Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, June 03, 1915, Sonntagsblatt, Image 10

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    III III- ss EIN
Von Wirt Matten-D
MS ich vor einigen Jahren in der
Nähe ron Dresden lebte, sagte sich
unvermutet unser Vetter Gaftvn de
Same-se bei uns an. Ich hatte bis
her nichts weiter von ihm gewußt,
alr- baß seine Großmutter, eine Deut
sche, vie Schwester der meinigen ge
ien mar, nnd daß er als Colonel ein
JnsanierieiRegiment in irgendeiner
leinen Stadt der Provence lern
mandtertr. Wie er mir schrieb,
wollt er mit seiner Familie den
Winter in Dresden zubringen, um
endlich einmal seine Verwandten ten
nen zu lernen und sich zugleich in der
deutschen Sprache zu vervolllonnns
nen.
Es war Ende Oktober, da holte
ich ihn cnn Sage ab. Zu unserer
Verwunderung nnd zur großen Hei
terkeit der Menge entstiegen dein Ab
ieil drei nbenteuerlich ansgesiattete
Nordpolfahrer. Gestan. seine Frau
nnd fein vierzehijiihriger Sohn wa
ren nämlich bis über die Ohren in
lange, zottige Anwmobilpelze ge
hüllt, trugen hohe. warmgefiilterte
Schaftiiiefel und spihe Olterfellmüi
zen. Nachdem sie die überhisten Ge
sichter aus der Vermummung heraus
geschält und sich der Fausthandschuhe
entledigt hatten, begrüßten sie mich
mit angenehmer Herzlichleit nnd äu
ßerienjhre Ueberraschung darLben
Ns lvtt tm Petvsl seyn wrao Mur
me statt zwanzig Grad Kälte hätten.
retlagten sich aber bitter über die s nöt
ti««.)en Blicke des deutschen Publikums,
unter denen ihre Pelze von der Gren
ze an bis Dresden ununterbrochen zu
leiden gehabt hätten.
Wir wurden bald gut; Freunde;
anch Stadt und Land getielen ibnen
mit jedem Tage besser-. Immerhin
dauerte es eine geraume Weile, bis sie
sich tät-erzeugten daß das Königreich
Sachsen eigentlich mehr Aehnlichkeit
mit Franlreich hatte als mit Libi
rien. Madame zum Beispiel war au
ßer mit dem Zettelpelz, der nun als
überflüssig im Schrante hing, nur
mit zwei derben, braunwollenen
Haustleidern ver-seyen —- vom billig
sten Schnitt, um unter der deut
schen Frauenwelt nur ja nicht als
herausgeputzt aufzusallens —, ihr ein
ziger Hut schien eher aus Rottbus
als aus Paris zu stammen, und auch
Gaston selbst trug ein wahres Räu
ber-Zioil, dem nur die unvermeidliche
Rosette der Ehrenlegion eine gewisse
exotische Würde verlieh. Sie wun
derten sich sehr, daß es in Deutsch
land bebagliche Wohnungen, ia sogar
glänzende Paläste gab, und daß man
in den billigsten Wirtschaften even so
gut oder vielmehr besser speiste, als
in den Restaurants des südlichen
Frankreichs
Wir tamen satt täglich zusammen.
Nicht ohne patriatischen Stolz führte
ich meine Gäste in den Straßen der
Stadt und in den hübschen Willen
Vororten spazieren- Auf Iouren ins
Elbsandsleingebirge bewunderten sie
die blinkenden Ortschaften, das idyl
lische Schandau und die drohend
hingelagerte Feste Königstein Als
der Member lam. waren die San
tdse in der Dresdener Gesellschaft
schon wie zuhause, überall mit voll-»
kommenster höflichteit und gastlicher
Sitte aufgenommen, und als drüben
bei uns aus der Loschtoitzhöhe die Ro
delbahn in Betrieb kam, da sauste der
lustige Lucien, der überhaupt noch nie
mals Schnee gesehen hatte, mit sei
nen deutschen Schultameraden jubelnd
zu Tate. Die deutschen Amiisements,
so beteuerte er immer wieder, seien
wunderlichertoeise bie schönsten von der
Welt. «
Bot allem fesselte den Colonel na
türlich der Anbliet unserer Truppem
Jn den ersten Tagen spöttelte er
. Die Mannschaften waren ihm
zu ungeschlacht, die Ofsiziere zu her
risch. Eine Parade, der er in unse
ihrer Gesellschaft beiwohnte, stimmte
ihn schon nnd-deutlichen wenn ihm
auch der Sinn eines strauunen Pa
rademar chee durchau- nicht einleuch
tend-tin Alserdannaber ein
zelne Ofsiziere personltch rennen
lernte, sich über militärische Fragen
offen mit ihnen aussprach, die Raser
nen besuchte, dem Ausbildungsdienste
zusah, da veränderte sich binnen kur
zem sein ganzes Wesen. Unter ber
Decke von franzbsischer Blagae und
Selbstzufriebenheit kam ein ernster.
