Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, December 25, 1914, Image 11

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    sei-indess
Skisise von S- u. Kaiinfsit
» sit der junge Jngenieiie Norbeei
deiden seinerseii veriovi mit Paris
zurückkehrte, da hatte dieses Ereignis
erfi große Beiiiiesiing iin elieriichen
partie hervorgeriiseii. Eine rang-)
iini Wie wurde sich da- nn deut
sckser weniiiieiiese verirageni Die
Kameraden hatten beiden iiiiiselnd ge
pishu »Sie find ja ein Baieriiinus
eirriiieri —- So ganz ivoiien Sie zii
unserm Crbfeinve Umgehen-P Arius
ernste Wurme iieiiien sieh ein« vie
freundschaftlich auf aue erdeniiichen
echwierigieiien hinwiesen, vie eine
ioiase Ehe nach sias ziehen iiinnr. Er
lachte iie aue sorglos iius und ver
iusekte iinsiier wieder, sur ihn give
ee iiiir ein Ziel, und das innre« Linie
dreiviiriieiir sehr viiid zu seiner uriiii
zi« machen. Da praiiie sei-er gin
iriits av, geradeso giii yaiie innn ver
ixichen ionneii, niii einein Quiiiiiiiviiu
eine steinerne Mauer ssii erschiiiiein
Linie gniien aiie Hioeisei gegen die
eiesschniiitzem oerheisziingsoouen Au
gen der tieiiien Franz-inn.
Norvect Heiden ioiic io glücklich,
fiuie man ei even mit sechsundzwanzig
gsayren ins gesuiioer komisch in guier
vieuiiiig uni) ver Anzsiasi auf eine
Uievesyeiriii seiii kann. Musi, das wiir
sei-on zeisn Jahre yet, iiiid in dieser
Heiispiiiiiie isaiie et niiiiiiiienei Cin
iiiiiscyiingen erlebt, die seinen Ase
isimniei osi sehr oerdiinteiien.
Aue verschiedenen Qriiriven hatte
sich Heiden, der ganz in Paris leoie,
rxaturalisieren lassen. Enoeiraaneie
Lesen Schritt ieviglich ais augere
ssoriniacyr. Seine uiiern nnd we
suiwisier waren uiii so veitosfeiiet,
ais iie diese Entscheidung harten.
Deine jüngste Schwester, vie zweis
icstzrige Hilpe, weinte drei Lage lang
niii-groszer’Diiigei-ung, dann aber
oannie sie ihren numiiier in ein we
dichi, vne sie sehr schen sand, und
isae aliv ansing:
Mein Bruder ist tein Deutscher mehr,
O Schande, riesengroß! ’
Mein Brut-ei iviirs sein Deutschtuni
MU
Ee ist jetzt ein Franzos-l
Dieser poeii e Ecgusz hatte unend
tich uiel Verse lind blieb die einzige
sieundliche Seite, die man der Milch
iichl -abgewnnn.
Und die Jahre rann-n! —- Robert
Heiden war Pater bon zwei reizen
din ninderm Der Junge ioae sein
Ebenbild, btond und blaiiaugig, das
Madel duntel und zierlich wie die
Iiiuttein . Einmal hatte es der Rin
dee wegen einen bdsen Austritt gege
ben, das war, als Ytbrbeetheibeii die
Entdeckung machte, das seiiie Frau
die Kinder — schminlle. Da sutir
ei mit einein trastigen« deutschen
Tonne-weiter dazwischen und beraai
seh-solche tacherliche Iciheilem Ver
ständnis-los sah Lueie ihn an; was
iobte ee denn nur so haßlich, die
Schininten der Kinder war doch eine
sehr beliebte Pariser Mode. Nor
bitt Heiden mußie an seine Mutter
denken, was sie wohl dazu gesagt
hätte, wenn man ihr den Vorschlag
gemacht hätte, ihre Speößlinge zu
schmintem So gab es häusig tleine
steibereiem und Deutsch und Franzo
sisch stießen asi hart aneiniuder.
Einmal in jeder Woche ging Heiden
in seinen deutschen Klub· Da gab
te deutsche Männer, deutsches Wesen
End deutsches Bier! Und einen ge
miitlichen Stat gab es noch obendrein.
Das war denn allemal ioie ein Stiicts
chen heimat, und der Jngenieur steu
te sich aiis den Mut-abend wie aus
einen Feiertag.
Soeben tain er von dort. Die
Stunden der jüngsten Beigangenheii
zitterten start in ihm nach. Eis-war
im Klub ein Gerücht duechgefickett,
das ihm heiß zum setzen drang.
