Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, January 22, 1915, Image 9

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    Nebraska
Staats- Anzecger und II set-old.
Gra dJst
Ein stimmen-ibid an
staff-Island.
Von Wilhelm Kaslmamu
« Dresden, 2. Dezember 1914· l
Jn den fünften Kriegsrnonat steil-·
ern wir nun hinein antun-at srohenj
Mutes, reinen Gewissens und mit vess
rechtigter« Zuversicht auf endlichen·
Sieg. Denn es steht gut unt das
deutsche Vaterland und seine heilige
Sache, überaus-) gut. Kein Feindi
aus deutschern Boden. Wie im Friedens
lonnte der Landmaan den hervstlichen
Ader bestellen. Handel und Industr
h.1ben sich rasch in die neue Lage g:
junnen. die Zahl Der Arbeitsloer
zoelase niemals sehr groß war, geht
sinke zuma. Die Vertreter der ital-es
nisaien Presse. welche Deutschland jetzt
tiereisenf staunen mit Recht iiver d-:
Betriebsanileit, welche sie uberall sin«
den, utser die Ruhe und Entschlossen
t:.-n, uber die vollige Einigleit des
deutschen Vglett lind besonders übdr
dessen L r a s t.
Die ungeheure Krastentwialung
der Deutschen ist diesen selbst eine
Offenbarung gewesen. Zwar suhlten
sie sich start und sie hatten das feste
Vertrauen in die glänzende Organisa
tson des- Heeres. Aber als die Kriegs
ecllarungen Schlag ans Schlag lamen,
ais sich den Massen, den üranzosen
den Englandern noch die Belgier und
sogar noch die Japs zugeseltten, da
ist es manche-n tauseren und ernster-.
txtatrioten doch etwas schwül geworden
un die Rippen nnd er hat sich die Fra
ge gestellt: Wird Deutschland leisten
gönnen, was in dieser Schicksalsstunde
vcn ihm verlangt wird? Namentlich
als die italienische Wolle sich immer
mehr zu verfinstern schien, als der
Stoß aus dem Hinterhalt drohte —
La war jene Frage nur zu sehr be
net-eige.
Dann aver iam eine ueoerraschung.
eine sreudige und hossnungsvollr. Es
stellte sich heraus, daß die Mann-r
aus den sog. unteren Volksschichten
nicht nur deshalb miigingen, weil sie
das mußten, sondern daß diese
Männer aus sich selbst heraus er
tannthatten,daß2eutschland
sie ries; daß sie die Notwendigkeit die
ses itarnpses verstanden. EI- zeigte
-ich, daß der geringe Mann in
« eutschknd aus einer weit höheren
Bildungsstuse steht als sein gleich
klassiger Kamerad iin Feinde-Stand
Ter deutsche Schulineister hat nich:
nur die Schlacht oei Königgriitz ge
tconnen Aber noch ein anderer
Echulmeister hat mitgewirkt. Die
deutsche Sozialdemokratie hat nicht
iiiir das gesteigert, was man, sehr
einseitig gedacht, die Begehrlichkeit desz
vierten Standes zu nennen heliedt.
stndern sie hat auch eine höchst schät
zenslverte Lehrtätigkeit entwickelt
Seit vielen Jahren war Deutschland
scei vons kliteraten, oder das Bedürf
nis, die Leserlunst zu betätigen, ist
erst seit etwa dreißig Jahren in jenes-i
Kreisen entwiclelt worden. Und rnii
dein Lesen tain das Nachdenken uno
besonders das politische Denken. Es
hat sich eine ungeheure Wandlung
vollzogen im Anschauuiigdtreise des
deutschen Arbeiters und des deutschen
Bauern. Beide sind weitsichtiger ge
:oorden. Sie haben erkannt, daß
ihre Interessen nur aus deni Boden
eines gesicherten Vaterlandes gedeihen
tönnen. Rein Deutscher ist in diesen
Krieg gezogen, ohne zu wissen, was aus
dem Spiel stand. Nur so ist diese
wundervolle Liebe zurn Vaterland-,
diese Pflichttreue aller Volksschichten
pii erklären. Und das erlebt und ers
lasse zu haben, ist ein Gewinn, t
Minanche Schreaen des Krieges
Irr-seht- ,
Die jungen Negintenter Deutsch
lands bestehen zum grössten Teile ou;
Kriegssreitoilligen sowie aus Rekru
ten des Johrgnngs 1914. Die Mede
-zahl der Leute wird 19——20 Jahre
«:lt sein· Ein Einschlog von älteren
Reservisten wird beigegeben, dann
auch eine Schar jiingsrer starker Bur
schen, Ireitoillige oon 17-—19 Jahren.
