Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, March 05, 1915, Image 10

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    ,«' Von Ananite Suvpcr. C
Er zieht längst durch Dorf nnd
Stadt, der ehemalige Schmied Georg
Stark von Lenzseld. dem der graue
Schnauzbart so leck und sprsch im
immer noch rosigen Gesicht steht.
Nicht als ein Jagdieb und Landstrei
cher natiirM. Dazu sind die Lenz-s
selber Stark, deren Vorfahren alle
seßhaste. und ehrbare Leuten waren.
nicht veranlagt. «
Er treibt einen Handel, einen ziem
lich schwanghasten Handel mit Meer
rettichen, die er aus dem Bayerischen
bezieht nnd, von- einern Lederrternen
umschnürt, an eschenem Stock iiber
der Schulter trägt. -
Mit einem Arm lann man das
machen. Aber mit einem Arm tann
man nicht Schmied sein. Das ist’s
eben. was den stattlichen Mann, der
seinem Namen Statt auch heute noch
Ehre macht, vom Amboß vertrieben
bat. Nur seinen linken Arm besitzt
er noch, der Schorsch; seinen rechten
bat ihm sein Weib an einem Abend,
an dem der thstwind die Wollen
über den weiten Himmel jagte, im
Gärtlein hinter der Schmiede in die
Erde scharren müssen.
Jm Spital batte man ihn abge
siigt. Lang hatte sich der Schorsch
besonnen, ehe er es erlaubte.« Man
gibt nicht leichten Herzens ein Glied
preis, ba- vierzig Jahre lang in
Treue gedient bat. Aber dann, als
- die Schmerzen wie bungrige Wölfe
iiber den Mann hersielen. als man
den Brand unheimlich dabersteigen
sah, als der Dotter erklärte, er stehe
jeßt sür nichts mehr, —- entioeder der
Arm oder der ganze Schmied, —- da
endlich gab der Schorsch nach, nahm
mit der Linien von seiner Rechten
Abschied und sagte: Der Herrgott
bat sie mir einmal wachsen lassen, er
kams- ganz gewiß auch zweimal,
und wenn ich die paar Jährlein noch
einarrnig aus der Erde herumsteige.
so ist damit noch nicht gesagt, daß
ich auch als ein einarmiger Engel im
Himmel urneinanderlausen muß.
Der Doktor stimmte ihm zu; man
weiß nicht, ob aus völliger Uebersetz
gung, oder weil er sah. daß die Ope
ration große Eile hatte. Das bat
sich der Schorsch noch ans. daß sein«
Arm daheim im Gärtlein begraben
werde, too man ihn doch noch in vers
Nähe habe. i
Und auch das gestand der Dototrs
zu unter dem Druck der Berbaltnissr.s
Es ist wohl noch nie, seit die Erdei
steht, ein Spaß gewesen« wenn einerj
den rechten Arm verlor. Aber beim;
Schmied von Lenzseid tam noch al-«
lerlei dazu, wag die Sache besonders
schwer machte.
Zum ersten war sein Weib teine,
die auch einen rauhen Weg mit unge
brochenein Mut ging. An jedem
Dorn blieb sie hängen, und vom lie-;
ben herrgott wollte sie nie etwas an-(
deres wissen, als warum er doch ge
rade ihr so aufsässig sei.
Zum anderen war da des Schmiede
einziger Sprößling, der Paul, dem
seines Vaters rechter Arm über die
Maßen fehlte. Denn dieser Arm
schwang sonst in den richtigen Augen
blicken das Haselgertlein mit Kraft
und Augdauer und trieb so dem Bu
ben die Mucken aus-. Zwar tat der
Schmied nach seiner Wiederherstellung
mit der Linien so viel er vermochte.
Aber die lange Spitalzeit war an
Vater und Sohn nicht spurlos vor
übergegangen, und wenn einer nicht
schon als Lintsersgeboren ist, dann
bleibt sein Hantieren mit der Linien
doch ein wenig Notbebels und hat
nicht den völligen Schwung. Das
spärte der Schmied und-spürte der
Paul. Und sie schlossen schweigend
ein Uebereintommen, wonach der Paul
es nicht mehr schlimmer trieb als so.
daß man mit der Linken der Gerech
tigteit nachtommen konnte.
