Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, February 19, 1915, Image 12

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    sie-ewige Iqu
Roman von Idol-h Schssfineyer.
(8. Fo-.«tsetzimg.) «
Schonhsiitte Spielen sich erhoben
iiiid tief: «Hekeiii!«
Allein vie Tür blieb geschlossen,
und niemand erschien; jedoch das
Klopfen wiederholte sich, als ob ein
Vöglein an's- Fenster pictte.
Shitley schritt rasch aus die Tiik
zu und öffnete — dann freilich ttnt
et voll Besteigung zurück. Der
Lichtschininiek siel iius Viola Athen
ion —- diiö seinste und liebenswür
diszstc Märchen des ganzen Hauses,
wie er Viola einst selbst apimtieriiieii
hatte.
Immer ivur Shirieii eiii stiüct
Bewniioeter Viola- gewesenwnuk daß
sie iii Den Letzter- Moniiteii mehr iiiio
met-i iiiig seiiieni Geist entschwunden
w.ii, wie alte Anderen Märchen sei
ner Bekiiiiiitschosi, seitdem Cyntyia
wie eine Erotderin Besiy von seinem
giiiizeii Inneren genommen und wie
eine Tomnniii teiiie andere neben sich
dusdetc
«’«llkz Allorrisn , ein-nistelte er,
«verzeryen Este meine Unhöslrchteit,
Sie warten zu lassen, nder wirtlich,
ich hätte mir nicht träumen lassen —«
Viola-; stand ganz ruhig und be
scheiden da, aber vasz eine Blutroelle
sich über ihr blasses Antliß ergoß,
hatte sie nicht verhindern können.
»Ich have wegen dieser späten Stö
rung um Verzeiyung zu ditten,« sagte
sie leise, »aber Mutter schickt mich zu
Ihnen. Sie hat eine Bitte an Sie:
wenn es Ihre Zeit erlaubt, einen
Augenbleck ver ihr einzutreten«
,,Jest?-«,fragre geh-den« der nicht
begoss. »
,.J», hin-:
Jn einer Minute werde ich Frau
Atnerion meine Aufwartung machen-«
Lin Reigen des hauptee mit dem
weichen tartaniendraunen Haar, ein
leises »Dann-, und Viola wandte
ch ab.
Als Sbiiley die Tür geschlossen
hatte, blieb er regungslos stehen, aver
einen tragenden, erstaunten Blick
tauschte er mit ten seiden anderen
aus.
»Ich wette, dieser Durand, dieser
dreimal verdammte Schutte, hat die
arme alte Dame —« Es war Jan
sen, der zuerst stir die gleiche temp
sindung bei den dreien Worte sand.
Unwrlltiirlich dallte sich Shirleye
Faust. »Diese tleinen, verlassenen,·"
guten Frauen,« murmelte er. j
»Wenn der bund das getan hat«
so sollten wir rtyn zur Streite drin-;
gen,« sagte Helios mit suntetndenl
Angen. s
»Wartet! Sie hier aus mich, ichl
werde bald zurüä sein.'·
Als Shirlen eine Minute später in
das Zimmer ver alten, von grchtischen
Schmerzen osi schwer heimgesuchten
Frau Atherton eintrat. siel sein erster
Blick aus das gleiche, prunlvoll litho
graphierte Zerrisitat der Wild Jn
dian Silbermine, das auch Frau
Oglethorpe bei-aß, und das er noch
in der Brusttasche trug. Er mußte
sich Gewalt antun, um nicht sogleich
in zornige Verwünschungen gegen den
gewissenlosen Schurken auszubrechen,
der den traurigen Mut besessen, zwei
so vollkommen weltunersahrene
Frauen zu bestehlen.
Dieser Elende,-zischte es durch sei
nen Geist, aber äußerlich verzog sich
kaum eine Muskel seines Gesicht-,
wie er Fest aus die tleine alte Dante
zutrat, die unter dem Gaslicht an
ihrem Tisch im behaglichen, rnit Kis
sen belegten Karl-stahl saß und ihm
wie hilsesleyend ihre zittrige Rechte
entgegenstreckte. Jhr war der sliichs
tige, zornige Blick nicht entgangen,
rnit dem er das Papier gemessen
hatte-.
...yerr conten, ta) otinre Zonen-—
Sie hie.t seine Hund eine Selunde
fest in dem instintteni Gefühl, sie
tönne Beistand bei ihm sinden.