Einer halte die Möglichkeit ausge
sprochen, daß es zwischen»Deutsch
iiinb und Feantreich zum Krieg tonl
isien tönnr. Nach der Greueltai von
Satqjewo konnte man aiis alles sie-»
faßt sein.
Als er später als sonst nach hause
kam, traf er Lucie in dcr denkbar
schlechtesten Laune, und sa kam es
auch, daß sie uin einer Kleinigkeit
willen sich böse Worte gaben. Lucie
weinte hestig und machte ihin Var-i
miirse, er vernachlässige sie, und war-»
um er sie denn überhaupt gehciratet
habe, und es wäre vielleicht überhaupt
besser, sie würden sich trennen, er spitzt
doch nur zu seinen geliebten Deutschen
zurückkehren
Nun sasz beiden allein an seinem
Echteibtisch Er hatte die Schublade
rusgezogen und starrte wie gebannt
stus eine lleine dunkelgrüne Zigareti
ienschachteh aus der in Galdbuchstaben
zu lesen war: »Ulanenregiment X,«
-— Sein Regimentl
Es war, als ab aus der Zigaret
tenschachtet alle die tutigen deutschen
Kameraden herausgetiegen kämen,
mit denen er sein Jahr abgedienl. Da
rvar der schlanle Schlagen der im
mer so herzexsrischend geschiinpst hat
te, das Andbach so weit von Mün
chen ab läge, dann der kleine Ribs
bel, der so wundervall Napoleon
irnitieren kannte. Nur durfte man
ihn nicht allzu lange in der bekannten
Pose stehen lassen, sonst verpfuschte
e- den ganzen Eindrua durch ein La
chen, das tvie das Wlehern eleg- Pfer
UI klang-«
I im its-schen- ietse tioek sie un
sche nbare Schachtel, es war. als ob
ri seine Jugend liebtosr. Wenn der
Krieg wirtlich ausbre en solltet Was
wurde denn da« aus i mi Sollte er
vielleicht gegen seine deutschen Brit
drr tämpseni Er sah Thingenj klei
n-, kugelrunde Augen aus sich gerich
tet: »Du bist wohl verrückt, hei
oenW bis te er ihn förmlich sagen.
Es sror khn innerll . Wel ein
swiespaltl Lust! Lu t! Er rß die
Fenster aus« aber oon außen konnte
ilxtn die Ruhe nicht kommen. Schwer
tiesz er sich in einen Sessel fallen. Die
Gedanlen jagten sich in ieinein Kapse.
citat soxten hier tleinli e Bedenkent
sWal galt ihm jetzt die iebe zu sei
ner Frau, zu den Kindern? Wie konn
ten die diirren Pflanzen standhalten
gegen den neuen Sturm, der in ihm
tobte. Das Vaterland ries —- wer
zögert das Wer setzt da nicht steu
dig Blut und Leben ein. —- Jch lam
iiie, ich komme! Lieb Vaterland —
lieb Baherland —- euch gehöre ich ja
doch mit ganzer Seele. Daß er sich
hatte naturalisieren lassen, war zwar
gerade seht sehr satal, aber ein Hinder
nio würde das sicher nicht sein, und
ssian würde den Deutschen- von Ge
burt gewisz freudig ausnehmen. Er
mußte nur sosort an sein Reginirni
schreiben und sich da die nötigen An
n«risungen holen, wie er sich zu ver
halten habe.
Wenn er sich als Ilieger meldete?
Ob er dem Vaterland ba nicht am
besten dienlich sein konntet Welch
Glück, dasz er sich in den letzten Jah
ren so ausschließlich mit Jlugzeugen
beschastigt hatte. Sein Apparat war
non ersten Fliegern anertannt, und
er selbst fühlte sich eins mit seinem
Flugzeugr. Die ganze Nacht arbei
tete er sieberhast. Er schrieb Briefe,
Hechte sich notwendige Papiere zu
sammen, ordnete alle-; wenn er solt
mußte, und es konnte ja sehr bald
sein, dann inuszte seine Rechnung
Jziiiimein Seine Frau und die Kin
ter wurde er ruhig in Paris lassen.
Sie waren bei den sehr vermögenden
Eltern Lucies am besten aufgehoben.
Wenn der itrirg zu Ende war, dann
gnollte er seine Familie nach Deutsch
liind holen. Er begriss es aus ein
inal nicht« rvie er« eo so lange in
Frankreich hatte aushalten können.