Zum dritten —- und das war
vielleicht das Schwerste — hat der
Schorsch seinen Arm verloren um ei
ner unausrottbaren Liebe willen. die
sein Paul mit ihm teilte. Gaul-mar
ren hießen die Zwei im Dorf. Oder
ist das teine Narretei, wenn der
Schmied erst lang schön tat mit se
dem Gaul, den man ihm zum Be
schlagen in den Hof führte? Wenn
er ihm Reden hielt und Zucker sitt
tertei Davon tam dann das Un
glüc- Einer bissigen Möhre, der der
eigene herr nicht über den Weg trau
te, siel des Schmiedö trästiger Man
nesarm zum Opfer. Gewettet hatte
der Schorsch, daß ihm lein Gaul ein
Leid tue. Der Paul stand daneben,
die hände in den tiefen Säcken der
Bubenhose und start im Glauben wie
der Vater. Zehn Minuten nachher
war die Schmiedshand von Blut
überström, nnd der Schorsch, det
sonst unter dein Nuß ein rotes und
blshendei Gesicht hatte, starrte bleich
gästhubmmfgsmdie Bei-inse, wälze-end
an · vor eher-. ch,
dieser sit war ihm ja nicht nur ins
Fleisch Fano-an Die stritten gelben
Zahn heistucktschen Tieres hat
ten da ein Iertrauein eine Liebe, eine
i Er sind Jahre darin-a hingegan
gen. Das Jammerweib hat sich mit
ibern Meerrettichhanbel ausgethst
und der Schorsch nicht .minder. Er
hat sich bei seinen Einlanfireifen ein
lwenig Niirnberger Mundart angeeig
net,,bie läßt er los vor der Kund
schaft, bamit mästnigiich merke, daß
die Ware echt unb gut sei. Sonst
treibt er den handel in völliger Ehr
Weit nnd auch mit dem nötigen Ei
lfer. Nur wenn ihn sein Weg an ei
fnem Gaul ooriiberfiihrt. etwa an ei
W feel-essen Gespann vor dein
jWirtehaux darin ber Knecht saht
;bann bleibt er stehen. Unb dann
Ibreant ihn ein Armftunwß
Seinen to·t, daran ver Meerrets
Eichbunb hängt. muß er halten. So
hat er keine Hand frei, um die Tiere
kiu streift-n Er tann ihnen nicht
mehr, wie er frii r so gerne getan
hat, die Rechte au die glatten Stir
nen, zwischen die sue-enden Ohren le
gen. Zucker nnd Brot hat er selten
mehr bei der hand fiir sie.
Aber noch ist es der alte, zähe
Gaulsnarn Noch glaubt er in tief
fter Seele, ihm tue tein Roß ein Leid.
Er spricht nicht davon. Was hätte ei
für einen Zweck. diese oerborgenste
Gewißheit der Seele hinan-zustellen
in die große Kälte, in der sie zu
Grund gehen müßte an dein höhni
schen Lächeln derer, die wissen, baß
ein Gaul ben verlorenen Schmied-s
arm auf dem Gewissen hat.
Ihm, dem Schorsch, ifi das un
glückliche Geschehnis jenes fernen Ta
ges schon lang in ein Licht gerückt
davon die anderen nichts wissen. Die
Miihre mit den gelben Zähnen mag
der Teufel gewesen sein over einer fei
ner Sölblinge: ein Gaul war sie nicht.
Ein Gaul ist ein stammer, verläß
licher. treuer Geselle, der vorn Herr
gott in die Welt geschickt ist, damit
er. wie die Leute auch, sein täglich
Brot mit Arbeit und Plagerei ver
diene. Nur daß er vier Füße hat
sein Maul hält und nicht ins Wirt
haus geht! Nur daß er so ganz an
berj, so viel merkwürdige-: aus den
klugen guckt! Nur daß rnan bei ei
nem Gaul immer meint, er wisse und
verstehe mehr als die Fuhrleute, als
die Schwäher und Schreier und
Draufhauer, die wie ein umgedrelp
ter Satt alles nach außen geben und
nichts mehr fiir fich behalten.
So kamen und gingen dein
Schorsch die Gedanken, wenn er ne
ben den Gaulen stehen blieb, und es
war ihm wohl und warm dabei»
wenn er auch nicht toußte daß das
davon herkam, daß er, indem er das
wahre Gaulåwesen sich zurechtzulegen
suchte, immer ein wenig an Dinge
antippte. von denen eitel Wärme und
Kraft ausströmt. so ost man ih
nen nahe kommt.