Viola, in dieser Stunde selbst ein
rührendeå Bild ver Hilstosigteit, stand
hinter kein Stuhl der Mutter und
schlang jetzt beide Arme um die
schwächliche Gestalt. .Mutter", sagte
sie weich und zärtlich, »Du darfst
Dich nicht ausregen, der Arzt hat es
verboten, und vielleicht sind unsere
Sorgen und Befürchtungen ja auch
grunhlosfs An ihren Wimpern hing
eine Träne, aber Shirley gewahrte
hoch, wie sie mutvoll kämpfte, uin
der eigenen Verzweiflung here zu
werden. »Lcis; mich mit herrn Shir
.ley speechen,« fügte sie hinzu.
»Ja Viola —- es ist ja alles meine
Schuld.«
Nicht doch, Männchen sprich
nicht so.« Leise deiickte sie ihre Wan
ge gegen das haupt der Alten. dann
richtete sie sich empor. ,Ulso, here
« Shirlev, wir hoben —- -· aber ich
biete Ihnen nicht einmal einen Stuhl
an, verzeihen Sie, bitte —«
Er machte eine iabmhrende Seite
Ists lte einen Stuhl herbei, sah
thue in seien.
nW vie habenden von-Mr. Dis-J
equipmsktien seines Silberbergwerkis
Mal-IRS i has Zettisiiatk It
gib-a taderhouh Lufdsssapier
Msickte, ergriffe- el.
rner lagen, denn der Betrag von
zwölßfundertn Dpllorl stand auf der
riniede dermerit
Darf ich fragen, ol) Sie den hier
chezeichnetm Betrag voll an Durand
jbezabit habeni«
.Ja.' tagte Viola erbleichend
E Shirley schwieg —- das Papier
Eentiant seiner Hand. und er senkte
Fieine Blicke wegwenden. G lag et
was unendlich Puthetischej in der
holtung der beiden, die inr gemein
ffanren Unglück fest aneinander ge
sichrniegt, stumm und doch voll Erge
denheit auf ieine Worte warteten.
;Shirled besaß nicht den Mut, ihnen
die niederlchrnetternde Wahrheit rück
haltlos mitzuteilen. Er suchte nach
Worten
»Ich wollte, Sie hätten mich zu
Rate ezogetn dedor Sie dem Men
fchen dr Geld anvertrauten —«
Es wnr so still im Zimmer, daß
man das schnelle Ticttaet der tleinen
hübschen Kaminuhr vernahm
,,th alles verloren —- alles?« kam
es von Frau Athertons Lippen. ;
Shirley zögerte
Er fah, wie die kleine welte Ge
ftIIt sich plötzlich mit einer großen
inneren Anstrengung aufrichtete, wie
ihr Gesicht fester, ihre haltung stolzer-«
wurde.
«Sagen Sie uns die volle Wahr-s
heit. Herr Spieler-, ich bitte Sie ba-:
rann Auch bat Schrecklichfte rnit
einem Schlage zu ersabren, ist besser, ·
als einen mit trügerischen HossnuniT
gen hinhalten Meine Schuld isis
s-— aber ich biitte nie geglaubt, dass
ein Mann so sehr das Vertrauen
einer alten, unersahrenen Frau miß
’b-rauchen wiirve — —«
F Mit möglichster Schonung teiite er
ben beiden Frauen nun seine Be
siirchtung rnit, baß sie einem Fälscher
zum Opfer gefallen. wol-ei er noch
immer rinen Schimmer von hass
ursg butchleuchten ließ, daß er sich
irren könne l
c
l
Krin lautes Wort tein lärmen
des Geschirnpse wie bei Frau Ogle
thorpe. lein Ausbruch sinnloser Wut,l
tein Nacheburst. Viola streichelte dies
wette Hand ver Mutter, ibr Blick
schien in weite Fernen zu wandern
Wie anders, wie anders dachte
Shirleu bei sich, dem vie Rührung
in bie Augen stieg. Er stand ba,
ohne ein Wort be- klrostes zu sinben.
»Das ist eine große Schlechtigleit.
zwei arme Frauen, die nicht in der
Lage sinv, einen solchen Verlust zu!
verschmerzem um ihren armseligen’
Besrg zu bringen«
Das war alle-, was an Antlage
über Frau Athertons Lippen tum
Aber erst jetzt, bei diesen tlagenben
Tönen empfand Shirtey vie ganze
Gemeinheit Darmw
.Meine liebe Frau Atbertvm der
Himmel weiß, wie gern ich Jbæen
helfen möchte, — wenn Sie mir ir
gendein Mittel, einen Weg zeigen
tönnien —- — -
Shirlev sah, wie bei seinen Worten
Violas Gestalt sich von der Mutter
losliiste und iiber ihr seines siortes
Gesicht ein Zug von Energie und
Entschlossenhert flog.
