreide verlaust —
nach diesem und jenem Muster, zu
diesem und jenem Preise lieferbar —
woher wir die Ware nehmen« küm
mert allein uns —- die Leidtragem
den sind und bleib-n wir.
Für die Russen, ja, da ist es
Funke majalis-ex die brauchen nun
nicht hergeben. was sie uns verkauft
haben —- dac Ausfahrverdot hindert
sie daran — siir sie ist diese Koch
majeinse noch von weiterer Bedeu
tung —- einige werden unser schönes
Geld, das wir ihnen als Vorschii se
gegeben, taltblütig in der Tasche -
halten. Denn wir haben es ja nicht
durchweg mit erstllassigen Firmen zu
tun-"
« Er schwieg und versanl in Nach
denken.
Wenn sie liquidierten, alles schnell
abwielelten. leine neuen Verluste hin
zulämem würde für seinen Bruder
nnd dessen Familie, sowie für ihn
das Rotwendige zum Leben bleiben
«- allerdings nicht zu einem Lebe-,
wie ei sein Bruder bisher gewöhnt
war — man Miste sich eben etwas
einfihriinkem
Aber was wird aus Ulieei s- Urn
Lsthar sorgte er sich nicht. Wenn
dieser auch aus dem teuren Restment
sitt-etl en, vfieläeeicht III-z der:i Mill
Wanae um« — usw
sespserl rmes fiel-« durch die Welt
Uhu —- ader Ulieei
--Æ und sat, er s , dein noch
s, « III-M seine Erspa se ein weit
» vAnteil des vers senden-fa
W
pitalst als feinem Bruder zustel, hätte
mehr als-. genug, könnte auch Ali-e
Iunterftiipen Aber wie würde die
arme Frau zu leiden haben, wenn
jman Trenteln auf eine geringere
IRente setzte — wenn an eine Kapi
ltalauszablung überhaupt nicht zu
venten warst
Vielleicht aber war das ein Giiict
— vielleicht wurde stice dann strit
Doch er wollte seht nicht darnbser
nachdenten die Frone der Auflösung
des Gefchäfti drückte f auf sein
Gewitt, viel schwerer-, a er in einen
Worten zu Massen hatte erkennen
lassen.
Mit feinem ganzen Herzen Fing er
an dem Geschäft, das er angebaut
——er allein —- denn wenn ourfz das
Hang Frantnille sc Co. schon unter
feinem Großvater und Vater bestan
den —- diefe Rhe- auf der ed fest
staut-, verdantte et ihm s- Richard
Frantville. Alles das sollte mit ein
mal ein Ende Haben, sein Lebensweri
in nichts zerrinneni Aber ei lieh
sich nicht halten. Er fühlte nicht
mehr vie Kraft in sich,von neuem zu
beginnen —- es blieb nichts übrig als
Auflösung.
Schweres stand noch bevor-. Wie
würde sein Bruder es ertragen, ein
—- nach feinen Begriffen —- armer
Mensch zu fein? —- Jn einigen Tir
gen erwartet er feine Rücktehr. Dann
mußte nietu Entscheidung fallen.
I I
Die Würsel waren gefallen.
Also aus, arm — ich habe recht
behalten. Bitte, laß mich —- mach,
wie du willst.'
Weiter wollte Alsred Franlville
nichts hören und wissen, rittr Ruhe
verlangte er. —- Auch in den folgen
den Tagen, als Frau Leanorr mit
ihm iiher die Zulunft —- wie sie sich
einrichten sollten, zu sprechen an
fing. lehnte er ah, einen Wunsch,
einen Rat zu äußern
,,Du wirst alles schon gut machen,
nur fort von hier, wo wir angesehen
waren —- ich will hier nicht bleiben.«
Das war das einzige, das aus ihm
herauszubringen war. Wie feine
Frau die veränderten Umstände auf
nahm, schien ihn, der immer nur ibr
Glück im Auge gehabt hatte, nicht
zu kümmern — nach Alice, nach La
thar fragte er nicht.