Auch einzelne ganze junge sind
dahei. Aus meiner Familie kämpft
einer, der noch nicht 16 Jahre zählt.
Er toak nicht zu halten. Die Eltern
Leisten, daß mon das Bürsehehen nicht
annehmen würde. Da er aber die
sehr anstrengende Ausbildung-zei
glllnzend bestanden hatte, so lonnte
er auch mit ein-rücken. —- Die ersten
dieser jungen Reicimenter tämpsten
in den Mordschlaehten in Flonderm
Direlt out den Cisenbohntvogen
gings on den Feind. Die helme mir
Laub geschmückt und mit dem Liede
,.Deutschlond iiher Alles« aus den Lip
pen, stiirrnten sie Dixmuidem eine
Stellung, utn welche woehenlnng ge
rungen worden wor, machten 2000
Geson ene und erovekten Kanonen
und oschinengetvehre. Dieser hel
dentnut hai sogar den Engländern
Ausdrücke der Bewunderung entloett.
—
Die Ausbildung weiterer Jungmanns
schaften hat große Fortschritte ge
macht Nicht nur sind alle Liicken',
welche der Krieg bereits gerissen hat
t-, wieder gefüllt worden, sondern
weitere neue Armeelorps werden ge
bildet und so rasch als es nur irgend
angeht an die Grenze geschickt. Wie
viele Korps das deutsche Heer seht
zählt wissen nur die betr. Behörden«
aber die Ziffer 75 wird wahrscheinlic
schon überschritten sein. Mobil sind
lxcnigstens vier Millionen Deutsche·
Taö ganze deutsche Volk stellt diese
ihrigen hell-ern der Industriearbeiter
nicht weniger, als der Bauern- und
«ij-’ittelstand und die höheren Schichten
der Gesellschaft. Vor den Kasernen
hisen stehen täglich Scharen von blu:
jungen Burschen welche trauern weil
man sie nicht annehme-l iann. Nach
den Berechnungen der Kölnischen Zei
mag kann Deutschland, wenn ex
Iein muß, noch die doppelte An
zahl der Soldaten hergeben, welche es
bis jetzt schon gestellt hat« zusammen
wohl acht Millionen Mann. Auch die
herben Verluste, welche schon zu be
tlagen sind, haben die Kriegssticnmung
nicht beeinflußt. Mir einer erschüt
ternd wittenden Selbstverständlichteic
geben die Eltern ihre Söhne her,
reißt sich der Mann von Weib und
Feind log. Von weit über See su
chen die Refervislen die Heimat zu
erreichen, trohdesn das nur au»i
Schleichmegen einzelnen gelingen
rann Weit über zehntausend dieser
warteten Männer schmachten in briti
schen Gefangenenlagern Als Eng
l« nd vor einigen Wochen erklären lief-,
daß Schiffe, welche nur fünfzig Re
seroisten brauchten, frei durchgelassen
werden sollten, da wurden diese Pliihe
sofort aus allen bereitstehensden Schif
ten belegt. Als diese Schiffe sich
Europas Küsten näherten, brachen die
Linglönder ihr Wort und taperten
auch jene Reservisten. Viele der leh
teren hatten im Auslande Vermögen
oder gute Stellungen im Stich ge
lassen. Welch benmnderungsioiirdiger
))eldenmut, welch edle Vaterlandsliebe
sieht man da.
Das Straßenbild der deutschen
Großftädte ist von dem früheren nur
wenig verschieden. jedenfalls muß
ritun lange suchen, bis sich Spur-n
iußergewöhnlichen Netstandes zeigen.