»Mir. Soirley, ich möchte eine
Frage an Sie richten,« sprach sie in
einem ganz anderen, sesten Ton.
»Aber ich bitte, wenn ich anen
irgendwie dienlich sein tönnte, nichts
würde mir größere Freude bereiten.·
»Ich bunte Ihnen. Mutter und
ich haben in einer gewissen, sehr wich
tigen Fragen ganz verschiedene su
stchten —« L
,,Aber Viola,« llang es fast streng
von den Lippen der Mutter, »ich
wünsche nicht —- —" ;
»Doch Mutter-, es muß jetzt gesche-,
hen, wir tdnnen nicht noch tieferl
hinabsteigen· Jch bin jung und träf
tig ——- —- Herr Shirley, ich möchte
inir eine Stellung suchen, aber Mut
ter ist dagegen. Glauben Sie nicht«
daß eine Dante heute angemessene Be
schastigung finden tann, ohne sich
auch nur das geringste zu vergeben-«
»Aber ganz ohne Zweise1,« bestä
tigte der Ungeredete mit großem Ei
fer, ,Darnen aus den Kreisen der
Vierhundert, aus der englischen Ari
stotratie haben es getan."
«Eine Atherton tann nicht in
dienstliche Abhängljchleit treten, —
mein Gotte war General-« Die al
te Dame richtete das haupt hochmü
tig aus.
»Aber Mutter,« bat Viola, »was
wallen wir tun? Nach unserem neu
en Berlust uns nach mehr einschrän
ten? Laß Dir von herrn Shirley
erklären, daß die Welt heute ein an
deres Gesicht hat als in den Tagen
Deiner Jugend.«
»Ist denken, daß General Esther
toni Tochter durch ihrer hände Ar
beit ihr Brot verdienen Inuß —'
Viola machte nur eine kleine ab
weisende Handbewemrng »Ich habe
Stenographie gelernt, sollte ich da
nicht irgendwo eine kleine Stellt-Ins
studen, die uns jede Woche etn wenn
auch nur geringes Eintommen
drin-sti«
Als hätte er tell-K eine hats-e
gräwtstxlfts erbaute-, so gl
l O« M , si u.
greife-ists köran Hande- NR
posted-s n. fixi- Tini-m sehr guten
Manu, einer Zweit-M M
d« Zussa wen, hat am der cher
iseeade heute mit nite dariiier schrie
then- iuich siehest. eh ich niemand
wiMeK
Viola hu die Winde auf Ver
jBtuft gefal . «Retn." war alles.
was sie hervorbringen tvnnte, ein
liibergtäefkwe Ante-L Zwei Tränen
rollten ihr die W hinunter.
»Glaubt-e Ste dein wirtlich, here
IShirleyk fiei fest-auch die Mutter
unsicher geworden ek.
I unwinraknch nackten Pisis- hau
de sich Spielen eingeser der sie mit
feinen beiden umschloß —- aber den
leuchtender-. tiefen Blick ihrer Augen
nicht sah.
»Auf ich gleich morgen früh tete
phonisch bei der Firma anftagenf«
«Mntter?' Eine teyte Bitte mit
so vollem, glückttchem Ton, daß je
der Widerstand mggefchwemmt wur
de
«Wenn here Spielen wirklich
meint —«
»Aber-natürlich, liebe Frau Athers
tiwn," rief Shtrley in seinem über
zeugendsten Ton. Miso txt-gemacht,
nicht wahr? Jch werde Ihnen mor
gen gegen zehn Uhr eine Telephon
votschnft senden, vielleicht können wir
uns dann um die Mittagsstunde in
der unteren Stadt treffen, Ich beglei
te Sie in das Lneeau und stelle Sie
vor — —« «
»D, ich danle Jhnen von ganzernl
Herze-if Viola suhr sich nitt dein
Taschenluch über die Augen. So ist
aus dein großen Ungliia das größerej
Glück herausgewachsenck
Als Shirleh gleich daraus Abschied
nahm« ließ er zwei glückliche Frauen
zuriich vor denen dao Leben sich wie
oer hoffnungsvoll ausdehnte, und von
deren schwachen Schultern die er
driictende Bürde der Ungewißheit und
Sorge genommen war.