Nun suhr heiden täglich nach As
iiiisre, wo er seinen Schuppen mit
den Flugzeugen hatte. Man tannte
den Jngenieur seit Jahren, und tein
Mensch hegte gegen ihn den geringsten
Verdacht. Er tonnie ganz ungestört
seine Fluge ausführen. Er versuchte
sich in den waghaliigsten Manipulatio
nen, er slog bei ungünstigem Wet
ter, er slog bei trüber Witterung Ja,
er würde dein Vaterland dienen ton
snenl Die Gewißheit machte ihn bei
nah tolltuhm
Nach einiger Zeit erhielt er einen
Brief oon Rittmeifler Wandel mit
folgendem Inhalt
«Lieber Vetdeni Es wiire natür
lich das Dummste, was ich tun tönns
ie, wenn ich Jhnen Vortourse machen
wollte, die Sie sich höchsttvahrschein
iich selbst machen. Jch frage mich
aber doch immer wieder, warum
mußte gerade dei gute Heiden nach
Paris heiraten und sich auch gar
noch naturalisteren lasten! Nun
möchten Sie wieder in Jor altes lite
gitnentl Ja, lieber Freund, das geht
nicht so Date über Kopf. Sie mitt
sen vor allen Dingen erst wieder
Deutscher werden. und so im hand
utndrehen wird das nicht zu bewert
stelligen sein. heute ist auch die po
litische Lage, wie Sie ja aus den
Zeitungen wissen, sehr brenzlich, und
tsa fürchte ich, ist man autzerst vor
nchtig, wenn es sich darum handelt,
einen Auslander ins deutsche Heer
auszunehmen Jch persönlich couroe
Eissa tnti offenen Armen empfan
gen, aber das tanii Ihnen naturlich
i«.enig nutzen. Sie erhalten zu gleicher
seit die otsizielle Mitteilung des Ute
gttnents, das Ihr Getuch abgelehnt
:.erden mußte.
Enipsehlen Sie mich Jhrer Frau
iileinahlin und seien Sie selbst
·:eundschastlich gegrnßt von Jheent
Wai)del."
Heiden war durch diese Nachricht
Einfach,
ganz niedergeschmetteri.
der Mögltchleit beraubt, seine LiebeT
zum Vaterland gii beweisen
sie tannten ihn tchlecht, er wiirde es
zeigen, daß er doch irn Ernstsall et
naa zu leisten imstande war, daß er
nur an sein Vaterland dachtet
Und nun war aus einmal die uner
trägliche Spannung gelöst, die iiber
Europa gelastet. Deutschland hatte
Frankreich den Krieg erttartl sent
galt est beiden war in einem zu
nand äußerster Erregung. Endiich
war die Stunde da, siir die er gereist
war, die Stunde, in der er nötig war,
er, der sein Leden einsehen durste
sur eine große Sache. Deutschland,
Deutschland über alles!
«- - -
Aber ;
Jn Paris bei-errichte eine seltsame
Stimmung die Bevölkerung. Ach,
jest in Berlin sein -—· eins sein mit
all den Brüdern. Und er, er war ein
Ausgestoszener, war kein Deutscher!
Aber er würde beweisen, wie deutsch
ee innerlich geblieben.
An einem wundervollen August
motgen stie er mit seinem Ilugzeug,
seinem Fal en, tvie er den Apparat
immer genannt hatte, auf. Seine
Nerven waren ganz ruhig, ein eiser
ner Wille zwang sie sum Gehorsaan
Eben ging die Sonne auf. »Mit dir
Sonnel Das ist ein gutes sei
chen«, jubelte Heiden ihr zu. »Sage
;r«;n bist du von ewig her, und wir
s-— wir Deutschen werden auch alsz
Sieger aus diesem Kampf hervorge-«
den-« .
Noch nie hatte er sieh so eins mit’
Lseinetn Apparat gefühlt wie heute,!
ed war einfach, als ob er selbst Fliisi
gel hätte. Es schien ihm, als stecke
fein Blut in den Adern —- hart und
eisig. Ruhig führten die hände die
Hebel, —- grisfen fester zu als sonst.
fester als nötig. Wie dicke Striinge
traten die Sehnen durch die Dant.
tfr blickte hinab, folgte Flußlauf und
Wald und wußte, daß sein Auge nie
so scharf gewesen wie heute, er fühlte
den eigenen Blick wie etwas Frem
oes, Mächtigeg —·— gretfend, bohrend,
cuesserscharf die brauenden Walten
rriassen zuschneiden. Seine Gedan
ten huschten flüchtig zurück, und die
Jahre, die er in Frankreich gelebt,
schrumpften in seiner Erinnerung zu
sirnrnen zu wenigen Tagen, —- als
wäre es nur eine Rei e ins fremde
Land gewesen, eine lästige Reise, und
nun ries es ihn selbstverständlich zu
rück.