Weniger elegant ist die Straße ge
:r·-orden, der Kleiderprunt und der
Pariser Schnitt wird nur selten und
dann sehr wenig freundlich beniertt
Un den Krieg erinnern direkt nu:
die Verwundeten, denen der Ausgang
erstattet ist. Schiichtern wagen sich
auch die Theater wieder herver. Die
herrliche Dregdner Oper spielt zu
nächst nur Sonntags. Lohengrin,
Iannhäuser, Meistersinger und Frei
sihiisz werden gegeben. Die Anstäin
der und die Pensionstöchter, welche
sonst das Partett beherrschten, habe-i
den Berwundeten die Plätze geräum:
Selbstverständlich haben die Verwuu
deren freien Eintritt. Jkn Schauspiel
uaus wird täglich gespielt. Die dre:
knäniilichsten deutschenDichter Schiller,
Meist, Hebbel beherrschen den Spiel
rlan. Duzwischen fallen patriotische
thende mit Einattern, Rezitationen,
Liedern. Jn den großen Sälen treten
viele und sehr tüchtige Redner auf,
zuweist Universitätslehrer oder Män
ner wie Rohrbach« Traub, Nautnann,
inwie bedeutende Voltswirtschaftler.
Das Voll strömt zu diesen Vorträ
gen. Zum Schluß erhebt sich das
kznnze Haus und singt »Deutschlano,
Deutschland, iiber Alles«. Dies kerni
ge Arndtsche Lied, welches Deutsch
Lnnds hoffen und Verlangen du
schönsten Ausdruck verleiht, beherrsch:
ietzt alles. Die Wacht ani Rhein, das
70er Schlacht- und Kampflied, hört
man, entsprechend den anderen Zielen
tiefes Krieges-, nur selten. Viele Kir
.-.-t-.-«-..4 k---h-.- ----l.-— d----.
’-IsIsIIUIIoIssS IUIIUZI ULBIULII, l7sslle
Ertrag dek Nrieqsspmde zufließt D
icknt man endlich wieder viele lang-.
verborgen gebliebene deutsche Kunst
oetlen leimen, namentlich von Bach,
Beethoven, Brahms. Nichts beruhigt
die Nerven desset, als eine Beethoven
sche Symphonie user ein Seelenba
senlen in die töstlichen hatmonien de
Ilten Johann Sebastian. «
Der Krieg hat mit mancher Ge
schmacksdetirtung aufgetan-at Zu
nächst mit dem Auslande-tatst in der
Musik. Das brauchen die Deutschen
nicht. Sie sind ja die Musilmeistet
ret ganzen Welt, aus dem Gebiete der
echten, edlen und deeedelnden Music
Tiluch das häßliche pilante Wienek Ge
zwitschee will man nicht mehr. Und
der Opetettenschlamm ist völlig besei
tigt. Statt srivolet Musik kommt der
deutsche Klassitet «ue Geltung, dane
den als Bollstnu l das pattiotis e
deutsche Lied, sowie das alte hettli e
Volltlied und dee Militiiemarsch
Auchhedee Männerchoe seiett viele Tei
um
i Die Kirchen silllen si wieder. Der
deutsche Kanzeltednet t sich mehr
dem Zeitgeist angepaßt. Auch s einl
Thema ist jetzt Deutsch-and So(
mancher alte Heide (irn Goetheschew
Sinne) findet den Kirchweg wieder,
den er so lange gemieden. Aber das
orthodoxe Obertonsistortutn, welche--l
die Jatho und Traub u. s. w von
nen Kanzeln gewiet en hat« wird wenig
Freudean diesen »K-iegs«Christentuni
erleben. Es ist eine Vollschristlichteit
entstanden, die aus dem Ernste der
Zeit geboren wurde, eine religiöie
Stimmung, in welcher alle Betennt-·
nisse sich finden und in welcher auch
die im letzten Jahrzehnt so rasch an
zaewachsene Gemeinde der Menisten
!«i!;ren Platz gesunden hat. Ob diese
Stimmung den Krieg überdauern
wird, läßt sich noch nicht beurtei
leu.
s O I
Der alte Hindenburg ist jetzt fast so
soltstiimlich in Teutschlnd, wie er
sciner Zeit der alte Fritz in Preußen
aewesen ist. Beiläufig der alte Fritz.
irelcher über vier Millionen Men
lrhen gebot, hat sich sieben Jahre lang
siegreich gegen Gegner behauptet, wel
me über hundert Millionen Unterta
nen verfügien.