llnd als ei dann still in dein
tleinen, tosigrn Zimmer wurde, dem
zarte Frauenhiinde eine so reizt-alle
Wohnlichteit verliehen hatten, als
das Licht verlöscht war und Viola
in ihrem Bette lag, alleo still um sie
her und stiedlich und dunleL so dass
niemand sehen und hören tonnte, wa
der andere tat. da salteten sich zwei
Jungfrauenhiinde iiber die Brust,
nnd aus inbrünstigem herzen stieg
ein tleineo Gebet lautlos in die Nacht
hinaus nnd wanderte vielleicht zu den
ewigen Sternen empor: »Gott segne
ihn-" — —
Wiihrend dieser Stunden befand
sich die rothaartge Vioian ganz al
lein in ihrem heil erleuchteten Zim
mer, dessen Tür sest verschlossen war,
und dessen herabgelassene Jalousien
sie vor allen neugierigen Augen
schilstern
Bioinn lachte vergniigt vor sich hin,
nicht laut, aber innerlich und herz
erquiaend, denn sie war zusrieben
tnit sich. Die innere Zufriedenheit
ist so schwer iin Leben zu erreichen —
Bivian hatte sie erreicht. hatte sie
nicht über alle triumphiert. über Du
rand, der aus ihrern Leben ausge
schieden war, liber Frau Oslethorpe,
die ihr den Verlust des Geldes nicht
ntichtrugt Die kleine Theaters-rin
zeß schauspielerte inr Leben viel bes
ser als aus der Bühne. Sie wußte,
daß jeder int hause sie beniitleidete,
denn hatte der ehr- und pslichtvers
gessene Schurke sie nicht auch beraubt,
alle ihre Schmuclsachen mitgenom
men, sogar den Berlebunsoringt
Und dabei gliserten nnd suntelten
des Colonelo Diamanten ihr vom
Tisch entgegen, und zwei andere Rin
ge, die kostbarsten ihres Delikt-, toas
ren ebenfalls aus dent Schissbruch
gerettet. j
Btvran war damit hescdastth Ihrel
Sache zu packen, ihre hübschen Klei
der und Mantel und Lingerie und
Hüte. Vor ihren Tränen toar der
wilde Zorn Frau leethorps versiegt,
und ihr Herz hatte sich zur Milde
geneigt, als sie Bidians Leidens-ge
schichte angehdrt hatte.
Armes Kind,« hatte sie schließlich
ausgerissen ihre Tränen mit denen
der Verlassenen mischend, »arm«
Kind, wag müssen Sie mit diesem
herzlosen Bösewicht ausgestanden
haben. Wenn ich an den gütigen
Major Oglethorpe dente s—«
Vivians Augen glänzten, überdies
noch in dem Regenbogensehirnmer oon
der Szene der vorletzten Nacht —
denn seht wars herausgekommen
das; Durand in sinntoser Wut sie
geschlagen, ja mehr noch« daß er ge
droht hatte, sie zu ermorden —- —
O, dieser Unmensch — aber es gab
noch eine Gerechtigkeit aus Erden,
und Frau Oglethorpe wollte nicht ru
hen und rasten, bis der Schurke der
strasenden band der Gerechtigkeit
übergeben sei — —
Ja, Biviait war zufrieden. Jeder
Argwohn der würdigen Dame Oroar
erstickt, sie hatte sogar den Versiche
rungen der Aermsten Glauben ge
schenkt, daß sie die rückständige Mie
te oon der ersten Gage bezahten witt
de. Einstroeilen eitich mußte sie
Obdach bei ihrer utter suchen,die
ganz sern tm Osten der Stadt einen
kleinen Weist-amtlichen betrieb, —1
coe- oiäqiqzäfiåm s Erwies-s
nende t ung n, tat ·
lich seien r bereits von einein Ma
nbäer yrechtrngen gemacht vor-«
.- Und nährend dieser ganzen Sze
II mit Frau Ostetrpe hielt Uidian
tu ihre-n handtiis einen pries
Emporgeri, der fest neben dem Vett
lantenfchnnnt leg. Er Ipnr lauen III
entziffern, aber fir tte die Dieroglyit
phen doch kenn . seht nnd leis sie’
fest wieder, wohl zum duiendstens
sinnl. -
.Mein kleines Rothaerigest
Dein Wunsch ist erfüllt, und die
Wohnung ist Dein; Du tnnnft eins
iehen. wann innner ee Dir geföllt.«
ch via ser glücklich. daß Du thl
cgnnz mein wirft. Js- iollte mich sp-«
Fgar wundern, mit welcher Findigtelts
kDu Dich von Deiner Mutter getrennij
haft; aber ich wundere rnith til-er
nichts-mehr in der Welt, besonders
nicht i tleinen süßen Mischem Al-:
pr telephontere, wenn Du eingezogen
bist, damit ich halt-möglichst zu Dir
eilen kann.