Des Schmiede Paulwuchg sich-—
e- muß gesagt sein —- mit den Jah
ren einigermaßen zum Dorsschrett
aus. Es ist taum ein Streich gewe-»
sen. bei dem er nicht mitt.2t. Leicht-l
sinnig war er, rauslustig und voll(
Uebermut. Jn manche Prügelei, in
manches böse Gelage war er verwit
telt. Vielleicht schwebte ihm vor, daß
ej seine Sohnespflicht sei, für seiner
Mutter Hang zum Jammern die niH
tigen Unterlagen zu schaffen. Er
lernte als Schmied. Und tote viel
leicht vor Zeiten seinem Vater, war
ihm am ganzen klingenden handwert
das liebste, daß man mit Gönlen
zu tun hatte.
Den Husbeschlag hatte der But
sche los so daß von weit und breit
die Kundschast vor seines Meisters
Schmiede tam mit Giiulen, die fuß
trant oder unaebiirdig waren. Mit
allen wurde der lachende, srohmutige
Geselle fertig, und das in Guten-» so
daß ersahrene Leute meinten, zwi
schen den Gänlen und dem Paul spie
le etwas, ein Band, ein Uebereintarn:
men, eine besondere Art der Verstän
digung« die nicht jedermanns Sache
sei. Da tam der Krieg.
Der Paul hat sich am ersten Tag
als Kriege-freiwilliger gestellt. Sein
Meister machte böse Augen. Cis sag
ten alle, dem Buben sei der Rrieq ein
wildes und sreches Abenteuer, wie er
es liebte, eine Rauserei im großen-i
bei der er dabei sein müsse. Zu den
Dragonern ist er gegangen. Natür
lich hat er da eintreten müssen. wo
Gänle sind.
Seine Mutter ist in jenen Split
sornmertagen nicht anders als mit
naßgetveinter Schürze durchs Dorf
gelaufen.
Der Vater aber, der gerade stilles
und slaue handeljzeit hatte, spürte
nam, ein Brennen und Ste
ehen in seinem Armstmnpß als wolle
das la verlorene Glied wieder het
vortpa en, der Schwertarrn eines
tetnigen nnd trästigen Manne-.
Blasser all sonst. verstört und ohne
Ntirnberger Munde-et zog
Schar-seh seiner Bege, einsame Land-s
sttaßen entlang, denn aus der Eisen
bahn führte-I fie iett W noch Zwei
annige Kerle, die mehr konnten, all
einen eschenen Statt mit dem Meer-s
rettichbiindel daran über Feld schLeps
pen.
Åns diesen Landstraßen find dem
Mann ganze Züge von Säulen be
segnet, nnelnaeschirrte ungesäumt-J
deeinschanendecä Gänse
INme vieer
III
f ZMsrzzm »Es
Steinlaler Stich zogen. daß sich die
Gaul zum Zerreißen strasste. nnd je
dem. der ei sah. die Wiens vor
den maliigen Kerlen das drastisch
schwe en mußte! Und dort —- la
men dort nicht hie zwei Bronnen vorn
Schweine-hoff Dekret! heut, da sie
so splittern-est einheriiinzelten, sah
man etsl, wie schön, wie glatt, wie
ohne Tadel die Zwei waren. Das
gab —- ja . wahrhaftig — das gab
Dragonergliulr. Der Schorsch ließ
feinen Eisen von der Uchsel gleiten
Er brauchie seine Hand. Zu den
Braunen trat er. Dem einen griss
er in die Miihnr. Sein Gesicht drückte
er an den saulzlpps
Er sagte etwas. Es hakt kein
Mensch gehört
Einer von der Begleitmannschasi
riii herzu. «Alter, suchsi ’d dir ein
Leibroß Tauf-? Hast leinen schlech
ten Suslo —«·
Der Schprsch schüttelte den Kopf.
Seinen rauhen, grauen Schnauz
bari sirich et unbeholfen in die höhe.
»Mensch leine. Reif aus Schuster
Rappen weiter. Aber einen Buben
hab ich, meinen Einzigem der ist
Dragoner.« —
Er wandte sich ab und hiickte sich
nach Stecken und Bündel. Und hin
ter ihm trappelte es fort, her lange,
lange Zug her stummen, stolzen Krea
tur.