gegen sich selbst wie gegen seinen
Beruf sehr strenger, nach Vollkom
menheit strebenber Charatter, eine
durch und durch soldatische Natur
sum Vorschein.
Es packte ihn eine wahre Gier
rsach immer neuen militärischen Ein
drücken und Erfahrungen Wo es
etwas vorn bunten Rock zu sehen gab,
da war ver Colonel de Santeze zu
»Ich bin kein Spion!« pflegte er
stolz zu betonerr. »Ich besise einen
Paß von ber Botschaft und habe mich
beim Stadtkommandanten gemeldet
Abet allei, was nur erlaubt ist, will
ich sehen von dieser merkwürdigen
Traben-sacht «'de rette foeae earieuse
et Mir'. Ich bitte M. stellt
mich sor, siibrt mich ein, Iso es im
mer sur msglåtgs ist« sit ging
M, was in ern Wir n
s- ibs zustehe besonders aber, seit
es umseht-a im Frieden sich empfiehlt,
Besitzes-w die eine tappen-nacht
nnd überlegene Kntinr vor Augen zn
siitzeen
Ein Erlebnis dar altem schien es
silzin angetan zu haben — denn ein
Erlebnis war es in der Tat siir
ihn, —- es erregte ihn so hestig, wie
ich es nicht sin ntögiich gehalten hätte.
Der Komm-Indem des Echiitzenregii
mentes hatte ihn zu einem größern
KasinosAbend eingeladen. Da saß
der Celonel im Kreis- der Osiiziere.
die Regiinentss ssiapelie spielte, Reden
wurden gehalten, bei allein zurückhal
tenden Takt nicht ohne tiesere Bedeu
tung; er tat einen Blick in den Geist
des deutschen Windher das
er als Nationalist dpm reinsten Was
ser daste. nun wider Willen bewun
dern mußte nnd wohl von diesem
Tage an zu fürchten begann. Bei
der zweiten Flasche Seit brach sich
das nerväse Temperament des bei al
ler Klugheit so ossenherzigen Ge
siihlsmenschen pldslich Bahn. Sein
anfangs leichtes Giplauder ging in
lebhafte Rede über, steigerte sich
schließlich zu leidenschaftlichen An
tlagen —-— Antlagen gegen die eigene
Armee. Gaston de cantesze delannte
Esich als Novalist. als guten Ratt-eli
ten und als eiseigen Anhänger der
Militärpartei. Er ironisterte die Re
pubiit mit ihren schwarzrdckigen
Kriegsminiftern, sprach erbittert von
ziien sozialistischen Generalen, mit de
Inen et sich herumzuschlagen hätte, wie
Isie ihm den Besuch der Messe ver
Iisieten wollten als einer Demonsirns
tion gegen das kirchenseindliche
Staatswesen wie sie ihn als verdäch-»
tig frommen, unvellstiimlichen Ari-"
Estotraten nach dem Süden straft-er
est und ihm nur sehr ungern den
Elllr aub nach Deutschland bewilligt
Ehätten. »Ihr dagegen«, rief er in»
Ezorniger Klage, »Ihr habt Euren
EKaiserS Jhr hcdt den Esprit de
Carus Jhr habt die unerschüttersk
Eliche Disziplin der Mannschaften.
Euer Valt hat noch den Glauben an
sGott und die eigene Kraft — mit ei
nern Wort: Jhr und Euer Ball hath
ialle-.s!'« — Alle-it- Was verstand er
Edarunteri Run, dies eben war es.l
itvas ihn so erschütterte, ohne daß er
das Letzte und Hochste aus-zusprechen
Ewagte: Ihr habt dereinst die Gewähr
des Eiegesl
E «- - . E
, Es war Ende November vorigen!