»Zurück! Zurückl« Drunien dort
tief, tief unter sich sah er die fremde
Welt, der er entfloh — und aus
:t,-ren ini Sonnenschein blendendem
qtoutveißen Landstraaßen krochen —
mupenglechi —- lange, lange Züge —
’·«tenschen-nassen, der Heerwurnn der
sich gegen Deutschland wälzte, —- es
zu verschlingen. Daß gegen die da
unten und brennendes Heimweh ris
sen an seinem Herzen. Er mußte
zu den Seinen, —- in ihren Reihen
tssmpfen und siegen, und er wußte,
sie würden ihn aufnehmen, sie muß
ten alle Bedenlen sterben lassen.
Schnell, nur-schnell —- und der
,,Falle« brauste durch die Lüfte —
alemraubend.
: eireichtnt
Noch immer schwebte er uoer
zrantreichs Erde, —- fiieg bald hö
l,er, bald glitt er ein Stück herab,
so daß er dem heerwurin auf blen
dender Straße deutlich nahe tain und
sie ihm zuwinkten. die dort unten,
die Feinde, weil sie ihn fiii einen der
zhren hielten.
Zuriiet nach Deutschland! Stun
den und Stunden brauste der »ziilte«
durch die Wolken nnd lachenden Son
nenschein, und sein Wille hielt das
steuer in eifensesier ticherei Hand
Bei dein Gedanken, diisz bald — bald
die Grenze nicht mehr fern sein tonns
ie, —- fein Land, die Seinen, wollte
ihn die Ruhe verlassen, aber er zwang
sie zurück Gerade jetzt, gerade setzt
mußte sie ihn retten. Seine Linie
tasiete nach dein deschioerten Bund-eh
das er hinabschleudern wollte. Es
enthielt die Bitte, ihn landen zu las
sen, seine Absicht in turzen Worten,
seinen Namen, seine Papiere und Le
gitiniatioiiem
Mart, die erste Kugel! »Steige,
riein Falte, steige, daß sie dich nicht
Das war noch ein Gruß
aus Frankreich, aus Feindesland,
das hieß: Wir niißtrauen dir dort
odent Mach Muth »Ich lache
uber euch! Steige, mein Falte, mit
lester Kraft! Nur jetzt noch halte
dich — eine Stunde nur —- eine tuize
Stunde — die lehte vor Deutschland!
Deutschlandl«
Und der Falte hält aus und trägt
seinen herrn hoch über Wolken der
Heimat zu.
Surr, tlack, tlaett
gelns
Deutsche Ku
»Ihr müßt deutsche Kugeln:
sein! Herrgott — nur noch wenige
Minuten, —- nur einen Piatz zum
Landen!« Klacti ,,Scisirsst nicht, Bru
der —- aber freilich, ihr tonni ja
isicht wissen. . . jetzi, — g:cich, —
dorihin, aus freien Platz ioers ich
euch mein Zeichen hin!
. . . ihr ziett besser als die da dru
ben, —- ader mich, Bruder, trifft, eure
Lugel nicht! Meige, Falte, Iteigei
Du fteigsi nicht? Du iviil nichts »Du
kannst nichii Warte, ich helfe dir
nach· . . ruhig, nur ruhig!«
Ein Grausen steigt Zitorbert Heiden
ran den Knien auf und umstriat sei
nen Körper, «— er sühli, daß sein
Fahrzeug, seiii «Falte« die letzten
tirafie tin-gegeben, sich unaufhaltsam
senkt, unsicher, fchwankeno, ausset
ziiid. . . bald. . . gleich . . . wird er
cie Schuß-inne erreicht haben. Ob
die Freunde drunten es nicht seh-ti,
saß er landen muß, daß sein Flug
z-ug schwantti Od sie es nicht horen,
wie der Motor leucht und ausseszii
tzr macht die Linie frei und winkt.
ciiit deiii weißen Tuch. Oh sie es
nicht sehen? Er wintt und winti.
Lsa ist Rettung —- ein offenes Feld
.— dort, dort will er hin-id, —- un
bekümmert uni alle Geschoser Zum
Landen reicht wohl noch die Kraft
feines ftotzen «Falten«, zum Landen
cchießt nichi -
(
LtkhciMZ
Und eine rasende Freude bemächtigt
sich seiner, daß er ver surrenden,
pfeifenven Kugeln nicht achtet. Und
er wendet sich und gibt ven- Matt-r
Ruhe. Satt. . . surr. . . War das
nicht ein Schlag gegen die Beustt
Ein Schlag«gegen den Kopr Er
iäthlt, wie det »Falle« ruhig abwärts
gleitet, —- wundetbat ruhig --— und
ein Schießen mehr. . .totenstill alles
. . .gleich ift er bei ihnen. . . Jhn
ikhwindelt vor Glück. . .oder, was. . .
trat? Und er beugt sich vor Und
toeiter vor. . . und der Boden scheint
ihm ganz nahe, ganz nase. Er will
Ihn fsatni i ·
»Den has-I sagt der Unterossiscer.
