Erzählung von Vernimm Weilt .Deer Baron, ein herr wünscht Sie zu spreckäenk Die d nne Stimme her alten Fran, die unter die Türe getreten war. die Befuchdtarte in der Hand, llang s·lt fatn verloren, zerrissen in hem großen Raume. Es wurde ihr anfangs teine Antwort; dann erhob ftch vorne vorn Schreihtifch, auf dem ein war mes Abenhticht heimellg spielte, ein weißes. greises Haupt von den Zei tungen. iiher hie es gebeugt gewesen war. Ein verwittertes Antlitz Gleichsam in einem Staunen frag her» Alte: i .Mich will ·emand sprechen? Gebeni Sie mir die arte!« ! Er blickte nach dem Namen. . . nur eine Sekunbe.«. . dann griff er sich an die Stirne, schien zu wanten, daß ihm die Alte bestürzt heifprang. Aber nur turz war hies; feine hagere Soldatengeftalt, die auch im alt-no dtschen Zivilanzug noch hie elnstige sehnige Mannestraft erkennen ließ, raffte fich auf, herrisch stolz —unv eine Kälte, daf; die Frau zufammen zucktr. war in feiner Stimme, als ·er sprach «Sngen Sie dem Herrn, ich fei nicht zu sprechen.« . Die Frau ging. Als die Türe sich hinter ihr gefchlossen hatte. stöhnte ver alte Oberst laut anf; wie unter einer Last, deren Schwere zu drückend war für feine Schultern. Die Fragt trat wieder ins Zim mer. »Der here sagt, er müsse den Herrn Baron unter allen Umständen sprechen-« »Ich habe Ihnen aber doch gesagt«, schrie ihr der Alte entgegen, »daß ich nicht zu sprechen oint Für diesen Da subr die Tür auf und es stürm te einer herein, achtlos-, ob auch die Scheiben in der Tür tlirrten von sei ner wuchtigen hand. Und dann stand er dem Alten ge genüber, und ein Wort schrie ei dem zu, das-war toie in höchster Not: »Vertret« Still war es daraus. Ganz stille. Es war der schwere Atem der beiden Männer nnd das dumpfe Pechen der alten Standubr, der einzige Laut im weiten Gemach. Die Tür hatte sich hinter der Frau geschlossen, die Un saszlichesn nachsinnend, still hinausge gangen mar. Drinnen aber stand der Aeltere, herrisch, als hielte er Wache vor et mal-, dahin der Andere nicht gelangen diirse. Feindselig maß er diesen mit den Augen. «Jch liesz Ihnen doch sagen . . Der Jüngere suhr aus« atg habe er einen Schlag empfingen .Vater, sprich nicht so mit mir! Jch iomme ja, um Frieden mit Dir zu machen!« . .Ztoischen uns beiden gibt es leinen Frieden mehrt« stieß der Alte hervor; jedes seiner Worte nsie ein Stück Ei sen, hart, falt Der Sohn aber mich nicht; seine Gestalt richtete sich hoch ans. lind war aus einmal wie die des Vaters So mächtig, von stolzer Firast Auch die Augen trugen denselben stählernen Glanz. ' »Du mußt tnich anhören, Vater, Du mußt ersahrem wie ich gelitten habe, seitdem. . . seitdem ich sort bin von Die. Geschosst habe tch bis aus«-H Blut Vater-, drüben in Amerita; nichts war mir zu gering. Bis ich’5 zu dem gebracht habe, was ich heute bin. Frage drüben nach mir; sie werden Dir meinen Namen mit Ehr furcht nennen!'« »Warum lommst Du dann zu !nir?« «itannst Tit es Dir nicht denken. Vater,—. warum ich gekommen bins Daß ich jetzt, wo wir Krieg süh ren mit aller Welt, auch dabei sein ivill!