So lag die ganze Last auf Frau
Leonorens Schultern —- doch wenn
andere Frauen geweint und geklagt
hätten, fie blieb tapfer.
TerCmushalt mußte ausgelöst und
Umschau gehalten werden, wo sie ihr
zutiinftiges Heim ausschlagen woll
ten; ihre Wahl fiel auf «Friedrichs
roda'« —- da tonnte man billig und
zurückgezogen leben —- sie kannte das
schöne Städtchen gut, ihre Großeltern
hatten dort gelebt, und sie hatte
manche Ferien bei ihnen zugebracht
Auch an Alire hatte sie geschrieben,
einen Brief siir Trenteln beigelegt,
worin sie ihm alles auseinandersegtr.
—- Lothar hatte sie Mitteilung
gemacht, daß er in dem « fp
teuren Kavalierieregiment nicht blei
ben könne und schnell einen Entschluß
fassen müsse. — Nun trat auch bei
ihr der Rückfchlag ein, sie fühlte sich
ermiidet; die Erregung hatte fce bis
her aufrechterhalten, nun machte sich
die Abspanuung geltend. Sie grü
belte darüber nach, wie alles sich noch
gestalten würde — mit Angst und
Sorge sah sie den Nachrichten von
Aliee und ihrem Sohn entgegen. Sie,
die sich bisher so wacker gezeigt, er
schien sich wie eine lierlasfene, Aus
gestoßene. Doch sie mußte sich wie
der ausraffen. ihrem Manne ein hei
teres Gesicht zeigen, wenn sie auch
mit verzweifelter Sorge aus Ant
wort von Alice und Lothar wartete.
Doch nur von legteretn traf vor
der Abreise Nachricht ein. Er faßte
die Sachlage leichter auf, als sie
sich dargestellt
Wenn er nicht bei den Husaren
sbleiben könnte, schrieb er, so wolle
’er aus den Ossizier überhaupt ver
;zichten, dann wäre es wohl das beste,
Jer würde Landwirt —- oielleicht reich
’ten die Gelder doch noch, daß er sich
später eine Klitsche taufen könnte.
Ein Kamerad von ihm« mit dem er
sich start angesreundet, bei dessen
Eltern aus dein Lande er auch einige
Wochen irn Sommer zu Besuch ge
wesen sei, habe versprochen, ihn ans
einem Nochborgute unterzubringen,
die Eltern sollten sich um ihn seine
Sorgen machen, er würde schon bor
wärts kommen. Bei seinem baldi
gen Besuch konnten sie ja alles be
sprechen.
Erst hatte sich Frau Iranlville
über den Bries gefreut, das klang
alles so vernünftig —- aber hinterher
tarn das Nachdenken; das paßte so
gar nicht zu Lotlzard Plänen —- und
rnit einmal wußte Lie: da steckte wie
der ein Mädchen da inter. Jede-mal,
Twenn er ch «verlobt" satte, war er
lin eine olch resignterte Stirn-ums
fgeratery hatte Reichtum und Adel
!verachtet, wollte sich nur sein Liebes
ssliick erhalten.
l such diese Sorge noch —- doch es
war nichts zu tun, sie mußte abwar
ten, bis er zu ihnen lam, dann würde
sie Gewißheit haben.
Es seyn- uue me- eis m vie
Hur Itücktehr trennean aus dein
zManiiven
« M W wiss-In W
iStunde en
fbatten sie eit Eintressen des stieses
ihm Ins-tre- sequen .
Die armen. alten Eltern —- war
ihr erster Gedunlen gewesen — tvie
wird Papa-das ertragen! Aber bald
war diese Qual Duell-getreten vor
der Fur t« wie ihr Mann dir ver
änderte aufnehmen würde, er,
ver vor noch nicht lan er seit eine
Erhöhung des Zufchu ei, fu, eine
Kapitals-us blung verlangt. Irr
noch vor f nein Fortgang erllsrt
hatte, des er nach feiner Nil-lehr
den Abfchied nehmen und felbft zu
den Eltern ahren wolle, um wegen ei
nes Guten aufs zu sprechen.