«Kopssrt;uß, Brußschußi Verfluchter
Spion! Soll nur allen so gehen! Und
stürzte sich der Kerl noch topstegel
ain der Arche.«
Und ein paar Soldaten hoben ihn
auf, voll Verachtung — und tru
gen den toten Spion in einen Schup
pen. Ader als der Oberst die Ta
sche durchsucht, die man bei ihm ge
funden, und —- dann das Bändel
abgeliefert wurde, das der Fkieger
abgeworfen und dessen man nicht
Feuchten —- erhieit altes km anderes
Gesicht. Und keiner sagte mehr
»Spion«. »Amt« Ker1'«. sagten die
nameraaden, und in die Augen der
’:iiauhesten stahlen sich Tränen süber
den Tod des Wackeren, ver ihnen ein
treuer Kamerad, hatte sein wollen«
d.n die Liebe zu Deutschland heimge
trieben hatte. Mit soldatischen Eh
ren wird er bestattet, und brave beut
sckse Kriegsmanner schossen über sein
.Grab. . .
Israukeupsher pries-rui- Messen-.
Daß Friedrich Nietzsche, der viel
genannte Philosoph vesien Geburts
tag am jüngsten id. Ottbrer zum 70.
Male wiedertehrte, am ttriege von
1870 als freiwilliger zerasiieiipsleger
teilgeiiontmen hat, wird nicht jeder
mann bekannt sein. Es sei hier auf
einen Brief des Philosophen hingewie
sen, den er hierüber an seinen zjieund
d. Gersdorf schrieb und den wir im
wesentlichen hier anführen:
j »Ich hatte sechs Schweioeiwundete
idrei Tage nnd drei Nächte zu pfle
!gen, mein Freund Moseiigei tein
hamburger Maler, mit dein Nietzsche
sich zusammen in der Erlaiiger Uni
versitätsttinit als Krantenpfiegek hat
ste ausbilden lafferi und nun von
sFrantreich aus Verwundcte in die
Heimat geleitete) deren funs Un
ssere Güterwageii mußten fest geschlos
sen sein, damit die Kraiiien nicht
durchnäßt wurden. Der Dunstkreis
solcher Wagen war fürchterlich, dazu
shatten meine Leute teils die Ruhr,
steils die Diphterie, kuri, ich hatte
unglaublich zu tun nnd verband our
smittags und abends drei Stunden
ilaiig. Des Nachts konnte ich auch
Jnicht schlafen wegen der verschiedenen
menschlichen Bedürfnisse der Leide-(
den. Als ich nun meinen Kranken
transport abgeliefert hatte, wurde ich
selbst schwer trantz sehr gefährliche
Brechruhr und Rachendiphterie stellten
sich ein. Mit Mühe kam ich bis
Erlangen, dort blieb ich liegen. Mo
sengel besaß die Aufopferung, mich
hier zu pflegen, und das war nichts
Kleines bei dem heimtiictischen Cha
ratter jener Uebel. Nachdem man meh
rere Tage mit Opium uiid Tanintlys
stieren und höllensteiieinixturen mei
nem Leibe arg zugesetzt hatte, war die
ärgste Gefahr beseitigt. Nach einer
Woche tonnte ich nach Raumbiirg ab
reisen, bin aber noch jetzt nicht völlig
gesund. Dazu hatte sich die Atmo
sphäre jener Erlebnisse wie ein
Dunstkreis diisterer Nebel um mich
gebreitet; eine zeitlang hörte ich nur
einen nicht endenwollenden Klagelaut.
Meinen Entschluß, wieder aus den
Kriegsschauplatz zu gehen, mußte ich
nun wohl oder übel ausgeben Jetzt
muß ich mich damit begnügen, von der
Ferne mitzuerleben und mitzuleidenC
missen-stummen im mer
Zeu.
Ganz anderer Mittel als heute,
wo die Gefchosse der modernen Be
lagerungögefchiitze den Widerstand
auch der dicksten und festesten Ba
ftionen ohne weiteres überwinden,
mußten sich in früheren Zeiten, als
ihnen noch keine Geschütze zur Ver
fügung standen, die Angreifer be
dienen, um zum Ziele zu gelangen.
Zur Eroberung von Burgen und
festen Städten verwandte man die
schon fett dem Altertum bekannten
Sturmböcke und Widder, mit denen
die Mauern eingejtoßen wurden.