«' »Du, Du,« lachte der Alte höh nisch. »ein davongejaater Leutnant. ." Der andere griff nach dem Stuhle, der neben ihm stand, damit er nicht zu Boden sinke. Unter seinen Fingern trachte das Holz ,Vater,« schrie er auf, »das durf test Du nicht sagen-" Sein Leit- zuate wie von innerem Schlnchzen. Der alte Oberst trat zum Fenster nnd schaute in dei- hellen Angusttag hinaus. der zur Neige ging. Drunten aus der Straße toar startea Leben; Soldaten zogen scharenweise dahin, einberufene Leute, die in die Kasernen geleitet tourden, marschierten singend und jubelnd an ihnen vorbei. Ein mächtiger Aufschwung stolzer Gefühle brauste empor zn dein alten Mann am Fenster; der aber sah und emp sand von alledem nicht-. Seine Ge danken weilten in fernen Zeiten, die ilnn Freud uns Leid in reichem Maße gebracht hatten; bis das Leid das Ende war und blieb. . . Er salz sein.Weib, das in junger Bllite starb und ihm den Schn, da er noch ein Kind war, als die größte Gabe ihrer Liebe ließ. Er tonnte sich nicht entschließen, dem Kinde eine « zweite Mutter zu geben, damit der Einen Gedächtnis nicht ,geschmälen werde. Eine Schwester half ibm, den Knaben zu erzie n. der gleich dein Vater und in de en Realinent Offi ziee Iutda Die leidenschaftliche Lie be zum Soldatentum, die seit Ge schlechter-n in ihrer Familie war. hatte auch den Sohn ergriffen, der tüchtig und fleißig nnd von nllen eiiebt war. Des Vaters Stolz, der ånhalt seines Lebens, war nun der o . Da latn das Schwere, llnrsnßbn re, das sie auseinander-riß furcht bar. . . Eines Morgens erschien der Junge verstört und bleich von durchwnchter Nacht im Arbeitszimmer seines Va ters und sagte ihm, daß et Spiel schnlben gehabt und in der Verzweif lung einen Wechsel mit des Vaters Namen unterzeichnet habe. händerini gend bat er den Vater um das Geld, da er sonst vernichtet seit. . . Einen Augenblick hatte sich alles um den Alten gedreht. . . sein Sohn ein Mechselsiilscher. . . sein Sohn . etwas in ihm zerriß zu der Stunde wie eine Saite, die eine harte hond von einem Instrument reißt. daß sie schmerzt-toll schritte. ; . seine Hand griff nach dem Degen, als müßte er den Sohn zusammensuchen Dann schaute er diesen nn, einen Elel in den Angen» daß der Junge sich wand. »Weisz jemand davoni« l »Nein, Waldenfels hat den Wechsel; ser glaubt bestimmt, der Name sei von Deiner Hand« ’ Der Alte war zum Schreibetisch ge ; angen und hatte einen Scheel ausge sfillltz die Lippen zusammengetissen, sdaß ein Blutgtropfen niederfiel ) »Hier! Wenn Du bezahlt hast, reichst Du Deine Entlassung ein!« Der junge Offizier hatte aufge schrien, aber des Vaters Worte, tlir rend wie eiserne Ketten, hatten jeden Einwand des Sohne- zerschlagen, ehe er gesprochen war. «Einer der Unterschrift fälscht, ge hört nicht mehr zu uns! Tale mir unser Name nicht leid, ich brächte Dich heute noch zur Anzeigr. So kannst Du irgend eine Ausrede neh men, damit Du glimpflich davon loinmst!. . . Du . . . Pfui Teu fel!" — ilnd war hinausgegangen; der Junge aber hatte gewußt, daß er fort an allein stand in der Welt. Er ver schwand alsbald. Der Vater tat seinen Dienst wei ter, als ov nichts geschehen wäre. Die Freude ain Beruf war aber dahin. Miit-e war er auf einmal geworden und hatte empfunden, daß die Kraft seines Lebens gegangen war mit denH Sahn, der seinem Dasein die stolze Erfüllung bedeutet hatte. Er bat bald darauf um den Ab-! schied nnd führte ein einsames Lebens voller Bitternis und verbissenent Grimm. Zehn Jahre war das nun, die ihn vor der Zeit zum milden