Der alle Schmied horchte, horchie.
hingehiiell über seine iirmliche Trag
last. Jeden Huf, der schlecht beschlo
gen war, hörte er heraus, und wo die
Eisen gut und richtig klirrten, da
wußte er, daß der Paul sie ausgesest
hatte.
Und dazwischen immer das Fra
gen: «Wisset ihr, wohin es mit euch
geht«-« Wissei ihr, daß ihr mitten
hinein müßt in des Teufels Küchei«
Und da richtete er sich ans. Es
war ihm eingesallen, daß sein Paul
steiwillig mitging. Die Gäule sah
er an. Ginge von euch auch einer
freiwillig mit, wenn er all wüßte«
he? Er schulterte sein Biin l. Er
mußte lachen. Die Tänzelnden dcrt
vorne vielleicht, — die zwei Dragw
nergiiulr. Ja« die. —
fmii den dreiien hinter-hartem die am
I
i Des Schorsch tranenfeucbtes Weib
»den Gott und Welt gefragt, was Dra
lgoner im Krieg eigentlich zu tun hät
sten? Es sind ihr die unterschiedlich
ften Antworten zu Teil gewordetht
»Wenn sie alles zufammenzählte. idem-;
te sie sich ausrechnen. daß Dragoner
Iunmöglich heil und ganz zuriiettows
nien können. denn überall braucht
man fie, wo teine andere Waffengatss
tung sich hingetraut. Und ihr Paul
»—— daran zweifelte vom Pfarrer bis
herab zum Nachtwächter tein einsich
tiget Mann —- war überall vorne.
»Der Scharfch ging nicht gern heim
in jenen ersten Kriegsmondem Jhni
war, als ziehe die heulende »das Un
heil her wie der Magnet das Eisen.
Wenn er draußen wanderte, durch
die abgeernteten Felder. am herbst
lich sich särbenden Wald entlang.
dann sah alles ganz anders aus,
ganz anders. Groß, glänzend« frisch
wie das schöne, junge Leben war
dann das Dragonersein.
Und sogar der Tod, der Reitertodl
fürs liebe deutsche Land« der Todl
unter Gottes freiem himmel mittenl
unter den Kameraden oder aus der
Patrouille, wo man keinen Feiglingi
anschickt — das sae- wak schöne-J
leichter« freier als das Gefeufze da
heim
Jn die fremde Erde käme dann
sein Paul. Ei. Teufel, nein! Dem
Paul feine Arme, feine Beine, seini
bißchen elendes Fleisch. Wie das ist,l
das mußte doch er, der Schorsch wis-I
sen, dem der rechte Arm daheim iinj
Gartendoden lag. Der Klumpen, der«
elend-! War vielleicht ver Echo-ichs
kein ganzer Mann mehr, weil berz
Brocken Fleisch nnd die paar Ano-:
chen an ihrn fehlten?
Einen Atemzug von unten heran
tat der Schreitende. Er spürte ganzl
anders als die Andern, die Dinger-ris
fenen, daß das Lebendige nicht mit ins
die Erde geht. l
Aber er lebte "a noch, der Paul
"Er schrieb sogar lotte Briefe, an de
nen der Pfarrer und das ganze Dorf
Freude hatten. Dann tamen die
grauen Wochen, da diese Briefe aus
Hbliebern Es hingen die Nebel über
»dem Wald, grundlos waren die We
ge, nnd bit man die Füße aus dem
schweren Schmus sog, war schon diel
halbe Kraft verbraucht. l
s Der Schorsch las, daß sie dorts
oben. wo sein Paul stand. das Lands
Hiderschwemmh die Deiche zerstört hat
sten. Es war ihm dank Sie haben
jfeine Fesseln, dte raunen vorni
Schwanes-hof- dle er irnwer vor sichs
sah, wenn er an Dragonergliule bald-.
te. Wie bald ist solch ein arteis
Glied oertnakt in durch s
Grund! Was ilft ei dann, da er,
damals auf Landstra dein
Gaul gesagt hat --" -· —- l
rase- uk, ttchkttn ins1
sahesschegerwcr Gut
Etat-s AK « so. Pault ·
» in our-i
rnew Das ,
s
Garten Uni. wo fein Arm begraben
lag. und wartete.