Auch Brandt-feile und Steine wur
den in die Stadt hineingeschleudert,
um sie anzuziinoen oder sie zu zer
stdrem Wo die Maßnahmen nicht
den gewünschten Erfolg erzielten,
griff man bisweilen zu ganz gro
tesken Aushilfem So erzwangen die
Führer der Berner und Straßbur
ger im Jahre 1332 die Uebergabe
der belagerteu Burg Zchwanau da
durch, daß sie aus statapulten mit
Unrat gefüllte Tonnen in die
Burg lvarfen, die dort bei der beste
henden Hitze ein sol.t)eo Miasma
verbreiteten, daß die Befatzung la
piiulieren mußte. Kliiger waren die
in der Burg Kaklstein i. J. 1422
Eingeschlossenen. Als Belagerer zur
Erzwingung der liebergabe ihnen
ebenfalls Unrattonnen — und zwari
fallen es 1800 gewesen sein — tiber
die Mauer warfen, deginsizierten sie
diese mit ungelöschtem Kalt und
machten damit die Absichten der
Feinde zunichte.
—- Nichi tauchen. »Ich las
soeben in dem Bericht eines Eilen
bahnungliicks, daß die Passagiere des
Raucherwogens alle mehr oder we
rsiger verletzt wurden, während die
übrigen Passagiere ohne Verletzung
davontamen«, sagte der alie Herr
Pannewitz.
»Gehst Du«, rief Frau Panawiß,
»das ist wieder eine Warnung, nicht
so viel Zigarren zu rauchen.«
« Uns Opfer-.
Stizze von s. Gaben
, Heriha und Gabriele von Sassen
;standen im Wahn-immer der Mutter
Ium Abschied zu nehmen; sie sollten
Iin einigen Stunden mit einer Anzahl
landerer Pslegeriunen nach Anmer
Ipen abreisen. Der alten Gräsin war
ldaö Herz zum Brechen schwer.
Schlont und straff ragte die Ge
stalt der älteren Schwester vor der
Mutter auf. Das blasse Gesicht hielt
den Ausdruck milder Gitte, den man
immer daraus zu sehen gewohnt war,
auch jetzt noch fest. »Gottlov!·« dachte
die Mutter. »Gottlod, daß sich Her
tha die Sache mit Armin von Vollern
nicht so zu Herzen nimmt. Sie
scheint leicht darüber hinwegzulow
men«. Von dieser Tochter wurde der
Mutter die Trennung nicht allzu
tchwer. Sie hatten einander immer
tiihl gegenübergestanden, mit einem
leisen, enttäuschten Gefühl innerli
chen Fremdsein5, das selost m den
traulichsten Stunden toie ein Wall
zwischen ihnen stand. Mit Gabriele,
der Jüngeren, war es ganz ander5.
Die hatte sich der Mutter immer
rückhaltlos gegeben, hatte die alte
Gräsin jede Schningung der erblü
henden Seele miterleben lassen. Um
zwei Jahre jünger als Hertha, an
mutig und holdselig, von bezaubern
der Frische und Natürlichteit toar
ste, und teine Falte in ihrem Herzen
war da, in die das Mutterauge nicht
hatte blicken können. Heil dem Kran
ken, an dessen Bett dietes süße, holde
Wunder blühend-er Jugend trat!
Jhr Anblick allein mußte wie ein
Heilmittel wirken.
Gabriele neigte sich mit sieberisch
glänzenden Augen und glühenden
Wangen über die alte Frau. »Laß
doch das Weinen sein, Mutter. Ich
hätte doch keine Ruhe mehr zu Haufe
gehabt, fo sehr ich Dich auch liebe.
Uns passiert ja nichts. Das ift doch
nicht fo, als wenn eine Mutter Söh
ne ins Feld ziehen lajsen muß. Wie
Frau von Hauern zum Beispiel, die
nun ihren Einzigen wohl nie wieder
sehen wird..··«
herthas schmales Antlitz wurde
noch ucn einen Schein blasser, aber
ihre Stimme klang fest und freund
lich, als fie sagte: »Ich habe Frau
von Hollern heute vormittag besucht·
Sie hat Nachricht vom jungen Re
witz erhalten, daß Armin trotz seiner
schweren Wunden noch am Leben. sei.
Sie würde am liebsten sofort an das
Schmerzensiager ihres Sohnes eilen,
wenn nicht ihre Tochter seit gestern
bedenllich erkrankt wäre. Es ist ihr
bis jetzt nicht gelungen, eine geeignete
Pflegerin für sie zu finden."