Neben hindenburg wächst nur noch
einer beständig in der Achtung und
in der Liebe der Deutschen. Und das
.Jt der K aiser Daß er nicht selbst
als erster Kriegsheld hervortreten will,
Daß er seinen Generalen alle Ehre una
allen Ruhm überlaßt, empfindet jeder
Deutsche mit Freuden Daß der Kai
ser bis zur legten Minute den Krieg
abzuwenden suchte, weiß je de r
Deutsche, auch jeder Sozialdemokrat,
und freudig wird dass bekannt. Mas
l:’o"rte nicht auf das alberne Gewäsch
der englischen u. anieritanischen Zei
tungen. Das deutsche Volk ist mit dem
Kaiser zufrieden und folgt ihm jle
turch dick und dünn. Darauf kommt
ed an, nicht darauf, ob der Kaiser der
ausländischen Presse gefällt. Wenn
hspeute Deutschland ein demolratischer
Ollllll chc Uclo clllcll Pkllsloclllcll zu
wählen hätte, so wiirde man Wil
helm Il. so gut wie einstimmig er
wählen. Denn er ist ein Ehrenmann,
ein bedeutender Kopf und, vcr allen
Dingen, et ist ein deutscher Patrioi
rom Scheitel bis zur Zehe. Aber
Deutschland ist tein demokratische
Staat und wird es auch in absehbarer
Zeit nicht werden. Kann es auch
isicht werden, denn es behält seine
Nachbarn. Daß Deutschland diesen
ungeheuren Krieg nur führen kann
unter der monarchischen Staatssorm
davon ist hier jedermann überzeugt.
auch der eingesleischteste Sozialdemo
trat, wenn es dieser auch nicht zu-«
neben will. Wo wären wir jeszt mit
der vielaeriihmten Mithi, selbst wer-n
wir das Schweizer Muster topieren
tönnten? Ganz sicher im Abgrunds-.
Eine Arbeitslosen - Statistik aus
Sachsen will ich .1nsiigen. Das Kö
nigreich Sachsen bildet neben dem
Rheinlande Deutschlands größtes ge
schlossenes Industriegebiet Ende Au
gust waren in Sachsen 143,099 Ar
beitslose. Mitte November war diese
Ziffer nach genauer Zähkung aus 69,
618 herabgesunken. Dieser Rückgang
spricht Bände! Es steht gut in
Deutschland auch in wirtschaftlicher
Beziehung Und es steht gut uns
Deutschlands Fahnen. Noch werden
deren Spitzen nicht vom vollen
Siegesglanz umstrahlt, aber das eine
ist schon gewiß: eine Niederlage ist
unmöglich.
Und in Amerika soll ein Um
schwung zugunsten Deutschlands ein
getreten sein! Soll mich sehr sreuen.
posse, daß es anhält. Aber ich finde
daß man dieser ganzen amerikanische
Stimmungssache viel mehr Bedeutun
reitegt, als ihr zuzubilligen ist. De
Frieden hängt davon nicht ab. Nia
im Geringsten. Zu einein Kongreis
frieden, nach Art des russisch-japa
schen, wird Deutschland nie seine ,n
stimniung geben.
—
Deutschswrilrrreicher.