Greise ge macht hatten. Einige Briefe, die des Sohnes Schriftziige trugen und aus Ameritn lamen, ließ er ungelesen zu eiiclgehen. lind der ihm diese Not geschnssen hatte, der saß nun vor ihm und suchte mit gleignerischen Worten ihn zu betören. Ein Zorn ergrts den Alten, der schlug ihm das Blut durch den Leib und nahm ihm jeden tlaren Gedanten. Er sah nur eines, scharf wie am ersten Tag: die Schmach an seinem Namen, on allem, was ihm lheilig war. Er erkannte nicht die wahrhaftige Verzweiflung seines Sohnes und wies diesen mit einer herrischen Ge bärde zur Türe. Det Jiingere aber wich nicht »Weise mich nicht, Vater, wir brauchen jetzt jedes Leben-. Wir müssen doch liimpsen dig zum letzten Mann!« »Willst gar wieder Dssizier wer der?« Der Alte srug«g spöttisch. Was ich werde, ist gleichailtigt Ich gehe auch als einsah-r Soldat mit Ader ich muß Deine Verzeihung ha ben! Du warst mir immer das Vorbild, warst alles siir mich. als ich,noch Soldat war. Mit Deinem Fluche tann ich doch nicht in diesen Kriegt« Und nlci Der Uverst schwieg, sprach er weiter, uberstürzt flehend-, tle lege er seine Seele dein nlteu Mann zu Füßen. «Lasz mich nicht ewig entgelten, wag ich daman tat. Jch war ja noch so Hang und unerfahren und in jener Macht betrunlen, daß ich nicht mehr wußte, was geschah. Jch hat« Ia nicht mir llnren Sinnen getan . und hnbe es durch schwere Arbeit gebüßt tausendfach. Jch war doch so gerne sScldnt und lonnte den Abschied.tautn lverivindent i Wie oft habe ich in der langen Zeit sehnsüchtig hinübergeschaut zu Euch, und durste doch nicht heim — wenn ich auch in den Augen der nn dern in Ehren schied und sie mir den »Not! ließen. . . vor Dir war ich ehr slot . . ’ Dn ist seht der Krieg gekommen! Wenn Du mußtest tvie ich gejubelt habe, nls es bei uns hieß, daß bei nahe die ganze Welt Deutschland in den Krieg gezerrt habet Nun konnte ich heim! Jn der Heimat schwerster JStunde durflest Du mich nicht zu rückweisen denn ießt brauchte mich das Vaterland. Vater! Man brauchte mich daheim! Weißt Du, tvns das siir mich wart Vom Ae iheimisch bin ich hinweggeeilt, daß zich noch ein Schiff träfe, das mich ;herliberbrii:hte, ehe die Feinde uns abfingetn Nun bin ich daheim! Und Ich will liimpfen, daf- Du ftolz fein lannft.« Jn des Alten Untlih guckte es wie von innerer Erregung. Sein Blick nmfafzte den Jüngeren als fuche er in dessen Zügen nach vergangenen Zeiten. Dann aber stieß er her aus. was ihm das Leben vereielte, gerade in diefen fchiclfals chweken Ta gen, was ihn Tag und acht quälte, daß er oftmals glaubte, um den Ber ftand zu kommen. »Von Dir sprichft Du nur« aber wie es in mir aussieht, daran denlft Du nicht. Daß ich ietzt vielleicht hin ausziehen und meinem Kaifer dienen lönnte, wie es uur wenigen beschie den ist, wenn Du das nicht getan hät test. das vergißt Du ganz! Was ich mein ganzes Leben arbeitete, hätte ich jetzt ernten können. Wie mein Vater und meine Ahnen Führer in den Kriegen gewesen sind, fo wollte auch ich, wenn der Kaifer rief, in den Kampf ziehen. Nun ift diese Zeit ge kommen -— und Du, Du hattest aus mir einen alten gebrochenen Mann gemacht, der am Stock humpelt, den alte Weiber pflegen müssen. .