Und dort, iin Garten war es auch.
wo der Mattes ihrn den Brief gab.
Er blieb stehen, der Mattes schnupfte
nnd wollte gleich erfahren. was in
dein Schreiben stand.
Mach? anfi« sagte der Schorsch
Den Spaten handhaben mit der Lin
len, das hatte er gelernt. Aber die
sen Brief zu öffnen, reichte ihm auf
einmal die Kraft nicht.
Zwei granlspflge Männer haben
es mit ihren Augen gelesen. Zweit
Mist gut. Denn sonsi hätte ei
nachher heißen iönnen, der Schmied
Schorsch. der die Sache erzählte, rede
nilrnbergerisch.
Durch inwei er Zeugen Mund aber
wird die ahrheit kund.
Es ftand in dein seies:
·Einen neuen Gaul habe ich auch.
Es ist einer von den Braunen vom
Schwanenhof. hätte ich den nicht
gehabt, dann täte Euch hent ein an
derer diefer Brief schreiben, denn
mir wär«i dann vergangen.
Aber ver Branne ist ein Kerl wie
der Satan. Man meint. er wisse, auf
was es ankommt. Der wäre als
Kriegssretwilliger mit, wenn man ihn
nicht als Remonte geholt hätte. Wenn
es Eisen hagelt, dann wiehert er anf
wie wenn ihn der hafer stechen täte.
Zweimal hat er mich ans der Pritsche
gerissen. wo ich schon gedacht habe:
fehl gut’ Nacht, Paul! Vater, das
ag’ ich Dir. wenn ich Dir einmal
alles erzählen iann was der Gaul
gemacht hat dann wirft Du sagen:
IDer hat wieder hereingebracht was
dem Ludellarle seine Schindmähre
damals angestellt hat — —"
« Der Postmattes ift davon gegan
gen. die Mär zu verbreiten daß der
Paul noch lebt. «Unlraut verdirbt
»nicht". sagten die Leute.
Der Schorsch wartete nicht ab bis:
sein Weib heimkom. Den offenen
Brief legte er ihr auf den Tisch in der
Stube, wo immer das aufgeschlagene
Gebetbuch lag mit dem «Gebet in al
lerlei Not und Trüb al«.
Er selbst nahm fein Bündel iiber
die Achsel und wanderte hinaus.
Die schwerfälligen Ochsengespanlie
sah er mühselig vor den Pflügen
schreiten im nebelnassen Felb. Da
mußte er lachen.
.Ja«, dachte er, «die Gäule haben
fest andere Arbeits Einer davon hat
getan, was ich ihm damals —- -—- —
Und er sog eine einsame Straße
mit der llaren Wärme im Bergen,
die immer in ihm war, wenn er dar
über nachdachte, was es doch für eine
Sache sei mit den Säulen. —
i
Iscd M Isdket
Von Linse Wellingroiu
Als das Dienstmsdchen hinaus
ging, um den Herrn zu holen, nach
trelchem sie gefragt hatte, sah sie sich
mit einem neugierigen Blick in dem
einsach und steis modlierten Zimmer
um.
Das Zimmer war dunlel und kalt,
und sie ging an den Kamin und hielt
ihre kleinen, zierlich behandschuhten
hände ans euer· Als sie hörte, daß
die Tiir geö snet wurde, hielt sie ih
ren Muss vor das Gesicht, als wollte
sie es vor dem Kaminieuer schiihen
Ein Herr iarn aus sie zu, aber da ihr
Gesicht beschattet war, erkannte er sie
nicht.
«Man sagt mir, daß eine Dame
mich zu sprechen wünscht,« sagte er
höflich. Ali sie sich nach ihm um
wandte, rief er überrascht: »Mein
Gott, Anne!«
Die junge Frau blickte ihn an und
sah aus den ersten Blick, dasz sein
dichtes schwarzes Haar von Silber
siiden durchzogen war und tiese Li
nien den sesten Mund und die großen
tlisgen grauen Augen umgaben. Nach
einer kurzen Pause sagte sie ruhig:
»Du bist überrascht. mich hier zu
sehen. Jch schickte dir leine Karte,
weil ich sürchiete, du würdest dann
nicht tommen.«
Er antwortete nicht, sendern bliette
sie nur in stummem Erstaunen an,
während sie aus dem Fenster sah.