Eine Stärkung des Volksbewnfitieins
eine Folge des Krieer
Ein steiriiches Regiment zog durch
die dichten, Jauchzende-n nnd singen
den Menschenmauern dem Bahnliofe
zu. Hundert Fahnen nnd Zähnchen
flatterten über den jubelnden Reinen
im Abendwind, Tücher winkt-Jn
Blumen, Kränze-, Mümen regneten
von den Fenstern auf die bekränzt-Du
Krieger-, dic die blaugranen Miit-en
in del Luft schwenkten; aus den
blauen Angen, die nnn vielleicht
kalt und fremd in-die ewige Leere
starrem leuchtete das fröhliche »Ve
wnßtieim stark nnd stolz und nn
befiegbar in des Lebens großen Tag
zuwandern Der Jubel der Zurück
bleibenden mischte sich mit dein
Jauchzen, Jodetn und Singen der
Aussiebenden zu einem einzigen Ve
ireiungsichrei, in dem die schmet
tetnden Klänge der Marschmusik
machtlos etstickten. Hätte nicht da
oder dort ein weinendes Weib am
Arm eines bärtigen Nesewisten ac
hangen, —- man wäre durch nicht-k
daran erinnert worden, daß diese
janrhzende Masse in den miinners
mordenden Weltlrieg ziehe. Der fest
liche Lärm verdichtete sich zn zinetn
einzigen Heilrnf beim Lilnriicken et
ner Kompagnie, an deren Spitze ein
älterer Oberlentnant, zweifellos ein
tlieserveossizien schritt. Tie von
Schmissen zersetzte Wange verriet
den ehemaligen Farbe-istndenten:
stornblumen zierten seine Feldmiitze
—- und unt die Brnit hatte der k. n.
i Linin das einst als: staats-ie
iiihrlich so sehr verdammte Schwarz
kliotifvold geschlungen Hinter dein
Dfiiiier aber schritt ein siännniqer
.."inginhrer mit einer miichtinen
Hschwat·.z-rot-aoldenen Fahne; goldene
Vettern alijnxten und blitzte-: im
Sonnenstrahl: ,,Dnrch Reinheit zur
Einheit« —- der Walilsernch Genick
Schöllekeks, dessen Anhalt-see zu sein
noch vor wenigen Jahren saft esse
eem Hochverrate aleichtam. Mancher
der vor zwei Jahrzehnten begeister
Iet« Student gewesen, mochte bei
diesem Anblicke an die vielen be
weaten Kommerse denken, die da
mals von der staatlichen Polizeiles
hörde ausgelöst worden,,mir, weil
ein Telegtannn des- ebenso gehas:-«
ten als veraötterten Eriveckeriz der
österreichischen alldentschen Betre
anng verlesen werden sollte! Jn der
Tat hätte noch vor einem halben
Jahre niemand In träumen gewagt,
dass von den Fenstern einer öster—
reichischen Kaserne —- wie das in
Stein-mark der Fall gewesen —
einst schwarz-rot-goldene Fahnen
flattern, daß österreichische Regt
nientir unter den Klängen deutscher
Nationallieder in den Krieg ziehen
würden.
Der grene Burgeruienter von
Marburg an der Dran versicherte
den ihm huldigenden Oisizieren
dieser Stadt mit vor Rührung zir
ternder Stimme, daß er stolz sei,
noch erlebt zu haben, nne t. k. Offi
zierc die »Warst am- Rhein« au
stimintets. Tempos-n mai-intan
Sie war lange ein staatsgeiiilsrli
cher Gesang gewesen, die stolze· ei
sentlirrende Schlachtliynine des
Siebzigerkriegezl Von zeluitanssgns
den alter nnd junger, wnchtiger nnd
zitterndeh zorniger nnd zagend-er
Stimmen gesungen, brauste sie aui
Is. August diese-:- Jalsres voin alt
elsrtvurdigen Hauptnlatz der Ztadi
Gras in den seierlichen Machtmitt
mel empor nnd alte Männer be
kannten nnt Tränen in den Augen«
daß sie es zu ihren schönsten Erleb
nissen ziil)lten, dieses Lied zum er
sten Male bei einer patriotischen
Kaisergeburthanssseier ertönen zu
hören: war e—:s doch an derselben
Stelle, wo vor siebzehn Jahren
deutsche-T Blut unter den Kugeln
österreichischer Soldaten geflossen,
als sich die ,,deutscheste Stadt
Oesterreichs« in ver.3tveifelteu Stra
ßenlnndgebnngen gegen die bittere
Ungerechtigkeit der alles Deutschtmu
zu erdrosseln bestimmten Bade-n
schen Sprache-nn-rordnungen welle
te. Auch damals tlang aus zehn
tausend Stimmen die »Macht ins-.