Und fest. jede Aussicht geschwun
den — nicht einmal die bis « e
Zulage sollten fie erhalten — rnu -
ten sich mit einer geringeren Summe
beyiigen
n sich dachte sie nicht, mit Freu
de würde sie sich einfchränlen, wenn
nur Both-i gut zu ihr fein, sie das
Un lücl nicht fühlen lassen würde.
ielleichi sah er ein, daß gegen
einen Schicksalsschlag nichts zu tun
fei, vielleicht liebte er fie Buch ge
.nug, urn das Unglück ruhig hinzu
Znehmen «- Leid foll ja oft Menfchen
einander enger verbinden —- dann
Zwei-e ja das ungiück noch ein Grün
für fie.
; Aber schmerzlich lächelnd mußte
tfie die Gedanken die sie zu ihrer
Berusis H immer wieder Morde-l
«te, von weisen. und ei blieb nur
die Angst bot dem Iluenblich in
dem er den Brief ihrer utter lefen
swurdr. i
i Dann wieder machte sie ganz p an
«tasiis Pläne: Sie wollte den ries
soerni ten —- zum Bankier. der die
Helusza ung der diente besorgte. e
shen un ihn bitten, den Betrag rosig
weiter zu zahlen — all ihren Schmua,
was sich sonst noch zu Gelde machen
jließe, woitte sie dem Banlier dasiir
hingeben —- eine halbe Stunde lang
ihiett sie due siik aussah-hat« sit
Rettung, aber dann tatn die Uebertr
igung: Sie mußte sich sagen, daß das
'nur eine lurze Gnadensrist schassen
Zwiirde; ihre Lage, wenn sie später
Eihrem Mann gestehen mußte, was sie
;geian, wurde dadurch nur noch schlim
-mer.
s An immer Neues dachte sie, suchte
etwas anderes, eine neue hilse —
doch wie sie auch ihren armen Raps
zermartertr. es wollte sich nichts sin
kden lassen. Die Zeit ging mitleidsloz
zoormärm Noch vierundzwanzig —
Inoch gehn —- nur noch eine Stunde
»trennte sie von dem Augenblick dej
gWiedersedeni, das sie ersehnt, und
idem sie nun mit zittern und Bangen
ientgegensalp -
i Mit einer sast sanatischen Liebe
shing sie an ihrem Mann —- siir
Falles hatte sie bisher Entschuldigun
-gen gesunden, sich immer wieder ge
sagt, daß er im Grunde ein guter
Mensch sei, ,der sie liebe, daß nur
sein heißes slut ihn ost hinriß; daß
er aber stell, wenn er sie verler
alle- wieder gutsumachen verstan
den hatte — daß sie sich immer wie
der glücklich in seinen Armen gesiihlt
habe. .
Warum sollte denn nicht auch die
ser Schlag voriibergeheni Sie wür
den doch leine Not zu leiden haben
—- so viele milien im Re iment
lebten mit weit weniger, als te jetzt
noch haben würden. — Botho hatte
einmal davon gesprochen, aus die
sen und jenen Kameraden hingewie
sen, der, wie er ch ausgedrückt, sei
ner Liebe ein Op er gebracht hatte —
aber dabei siel ihr gleich wieder ein,
wie er andere Kameraden genannt
habe: was die sich alles leisten tonnsz
ten —- das sei wirklicher Reichtum;j
die hätten sich. wenn te nicht selbitI
großes Vermögen gehabt, vorgesehen
, Das hatte ihr weh getan, als erJ
iso gesprochen, doch auch dies hattej
’er wieder gutgernacht, als er sie
Jst-end- vena Nachheusetpmmm ial
ITränen gesunden und sie ihn, aus sei
lne erstaunte Frage, was ihr sehle, an
Iseine Worte erinnert hatte.
f Lachend hatte er sie damals um
armt und geliißt — sie müsse das
nicht so schwer nehmen, im Artger
fsprache er manches so heraus, was er
Igar nicht ernst meine.