Die junge Frau drehte den Raps
langsam um und hielt die «nde
wieder ans Feuer, indem sie agie:
»Es ist bitter ialt.'·
»Wie schön du noch bist, Anne!«
antwortete der Mann. »Noch kein
graues haar, und da bist bald vier
it ' .
aDie Augen der Frau nahmen einen
sanfteren Ausdruck an, aber nur sür
einen Augenblick. Das Kompliment
schien einen unangenehmen Eindruck
aus sie gemacht zu haben.
.Du bist ganz grau geworden, Al
bert.« sagte sie ruhig. wölf Jahre
verändern die meisten enschen —
Eleanor ist jett neu ehre-'
«cleanorl« wieder iie der Mann.
a, Eier-non deine und meine
ter. st du sie vergessen? Es tsi
zwil! Za e her, seit du sie gesehen
ha ie junge Frau sprach lang
iugssw ask-i- gis
. n t
Kindern und Eleaaar isi hildsch ge
worden. meine« —- atit einein
schnellen Umsihn—-sieisidir
ähnlich«
Indiana trat näher an das -
ee und schien damit rauh sei-» ·
nd M U i
st«-ins JM«M"
telr. TO stets-. welchen Um
stand ich die Ehre dieses Besuches
verdankek
Die Frau ettöiete. aber ihre Stim
-,ine war ebenso hart wie der sus
druck ihrer Augen« als sie antwortete
I .Jch wiirde nicht hier sein wenn
,ich nicht wünschte. etwas siir ieeinor
zu tun. Sie ist auch dein Kind und
that einige Ansrriiche an dich, obgleich
dii mich ausgegeben hast.«
»Warum hasi du Eleanor nicht ge
schickt, wenn er dir so schwer wurde,
tzu kommen. Ich hätte sie aber wohl
nicht erstannt.'« Er sprach nachlisstg
IWMgi .
»Ich glaube doch. Jch sagte dir
schon. daß sie dir sehr ähnlich ist."
’ «Wieil«ichi«
i «cleanor ist groß und dunlel wie
ydu und hat wunderschöne. graue Blu
»gen. Sie haben einen sausteren sus
jdruch obgleich sie auch deinen Charats
ter —- und dein Temperament hat.«
» Sie brach ab und ging nach dem
Fenster. Wie sie dort seht im grauen
Licht de- Fenstere stand, bedurste ej
teiner lebhaften Phantasie, um sie sich
jung vorzustellen. An dein Tage, als
er fre gebeten hatte, sein Weib zu
werden, hatte sie einen solchen ileinen
hut getragen. Wie gut erinnerte er
sich dessen. Sie waren spazieren ge
wesen, und der srische herbstwind
hatte ihre Wangen rosig gefärbt und
Worte der Liebe aus seine Lippen ge
legt. Welcher Tor war er gewesen!
Und als er sie vor zwölf Jahren zu
leit gesehen, hatte sie einen ebensol
chen Hut wie seht getragen mit einer
scharlachroten Feder.
Sie tarn vom Fenster zuriirt und
stellte sich, aus ihren Muss gestützt,
an den Tisch.
»Eleanor wird sich verheiraten,"
sagte sie langsam.
,,Jai" sagte er zerstreut. Es schien
ihn nicht zu interessieren, er dachte
nicht an seine Tochter. sondern an
die Mutter seiner Tochter.
»Er ist ein netter, junger Mann
und wird ihr, hosse ich, ein guter
Gotte werdens«
»Du warst unglücklich in der Wahl
dee deinigen," sagte er.
»Ich hat« ihn sehr gern,« suhr die
Frau sort, seine Bemerkung ignorie
rend. »Wir tenneu ihn sehr gut. und
er hat Eleanor immer geliebt. Sie
—- sie liebt ihn auch.
«Das legtere ist natürlich notwen-»
dig,« sagte der Vater deg Mädchens
turz auslachend.