thein« iiber den Grazer Haupt
platz: aber eH klang Groll und Vit
terteit, Haß und tllerztveiflnng aus
dem Gesange, zitternder Schiner-,
darüber, das; der von deutscher
, straft erbaute Tonanstaat slavlscher
"lLillliir ausgeliefert werden sollt-,
irotziges Bekenntnis, bei der
schwarz - rot - goldenen Sturms-thue
ansznharren trotz llngnnit und Ver
folgung. Dai- Lied, das mit gleicher
Wucht und Jnnigkeit durch ganz
Deutsch - Oesterreich erbrauste, nat
Vadeni, den ,,eisernen Grasen-z
über Nacht l)iuweagesegt: nicht so
leicht steilich war das System weg
zusegen, das seit Tliun und Tantie,
bewußt oder unbewußt, den steten
Riickgang deutscher Geltung herbei
führte
mne dumme cumirsoeroroneis
lieit hatte sich des- österreichischen
Deutschtnms bemächtigt, eine Ver
bitterung und stumpfe (Stleichgiilti·g
seit, die die gänzliche Verfmnpfniig
des politischen Lebens zur Folge
il)atte. Da kam der Tag des Unsinn
"tums; jäh nnd unvorbereitet niiw
ein Blitz ans heiterem Himmel
Und mit einem Schlage war ans
dem Oeflerreich der Teilnahni-:«lo
sen, der Verbittisrtem an alle:.
Verzweifelnden ein Oefterreich der »
Jungen, Starken, Zukunftsgliiulii
gen geworden; die wuchtige, so qui-z
und gar ungemahnt männliche
Sprache hatte wahre Wunder ae
wirkt. Man fühlte, daß wieder Tage
der Tat und des Zielbewußtieins
angebrochen seien, daß die Zeit des
für den ganzen Staat typifch ge
wordenen wienerischeu ,,Weiter
wurstelns" vorüber fei, daß man
wieder stolz sein könne-, sich Oesters
reicher nennen zu dürfen·
Ju der Tat darf man sagen, das-,
dieses Gefühl der Befreiung, dass
wie-Ein großes Atemholen durch
den Staat ging, ein allgemeine-I
war, das; auch die nichtdeutschen
Völker sich der Größe des Augen
blick-s nicht zu entziehen vermochten,
dasz diejenigen ihrer Politiler, die
fiir den Fall eines deutschen Krieges
eine Ratastrophe prophezeit — und
vorbereitet hatten, nun Feldherren
ohne Heere blieben, geschlageue Grö
ßen, deren lauteste Wortsiihrer iui
sicheren Gewahrsaiu der österreichi
schen Gefängnisse umsonst vom jauch
zenden Lliistunu ihrer Befreier
triiiuuteu
Fiir das vielgeschuiiihte, überall
in seiner Entwicklung geheumite
deutsche Bottistniu der Osnnarks
aber war nun der große Tag ge-;
tonnueu. Die alte Hageutreue, die
1866 nicht versagte, als es gegen
die eigenes- Stannneoliriider zu
kämpfen geni, erwachte non neuem
—- auch, als nian noch nicht glaubte
daß der serbische Streitfall einen
Weltkrieg, einen i e u tsch e n Krieg
entzünden wiirde. Und als auch
diese letzte Folgerung politischer Lo
git stolze Gewißheit geworden war,
steigerte sich die warnte Begeisternng
zu jener fieberhasteu Erreguug, de
ren wohl nur das leichter eutziuids
liche Wesen des österreichischen deut
schen Volksstannnes unter dein Ein
drucke großer Ereignisse siihig wird.
Aus der letzten Aelplerkeusche, aus
der aruiseligsien Arbeiterwohuuug
sauchzte und jubelte das Bewusst
sein, daß e5 etwas Besonderer- heiße,
ein Deutscher zu sein, und dan es
in diesem Kriege uin eben diese-Z
Tentschsein gehe," unt die sprach-,
»die wir sprechen, unt die Lieder, die
»wir singen, inn die Arbeit, die wir
Ileifien
Und darin liegt, inoge sich der
Ausgang des Krieges nun so oder so
gestalten, seine große völtische Be
deutung für« die Deutschen Oefters
reichs. Volksbewußtseit nnd völli
sckser Stolz, Begriffe-, die bis heute
sür die große Jcasse nicht-:- anderes
als papierne Schlagtvorte bedeuten,
sind mit einem Male zu lebendigen,
als selbstverständlich entpsnndenen
Tatsachen geworden, die völlische Be
wegung, die bei allen schönen Erfol
geiz doch bis heute nur als- eine
Sache der gebildeten Schichten er
schien nnd allmählich zu deren Mu
nopol zu verknöchern drohte, ist nun
eine wahrhafte V a l t s beiuegnn
geworden, die auch nach dein striegL
nicht völlig wird versanden können.