It Daße er gerade im Spiel gewonnens
und seine bessere Laune davon her-l
rührte, wußte sie nicht; ein paar Tagej
sspiiter war dann der Austritt getomss
Imm, bei dem er erklärte, daß er sei
nen Abschied nehmen wolle und sie an
die Mutter wegen Geld zum Gut-ums
iaus schreiben müsse
heute nun diese Nachricht, die ihns
sertvartetei
s Unzähiige Male war sie schon aan
IFenster getreten, um zu sehen ob ers
toniine —- jest hörte sie Schritte
draußen, Stimmen — die Stimme
ihres Mannes, der dem Burschen Se
sehle erteilte —- nnn öffnete sich dte
Tiir — Lethe trat ein. »
Wie schön ee aussah! Das Ge
sicht braun gebrannt — die Angem?
seine wunderbaren Augen, die zuerst
ihre Liebe zu ihm erweckt, so ilar
und strahlend
Ue Furcht und Sor e wollte Be
im Inseiidlick vergessen ie hatte in
wieder— aber all daz. was sie ges
mäit und sein-Pan lieg sich nichtf
so schnell weit-dämmeri, bra ins
Schluchzen aus und wars sich an eine
Brust.
s Trenteln war überrascht durch die
sen Empfang: Was tpar gscheheniz
Die paar rennt- «
itennten doch nicht di e Leidenschaft
Illchieit hervorseeusen haben ir
Zend etwas mußte pafsieet fein —
Alice war ihm gleich fo oergrsent er
fMetL
Seine Unruhe ließ ihm zu einer
göttlichen Begrützung nicht Zeit, er
iegniigte sich, ihr liebte-send über das
Haar zu streichen. Dann fragte er
schnuh
Qui tft denn, Kind? ich war
doch nieht tin Kriege. bin heil und
ganz. —: stsi du krank, oder tsi et
itvas gefcheheni«
’ In ihrer Erst-gnug hörte sie nicht«
wie unruhi der Klang feiner Stim
me war; e, die siss vorgenommen,
fihn langfain, allmählich aus alles vor
juherettem vergaß in der reude des
TWiederfehens ihren Vorsatz:
i »Ja, ja, es ist etwas vorgefallen
;—— doch rege dich nicht auf, ei ift nicht
fo fchlimm.«
; Schon war sie fort. in ihr Zim
finer. an ihren tleinen Schreidtifch,
.wo sie den Brief der Mutter verbor
Igen hatte.
! Trenteln fah ihr nach.
) Was war gefohehens —- Alles
kmögliche wirbeite durch feinen Kopf,
johne daß er etwas davon festhalten
slvnntr.
s War es etwas Gutes oder Schlech
ktezi Was hatte slice gefa ti Er
Escak lsich me »wegen ei ei nichtl
Ho feh irnm —- alfo nuhti Gutes. Iber
Mrls sie sich an feine Brust gewor
.fen, war sie fo glückitrunten ge
swefen — vielleicht doch eine Freude,
Eine Ueberraschung — hie Eltern
wollten das Geld geben —- da lmn
Isie schon zurück, hielt einen Brief in
Idie hand.
k Er griff hastig danach, mit zit
Hiernoen yanoen.
« Der war lang, vier Seiten. doch
in einer Minute hatte ei ihn überflo
Igen.
Aus Anrede und handschrist hatte
sei erkannt, daß das Schreiben von
iseiner Schwiegermutter stammte —
sdas hatte seine ossnnng von.
neuem entsacht —: genii . es handelte
lsich um Bewilligung des Gelde-,
Isie tte ihin sa damals Aussicht ge-’
Hin t — doch schoi die ersten Worte
mein-neu um. daß ei suchte Gute-is
lsei. ·
« Er hatte zu Ende gelesen — einige!