JJahres im vierten Kriegsmonat, das
Ihielt ich mich wieder siie einige Tages
in Dresden aus. Ein Majoe vaenE
Kriegsministeriurm den ich tannte,
sagte mir gesdrächsloeise, daß er in
den nächsten Tagen auf dein König-"
stein dienstlich zu tun habe Z
Und wissen Sie auch· fügte ers
jhinzu, »wer jetzt dort oben mit den
andern französischen und rusftschensk
Dfsizieren gefangen sitt? Jhr Vetter,
der Colonel de SantdzeP
Nicht möglich! Scherzen Sie? Liegt
auch kein Jrrtucn vari«
»Im Ernst! Jch habe mich auch
schen vergewissert und unsere Listen
iachnials nachgesehen: Calonel Gastan
ae Santkze vorn 160. Jnsanterie-Re
gitnentx leicht verwundet, gefangen bei
Armentietes.«
»Kann ich ihn besuchen?«
:Will sehen, was sich tnachen laßt.
Es ginge höchstens in meiner Beglei
iung.«
Der Besuch wurde mir gestattet,
unter der Bedingung. daß ich dein
irspizierenden Major nicht von der
Seite wiche, mir die Kontrolle des Be
suches gefallen ließe —
Ala wir von Ders Königstein den
steilen Weg zur Festung hinausllotns
men, überschlich mich ein zwiespiiltii
ges Gefühl des Mitleids und der
Genugtuung. Vetter Gaston hätte sich
das dar drei Jahren gewiß nicht
träumen lassen, daß er seine Partie
in die Sächsische Schweiz sa un
freiwillig wiederholen Mitbe. Nun
war er erst in Wahrheit unser
Feind, wenn auch nur in einein fet
nen politischen Sinne —- als liebens
werter Mensch uin so mehr zi« bedau
ern.
Düfter stieg über dem dichten Zith
tenwald der langgestreckte, maifigh
Standsteinbloa auf mit seinen Kasse-»
matten seinen tegelförmigen Wachtsj
türmen und dem tahlen grauen Häu
sertrait, hinter dessen bergitterten4
Fensterehen sich nun die herren Rufs »
ten und Franzosen über ihr ver-J
hängnisvalles Bündnis unterhatten
tonnten »
Auf dem Waagang längs der fiar-J
ten, steinernen Brustwehr butnnieltenz
sie paarweise, die hände in den
lPurnphose n vergraben, schwaßend hin
und her, oder standen in Gruppen
bei einander auf der wellig erhdhten
Grasfliiche des Plateaui, halb gelang
Iweilt und halb sehnsüchtig hinab in
das von Flößery Zillen und Vergnü
gnngsdampfern froh belebte Ell-tat
blickend
Der Colpnel de Santåsze war mit
einem Kameraden gleichen Rangez in
einein Zimmer der Geargenburg, des
ehemaligen Staatsgefiingnisses, nn
Itetgebraiht
,;Die her-ten haben sieh wahrhaftig
nicht zu beklagen,« bemerkte lächelnd
.der Major. »Sie wohnen ans kont
fortabeL Von den Genera hat je
der sogar sein eigenes M nebst
anfmertiamer Bedienung.« Und den
nach fiihlte tth mich nun iaii beschämt,
.nnsetm guten Gasen in feiner iexn"
sen Lage gewissermaßen mit der S
qeriniene en utretein
l Gewiß- ee reine sich- mich nieder
Zusehen est wenigsten- höflich-mis
fo, als ei ej then etn aufrichtige
Berg-tilgen wäre. aber ich merkte da
slei sofort, Iß es tnn ihn stand: das
"er völlig siedet-gebrechen war. Tod«
müde, alt nnd grau geworden.
schleppte er sieh oorwath stand dann
auf einen Krückfton gestiist lahm
»und gebeugt vor uno und hatte Trä
nen in den Augen »
Berbindlieh lud ihn der Major
zum Sitten etn Der andere Colonel,
im Hintergrunde des Zimmera mit
feinen Briefen befchäftigt, entfernte
sich rücksiehtsvolL sobald er bemerkte,
daß es sich um einen Prioatbefuch
handelte.
Jch erkundigte mich nach dem Be
finden feiner Familie. Er hatte
über Genf Nachrichten den ihr; fie
befand sich fest in Nizza, lediglich
wohl.
»Ach —- aber mein Lucien, mein
Kleiner-, mein Einziger!« fügte er,
mit den Tränen teimpfend, hinzu.