Die Augen der Gräfin wandten
sich Gabriele zu. Ein leiser Schim
mer der Hoffnung ftand darin.
«Gabi —- wenn Du das auslach
men wollteftl Dann hätte ich Dich
wenigstens hier!«
Gabriele schüttelte den Kopf. »Das
geht unmöglich, liebe Mutter. Es
sähe doch aus wie Feigheit, wenn
man von der Rriegghilfe zurücktreten
wollte. Privatpflege ift ja ein stin
derspiel dagegen!«
»Maria von Holler-n hat den
Scharlachi« erwiderte Herthcp ernst.
»Die Pflege ist sehr verantwortlich
und anstrengend.«
Gabriele sagte nichts weiter, son
dern hob nur die Schultern wie in
leisem Bedauern. Mit einein schwe
ren Seufzer zog die Mutter ihren
blonden itopf noch einmal ans Herz.
Ganz sest hielt sie ihr Kind, als
könne sie es nicht von sich lassen.
»Leb’ wohl, Muttert« sagte nun
auch Hectha und tüßte die Hand der
Mutter. Die Gräfin horchte aus.
Da war ein Beben in der Stimme
gewesen, ein ganz besonderer tilang
—- aber nein. Sie mußte sich ge
täuscht haben. Hertha sah ruhig und
freundlich aus, wie immer. »Leb'
wohlt« sagte sie und drückte einen
leisen Kuß aus Herthas Stirn. Und
dann stand sie aus dein Balton und
blickte dem Auto nach, das ihre stin
der sorttrug s- in den tirieg
Man hatte den Oberleutnant von
Hollerin der beim Erstürmen eines
Forts eine schier unglaubliche Bra
rour gezeigt hatte und dem dann,
gerade in dem Moment, als er auf
den Trümmern die deutsche Fahne
hißte, eine seindliche Kugel in die
Brust gedrungen war, einer Opera
tion unterzogen, welche anscheinend
geglüctt war. Jn weiße Kissen ge
bettet, von Licht und Ruhe umgeben,
lag er da, vom starten Blutoerlust
zu Tode erschöpft. So sah ihn Her
tha von Sassen, als ihr Pflegerin
nenamt sie die Reihe der Betten ent
lang führte. Sie hatte ihn sogleich
wiederertannt, und ein jäher, süßer
Schreck hatte ihr Herz durchzückt
Welch eine wunderbare Fiigungl Er,
den sie liebte mit allen Fasern ihres
Seins, dem jeder ihrer Gedanken, Ie
der Schlag ihres herzens gehörte,
war hierhergebracht worden; sie durfte
ihn pflegen, sie sollte mit dazu bei
tragen, daß er genas, daß er dem
Leben wiedergegeben wurde! Und
welch’ einem Leben... Sie hatte es
Ia längst gefühlt, daß er sie liebe, daß
sein Verz nach iin ries. Hundert
kleine Anzeichen ha ten es ihr verra
ten. Und wäre sie nicht immer so
tannenherb und stolz neben ihm her
geschritten, dann stände sie jeßt wohl
nicht als Krankenschwesker an seinem
Lage-, sondern —- als sein Ieis.
Eine heiße Welle fluiete in ihre
Wangen, aber sie warf fiele den
Kopf zurück. Gleichviell Se be
reute es nicht, ihm teine Avancen ge
macht zu haben. Die Tiefe und-Jn
nigkeit ihrer Liebe hätte dadurch
nicht gesteigert werden können, dass
sie selbst die Erfüllung ihres Glücks
traumes beschleunigen half. Und
während ihr Herz frohloctte in der
Freude Unverhofften Wiederfindens,
nahm sie aufmerksam die Anordnun
gen des Arztes entgegen; ihre Be
wegungen waren ruhig und sicher-Mk
immer, und das Lächeln, das um ihre
Lippen lag, war klug und weich.
Als die Nacht ihre langen Schatten
durchs Fenster sandte, saß Hettha am
Lager des gelieblen Mannes. der,
wer Nähe nicyt bewuße, in schwerem
Fieber lag. Sie saß da, den Kopf
vorniiberqebeugi, und lauschte den
wirren Reden, die uber seine trocke
nen Lippen zitter«en. Und ihr Ant
litz ward blassek und blasser, bis es
so weiß war wie das Linnea, auf
dem der fiebernde Kopf des Kranken
ed
»Loielei), Du süße, mit dem Gold
haar und dem Zauberlachen'«, tlang
es flüsternd zu ihr hin. Sie preßte
die Hand aufs Herz. Jhr Haar war
braun, rötliche Lichter spielten dar
iider hin, wie die Schale reifer Ka
ftanieii im Sonnenlichte, und ihr La
chen war dunkel und schwer, wie
Kirchturiiiglocten. Wer hatte solches
Nixenhaar und Zauberiachent Ga
briele, ihre Schwester. . .