Sekunden osz er starr vor sich hin-I
blickend. ie schwere Enttiiuschung.
hatte ihn ganz übermannt. !
Jtn Zimmer war es still, so still,
»das der leise Schritt des Stuben-l
iiiiidchene, das noch irgend etwas ini
Speisezimmer nebenan ordnete, wie
’lautes Geräusch hereinllaiig.
» Alice stand an einen Sessel ge
»lehnt und blickte« mit weitgeössneten«
langstersiillteu Augen zu ihrem Man-I
;ne hin. Alt sie ihn so ruhig scih,s
Iatniete sie aus —- umsonst hatte fte sichs
’geiingitigt —- und als er sich jeht erss
hob und iin Zimmer ninherging, trat«
sie aus ihn zu.
Trenteln blieb stehen — noch eine
Setunde des Schweigen-, dann die
ersten Worte. Nicht laut, nicht schrei
end, wie sie gefürchtet, mit heiserer,
tat-in oerstiindlicher Stimme tain ei
heraus-:
»Und was nun?« —
»O Alice erhob bittend ihre Augen zu
i in.
»Wir sperden uns einschränken,
es ist ja noch nicht alles verlo
ren« — l
Doch er ließ sie nicht aussprechenJ
und als sie seine hand ergieisen woll
te,- wehrte er ihr:
»Daß mich —- ivas willst du —
ioas bietest du mir anil
Einschränten, also das ist das En
de! Eine Beute des Betrags bin ich
geworden —- Reichtuni tann nicht über
Nacht in Rauch nnd Lust aufgehen.
Mit prahlerischen Versprechungen
habt ihr niich .gelödert, und ich Narr
bin aus alles eingegangen.
Einschränten —- hast du denn wirt
lich geglaubt, daß ich dich nur aus
Liebe geheiratet habet —- ch hatte
gehesst. mit einer hübschen rau die
Mit lichteit eines meiner würdigen
Da eins zu erringen.
Sieh mich nicht so erstaunt an,
versolge mich nicht mit deinen Blicken
—- du glaubst wohl, baß du mich
von neuem locken lsnnst, wie damals
im Konzert mit deinen schönen Au
gen! Daß du eö nur weißt, ich habe
dich nie geliebt, liebe dich auch heute
nicht, hu bist« — Er suchte nach
qeiteigert, seine Stimme war lau
ter geworden, jeht schrie er ihr ins
Gesicht:
«Aber ich lasse mich nicht betrügen.
Jhr habt wohl geglaubt, daß ihr mit
mir verfahren könnt, wie ihr has ge
wohnt leid. Das sollt ihr mir bit
Ien, das werdet ihr mir bezahlen —
altes was ihr noch zusammengerasst
und versteckt habt, werdet ihr heraus
geben«
Seine wahnsinnigen Worte trasen
sie wie ebenso viele Peitschem
hiehe. Sie brach unter ihnen zusam
men.
Die Arme aus die Lehne des Ses
els gestüht. ihr Gesicht in den Diini
vergraben , sah sie stumm ih
Irer Qual hin, währendi re Brust in
nuterhritittem Schlatt-sensi zitterte.
Nur undeutlich hörte seine
ISchritte, das Oessnen der Stir. Ei
iseM hie er im Vor-immer
Ist-each tinten su ihr herein — dann
IM Zachlasender derwrridortiir s-.
Her wer ort. I
Worten.
Seine Wut hatte sich immer mehr
l
l
Langia-n richtete sie sich auf. Ihre
Blicke irrten im Zimmer umher tote
eisetn fremden Raume, lalter
Zenit ichiittelte ihre Glieder-, in ihrem
« epfe wühlte der Schmerz
Mechaniich preste sie die hänbe an
bie Schlitten und schloß die Augen:
Vielleicht war·bas alles nur ein
Tit-eines gleich Ipiirde sie erwachen;
Häher wurde lot-niesen und sie in lei
nekllrme nehmen«
Dach ei blieb alles ftill tun sie her.