- Dein verliebter Colone1.'
Auch jeht ionnte sich ein triumphie
rendes Lächeln auf ihrem Antw,
und fie tiißte den Brief.
Eine entzückende tleine Wohnung,
reizend möbliert, mit allein Roms-Den
in der sie alleinige Herrin fein wür
de. —- ——· Und als sie dem Colonel
von ihren Träumen erzählte, daß sie
den Ehrgeiz hqbe, auf dem Theater
zu aussierem da hatte er gelciehelt
und die Idee scharmnnt gefunden
und durchdlicken tasten, daß er ihr
helfen würde.
Es war gegen Mitternacht, als
Vibian ihr Lager aussuchte und nach
den Erregungenx des Tages bald in
einen liesen und lrauniloseii Schlas
bersanl, aus dem sie erst erwachte,
als die Sonne schon hoch am Hirn
niel stand. Ihr erster Blick siel aus
die gepackten Rossen und nun stand
mit einmal das neue Leben vor ihrem
Geist, all das, was sie seit Jahren so
wild und ungestlini begehrt, das nun
erreicht vor ihren Füßen lag, wie
eine wundervolle lachen-Je Landschast.
Und mit beiden Füßen zugleich
sprang sie aus dein Bett nnd mochte
Toilette, ganz schlichte, dnntle Ini
ben, um in ihrer Rolle zu bleiben.
sogar einen leidenden sag liesz fie ih
re Mienen umspielen, als sie zum
Fruhstlicl hinunterging.
Und ein paar vtunden später der
Abschied — mit Tränen und wenigen
ruheendeii Worten, eine tleine haus
liche Tragödie, die sich mit verhalte
nem Schmerz abspiell, bei der das
Ungesagte immer das Crgreiseiidste
ist. —- — Sogar die Mast-ein in de
ren Brust sich wieder allerhand Zwei
sel und argnxohnksche Bedenten ange
sammelt halten, vermochte lein sin
stereo Gesicht zu machen und druate
Vivian die hand, als sie zur Tut
hinaiietrnn
Doch taum außer Höriveite,«rieselte
ein schlecht unteroriiaick Lachen uber
die roten, beweglichen Lippen, und
lecke Blicke drangen unter deni
Schleier hervor.f Un der siinslen
Abenue ries sie eine Droschte an,
denn die handiasche ioar schwer und
unbeqiiein zu schleppen. Dem still
scher ries sie die Adresse eines grossen
Apiirlenienthauses in einer teuren
Straße zu, und sort gings iiber den
Schnee, den tausend sleigige Hände
sich sortzuschippen bemühten, —- bis
sie vor irr Tiir hielten« ivo ein Rig
gerboy sie grinsend in Cmbsang
nahm und sie im List ins sünfte
Stockwerk hinanswirbelie und die
Tür aufschloß. Telephonisch hatte
Livian alles vorbereiten
Iiins Minuten später ging das
Telephon aderlnalt mit der Freuden
balschast nach Wall Street hinunter:
.Colonel, ich bin soeben in der neuen
Wohnung angekommen und bin ange
hener glücklich.«
Achtes Kapitel.
Es war am Morgen nach all-den
ausregenden Ereignissen in Frau
Ogletyorpeö Kararoanserei; seuyzeii
lig hatte George Shirlen sich erhaben
und hatte in der srischen Winterlust
nkch einen längeren Spaziergang ge
macht. Jetzt sasz er eisrig schreit-end
an feinem Pult.
Seiner- Gewohnheit ganz entgegen
war aber auch Präsident Jameson
schon geraume Zeit vor Erössnung
der Bant um zehn Uhr an seinem
Pult gewesen und hatte sein Tage
ivert damit begonnen, einem der jün
geren Buchhalter, der ihm eine. salsche
Antwort gegeben, einen lauten und
sartnstisehen Anschnauzer zu erteilen.