»Ich werde ihn vor Friedensfchluß
nicht wiedersehen, vielleicht auch nie
mals, niemals wieder! Er gehört nun
fchon zu den Siebzehnjährigen nnd
muß zum Frühjahr mit den lehten
Reserven ins Jeth
.Vielleicht wird es nicht fotoeit
lormnen«, perfuchte der Maer zu trö
sten. »Auf beiden Seiten hoffen wie
ja, daß es vielleicht schon vorher zutn
Frieden tornmt.«
Gatten schüttelte hoffnungslos den
Kopf: »So rasch wird sich unser»
Zsranlreich nicht ergeben. .L!s wird«
tarnpfrn bis zum lettzen Mann-« «
»Und ihre Verwundungt« lentte
ich ad, auf den lahmen Knochel deu
tend
»Nicht der« Rede wert. Jch freue
mich, daß ich wenigstens nicht ganz
unverletzt-in die Hunde des Feindes
gefallen bin. Die Schande wäre sonst
noch größer gewesen« J
»Es ist teinr Schande. . .« i
»Du doch —- oy doch! Ein now-l
mandeur an der Spitze seines Regt-s
ments. . .! Bis zum äußersten, bisll
zum letzten Blutgtropsen hätte man!
sich wehren inufsenl Wir warens
umzingelt. . . trotzdem Wäkk es noch
möglich gewesen, wenn nicht. . . wenns
ich in mir selbst. . . aber ich wills
es Jhnen erklären; denn Sie, meins
Herr Vetter, haben. wenn ich ers
recht bedenke, auch Jhr Teil dazu hei-’
getragen."
»Jcht! Ein harmloser Zidilifi?«
»Ja, Sie! Sie als der gesättigt
Freund und Führer, der mir die Be
kanntschaft mit Deutschland und dem
deutschen Militiir so eifrig vermittel
te! Beachten Sie wohl: ich wußte
noch nichts von Ihrem Lande, bevor
ich damals zu Ihnen kam. Jch
konnte leider nicht Respekt haben dar
dem Zustand der eigenen Armee, im
merhin glaubte und heffte ich, sie sei
ver deutschen noch ebenbürtig. Die
sen heilsamenJrrtum hat mir der
Umgang mit Ihnen, mit der deutschen
Gefellschaft gründlich zerstört. Von
dem Tage an, wo ich nach meiner
Garnison zurückkehrte, war ich ver
zweifelt —- ja, damals schon verzwei
felt und niedergedrückt von Angst.
Wenn je der Krieg kommt, so sagte
ich mir, werden diese Deutschen« so
wie ich sie kennen gelernt habe, uns
til-erkennen überschwemmen sich ins
uns verbeißen, hartnäaig zäh undl
unerbittlich wie ein wundervolles wil-(
des Tier. Jch sage: wundervoll, weil
ich es —- qcht inva, leid-it — sp
fiihltr. Denn dies ist das Schreck
lichfte von allem. Jch habe mich in
euer deutsches Wesen verliebt, so wie
man Hals über Kopf, zum eigenen
Entsetem in die Fallstriae einer
Frau gerät, die man doch hassen und
verachten möchte, ja· ganz w.e in ein
fremdes rätselhaftes Weib, das einem
auf einmal jünger, schöner, rassiger«
ankommt als das eigene. Jch ge
höre Frankreich mit Leib und Seele,
ich bete sie an, meine geliebte Maiwu
ne. wenn sie auch zurzeit noch die
Jakobinermiize trägt; euer Deutsch
land aber hat mich irregemacht an
ihr. Und dann, als der Krieg lam,
mitten in der Schlacht, da habe ichl
ihr die Treue gebrochen und habe mich?
euch überliefert — ohne Not. Es
ist aus! sagte ich mir, als ich euch
vor mir sah. Alles ist aus! Sie ist
unwiderstehlich, diese Macht. Zweck-»
los, sich weiter ihrer zu erwehren!
Sie ist schöner, gewaltigen sieghaster
alt jede Macht der Erde. Jch liebel
— ach ich tier sie, die meine Heini-ins
ist! Schon lange gehört ihr meines
ganze Seele; so soll sie denn auch»
noch das Leste von mir nehmen —»
was liegt daran! Es ist wahr, meine
Kameraden hatten mich schon lange
im Verdacht;sie warnten mich vor dem
deutschen Blut in meinen Adern und
fanden immer, daß ich mit unter
driietter Zuneigung von Deutschland
spräche. Aber das es nicht« Wie-J
viele unter uns sind utscher Abstam
mung! Nur wenn ie Deutschland
und die deutschen Sol aten so tennen
wie ich, werden sie ähnlich fühlen. . ..