Der Krieg wird vielmehr den öster
reichischen Deutschen deutlicher nnd
eindrintsvellety als es die eindring
lichste Predigt eines Schuhu-reing
redners vermöchte, belehrt haben,
sich nicht nur als Leiter-reichen son
dern vor allein alk- deutscher
Leiter-reicher zn siihlen. Die inter
nationalen Schlagniurte der haupt
lsächlich die Miasse beherrschende-in
iParteien sind iibee Nacht gebrochen«
ldie gesellsciiastliche Zerfliiftnng hat
»der sit«i.g iilierln«iiilt, die bedeutend-i
sten Hindernisse, die der Nationalisl
sictnng der Massen entgegenniii·tten,
sind iilierionnden, dei- tnrieg hat das-J
deutsche Volk iilieis Nacht nationalb
siert. Die österreichischen deutschen
Palitiler mußten geradezu erliiirnis
liche Stümper sein, wenn e ihnen
nicht gelingen sollte, dies- Ztinnnnng
enstuwerten nnd eine nein-, gesunde,
ncachtvolle dentschiiatiouale Bewe
gung von dauernder Gelt-nun ins ue
den zu ruseu. Aus die Zahl siechend
inusj es ihnen auch gelingen aus die
Regierung Eiuslusk zu uelnnen und
solch lnuksiisauliende Traugialieruii
gen des Deutschtuinss nnd vor allein
der örtlichen deutschen Liliiiderlseiteih
neie sie iu den letzten Jahren aus der
Tagesordnung waren, iiir alle Zu
kunft zu verhindern Die Regie
rung selbst atier wird sich der Er
tuiiitnis nicht zu entziehen vermögen,
mais dass Teutschtnui in diesen Zei
ten siir deu Staat bedeutete, wird
sich vor allem die Frage vor-legen
iniisseu, welcher nationaler Hei-trinkt
der iiberwältigende lsroszieil der
Hunderttausende von Freiwilligeu
ist, wie der Großtei der siir die
Zwecke der Kriegissiirsorge ausge
lsrachteu riesigen Geldsuinuien Frei
lich wird sie dem Trucke gegnerischer
Ströinungen nur dann standzuhalteu
vermögen, wenn sie sich aus eine
wirklich niachtvolle deutsche Volkspa
litik zu stützen vermag.
Ein drittes sür Deutschöfierreich
wertvolles Ergebnis des Kriege-?
aber erwartet man von- Deutschen
Reiche. Nach den heute vorhandenen
Tatsachen braucht iuan es- freilich
wohl kaum mehr zu erwarten, sun
deru darf es bereits begrüßen: die
Erkenntnis iiiiintich, wie wert-Juli
ein starkes Oesterreich siir die Zu
kunft des Deutschen Reiches et
scheint, wie notwendig es aber auch
ist, daß in diesem Oesterkeich das
hodenständige deutsche Volk Gel
tung und Einfluß bewahrt und, wo
es diese verloren, wiedergewinnt.
Lange genug hat man im Deutschen
Reiche vergessen, das; im benach
barten Donatistaate zehn Millionen
Deutsche anrls für allgenieindeutsclse
Ziele zu kämper und leiden
haben. Dieser Kampf des österreiilyäs
schen Deutschtums tobie lange. elie
man von einein Weltkrteg zu trän
nien wagte, er wird auch nach die
sem noch lange nicht zn Ende sein.
Die deutschen Schuhen-eine Bester
reichs werden antis nach dein strieae
große Aufgaben zn erfüllen habet-.
Oh sie dies-· ohne Unterstützung von
ansnsn zn crfiillen imstande sein
werden, ist niehr alsJ fraglich Wie
weit dass gesamte deutsche Wolfin
dieser Unterstützung berufen sein
wird, wird sich freilich erst nach dein
Kriege eingehend erörtern lafsetL
fraszöslsaie »kleine«-.