Er war fort —- lzatte sie alleinges
lassen.
Und allein würde sie fortab ’In
mer sein —- allet, was er Denker
gesagt, wie er sie geschmähtf kam ihr
mit vielem Schmerz Herrn Bewußtsein
— sie durfte nicht hierbleibeih sie
mußte fort, ihn vkn ihrer Gegenwart
befreien.
Er liebte sie nicht —- hatte sie nie
geliebt — sie hätte ihn angelockt,
mit ihrem erlogenen Reichtum gelö
beri
Verztveiflmthvolle Scham riß sie
auf —- wns tat sie benn biet nacht
— Er konnte zurücktcmmem sie aus
dem Haufe weisen
Er liebte sie nicht, hatte sie nie ge
liebt — sie batte sich ihm hingegeben
mit dem Vertrauen der sich geliebt
glaube-wen Frau —- ilptn ibre ganze,
ganze Liebe otenbart. während sie
ihm nichts gen-e en war.
Sie erglühte bei diesem Gedanten.
— Was- galt es, das sie ,feine
Frau, seine rechtmäßige Frau war
—- fiir ihn war sie eine Fremde. —
Die gegenseitige Liebe band sie nicht
—- sie konnte geben« und seiner wür
de ihr nachieufzem Sie mußte ge
hen, denn sie war hier überflüssig —
eine Last.
Ader wohin sollte sie? — Zu deii
Eltern —- deren Kummer noch der
inehren, den alten Vater zu Tode er
schreiten?
Eine Weile sann sie nach, versuchte
zu denlen —- plötzlich iel ihr der
Onkel ein: Da war ihre ufliiihtl Er
würde sich ihrer annehmen.
Sie ftand auf, strich sieh die haare
aus der Stirn.
Wie hatte sie hier noch sihen und
denken können. gab et denn noch et
was andere-, als so schnell wie mög
lich aus diesem fremden Hause, von
dein fremden Manne, der sie be
fchinidft, zu fliehen?
Mit fieberhafter hast raffte sie sich
auf. Etwas Geld mußte noch in
ihrer ska e sein, ein-, zweihundert
Mari. ie fand es. nahm es an suh.
ergriff Paletot und hut und ging
don dannen.
An dein Staubenrnirdchem das ins
Vorziininer gelaufen tani, eilte sie
schweigend doriiber, bestieg auf der
Strahe die er te Droschte, die sie
sand, und ließ ieh zum Bahnhof fah
ren.
Jn einer Stunde ging der Zug
—- so lange mußte sie noeh war
leu.
Doch aueh diese Zeit ging hin, end
lich saß sie ini Tauf-C
Nun fühlte sie sieh sicher, die
Stunde iin Wartesaal war ihr eine
Qual gewesen, in der tiefsten Ecke
hatte sie sieh versteckt. in fortwahkender
Angst, daß ihr Mann sie verfolgen
könnte —- dasi sie noch einmal eine
ähnliche Stunde wie die leite durch
leben müsse
Iiasender Durst quälte sie, ihre Lip
pen waren trocken — wenn sie sich
nur ein Glas Wasser hätte verschaf
fen tönnenl Doch der Schaffner ließ
sieh nieht blicken.
Zwei Damen, die mit ihr in- glei
chen Abteil waren, schliefen in ihren
Ecken «
Das eintönige Nattern des Bahn
zuges betäubte sie. sie dersaiit in ei
nen unruhigen halt-schlummer. Sie
sah sich in einent leise rouschenden
Walde, vor sich eine sprudelnde Quel
le, zs der sie mit all ihren Kräften
binltrebte. Doch sie konnte nicht bin
gelangem sie war wie gebannt —
wenn sie rnit aller Anstrengung einen
Schritt gemacht, entfchtvand die
Quelle —- tpie ein Trugbild, das sie
lot-te und narrtr.