»Das ist eg," sagte die Frau mit
fester Stimme. .Meine Tochter wurde
nicht ohne Liebe heiraten. Und ich
hoffe, sie wird nie leiden, wie ich ge
litten habe." Sie sprach bitter, wie
zu sich selbst.. Der Mann sah sie
ernsthaft an und sagte sanfter alj
vorher: »Ist dein Leben denn so
traurig gewehrt
«Eine geschiedene Frau siihrt lein
besonders angenehmes Leben: du
warst ia wirklich gwßwiitig,« sie
blickte ihn dantbar an, «aber du
konntest die Dinge nicht besser ma
chen, wie sie waren.« Sie schwieg.
Der Mann erhob fragend die Augen.
«Betlagt Eleanor sicht« fragte er.
»Warum sollte sie das? Jch bemit
he mich, ihr dazu teine Veranlassung
zu geben. Aber ihretwegen —- —
ihretwegen bin ich hergekommen· Jch
meine, wenn rnir etwas zustoßen,
wenn ich sterben sollte, mußtest du
wissen, dasz Eleanor oerheiratet ist·'·
»Am dies der einzige Grund dei
nei Komme-ist« Anne?«
»Ja." antwortete sie schnell. »Du.
als Eleanors Vater, mußtest benach
richtigt werden, und ich konnte sie
nicht schicken.'
»Nein, das ging wohl nicht,'« sagte
er wieder ironisch. »Es würde nicht
passend sein« wenn ein Kind seinen
Vater besuchte; und in diesem Falle
wäre es doppelt peinlich, weil wir
uns wahrscheinlich nicht erlennen
würden.«
Die junge Frau zog ihren lim
hang fester zusammen« als ob sie
srörr.
»Ich nehme an, du hast Eleanor
eine hübsche Beschreibung meines
Charatters gemacht.« fuhr er fort.
»Ich habe nicht iiber dich gespro
chen," antwortete sie talt.
»Nein? Was lonnte ich mehr er
warteni«
Er sah sie nicht an, und deshalb
hielt sie es nicht fiir nötig, ihm zu
antworten. Sie standen einige Minu
ten schweigend da. Als pliigli eine
Kohle aus dem Kamin fiel, uhren
beide zusammen, und der Mann
sagte:
Hast du genug -siir deine Bedürf
nisse? Ich bin seht reicher als früher.«
»Ich habe davon gehört,« sagte sie.
»Wir hatten genug, aber —« sie zö
gerte und erröteie tief· Er blickte sie
fragend an, aber er vermochte die
Situation nicht zu begreifen.
»Ehe-nor heiratet —« sagte sie
leise.
»Ja, bar sagtest du ja.«
orfett-c erstenmale während ihres
präches lächelte sie.
Aberf sa sie mutig, »hundert
Doktor im at reichen nicht zu
einer angemessenen Ausstattung —
Itnd Elearwr ist deine einzige Toch
er.«
Der Mann lii lte auch.
Ih, Ich ver . Eine finanzielle
Hör-seinen arme- umß naive
hob-U·
- Dit- Este-sea- Tasse-i
Um I V .
a mochte H- fiik ne vie-F Sie
sah ofsen mit bittenden Augen an
«Æeden end Voller genugenk
»Heute du entbehren lau-ist«
Sie-M und sttgte dann hinzu
-,..-Eleanar toird sich dariiber steu
TIZ« — -
»An den glänzenden Augen der
Fee-tu sah er. daß see sich auch freute.
Aber dann fragte er:
. »Wir-d sie sich iider etwas freuen.
das von mir, dem gehaszten Vater
lamenti«
»Sie haßt dich nicht,'· antwortete
die zum sanft. »Ich habe in d:esen
zwölf Jahren überhaupt nicht mit
ihr iiber dich g brechen. Sie hegt
wahrscheinlich tie im herzen eine
verdorgene Liebe zu dir.«
»Ich will-es hos en,« sagte der Va
ter dee jungen ädchene. indem er
sich mit einem Seuszer abwandtr. —
»Daes ich dir den Sehen iiber die tau
send Dollar geben-ji«
»Im gleichf« fragte sie.
»Ja! Jst es dir unangenehm, hiet
so lange zu warten;« Er ging nach
der Tür.