« er griff zum Halte, als erftickte er an den ei genen Worten. »Was will dagegen bedeuten. daß Du hundert-mime . . wirft nicht viel im Stiche gelassen haben, drit n. . . f Jn· des Jüngeren Augen trat da ein seltener Glanz, der war voll Stolz suud Wehmut zugleich. »Vater, ich habe mein Weib und l l l meine zwei Buben drüben gelassen," und der älteste trägt Deinen Namen. Sie wollten mich anfangs nicht gehen lassen, da habe ich getan, was ich gelobt habe, dasz es niemals geschehen dürfet meinem Weib, die an mich glaubt, wie an ihr eigenes Leben, habe ich meine Schuld bekannt. Meinem Weib, der Mutter meiner Kinder. Verstehst Du, was das heißt, wenn man sich vcr der. die einem das Hei lingste ist, erniedrigt. . . »Sie hat mich verstanden und hat mich zu Dir gesandt. Du sollst mich ihr zurückgeben, rein, in Ehren, wenn ich den Krieg überlebe.« Der alte Oberst schtete launi der Worte, die der andere zu ihm sprach; in ihm war die Sehnsucht nach dem Kriegshandwerh die er zu vor dem Sohne enthüllt hatte, stärker als alles andere. Die Sehnsucht, für die es leine Erfüllung gab. Und bit ter stieß er dag Wort hervor, das den Jüngeren schon einmal getroffen hat te, bis ins innerftt Leben «Einer, der Namen gefälscht hat, ist nicht mehr mein Sohn!" Der andere ward Iveifz wie der Tod. Langsam Jinkk er aus- dem Zimmer· Wanlend, als sei er trun ken. Und vergaß sogar-. die Tür zu schließen Drinnen stand der Alte und ließ den Grimm weiter fressen in feinem Innern. Und stöhnte plötzlich, als habe er ein Stück seines Lebens dahingege ben zu dieser Stunde. Es war Deutschlands hohe Zeit Als das Volt aufstund wie ein Mann, das Schwert zu schwingen gegen der Feinde mächtige Schar. Es war wie ein Freiheitglied was sie alle taten, Mann und Weib, Jung und Alt. Ein Freiheitolied, wie vordem noch tei nes gehallt in Deutschlands Gauen Eine hohe Zeit. Die die Herzen hob nnd jauchzend schlagen ließ, ob auch die Sorge in manchen Stunden her ankroch. Denn viel junges Leben zog in den Tod. Seitdem er seinen Sohn von sich gewiesen hatte, war der Oberjt in einer seltsamen Erregung Die be sreiende Nachricht von den ersten Sie gen der deutschen· Heere las er ohne die rechte innere Freude. Was war nun mit ihm geschehen? Er ziirnte sich selber und glaubte, draußen im Freien würde es besser mit ihm. Da aber traf er allenthalben aus Scharen Soldaten, in eines jeden Antlitz stand die stolze Freude, dem Feind zu be gegnen. Und immer tauchte dann das Bild des Mannes vor ihm aus« der Blut von seinem in den Adern trug, der dieselbe Sehnsucht nach dem Kampfe in sich getragen, wie alle die stolzen JungInZnner ringsum. Und er, der Vater hatte ihm den Weg gesperrt Da ward der Alte manchmal irre an sich und sand teine Klarheit. Bis in der Leere seines großen hauses der alte Grimm sich durch die Einsamkeit wieder zu ihm sand, daß er sich im Recht wähnte Aber des Sohnes Bild ließ ihn nicht; in manchen schweren Nächten stand es vor ihm Es war dass Blut, das in ihm ries nach dem Sah-s ne. od er sich gleich wehrte mit allers Gewalt.1 I Ein herrlicher Sommertaq zog her auf. Wie eine köstliche Gabe, der man sich erfreuen mag von Anbeginn bis zu Ende. Jn warmem Schein blickte die Sonne vorn himmel; die Vögel sangen hell in den jungen Morgen. Der Oberst hatte schlecht geschla fen; grübelnde Gedanken waren ihm »vor der Ruhe gestanden. So erhob »er sich frühe, um sich vor deml IDrucke, der auf