Seit dem Moment hing iiber der
Bank of Virginia eine dräuende Ge
witterwolle, vor der his zu den
Lausjungen hinunter alle Un estells
ten zitterten. Man mußte nie, wo
der Bliy einschlagen würde, und
wann der Sturm sich entlad.
Der Eolonel saß allein in seinem
Zimmer, das von dem großen Baut
raum durch eine Glaser-and abge
schlossen war, da Bizepriisident
Alexander D. Dsborne, der sonst den
Raum mit ihm teilte, nach einem hes
tigen Erippeansall zur Wiederherstel
lung seiner Gesundheit eine Reise
nach dem Siiden unternommen hatte
Jm tleineren Rehenzimmer. eben
falls durch eine Glaswand abge
trennt, befand sieh Shirleys t
und das des alten Aussierers J hua
Canth, her an diese-n Morgen in
dessen noch nicht erschienen war. Dies
war von mhschstlomrnandterenden
ilbel sermetlt worden« der sogar silr
Shirley nur einen hrutnmigen Mor
Weuß gehabt hatte.
i sie viele große here-en pflegte
much colonel Jameson seine schlim
rnen Tage zu Osten, an denen er ntii
ieitenent Geschick bei feinen Unterge
benen alleran Fehler heraustiiiteli
te, nnd weite dein Neunster der an
solchen Tagen durch Ungeichialichleit
oder gar versteckten Trog den Zorn
des Ehefs entflammte. Dann lonns
te eine bruinle Rücksichtslasigteit oder
»je nach der Laune auch eine Woge
ivon Sarlntmus iider ihm zusam
;menichlagen, die beim ganzen Perio
»nal aufs Schlimmste gefürchtet wur
!den. Man hatte Beispiele gehabt.
daß die geringste Widerrede zur au
genblicklichen Kündigung gefudtt hat
te. lauen daß dem armen Teufel Zeit
gegeben wurde, seinen Hut aufzu
setzen.
Eine tiefe. unheimliche Stille
hrrrichte« dij endlich mit fast einitiini
diger Verspätung der alte Smith
hereingestiith ltnn mit der Entichnls
digung, daß eine nur wie durch ein
Wunder Gottes ortlziitete Kollision
auf seiner Bahn die Schuld daran
trage, daß er nicht zur rechten Zeit
gekommen fei. Jn den Drange Monu
tains besaß der alle Kassterer eine
kleine Bill-J, in der er Winter nnd
Sommer wohnte.
Mit eisigeni Schweigen und sest
auseinandergepreszten Lippen nahm
der Ches die Botschaft entgegen; ein
iaum merklichett, doch ungeduldigee
illicken des Kopfes mochte dahin ge
deutet werden« daß die Entschuldi
gung akzeptiert worden war. Ader
Sniith besass eine unglückselige Ma
nier. durch Uebereiser und unnötige
Worte den Löwen auch dann zu rei
zen, wenn er dessen böse Stimmung
nötie erkennen müssen. So begann er
auch jetzt eine umständliche Schilde
rung vorn Stapel zu lassen, wie der
Zusarnnienstoß der beiden Züge uin
Vanresbreite erfolgt wäre, und wie
dann eine grauenoolle Katastrophe
unfehlbar hatte eintreten müsse-u
wenn nicht im legten Augenblic
-— — — Aber hier erhob sich der
Präsident in schroffer Weise und lie
gab sich init seinen raschen, neroiisen
schritten in das seuer- und diebess
sichere Gewölbe der Band —- —
»Uin himmels willen, tein Wort
weiter,' rannte Shirleh deni Alten
hastig zu, »demerten Sie nicht, daß«
der Oberbonze heute mal iviederj
Galle gefriihstiirtt halt« !
»So-« erwiderte Smith ganz der
wundert, seinen langen weinen Bart
streichelnd, »aber ich sage Jhneru
Shirley, alle meine Glieder zittern
noch, denn sehen Sie. an dein Puntte
vereinigen sich-die beiden Geleite irr-J
spitzen Winkel. Von unserem Werg-l
gon aus sahen wir nun, wie der ansi
drre Zug direkt in uns hineinzusahsi
ren drohte, ossenbar war irgend etsj
was an der Lokoinotibe in llnordi
nung geraten. Alle Passagiere spranil
gen schon, von einer Panit ergrif-«i
sen, aus —« Mit seinen höndeii!
suchte er ein Bild der Situation zul
geben, —- »et herrschte ein wilder-«
Ourcheinander —«
Pliiskich stand der Colonel wieder1
mitten im Zimmer blaß bie aus die;
Lippen, mit suntelnden Augen. i»
«Mr. Srnith, — wo find die ital-i
ted States Bands, ich meine bas«
100000 Dollar Bundelt Jch sindel
sie nicht an ihrem Platzf herrschte erij
den Alten an. «
Wie von einem Schlage getrofsen,
zuate der Greis zusammen, einen
Moment blieb
mit hängendem Untertleser.