Sie fuhr auf. es hatte einen Rnet
gegeben, der Zug war in eine Sirt
tion eingelaufm
Schwerfiiltig erhob sie sich, schlepp
te sich bis zur Tür des angotts, ir
gendwen mußte sie finden, mußte
trinten, sonst verlchrnachtete sie.
Ei war nur eine tleine Sutim
ans der der Zu tanrn einige Minn
ten stand, doch oh sie ein paar Men
schen« Sie winkte, eiel, endlich tam
auch der Schaffner binzugelsnfenr
,Bitte, Wasser«, war alles, wai
sie hervorbringen konnte.
eOer Mann verstand nicht gleich
—- nochsnals mußte sie sich die Worte
heraus-quälen:
«Trinten. trinlen!«
Endlich hatte er begriffen, er liel
in das Stationsgebiiude, nun würde
sie gerettet lein.
Ja der Minute, die der Schaffner
brauchte, glitten ihre Augen unrubis
iibee den Wes. den er zu machen
hatte, steten auf der Tiir bei
nies, n dem er verschwunden war.
be er mit dem Ola e Wasser bei ihr
anlangte, s enen die Sinne zu
lchtvinbeth e hielt sich rnit le ter
Kraft aufrecht, nun hatte sie ss
Glas in ihren zitternben Gaben, gie
rig trnnt sie, der Mann drängte sie
zurück, wieder ein such daß sie tan
melte, die Itir wurde zugeworfen der
Zug fuhr wettet.
Sie stand nnd sah durchirrt
ster der Tiir aus die vor ihrensi a
entschissindende Statius
Uir traurig diese dalag, -insani,
verlassen wie sie selbst — niemand
tiiinrnerie sich um das Stückchen Welt,
Tau-n daß einer der Mitreisenden den
Raps erhoben hatte, um einen Biiet
hinnuizuioersen —- unbeiannt siir
alle bitrb ei zuriiet und versank wie
der in - stimmen-, aus dem es siir
ein paar inuten ausgemacht war.
Attre schlich in ihr Coups zurück.
Da sasJie die übrige Zeit mit bren
nenden ugen und nach innen getehrss
teni Blick. Ihr Gehirn arbeitete fie
rxerhosi. Nichts ließ sich festhalten;
wie in einein Kaleidostop jagte ein
Bild das andere:
Wieibadem Sie hörte raus ende
Music sie sasz in einem großen aal
unter Hunderten von Menschen Doch
nur einem sah sie, eine hohe Ge
itolt, deren Au en aus sie erichtet
waren. Dann Diom: Alle P Ehe, an
tenen sie mit ihm gen-eilt. Unter
dein Brausen und Zischen des Was
seriallg schlugen heiße Liebesivorte
an ihr Ohr, siihlte sie seinen Kuß
ans ihren Lippen.
Aus dieser Seligkeit wurde sie in
eine andere versetzt: Sie stand vor
dem Altar« mit behenden Lippen tte
sie ihr »Ja« estiistert, hatte sich ort
gesiihrt aesii t —- undeuttich erschien
ein hochzeitsmahl vor ihren Blicken
—- dann wieder saß sie in einem
Bahnzuge tote seht, der mit ihr
durch die Welt raste, doch nicht ein
sam, allein —- nn ihrer Seite saß
Patho, hatte sie eng umschlungen —
sie war trunten vor Gliict, wie im
Rausch empfand sie seine Liebtosuns
-gen.
Weiter —- ein stilles Zimmer in
einein großen, rremden Hause, in ei
nem hotel in Berlin — einige sclige
Toge — bunn Monte Carlo.