Kein andern aber tann so wie ich
darunter leiden. Denn es ist eine
Sehnsucht, die mich peinigt, ein ewiges
heim-eh nach dem Lande« in dem ich
nun gesungen bin.«
»Sie werden zurücktehren nach
Wen Irantreich«, sagte leise der»
or. .
.Ja, ich werde und ich will. Die
aber wird man mich eins-san t Man
wird es wissen oder doch a , daß
Iich mich ohne Rot ersehen habe, und
wird mich denndmarten — vielleicht
mit Recht. Und ich selbst werde
mich nicht mehr achten können, weil
ich allein weiss. wie schlimm ei Im
lmich steht. Jch werde mein Vater
land Frankreich verloren haben, nnd
das andere in mir auf ewig unerreich
bar! "
s Ein innerlichej. tränenlosei Weinen
ichiittelte seinen armen, adgezehrten
Löwen Erbarmnngiwiirdig erschien
Hmir dieser ehemals so stolze ehren
seste Ossizier, der in einem tiefern
ISinne gelangen saß als irgendeiner
Fseiner immer noch ganz Jus-ersichtli
Jchen Kameraden. Wir wußten ihn
inichts mehr zu sagen, schüttelten ihm
inne stumm die hand nnd ließen ihn
sallein mit einem sassungmllen
sGrann —
» »Er ist übrigens nicht der einzige
seiner Art', sagte draußen mein Be
gleiter zu mir. .Jch habe schon
»nmnchen Gefangenen gesprochen, der,
wenn auch unbewußt, Deutschland mit
Tgleichem Interesse und mit wachsen
der Zuneigung betrachtete wie dieser
Colenei. Dort in den Schüyengräs
Hben, in ihrem eigenen Lande, sangen
sie bereits an, sich mit den Unsrigen
zu verbriidern. Fast hat es den An
schein, als würde die rappeltöpsige
Marianne doch noch Vernunft nn
nehmen; dann könnte aus den beiden
seindlichen Nationen später einmal so-I
gar ein glückliches Paar werden« ;
Messikieleh
Stim- eson M. v. Mühenielgz
Jrn tleinen Thüringer Villenstiidti
chen standen zwei helle. freundlich
augschauende Landhiiuochen dicht ne-»
beneinander. Die Gärten waren nur«
durch einen Drahtzaun voneinander
getrennt. Die Zweige der Bäume neig
ten sich von einein Garten zum an
dern. und die Kletterrosem die zu
beiden Seiten des Drahtzauns blüh
ten, verrantten sich untereinander und
schmückten beide Gärten. Man hatte
das Gefühl, als seien diese beiden
Häuser Schwestern; es war, als ob
sie von desselben Bauherrn band ge
schaffen sein müßten. Man sreute sich
der großen Harmonie, die von ihnen
ausströintr.
Jn Wahrheit gingen die zwei Häu
ser einander aber seit langem nichts
mehr an· Frühet, als die beiden
Männer, die gemeinsam das Grund
stiirt tausten, es unter sich teilten und
die Schwesterbauten errichten ließen.
noch lebten« da war ein reger Ber
tehr zwischen den zwei glücklichen
jungen Waaren, die sich hier ansiedel
ten, gewesen. Die Männer hatten ge
meinsame Geschäste, und die zwei
jungen Frauen liebten einander zärt
lich.
Sie ergänzten sich in allein; sie lieb
ten sich inniger als Schwestern sich
lieben können. Eine jede wußte im
Hause der anderen wie iin eigenen
Bescheid.
Das Schietsal selbst schien sie auch
als Schwestern anzusehen, denn Jahr
um Jahr verteilte es seine Gaben
gleichmäßig in beiden häuserm Beide
wurden Mutter; beide hatten sie et
nen gesunden, dunkeliiugigen Jungen.
und zwei Jahre später trug jede vo-.
ihnen das ersehnte Töchterchen nn
Arm.
Dann tanten dunkle Zeiten. Frau
Ernac Mann, der an einein schnee
reichen Wintermorgen zur Stadt ge
ritten war, wurde am Abend all
Leiche nach Hause gebracht. Der
furchtbare Schlag machte die Freund
schaft noch tiefer, wärmet und inni
ger. here Martin ward Vormund
von Ernaz Kindern und oerwaltete
ihre Geschäfte. Die beiden Frauen
trennten sich taum noch, und die Kna
ben, die längst zwei wilde, pausbiits
tige Schiingel geworden waren. hin
gen mit größter Zärtlichteit aneinan
der.
