Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, December 18, 1914, Image 19

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    Rufs IIIIMO
-..
Ion Madclcinc Mordt
sleiv m am- du qosdne Torheit«
Tag ich icde sein-facht trägst-,
F ihr himmlisches Geheimnis
einend, jauchzend überfchäwsh
Und ich trink der Märchen Odem
Hmc im Wunder kann ich leben;
Allen Müden, Gluckvekmmuk
Mit-s M meint Eiche qeisetk
Mit dem lichtverklärten Mute
Will W euren Stern vczIoimzen·
Mit dem Feuer meiner Liebe
Eure Finsienzis durchdringen
Laßt mich eure Tränen hübsch
Mich. dir me ein Und bezwang-m
Mich- der km vertomek Himmel
Sein ver-zauderst Lied grimme-h
III-Of Heu-voll Traum und Schand
Lille Menschen willst du lieben« —
Selig Zeiss —- nu- dcine Torheit,
Sjißc orhm Ist dir Wehe-L»
gee- Gefangen-.
Finniijle Ziizgc lun slml A Tal-assis
seine-.
Ueber-innen von O. Desse
Mitlen in der silllsten, stiedlichllen
Gegend lag St. Michel am Strande
des Sand, ringt-umgeben von der
sandigen Ebene.
Vom Hügel beim Leuchilueni im
Osten der Stadt erklangen bei sin
kender Dämmerung die schleppenden
Töne eines löndlichen Kupsetinsitui
nienls, wie das hielensolo einer
Symphonie. Und kurz daraus la
men die Nindet mit klingenden
Gläschen von der Weide. gefolgt von
den kleinen bieten —- sie hatten die
Dosen iibee die staubigen Waden und
gebräunten Knie ausgeschlngen.
Die Mägde waren vorn bei dee
» herbe beschäftigt und jede silhete ihre
zu meliende Kuh zur Seite, bis end
lich die beiden legten on der Reihe
waren, die sich inmitten auf dein geo
ßen Platz verspälel hauen und noch
schnell ein Geogbiilchel aus-rissen um
es zu lauen, während sie geinollen
wurden.
Jin Militiirgesiingniö. das am
füdlichen Rande der Stadt lag, wur
de der übliche Abendappell gehalten
-—- die Gefangenen wurden ausgeru
fen und die Posten zogen aus. Ket
ten llirrten und die Soldaten riefen
das Stichwort.
Das Gefängnis war ein gelbeö,
zweistöttiges Gebäude, mit Mauern
umgeben, und drängte sich aus einer
Seite zu dem grünen Bietengehölz.
während es auf der andern — nach
dem großen Plan, wo das von der
hihe braungedörrte Gras seine ma
geren halme durch den Sand reckte
—- drohend das massire Portat uee
Eingangs zeigte.
Ein wenig höher in der breiten
Straße, die auf die sandige Ebene
führte, arn Eingang zur Stadt, lag
die Kosatentaserne — ein langge
streckter, sehr niedriger holzbatn Jnt
Jnnern befangen die Soldaten vom
Don schloerniiitig ihre weiten Steps
pen und wilden Ritte. Man hörte
es in der Stadt, und die Leute lag
«ten: »Es gibt Regen. Hört nur«
die Kosalen singen!"
Jn dein oberen Stockwerk an der
Nordwestseite des Gesangnisses, in
dem sür die Schuldgeiangenen be
stimmten Teil, stand hetkti hyttonen
am Fenster. Jnt Westen verglomrn
das Abendrot Und er lonnte die
milde Luft in aller Ruhen atmen;
denn diese Gefangenen wurden nicht
sehr streng behandelt. Sie wurden
nicht als schwere Verbrecher betrach
tet, und taher war auch das Fenster
nur angelehnt, hinter deni er sinnend
stand.
Morgen war feine Strafe zu En
de und er tonnte zu seinem tleinen
Gütchen nach Pieisaniati zurückkeh
ren und das hen einsahren. So un
barmherzig verfolgte ihn der Brüt
tenzolleinnehcner wegen-seiner zwan
zig Franken.
Zuerft hatte Heim Vyttonen uber
die Hartherzigteit feines Gläubigeks
gejammert, der ihn ins Gefängnis
werfen tiefz gerade in dem Augenblick,
da er auf oetn Hofe fo nötig tvar.
Dann aber hatt-. er fich beruhigt.
Was lag -ö-hm denn im Grunde
daran, ob er im Gefängnis faß? Das
tat feiner Ehre gar teinen Abbruch
Uebrigens würden fein Weib und fein
Junge auch allein fertig werden. Und
er, nun, war es nicht, als fei er Tut
Tagelohn gegangen-' War es nicht
genau basfetbeY
Und morgen hat er feine Schuld
bezahlt! Er freut sich fchon ini vor
aus. Was für eine fonderbare Art
und Weife, sich fo bezahlt zu ma
chen! Nun, fchließlich war das ja
Sache des Brückenzctleinnehmers,
nicht feine . . .