ihm lastete, dnrch Ieinen Gang im nahen Wald zu be itreten Die Straßen der Stadt wa-« lren« leer. Der Wald, der ihn um-· sing, trug eine wundersame, stille Schönheit; der Alte aber achtete ihrer nicht und hing seinen Gedanken nach, die noch die Schwere der Nacht an sich hatten. Eine seltsame Unruhe war in ihm. Bald wandte er sich wieder heimwärts, durch die Stadt, die nun erwacht war in voller Kraft Müde schritt er dahin; das Haupt ge senkt. Seine Gestalt war gebeugt und hatte nicht mehr die sehnige Strass heit lvie noch vor kurzer Zeit. Schwer lag seine Hand aus dem Stock, mit dem er sich beim Gehen stiiytr. Musillliinge nnd vielstitnmige Ru se, die aus der Ferne lamen, ließen ihn aufschauen. Eine große Men senmenge kam ihm entgegen, in ihrer Mitte Soldaten seldmmschniäßig, vie zum Bahnhof zogen· Unziihlige ga ben ihnen das Geleite. Blumen flo gen von den Höuserm herzliche Ab schiedsgriifze erschallten. Zu den Klängen der Musil sangen sie alle« dasz es war wie ein brausendes Ju bellied. Der Oberst blieb stehen. Land-« wehrleute, bäriige Männer-. die Weib und Kinder daheim hatten und nun in Gefahr und Tod zogen fiir diese. Damit der Heimat heiliger Baden rein bleibe von fremder Schmach. Wie eine starle Krastwelle ging es von diesen Männern aus; die ergriff auch den Oberst. Jmmer neue Scharen, ohne Ende . immer der gleiche Tritt, der war wie eine gewaltige Sprache . . . und da . . . auf einmal. . . der Alte fuhr auf. . . der da kam. . . in der Uni form der Ossizierr. . .der an der Seite der neuen Schar schritt. . . das war ja fein Sohn. . sein Hans Erich!. . . Der alte Mann fühlte den Boden unter feinen Füßen wanleu; dann riß er sich zusammen. Hans-Erich! Sein Sohn!. . .Den Blick geradeaus, achtlos der Grüße ringsum, der Blumen, die ihm zu geworfen wurden, marschierte er da hin, die große, straffe Gestalt in der grauen Unisorm. . . Führer der vielen Soldaten, die alle ihm anvertraut. . und in seinen Augen nur Eines ds erkannte der Alte mit der Klar h it seines eigenen Blutes . Sol datengeist, der nichts wußte mehr als das Vaterland und den Kaiser. . . der daraus brannte, an den Feind zu kommen. . . zu siegen oder« unter-zuge hen. . . Da waren sie bei dem Oberst. . und aus dem alten Manne rang es sich aus, schwer, fchwer, als wäre ein eisernes Band zu durchbrechen, und dann, wie ein Jubeln. ein freudvoll stolzes Rufen. . . wie einst. . einst, vor langen Jahren. . . »Dam- — Erich!«. Der fuhr herum und sah den Va ter Die Augen weit, als erblickte er Unbegreisliches: etwa-, darauf er nimmer gehcttt hatte in diesem Le be n. «Vnter!« schrie er ans, daß die um ihn bestürzt schauten. Es schien, als wolle er hinwegrennen von seiner Stelle, hin zu dem alten Manne, der Ldie zitternden Hände ihm entgegen streckte. Des Alten Augen nnd oie Des Jungen griffen ineinander, heift und voll Glut. lind sagten einander alles, was ihre Lippen verschweigen mußten zu dieser Stunde. lind die Augen wurden hell und stählern und sprühten in jauchzender Kraft· Der Sohn aber lenkte den Degen wie in Ehrfurcht vor dem alten Man ne, der ihm Vater nnd stolzes Vorbild gewesen allzeit. Und der Oberst stand und blickte dem Sohne nach. der dahin zog den schweren Gang, von dem es oftmals keine Heimtehr gibt. Und er schaute noch dahin tvie in seligenc Staren-n. als die Soldaten schon lange seinen Blicken entwunden waren Dann ging er heim. Hochaltng richtet tote ehedent, da er selber des Kaisers Rock getragen. Nun trug ihn der Sohn, er tviirde ihn tragen zu Ehre --.