Reglos, voll stolzer Ruhe saß sie
da und trank den bitteren Kelch der
Enttciuschung den ihr diese Stunde
an die Lippen führte, aus bis zum
letzten Tropfen.
Sobald Hertha am Morgen des
Chefarztes ansichtig wurde, bat fie
ihn, sie ihres- Pflegeaintes zu ent
binden. Sie fühle sich den Anfor
derungen der Kriegspflege nicht ge
wachsen, vielleicht sei sie selbst trant.
Und der Arzt inufzie,ihr beipflichten,
denn sie fah namenios elend und an
gegriffen aus.
»Die Kranken auf Nr. 16 tönnte
meine Schwester gern mit überneh
men —« sagte sie. »Sie hat dieselbe ·
Ausbildung genossen wie ich und ift
gesiinder sils ich und — fröhlicher—«.
Der Chefarzt ivar’g zufrieden. Er
hatte hinreichend Hilfstriifte zur Ver
fügung. Und noch einmal zerriß
der Jammer Herthas Herz, als sie
Gabriele an Arinins Lager ftehen
sah, holdselig und lieblich, ergliihend
im Eiser der Pflicht« . strahlend und
sieghaf wie das Leben, zu dein sie
den Kranken emporreißen iiiufzte aus
der Nachf, die die Fittiche des Todes
um sein Haupt zu breiten drohten.
Gabriele legte ihr Köpfchen an die
Brust der Schwester. »Ich hab’B ge
ahnt, daß er meiner bedürfen würde.
Darum bin ich ja nur Pflegerin ge
worden — nur darum. Ach, Harnisch
ich hab’ ihn so lieb. —— Du taniift gar
nicht wissen, wie... Wenn er nur
nicht sterben niuß!"
»Nein, nein ——« tagte Hertha, und
auf ihrem Antlitz ruhte wieder das
alte, freundliche Lächeln. »Beruhige
Dich. Die Lebensgefahr ist vorüber,
wie der Chefarzt sagt. Pfleg« ihn
nur schön gesund!«
Zwei Tage später saß Hertha bei
Maria von Hollan, die im schweren
Scharlachfieber lag, und leitete deren
Pflege init der ruhigen Umsicht jah
relanger Uebung, während die Mai
ter der Kranten zur Reise nach Ant
werpen nisten-, uiii ihren Sohn zu
besuchen. Sie saß da, ruhig und
gefaßt wie immer, und niemand
ahnte, das-, die Glut der leidenschaft
licheii Wünsche ihres Herzens unter
der Tränenflut der Entfagung lang
sam erfti.tte.
Es gibt auch weibliche Helden, und
Hertha von Sassen gehört zu ihnen.
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Bist-meet und »meine-« Kanonen
Der General von Jsi:1g, der frohere
Monnnandant des Berliner deughaus
seis, ein verdienstrioller Oft-zier, der
nn Kriege 1870 eine-H Arn-es beraubt
wurde und der dann seine reichen mi
lilärischen zienntnisse dazu verwandle,
die herrliche Wassensammlung auszu
bauen, die sich ini Berliner Zeughaus
befindet, wußte das solgeiideGesctJicht
ten vom Fürsten Bismarel zu er ah
len. Bald nach dem Einzug der sieg
reichen Truppen in Beilin fragte ei
nes Tages Bis-mater den General von
Jsingt »Sagen Sie, lieber General»
wag verstehen Sie unter: einige? Ei
nige sind doch wohl drei oder vier?
Nicht Ivahr?« —— ,,Je nun, Exzelleiiz.
einige, das können wohl auch 5 bis
6 sein!« meinte General von inng.
»Na schön«, erwiderte Bismarch »ich
lvollle nur vorher einmal Jhrc An
sicht wissen. Seine Majeslät sagte mir
nämlich, ich sollte mir einige von den
erbeuleten französischen Geschutzen für
meinen Park in Schönhausen geben
lassen. Wollen Sie also die Güte ha
ben, mir sechs Geschütze bereitzustel
len!« Das war eines jener diploma
tischen Krinslstiickchem die Bismarck
eben auch in lleinen Dingen nicht
verschmähten .
—- Die praktische Haus
frau. Lilly: Warum verlangst du
eigentlich deine Briese von deinem frü
heren Bräutigam zurücke
Emmn: So was läßt-man nicht
umkommen; man weiß ja nie, wie
kald man’s vielleicht wieder brauchen
ann. .·