Er ftrettte die fteifgewordenen Bei
ne. Ja, bald würde er nun wieder
zu hause fein und mit ber Senfe
in den banden auf der großen Wiefe
fiehen, die fein hüttchen rings um
gibt —- sicher ift die ja noch nicht ge
mäht.
Es tvar feit feiner Einterterung
unt erftenmale, baß er nn feine Frei
it dachte. Was hätte es ihn auch
geniiM fchon eher davon su träu
menf Doch fest, ba ihm die Frei
ält xp nahe wintte, regte fich ein
un in ihm, ein quälenber
Uknf : Wenn er doch nur Tal-at
Seitdem er isn Gefii nis faß,
hatte er nicht ein-nat Ja t gero
cheu. Das war ihm die böttestel
Entbehkung. Und je mehr feine Ge
danken zu der Hütte zurückkehrte-n
zu feinem Weibe und sechs Kleinen.
fah et sich selber immer deutlicher
nach dem Abends-rot auf der Tür
ichivelle sitzen.
Und natürlich tauchte er! Gewiß!
Und sogar so kräftig, daß der Tobak
in dem alten Gipsiopf feiner Pfeife
inifietie und die vom nnmettlichen
Abendhauch fortgetragenen Rauch
Iwöllchen sich in langen, weiblichen
Streifen über dem Stalidach empor
schwangen. Dies Bild stand ihm(
so deutlich vor Augen, daß ihm Dass
Wasser im Munde zusammenlief undJ
seine Lippen sich bewegten. T
Als die Schildwache auszog, lam
der Kosat Jwan Kusnatow an die
Nordwesteae der Mauer, vor das ge
streiste Schilderhaus. Solange die
Patrouille in der Nähe kam- und
ging, masz er seine vierzig Schritt
vor dem Schilderhauss mit vorge
schriebener Regelrnäßigleit ab, die
leichte Kosalensliiile aus der Schul
ter. Doch als die siins Gewehrlliuse
zum letztenmal im Abendrot ausgek
blitzt und endlich verschwunden wa
ren, lehnte er das Gewehr an die
Mauer, locker-te den Gürtel seiner
Unisorin und sehte sich mit ausge
streckten Beinen ins Schilderhaus· Es
war nicht sehr angenehm, Kosal zu
sein. Mit gedämpster Stimme be
gann er die Nationallieder zu sum
men, die seine Kameraden iii der Ka
serne sangen. Und seine Gedanken
schiveisten durch eine große Slevpe,
wo ein graugelber Fluß seine Flu
ten dahinwälzte . . . schwer und
langsam, doch so sanft, so vertraut,
wie dein Menschen nur ein Fluß des
Heiniatlandes vertraut sein tann.
Vor drei Jahren hatte er als acht
zehnjähriger Bursche den Don verlas
sen. Seitdem lasb er in St. Michel
in Garnison, in fremdem Lande, und
in diesen drei Jahren hatte er in der
Landessprache sluchen gelernt, und
das war alles, was er davon wußte.
Der Soldat hatte hier leichten Dienst:
Vor dein Gefängnis aus Wache zu
ziehen, ad und zu Manöver und sel
ten eine Reitiidung. Doch obgleich
er sich nicht betlagen konnte, kochte
doch iein feuriges Blut ost vor Un
geduld, be onders in den langen. ein
samen Stunden, während er im vor
geschriebenen Schritt vor dein Schil
derhaus aus« und abging, während
die lichte Klarheit der nördlichen
Nacht das kleine Städtchen in tieses
Schweigen hiillte. Jn diesen stillen
Nächten. da alles schwieg, da tein
Blättchen sich regte und er tein Au
ge schließen darste, wollte er sich nicht
strengster Strase aussehen —- dann
lam das Heimweh der Freiheit so
hestig über ihn, daß ihn förmlich
dürstete nach einer Ableniung, nach
einein Abenteuer
An diesem Abend hatte er sast un
dewuszt eine Ahnung dessen, was ihm
bevorstand. Ausmerlsairi spähte er
nach allen Seiten. Wenn doch we
nigstens die Gesangenen einen Aus
bruch versuchen wollten, das wäre
eine schöne Ablenlungt Doch nein —
er vermochte nichts Ungewöhnliches
zu entdecken. So schlug er denn die
Beine übereinander, zog einen Ta
batsbeutel aus der Tasche und steckte
sich die Pseise eini
Glait wie ein spiegel lag der bin
senumsäumte Sand träumend da.
Nichts regte fich. Er lehnte an der
Rückwnnd des Sit)ilderhäuschenö,
blies den Rauch dex Pfeife aus und
folgte ihm mit den Augen, wie er
ausstieg, ohne sich zu zerteilen —- so
still war die Lust. Er ließ den Blick
umherschweifen und fühlte sich de
driiclt von dem eigenen Horizont. Er
dachte on andere Welten, fern, so
fern . . . Mit Wellenlinien . . .
un unendliche Steppen . · .