-—-— -—- Unter Fteundinnein «...Du glaubst gie nicht, welche Unruhe in oer tsnmns steckt! Jin Sommer nichts als Tennig spielen und tadeln, im Winter nichts nts Stisahken, todeln nnd tanzen! . . . Das muß doch ihrer Gesundheit scha tsh wenn sie so ans nicht zum ans tnhen tommt!« »Sei unbesorgt — mit der Zeit wird sie schon sitzen bleiben!« —- Rie zufrieden. Mutter: »...Giaub’ mir Kind, die Ehe bringt manche Enttiiuschnngen mit sich!« Junge Frau: »Ach ja, Moan . . Jch hatte mich innnek so dann-s ge steut, Attue wegen seines späten Ansbieibens eine Gatdinenpredtgt halten zu können — und nun geht er abends nie aust« —- Duech die Blume. Moses Veilchenstein hnt seinen ersten Aus tritt gemacht. Bei seiner Heimtehr feägt ihn besorgt die Gattin: »Nu’, tote war-IN Moses: »Wie as der Böts’! Emol hausse, emol Baisse — mer is de größten Zusälligteiten ausgesetzt!« — Trostlich Kannibnlens häuptjing fznm Gesangenen): »Wie ich hörte, sind Sie sehe musilliebend, darum sollen Sie auch mit Tafel tnusik verspeist werden« · die-neusten — Stizze von Herinann Wagner. Als die Kunde, daß die Rassen die Grenze überschritten hätten nno in ungeheuren Mengen gegen das Jnnere des Landes verrückten, in die kleine ostpreuszische Stadt N gedrungen war, packte der Notar Doktor Alphons hubert, ein etwas neroöser Herr, eiligst die nötigsten Sachen zusammen, um mit Frau und Kindern die Flucht zu ergreifen. Nun lebte aber als Erzieherin in seinem Hause seit einiger Zeit eine Polin, ein zwanzigjähriges Mädchen, das aus sehr gutem Hause stammte, das jedoch, jung verwaist, schon frühzeitig gezwungen gewesen war, sich einen Lebensunterhalt zu suchen. Sie hieß Antonie. Jhr Wesen bil dete ein Gelnifch aus tiefer Melan cholie und einer sprunghasten Hei terleit, tan den Notar veranlaßte, zu seiner Frau zu sagen: »Du, die Toni hat etwas, das mich beuan higt: Jch glaube, die macht einmal Dummheiten.« Dieses Mädchen machte nun ihrem herrm als dieser sich zur Flucht anschickte, den Vorschlag, er möchte sie als Wöchterin im Hause zurück lassen, sie würde dafür sorgen, daß der Feind leinen Schaden anrichte. »Sie? Können Sie denn das?'« »Ja,« sagte das Mädchen dunkel. Der Notar war höchst erstaunt, aber noch mehr beglückt Es sprach fiir den Respekt, den er heimlich vor dem Mädchen empfand, daß er im Grunde an dem Vorschlage nichts Ungewöhnliches fand. « »Aber werden Sie sich nicht fürch !ten?" fragte er nur. ; Antonie schüttelte den Fion und ;lächelte. »Gar: nicht. Die Rassen Ituen uns Polen nichtE. Jch kenne Isie, von meinem Vater her, init dem lich viele Jahre in Mußland gelebt fhabr. Auch spreche ich fließend Rus lsifch.« Der Notar ergriff ihre Hand nnd drüctte sie. »Sie sind ein tapferes Mädchen, Fräulein Wir vertrauen Ihnen. Betrachten Sie jetzt unser Haus und alles, was darin ist« als Jhr Eigentum und schützen Sie est Wenn toir zllriidtomnlen, wollen wir Sie belohnen!