Das Trauerjahr ging siir Frau
Erna langsam zu Ende; da besann
sich das Schicksal daraus, daß es nicht
ganz gerecht gewesen, wars den fun
gen, lebenssrohen herrn Martin aus
ein schweres, schmerzhaftes Kranken
lager. von dem er sich nicht mehr er
heben sollte.
Die beiden häuser blieben äußer
lich hell und lustig; aber drin in den
Räumen wohnte tiesei, tiefes Leid.
Not und Sorgen blieben den jung
verwitweten Frauen erspart. Die
Männer hatten treu sür sie gesorgt.
Aber das Leben begann schwer und
eintönig zu werden. Saßen sie zusam
men, so sprachen sie oon ihrem
Schmerz. Die Lieder der einen waren
verstummt, und der früher so rege
Geist der andern drehte sich nur ums
die eine Frage: s
»Warum hat Gott das geschehen»
»Juki« s
Die Kinder wurden größer. Dies
Knaben erhielten einen gemeinschaft-l
lichen Lehrer, der ihnen die Anfangs-;
griinde beibringen sollte, und dieseti
Lehrer war es, der den beiden Frauenl
das Beste, was sie außer ihren Lin-!
dern hatten, nahm: die treue, gutes
Freundschaft zueinander. s
Sie hatten et beide selbst gwashi
das Frau Ernai Sohn ein Yiller»
ernsten etwas streberhaster unge!
war, und ebenso hatten sie gewußt«
dein tleinen Martin zuviel Phan-:
ia «e, zuviel Fröhlichkeit mit aus dens
II Oberåmtggbenqtveäe Sie-Chai-;
au g br n, ten’
beraten, spie sie es rna scientes-J
daß dem einen der fehlen Irohsinmj
Ideen anderen der mangelnde M
lbeiaebracht werden könne und jede
der beiden Miitiet hatte treulich ge
sucht, gerade aus den Sohn der an
Idern erzieherisch einzuwirken
Bis dieser sresnde Mann sich ewi
schen sie stellte, bis dieser Mnnn, der
sich mit seinen piidagsgischen Kennt
Inissen briisiete, das Gift in die See
len der Frauen gos.
Der ernste, sirederhaste Junge war
sein Iall; dein sagte er eine gute Zu
lunst verant; site den phantasiebes
gnbten sah er schwarz.
Mochte er nun ein guter Pödagoge
sein oder nicht —- ein guter. duldsa
mer Mensch war er aus reinen Fall,
denn statt auszugleichen und zu ver
mitteln, zog er den einen an sich her
lan und würdigte den andern zum
sriiudigen Schaf herab.
s Die Mutter des tugendhasten Jun
igen sah plötzlich voll Angst aus den
;Spielgesährten mit dem allzu heile
;ren Sinn. Jhr wurde bang. War ed
nicht möglich, daß böse Keime in der
’jungen Seele steckten, die sich aus
ihr Kind übertragen lonnten?
Und die Mutter des fröhlichen
Knaben blickte voll Mißtrauen aus
den ehrgeizigen Jungen. der das Ziel
hatte, ihr Kind zu Boden zu drücken,
um sich selbst einen Höhenweg zu bah
nen.
Die Freundschaft war aber zu echl
und tiesz sie ließ sich nicht im Au
genblick erschüttern. Beide Frauen lit
ten, aber beide beherrschlen sich und
ließen den Paduas-gen drei Jahre sei
nes Amtes walten.
Dann kam der schlimme Tag. an
dem der tieine Martin träneniiberi
strömt zur Mutter gelaufen kam.
Freund und Lehrer waren iiber ihn
hergesallen und hatten ihm gesagt,
daß nie etwas aus ihm werden tön
ne, und der Freund war piöhiich tait
und hochsahrend geworden und hatte
mit dem Lehrer einen Blick getauscht,
der dem warmherzigen leicht erreg
baren Jungen die Besinnung raubte.