»Es ist mir nicht unangenehm.«
Sie gab ihm diese Antwort in ruhi
gem Tone, aber sie hatte dabei das
Gefühl, als sehlte etwas bei diesem
Wieder-sehen. abgesehen daran, daß eo
schmerzlich war. Mit der Hand aus
dem Türgriss drehte der Mann sich
um und sagte:
»Natürlich dars ich eine Einladung
zur Hochzeit erwarten«
»Wiirdest du tommen?« fragte sie
»Ich würde Eleanor gern einmal
wiedersehen. Außerdem, ist es auch
wohl natürlich, daß ein Vater auf
der hochzeit seiner Tochter zu sein
wünscht. Jch bedaure nur« —- er zö
gerte — »ich bedanke nur« daß sie
dir nicht ähnlicher ist.« —
Die junge Frau erhob den Sie-as
und blickte ihn mit tiefern Ernst an.
Dann sagte sie:
»Sie ist mir gar nicht ähnlich. Eie
liebt ihren Verlobten-«
Er tarn ihr näher.
»Liebtest du mich nicht« Anna-P
fragte er leite.
Ein Schatten itberslog ihr Gesicht,
und ihre Stimme zitterte, als sie ant
wartete:
»Nein, du weißt. daß ich dich nur
deiner Stellung wegen heiratete.«
»Ich weiß es," sagte er bitter.
»Und weil du mich iiichi liebtest, hat
test du teine Geduld init meinen Feli
lern. Ich habe einige von ihnen ad
gelegt, Anne." ,
»Ich fürchte, ich sand zu leicht
Fehler an dir.«· sagte fie. »Ich diii
auch tliiger geworden, Albert.«
«Aiine," sagte er ploslich — lei
denschaftlich —- «Anne, troh allein
liebe ich dich — hade ich dich iniiiier
geliebt.' —- Sie lehnte sich schwer an
den Tisch. »Ich werde dich immer lie
den.« fuhr er ruhiger fort« «oligleich
wir zwölf Jahre getrennt sind, und
es vielleicht bis an unser Ledensende
dleideii.«
.Du liebst mich noch?« fragte fie,
ihn mit weitgeöfsneten Augen anse
hend, .nach allen diesen Iahreni«
aJa, Anne,' antwortete er bitter,
ohne sie anzusehen. »Du hältst mich
vielleicht siir einen Toren, aber ich
tue es.«
»Noch allem, ioas ich dir zuleide
tats« fuhr sie traurig fort. »So höre
dena,« —- er bliate sie überrascht an,
»nach unserer Scheidung wußte ich,
—- ja, da wußte ich, dasi ich dich
liebte. Ich musz dich immer geliebt
haben. Mein abscheulicher Stolz hielt
mich nur davon zurück, es dir zu sa
gen-« Sie schloß diese Worte mit ei
nem Seufzer in der Stimme.
«Du liebtest nicht« fragte er,
taum seinen Ohren trauend.
»Ich habe dich wenigstens seit
zwölf Jahren geliedt,« sagte sie leise.
und ich glaube, ich werde es immer
tun.'«
Er nahm schnell und sest ihre
Hand.
»Ist es wirklich dein Ernst oder
spielst du mit mir?" fragte er lei
denschaftlich. Sie blickte aus und sah
einen neuen, sehr zärtlichen Ausdruck
in feinen feuchten Augen. Dann nahm
er sie in die Arme und tüsite sie
Sie entzog fich sanst ihrem Gat
ten.
»Es ist spät. Eleanor erwartet
mich.« sagte sie.
aWillst du nicht Tee trinken, be
vor du gehst7" fragte er.
Sie sah sich in dem ungemütlichen
Satori uni.
Willst du nicht lieder,' fragte sie
mit zärtliche-n Lächeln, willst du
nicht lieber mit nach hause iominen?«
Als er seinen Uederzieher angezo
gen hatte und sie im Begriff stan
den. in die lalte Nacht hinauszugehen
sagte er, lächelnd aus sie heradbliti
tend:
« ch habe den Schrei nicht mitge
dr t, den ich dir versprochen hatte.
Wir tiinnen Elennori Rechnungen
aber auch viel besser bezahlen, wenn
sie uns ins Daus geschickt werden«
—- Verlockeiid häntchem
»Nicht wahr, Mama, wenn ich grosi
din, trage ich einen Stehtragen, und
dann brauche ich mir auch den halt
nicht mehr waschen zu lasse-il
—- Dossiiungdpral .Rich
te lzu ihrer stdtantep
Stil-sur werze iUiuerintord nget-ein
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Mei- Missi
Sante- Usiesssqnich tust-let
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