« I I I Drei Tage verbrachte Antonie in dem vereinsamten Hause ungestört zu, drei Tage, die überaus still wa ren, denn die Mehrz hl der Ein wohner hatte das detchen verlas sen. Jn ihr war keine Spur von Furcht, dafür das sonderbare Ge fühl einer Erwartung. Jenes Ver doraene und Niedergehaltene ihres Wesens, das der Notar dumpf ge ahnt nnd von welchem er gesagt hat te, daß es ihn beunruhige, war plötz lich lebendig In ihr geworden, jener dunkle Luft an Abenteuern, die vom Vater her in ihrem Blute war und die ihren Vater nach Sibirien ge bracht hatte. Jn Wirtiichleit war nämlich ihr Vater gar nicht tot. Jnfolge revo lutionärer llmtriede, an denen er sich beteiligt hatte, war er von der rnssischen Regierung im administra tidrn Verfahren ans Lebenszeit zu Zwangsardeit vernrteilt worden. Nur, den Tod der Mutter hatte das be wirtt und die totale Verarmung der Tochter· Diese bewahrte iiber ihr llngliict das tiesste Schweigen. Allein sie trug die heimliche Hoffnung mit sich herum, daß eg ihr eines Tages möglich sein werde, ihrem getriebeLs ten Herzen durch eine Tat Lust zu schaffen. Welcher Art diese Tat sein würde, dariiber dachte sie llar nicht nach. Sie war eine Schicksale-gläu bige, und als solche eine Natur, die nicht aus sich selbst heraus hnidelte. Sie erwartete ihre «-iuude. Wenn die geionunen war, ergab sich das Nötige von selbst. Daß diese Stunde jetzt nahe sei, das war die Ahnung, deren Gesiihl sich mit siißer Betäubung um die Sinne Antonies legte. Jn ihrer Art, zu sehen, war etwas VisiouiireH gekommen. Ju ungeheuren Massen, eine schwarze Macht, riiclteu die Nusseu heran, nicht gegen ein Land, nein, gegen sie selbst, gegen sie in Person. llnd irgendwo, fern im lin bestininiten, stand der Vater, blaß, ,abgeinagert, Ketten an den Füßen« s Antonie schlosz die Augen und gab sich dem Gedanken an die Dinge, die vielleicht im Anzuge waren, erschau etnd hin. Ein dumpses Murmeln stroch durch die Lust wie serner Don ner Jhr schien, als seien das die Stimmen jener Zahllosen, die das heilige Ruszland aus seinem Gewis sen hatte. Und ihre Seele ducktesich wie ein Panther, der si.h zum Sprun ge arischiclte... I Der Zufall fügte es, daß sich in deIII Onnfe des Notmrs ein hoher kussischer Offizier, eiII Baron An dreas Möller KofclY Oberst iII einem KIIvnllerieIeginIeIII, eianIIItIIerte, ein Mann von glatten M.IniereII, der, nachdem er Init Antonie bekannt ge worden war, den Ton des Krieger-Z rasch mit deIII des gIIlnnten Solon mcnschen vertauschte. Er zeigte sich entziickf, dnß An tonie Russisch sprach, und das in einem Diatett der nur in der Yes-I Ge llfehest üblich-sah ntonie, die nicht derhehlte, Del che Stellung sie in dem Haufe des Notars einnahm, bat vor allem um Schonung des Hauses. Der Baron lächelte und sagte »Sehen Sie mich an! Mache ich den Eindruck eines Menschen, der silberne Löffel stiehlt?« »Nein,« gab Antonie freiniiitig zur Antwort. «Vortresflich, mein Fräulein! TBes trachten Sie mich also als einen Fremden, der gezwungen ist, Sie einige Tage um Gaskfreundsehaft zu bitten.’ Und der sich da u begliiets wünscht, es so gut getroffen zu ha ben. So gut und so schont« Den legten Worten gab der Ba ron durch einen Blick ans feinen harten grauen Augen einen beson deren Nachdruck, durch einen Blick, unter dem Antonie tief errötetr. Und das nicht aus Scham, sondern aus dem Gefühle einer heißen Freude heraus. Denn sie nahm wahr, daß sie jene Wirtung auszuüben begann, die sie erstrebte. Und sie antwortete daher, indem sie ihrer Stimme eine dunkle Fär bung gab: »Herr Baron, ich toeroe mir Mühe geben, Sie zufrieden zu stellen.