Er hatte um sich gehauen —- biind,
wütend gegen Freund und Lehrer —
und nun tniete er bei der Mutter und
siehte:
»Laß mich sort von hier! Ich bitte
dich, tu mich sort von hieri«
Der ileine Martin war an jenem
Tage iu de- Tat das räuvigk Schaf
gewesen, das ließ sich nicht verleug
nen, denn er hatte die Hand gegen
den Lehrer erhoben. — Diese Tat
sache hob sich drohend gegen ihn aus;
das, was vorangegangen sein mochte,
hatte hier teine Gültigteit.
Die betämmerte Mutter tat, was
ihr Junge sich erbeten hatte: sie trenn
te sich von ihm und brachte ihn in
das Haus eines Geistlichen in der
Stadt« wo er die Schule besuchen
sollte.
Sie riß sich den Jungen vom Her
zen », aber mit ihm noch cui-as an
deres, und zwar die Freundin.
Auch die brachte ihren Sahn in
eine Stadt, denn beide Frauen haß
ten instinktiv den, der sich zwischen
sie und ihre Knaben gestellt hatte.
Von nun an gab es tein hinüber
und herüber mehr zwischen den bei
den Häuserm Die tieine Psorte im
Zaun, die man des leichteren Ver
kehrs wegen hatte anbringen lassen,
hiieb geschlossen, und bald eantte sich
der Eseu so dicht darüber weg, daß
der einstige Zugang zwischen den
Rachbargiirten völlig in Vergessenheit
geriet.
Lastend lag die große Bitterkeit
auf dem blühenden Stückchen Erde,
auf dem die ztrei hellen Häuser stan
den. Die Feindschaft war da, aber
ek- tvar eine Feindschaft, die nicvt
aus tiefsteni Herzen geboren war —
teine Feindschaft, die notwendig und
darum richtig gewesen märe Zon
dern es war die Feindschaft, die durch
den Dritten in ihr Leben geichleudeU
war, und die nicht alles vernichten
konnte, was einstmals an guten Ge
fühlen in ihnen gelebt hatte.
Wenn die ernstere Erna an die
einst so fröhlichen Lieder ihrer Nach
barin dachte, tat ihr das herz weh
vor Verlangen, sie noch einmal sin
gen zu hören, und Frau Martin
sehnte sich nach dem guten Rat und
dem herzlichen Trost, den sie ost bei
der guten Freundin gesunden hatte.
Die Jugend nahm leise Abschied
von ihnen; Frau Erna trug da
haar glattgescheitelt und ein harter
Zug lag um ihren Mund. Frau Mar
tin weinte diel und grübelte über ein
verlorenes Leben nach
Eine jede von ihnen sehnte sich von
Jahr zu Jahr heißer nach der andeinz
jede von beiden sagte sich: würdest
du ej liber dich bringen und zu ihr
hiniidergehen, so würde sie dich mit
tausend Freuden empfangen.
Aber ihr Eigensinn, den sie Stolz
nannten, hielt sie beide von einem
guten, vernünftigen Weg zurück.
Die Jahre flogen immer schneller
zdahinz aus den Knaben waren Jüng
linge geworden· und jeder von ihnen
ging in seiner Weise einen guten, ge
raden Weg. Sie waren hoc-gewachse
»ne, kräftige Menschen, auf die die
Mütter mit Stolz hinsehen durften.
;Sie waren beide liebenswürdige und
nie Menschen, aber sie lonnten den
i g Weine-aber nicht mehr finden.
Der n eine Drahtzaun, der die zwei
Gärten voneinander trennte, schien zu
einer hohen Mauer geworden zu sein.
, Ein heiser Sommer war ins Land
Gesange-, — der levte ihrer Schul
zeit. Rath ei- iurzer Winter, dann
sparen tie frei nnd traten ini Leben
sind-sk
D ji kam siihlings in die Welt
dir pl fiche Wendung. Ersi schlug
ei wie-leise plätschernde Wellen an
ihe Ohr-, daß oatn Krieg die Rede
sei: sie lasen davon, aber sie glaubten
nicht daran; sie dachten nicht einmal
darüber nach.
Dann fingen die Knaben an, auf
zuharcheru Das schien doch ernst zu
werden· Und sie liesen aus ihrer Ein
samkeit heraus zur Stadt, um Nat-e
res zu erfahren.
Das herz war ihnen voll, als sie
am Abend, jeder siir sich, zurücktrat
ten. Jrgend etwas drängte sie zuei
nander hin — irgend etwas war
weich und gut in ihnen geworden.