»Aber sie müssen dort sein," stam
melte erz
,;zcy sage Ihnen, ne Imo man an
ihrem Plah,« schrie Jamefon mit io
lauket Stimme, daß es bis in allei
Räume halltr. Der alte Kassiem
mutmelte einige unverständliche Wot
re —- nach oteser neuen Aufregung,
schlimmer als die gliidlich vermiedei
ne Kollision, schien er lau-n noch die
physische Kraft zu beschen, in das
Gewölbe zu wanten. Er nahm sich
nicht einmal die Zeit, sich seines
schweren Ueberrocles zu entledigen.
Mit sinsteren Blicken folgte der Co
lonel, ohne Shirlen anzusehen, der den
beiden nachstarrte und angespannt nt
immer steigender Unruhe lauschte.
Nach lnrzer Pause wantte der Alt-,
leichenblaß, rnit fliegenden Händer
wieder ini Zimmer herein, aus sein
Pult zu, wo er in einer der Schuh
laden sein Schlüsselbund suchte.
Shirley eilte aus ihn zu. »Mir
Ruhe«, sliisterte er, «es ist ja ganz
undentbar, daß irgend etwas Schlim
rnet sich ereignet hat. Die Bonds
werden sich sicherlich sindsn'«.
Ohne ein Wort der Erwiderunn
verschwand der Alte wieder, mit er
ftarrsem Gesicht, trastloi; alle Ueber
legung schien er verloren zu haben.
Aengsiliche und neugierigeBlicle slo
gen ans dein vorderen Teil der Bank
durch dieGlnlitiiren herein man de
gann dort schon, zu tuscheln, sich leises
Vemerlungen zujuraunem
- Dann, niich einigen unheimliche-Il»
lMinuten tauchte Jamespn wieder au
detn Gewölbe hervor. rnsunlelnd,
in Schweigen gehüllt, chritt er ein
marmal durchs Z atmet-, indem er sich
Inll seine-n Taschentnch über dies
Stirn wischte
«Unerhiirti Diese verdammies
Schlamperei muß einsnch ein Ende
haben«, ries er Shirleh zu« an des
sen ult er stehen ehlieben war. !
,,1atache ist, dieser mith wird zu
ais slit seine Stellen-O es geht nicht
mehr —- er ist senil. Er besiit nich:
rnelee die Kraft geistiger Kenzenlras
nor-, er redet auch viel zu viel-«
Das der nlle Kassiecee nur usn
ein paar Jahre älter als er ielbii war,
bedachte der Tolonei in vieler Stun
Hde nicht Freilich im Aussehen an
ITniltafi und geistiger sen-entrann
Zug auch tatsächlich eine ganze Reihe
von lesen zwilchen vielen leiden.
s S irley erhob sich sit »Wi.
gestellten Sie mir, dein Allen sitt
Stichen behilflich zu sein — die
Bonn werden sich iinven«.
«Ja'·, nielie dieser, «l)elfen Sie
ihm; Sie scheinen der Einzige «
kein, ver feine Ruhe zu wahren ver
ehi«. «
Jin G ’lbe fand Shirlen den
Greis auf-einem Stuhl zusammenge
st!nlen, fassungslos, unfähig, einen
Gedanken auszuspinnem
»Bor- nllen Dingen, Mr. Stnilh.
mal ganz ruhig«, begann er nni herz
licher Ermunterung und legte Ihm vie
Hand auf die Schulter-. »New-laufen
sind die Bondi nicht, na und gestohlen
noch viel weniger —- sie hab-en sich
einfach veriieckt«'. lind dann mil ei
nem leisernen Ton: »Sie wisset-.
isnser Chef hat manchmal eine ver
dammte Manier, einen in Verwirrung
zu bringen«.