—
.Lllei-·1ewaltlisnng deutscher Sancta-»He
) niannsehafien.
; Es teurde vor einiger Zeit gemel
.det, dasz eine Anzahl von Aerzten,
sttranlevpslegerinnen und Sanitätsa
smannschasten aus deutschen Feldlazm
»retten, die den Franzosen in die
Hunde fielen, unter alten möglichen
l
l
l
f
falschen Anschnleigungen zurünvehalx
ten und vor ein Kriegsgerieht gestellt
werden seien, das sie wegen angeblich
vegangener Plünderungen und Ge
walttaten und Vernachlässigung von
Verwundeten zu schweren Gefängnis
strafen verurteilte.
EH diirfte sich empfehlen, auch ge
genüber dieser Vergeroaltigung deut
scher Sanitätsmannschaften durch
Frankreich entsprechende Vergeltung
zu üben. Denn das Verhalten der.
Franzosen im Kampfe läßt starle Be
denken darüber aufkommen, ob rnan
sie wirklich auf eine so hohe Kultur
stuse stellen darf, wie sie es selbst
gerne beanspruchen möchten. Ver
wundete Franzosen haben immer wie
der nnf Teutschz geschossen und selbst
auf solche, die ihnen Hilfe zu bringen
versuchten, ja sogar aus Aerzte und
Kranlemriiger. Dich dok- wäre viel
leicht noch nicht das Schlimmste, nmn
könnte darin den Fanatismus einzel
ner erblicken, obwohl diese Fälle sich
außerordentlich gehäuft haben. Eine
higher in der Kriegfiihrung soge
nannter Kulturstanten unerhörte Bat-.
barei haben aber die Franzosen in
diesem Kriege eingeführt, indem sie
es nicht zulassen, daß nach einem
FGefechte daH Kanipffeld zwischen den
deutschen nnd französischen Schützen
griiben nach Verwundeten nbgesnclst
wird, selbst dann nicht, toenn es sich
nur um Verionndete Aus ihren eige
nen llieihen handelt. Sie lassen die
Vertvnndetcn lieber ans dem Schlacht
felde an ihren Wunden und an Hun
ger elend zugrunde gehen, als daß sie
ihre Bergung durch eine vorüberge
hcnde Waffenrnhe ermöglichen- Je
der, der diesen Armen Hilfe bringen
will, wird von den französischen
Schiiszengräben ans niedergeschossere.
Auch bei Sanitätsmannschaften nnd
Ilerzten gegenüber wird hier kein Un
terschied gemacht.
Wenn man diese Tatsachen un
parteiisch beurteilt, so kann Inan wohl
hkeinen Augenblick im Zweifel darüber
sein, wo in Wahrheit die Barbaren
zu suchen sind, auf deutscher Seite.
von der aus eine steinerne Kathedrale
mit einigen Granaten beschossen
wurde, weil sie den Franzofen als
Deckung für ihre schweren Geschütze
und alH Beobachtung-sonsten diente,
oder auf französischer Seite, wo man
ohne ersichtlichen Grund, aus purer
Grausamkeit, Verwundete in der elen
desten Weise umkommen läßt. Und
nun noch einen Beleg dafür, roo die
wahren Barbaren zu suchen sind. Bei
den stampfen in Lothringen hatten
ungefähr 150 Franzosen die Wafer
gestreclt. Als sie eben von- den Deut
schen umzingelt wurden, um ihnen
die Waffen abzunehmen, fiel aus den
Reihen der Gefangenen ein Schuß
md ein deutscher Masor stürzte tod
lich getroffen zu Boden. Die sofort
angestellte Untersuchung, wer von ren
Franzosen den Schuß abgegeben habe,
fiihrte zu leinem Ergebnis. und die
Deutschen schickten sich schon an. noch
Kriegsercht sämtliche französischen Ge
sangene zu füsilieren, als der befeh
ligende Offizier dein Einhalt gebot.
weil er es nicht übers Herz bringen
konne, 150 Me«s·.i)enle«ben wegen ei
nes Schurken zu opfern. Dieser Fall
zeigt wohl am besten, was man vom
deutschen Barbarentum zu halten hat.