Erst ibr Entzücken iiber dieses Po
rodies, doch schon troch ihr ettone
Kolteo ans Herz, sie siihlte sich ver
nachlässigt, ost einsam —- nber auch
one ging voriiber «- sie wsrr in
Prog, in ibrem heimt
So stolz war sie aus ihre neuen
Pflichten als haussruu gewesen, batte
nur daran gedacht, ihrem Mann
Glück zu bereiten — aber das er
sträumte Gliict wollte sich nicht sus
sen, nicht halten lassen —- viele Stuns
den der Verlassenheit, der Trübsal
hatte sie durchgemacht —- und dann.
»Ich habe bich nie geliebt, ich liebe
dich auch heute nicht!'« gellie ess- in
ihren Ohren. .
i Hutte jemand das laut ousgeeuseni
lVerstiirt blickte sie ucn sich. Sie war
Laus ihren Träumereien erwacht, sab
sdie beiden Damen, bie mit ibr rei
·sten, sich von ibren Eisen erbeben unt
ibr Handgepiid zusammensuchen. Ruft
wurden laut, die Couufstiiren ausge
irifsetn Berlin tvur erreicht.
Sie erhob sich, ohne noch recht zu
wissen, ione sie tun sollte; - ihr sie-«
ein« bosz sie umsteigen. vielleicht nock
einem anderen Babnboi sohren rniissi
—- sie wollte nochsrogein sich ertuni
digen, siiblte sich wieder so matt. das
sie nur den einzigen Wunsch butte.
irgendwo liegen, sich nusruhen zu
ibiirsern
Ein Beamter hatte ihr dann Be
scheid gegeben, sie hatte ein oder zrve
Stunden in Irgenbeinem Wortesuai
gesessen, nuch eine halbe Tasse Aussen
getrunlen, sich dann in einem Couoe
eoieber gesunden, geschlasen, wio
lange. wußte sie nicht —- jeht sak
sie in einer Droschte und suhe bunt
bie bekannten Straßen ihrer olieo
heimotstndt.
Es tonr noch sriiber Morgen, bit
Stirbt schien noch i« halbem Schlund
mer zu liegen
l Niir iii der Nähe des Bahnhosi
war etwas inehr Leben gewesen, ho
teldieiier hatten ihre Dienste angebo
ten, Gepäaträger waren hin und hu
gelaufen, Der-schien rollten voni
Bohiihos, hinter ihr, vor ihr — nur
herrschte wieder Stille. In der Vor
stadt waren Kontore Und Magazine
noch geschlossen. die Börse lag Beih
iiiiitig und schweigend zii ihrer ech
ten, als sie die Briiae passierte —
dann, als sie weiter inni, zeigte sieh
inehr Leben. Einige Casisö hatten
schon ihre Türen geöffnet —- als sie
den steilen Berg iiiit deni Kantdents
niiil hinter sich und die nächste
Straße erreicht hatte, war die Stadt
schon voll erwacht. Straßenbahiien
rasselten vorüber, aii den Magazinen
waren die Jalousien herausgezogen
drinnen liefen Vertauserinnen und
Veriäuser hiii«und her, ordneten dies
und das —- doch Alice gewahrte das
geschäftliche Treiben nicht, ieine Er
iniierirn war in ihr erwacht, wie
leblos aß sie da iind wartete aiis
das Ende der Fahrt.
UmsParndeplai ging es vorüber.
iiin das Stadttheaier mit seinen e
schlossenen Pforten herum, endåch
hielt der Wagen —- sie war am Ziel.
Eine peinigende Angst stieg plöt
lich in ihr ans: Was hatte sie Ie
tan —- sie war aus ihrem hause se
flohen! —- Wie wiirde der Onkel sie
einpsangenit —- Wiirde er sie auf
nehmen, oder mußte sie sort, zurück
zir ihrem Mannes
Schauder ergriff sie —- nur das
nieht —- nur nicht w eder sene Worte
hören. sich verhöhnen verachten tas
eii. Lieber alles andere ertragen,
des Onlels Magd werden — nur
nicht zurilit zii ihm, der sie hinausge
peilscht hatte init seiner Detail-taugt
Gortsefimg solat.)