Jeder hätte mit tausend Freuden dem
andern die hand gereicht, aber die
jahrelange Gewohnheit des Sichmeis
den« war zu start geworden. Einen
sehnsüchtigen Blick wars jeder nach
dem Garten des andern und ging zur
Mutter ins haus. Und dann ward
das, was noch wie bange Ahnung
in der Lust geschwebt hatte, zur
furchtbaren und zugleich zur berau
scheuden Wahrheit.
Das Herz der beiden jungen Men
schen aus den Nachbarhiiuieru war
zum Uebersließen voll. Ein heißer
Tag lag hinter ihnen. Die Schulen
hatten Noteramina gewahrt; nun
mußten sie zur nächsten Garniion
und ihre Dienste anbieten.
Abend war es, und der sunge
Martin schritt, in tiefe Gedanken ver
funten, durch den Vorgarten, der
deide höuser verband. Aus der Tür
des Nebenhauses trat Ernas Sohn,
sah den ehemaligen Freund, stuhte,
wallte ins Hau: zuriirt und ward ge
stoßen, gedrängt ddn einer unsichtba
ren Gewalt. Und ebenso der andere.
Und stehen sich plöhlich gegenüber,
und ihre blinde umschlingen sich in
festem Druck. ·
Martin fragte stockend: »Wi- mel
dest du dich?« und in zwei Minuten
sind sie :inig: sie gehen morgen mit
sammen zur Garnison.
Die Mütter haben un den Zen
stern ihrer Wohnstuben gesessen und
haben gesehen, was zwischen den jun
gen Leuten vorging.
Heiß tlapste ihnen das Herz; Trä
nen traten in ihre Augen.
Gott —« a Gott —- foll das mög
lich seini
Und Frau Erna steht mit zittern
den Knien von ihrem Fensterplah auf.
Es hat an ihre Tür getlorft. Ia
lehnt die Mutter des jungen Mannes
an der Wand, das Tuch an den klu
gen und tann nicht reden.
Zwei weiche Arme umschlingen sie;
Worte sind nicht nötig
Jahre des Friedens sind hinge
rauscht und tonnien den langen
Krieg in ihren Versen nicht enden.
Nun erdehet die Welt irn Krieg,
und sie haben den Weg zum Frieden
gefunden
Heil und lustig liegen am nächsten
Morgen die beiden häufer im Son
nenschein. Ernae Sohn und der jun
ge Martin schreiten Schulter an
Schulter den grdfzen Weg, den das
Vaterland ddn ihnen fordert, dahin,
und die blonden Mädchen plaudern
miteinander.
Die beiden Mutter sehen ihren
Söhnen nach; die band der einen
liegt in der der andern.
Durch die Welt hallt der Krieg.
Jn ihre Versen aber ist der Frie
den gezogen.
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Ich hats einen Kameraden
Wii schwangen die Jenseit un Eva-scie
XII-usw«
Mejn Finnierad voran
Ta schlug die Trommel im Vernika
Land:
3ui Fahne Mann sur Mannl
Wir stellten uns freudig in Nein nnd
Glied
lind ichnlimkn dass Gewehr
Und sangen der Heimat km lenke
Ied
Von Abschied und Wiedersehn
Wir hielten zusammen in meines-km
Strauß
Treu brüderlich, Seit« an Seid
Und einer sprach dem andern aus
Des Herzens Gastlichkeit
Da zog heran die moderne Schlacht
Tes Todes Beute war schwer
Und schlummerte- lag ich di« ganze
Nacht:
Tas Lager des Bruders war leer
) han« ihn begraben —- er iii dahin«
er treu zur Seite mir schritt
Ec- will mir ein Wörtlein nicht aus dem
Sinn:
»Eure-n bessern findit du nii'·.'·
—- Triiiiger Grund. III-:
»Es wäre doch neii, wenn Deine
Gattin auch Karten spielen letnie.«
B. .. »Um Himmelewillen — wie
langweilig file mich! Ihr gegenüber
müßte ich immer Jlein beigeben«.«
—- Kinderniund. Mutter:
»Ich habe Dir doch gestern ein Zeh
nerle aefchentis Du sollst artig fein,
und Du bist doch wieder ungezogen
gewesen«
chem »Ja, Matna, ich lasse
mich eben nicht bestechen.«
—- Reiv. Der Noaelbauer schaut
ge wie am Buchenrain das dort ent
ckie Gerippe eines vpesinlfluilichen
Riefentieeei ausgegraben wird. Sa
xendi«, murmelt er neidisch, Juni-:
damals Kalbsharen geben daW