« Der Baron nahm ihre Hand, strei chelte über deren Rücken und kiißte sie sodann nachdenklich »Wie nett, daß ich gerade Sie getroffen habe, kleine Landsrnännint Zu unseren Feinden gehören Sie doch nicht, wie? Nein, das sehe ich Ihnen au. Und ich rechne darauf, daß wir bald gute Freunde werden. Gu...te Freund ..de!" Er zog die zwei Worte auseinander und begleitete ein jedes mit einem neuerlichrn Kug, den er aber diesmal auf Antrnies Unterarm drückte. s Sie entzog sich ihm. »Bitte, darf ich Ihnen jetzt zeigen, wo Sie woh nen?« Er lachte sie an, voller Genugtu ung nnd Anerkennung »Sie dür-. feu, meine Licbct Sie diirsen!« si- Iit I Antonie lag angelleidet ans ihrem sBett nnd starrte mit offenen Augen tin die Finsternis vor sich. s Aber in diese Finsternis lrnn all sinählich Helle, und diese Helle belebte ists-. Antonie sah in die Vergangen iheit: ’ . i Drei Männer tauchten aus, drei Männer in schlichtern Zivil, mithin ten Angen. Sie traten in das Zim mer von Antonies Eltern in Peters burg, packten ihren Vater, der aq nnngslos iiber ein Buch gebeugt saß, an den Schultern unr- sagten: »Im Namen des Zaren — Du bist ver hastet!« Die Mutter schrie aus,der Vater machte unwillkürlich eine Be wegung, als weile er fliehen. Aber die drei Paar harten Augen betrach teten diesen Versuch nur mit Iro Inir. Es lag eine gewisse Zufrieden theit in dieser Jrrnie. lind die sechs IFänste ließen nicht locker. s Das Bild verschwand und ein neues tauchte anf. Ein lsagerer Mann mit schrnalern, grausamem Gesicht nnd Augen, die jtalt nnd ruhig hinter goldenen Glä ;sern hervorsahen. »Ihr Vater, mein EKindV — »Ja, ich möchte ihn se ;l:-en.« —- »Das geht nicht. Er ist jsort.« — »Fort? Wohin?« —- »Er iist verschielt Lebens-länglich Zur !3wangsarbeit." — Ein Schrei. Und jein namenloseg Grauen, das sich ssteigertr. je länger sie in dieie Augen sah, die zn bewundern schienen, die Haber auch in diesem Bewundern gleich Halt nnd gleich spöttisch blieben. » Die Helle verschwand, nnd es wur sde wieder sinster. Ein anderes Bild: j Nacht. llelser irgendeine endlose »Zteppe segte der Sturm. Dunkle Viestalten bewegtest sich, Slelette, die Jan ihrem Dasein schlerptm Trinke Hier Husten, Gestöhn, llirrende Ket »ten nnd annse der Wachen. Ewi rien. Rnßland... Antonie richtete sich ans. Jhre Wangen brannten im Fieber-. Jhre Augen waren starr aus die Tür gerichtet. « . : (-giiopf1e. s Erst einmal ganz leise, dann ein .zweites Mal stiirler. s Antonic griff mit rer Hand nach fder Waffe, die neben ihr auf dein Rachtläftchen lag. »Jn?« sagte fie leise es»Oefsnen Sie, Teneifte —- ich bin s, ich!« tnm es von draußen. s »Wer?« »Jch, Andreas...« ! Antouie tastete fich zur Türe, lit Lchelte wie im Traum nnd schob den Riegel zurück. f Die Tiir iiffuete sich nnd schloß sich wieder geriiuschloö. « »Tonitschla — wo sind Sie?« »Hier!« »Ob, ich liebe Sie.. " Und ein Feuer flammte mis. km Schuß trachte, nnd eine schwere Masse brach lautlos zusmnmen».« . . Am nächsten Morgen führte num Antonie ab. Sie fah unschuldig und kindlich drein. Nichts mehr von jenem Sonderbes ren ivar an ihr von dem der No tar gesagt hatte, daß es ihn irr-ts hig mache. Sie lächelte. Z