- « -.».- . .- ..·
«Jll, Alls htll IT , Nslllllsic OMUIL
«er ist nicht immer nachsichrig — Se
hen Sie, lieber Shirley, hier in die
sern Blechtasten haben die Bands seit
Jahren wohlverwahrt gelegen —- —«
Vor ihnen aus einem lleinen Ei
chenholztisch stand der geötsnete Be
diilter mit seinen Wertpapieren Shir
len, der den Jnhalt sehe wohl taume
rrars einen Blick in den Blechtasten
—- lein Zweifel, das Bündel fehlte.
Aber er liesz sich die Ruhe nicht rau
l·en. Ein paar eleltrische Lichter
schafften reichliche helle in dem tleis
nen Raum. Shirlev faßte Poito nahe
der Tür und blickte scharf musternd,
alle Gedanken ans den einen Punkt
gespannt, an den Regalen entlang.
Dort, genau zur Rechten. lagen, in
Windeln geschichtet, die Ban:noten,
viele Tausende von Tollen-. Dane
ben in den tleinen Leinwandbeuteln
die Goldstücke nnd im Regat darüber
tie Silberrollen. Jn den anderen
Abteilungen standen Blechtiisten ver
schiedener Größe. mit Namen oder
Jnitraten in Goldbuchstaden versehen.
in denen Wertpapiere von Kunde der
Bant verschlossen waren. Jn einem
anderen Fach waren Briese und wert
volle Dotutnente untergebracht, in et
nem oberen undenuhten sogar ein al
ter. oerstaubter Jnlinder bei Colo
:ket. — —- Endlich in der lenten Ecke
befand sich ein zweiter Vierttastem
das genaue Gegenstlick zu dein« der ge
öffnet auf dern Tische stand.
Wie ein Blis durchzuckte es Shir
len —- die beiden Kasten hatten das
gleiche Schloß, seither hatten sie sogar
in benachbarten Fächern gestan
den. — —- —
,.Bersnchen Sie einmal das Ding«,
ries er aus, «vietleicht ist ein Irrtum
begangen, der Kasten da ans dem Bo
den ist der Bruder von dieteni hier-"
»Guter Gott«, tvar alle-, long der
Greis hervorzubringen vermochte.
Seine Hände zitterten so heftig, das
Shirley ihm die Schlüssel avnahnt,
mit seinen kriisligen Armen den Ka
sten arti den Iiich hob, ausschob und
den Deckel zurücksank
»Da — —- —« Des Alten Stimme
Tit-erschlug sich und klang wie ein Aus
ickiluchzem
Mit behenden Händen riß er das
große Patet heraus und driickte et an
die Brust, während ein unaetiluliers
rer Laut, in dein sich alles von liber
strörnender Dantbarteit ergoß. aus
tiefsteni Inneren hervoeauolt.
aGesondert — — -t Sie Oben sie
gesunde-il Shirlev, ich dante sh
nen«.
Ihm die Hände schüttelnd, lief et
sreudestrnhlend ans dem Gewöle
quer durch das Zimmer aus den Co
ionel zu, der voll nervöser llnruhe an
seinem Pult Pius genommen hatte.
»Hier sind die Bunds, Colonell Ich
wußte sa, daß einzig ein Irrtum
versiegen konnte. Jch hatte die Blech
tästen vertauscht. Mr. Shirlen war
der glückliche Finder«.
Als Jameson das Bündel entgegen
nahrm erhellten sich seine Mienen, und
er niclte nach Shirlen hin, Its dieser
seht aus dein Gewölbe trat.
»Gut gemacht, Shirley", ries er ihm
zu »Es sreut mich, daß sie gefun
den sind." Und noch einer kurzen
Pause mit gerunzetter Stirn: »Aber
solche Fehler sollten in unserer Bant
nicht gexnacht werden«.
Während der ersten erregenden
Augenblicke hatte auch Jameson an
die Möglichkeit eines Diebstahle ge
dacht — der-n in dieser Stadt war
eben alles möglich. Bei rnhigerer
Ueberlegung hatte er indessen den
Gedanlen rertvorsen. Jetzt, da er
seine Ruhe vollends wiedergewonnen,
blieb als Badensay des Ganzeti.nur
die Ueberzeugung zurück: Smills ist
nicht mehr leistungsfähig.
Der Totonel hatte während dem
eins der Daiumente entsaliet istd
übersl es rnit raschem Blick. —
Diese« onds gehörten zu den sesten
Bestäan der sant und bildeten ei
nen Teil ihres Reservetapitals. Sie
waren aus seinen Namen eingetragen
—- - — das war’e, wovon er sich
noch einmal durch den Augenschein
überzeugen wallte.
Gortsehnna splgt )