Jn diesem Moment fuhr Heitli
Hyttonen oben an feinem Fenster jäh
zusammen «- dns roch ja nach Ta
dal!
Aber woher lam denn nur dieser
Geruch?
Behutsam öffnete er das Fenster
ganz weit, ftectte den unkasierten,
struppigen Kopf hinaus und spähte
neugierig nach allen Seiten, ohne je
doch etwas zu entdecken.
Der Kosat schüttelte die Erinne
rungen ab, nahm fein Gewehr, und
um sich zu zerstreuen, rief er mit
schleppender Stimme das Stichwort:
»Slu5hjau!7«
»Slushjaa!« antwortete es aus
den Schilderhäuschen an allen vier
Ecken der Mauer.
Als der hauptmann in der Ka
serne hört, daß die Mannschaften aus
ihrem Posten sind, dreht er sich be
r«.higt im Bett um, während die Ge
fangenen in ihrer Zelle, die un diese
plöhliche Störung wenig gewöhnt»
sind, jäh aus ihren wirren Träumen;
aussahren. Jhre Ketten llirren und
der Wörter unterbricht den Rundgang
durch die Korridore und bleibt einen!
Augenblick stehen« um durch den Ju
das zu spähen. »
. heiltl hhttonen verzog den Mundj
zu einem breiten. gutmütigen Lachen«
das der größten Noch tenliebe und den
wohlwollendsten Ge iihlen Ausdruck
gab, die man je in vier Wände ein-;
gesperrt. Soweit er konnte. bog et’
den Kopf vor und rief dem Kosalen
auf innsih zu:
« see, Brudnth las doch aus
dem armen Alten ein wenig Tal-a
sutommenl«
M
Ueberrascht hob der Kosat den
Kopf, als et die Stimme vernahm —
er gewahrte den Gefangenen und
winkte ihm zornig mit der Hand
er solle sich schleunigst zurückziehen.
Die Vorschriften siir die Soldaten
waren streng, und zwischen ihnen und
den Gefangenen gab es nur ein Ver
tehesmittel —- das Gewehr.
Doch kaum hatte der Alte den
Wachtposten mit der Pseise im Mun
de gewahrt, so konnte er sich vor
Freude nicht mehr halten.
»Ah, du bist eg, Bruder-herz, der
da raucht? Dreifach sollst du den
Tal-at zurückhabem den du mit heute
abend gibst!«
»Perlele!« schrie der Kosal in sei
nem besten Finnisch, und zeigte-ihm
die Faust·
»Aber was geht dich denn nur an,
Bruderherz, daß du so fluchsti . . .
Jch bin doch kein Spißbubet Der
Brückenzolleinnehmer hat mich nur
einsperren lassen wegen zwanzig
Franken. Aber du sollft deinen Ta
dal gleich morgen wieder haben, fo
bald ich frei bin . . .
Während der Kofat noch zögerte
und nicht recht wußte, was er tun
follte, fuhr lheilli yttonen fort:
»Aber höre doch, ruderherz . . .
ich will ja gar nicht viel, nur ein
bißchen . .
»Perlele!« schrie Jwan von neuem
und hob die Flintr.
»herrgott, wie du nur fluchftl Jch
tue doch nichts Böses! Du willst doch
wohl deshalb leinen Menschen tot
fchießeni Ich bin Heilli Hhttonen aus
Pielsamali . . .«
Der Kosal verstand kein Wort von
dem, was er sagte. Doch obwohl
der Greis ihm fiir einen großen Ver
brecher zu vertraulich schien, brachte
ihn sein Starrsinn doch auf. Das
Verbot, sich nicht mit den Gefangenen
zu unterhalten, war streng, und wenn
es jemand hörte, flog er mindestens
vierundzwanzig Stunden in Arrest,
ohne die Strafe des Hauptmanns, der
Isich nicht darauf beschränken würde,
ihm nur eine Ohrfeige zu verabrei
chen. Jwan lannte feinen Kapitiin·
So machte er denn noch einen letzten
Versuch, legte das Gewehr hin und
»begann mit beiden Armen zu gestim
llieren, als wolle er eine Kuh verja
gen und schrie dabei:
»Pe:lele! Perlelel Perlelel«
Allein das lomische Gebaren des
Kohlen erheiterte den alten Bauern
ungemein:
»Was du doch fiir ein drolliger
Kauz biftl Erst drohft du mir mit
deinem Gewehr, dann briillft du wie
;ein Blödsinniger, und alles dag, an
ftatt mir einfach zwei Finger voll
sTabak zu 'geben . . .«
l Jwan nahm die Flinte wird-r.
»Du willst doch wohl nicht von
vorn anfangeni Gib doch die Spie
lerei mit der Flinte auf. Was
Isagst du?. .Nein, ich bin tein
«Spihbube und auch kein Mörder
TJch bin heilli hyttonen aug. . .«
Jiih brach er ab —- der Kofal hat
te die Geduld verloren und ihn auf
russisch zum letztenmal aufgefordert,
sich zurückzuziehen Doch da der Al
te seiner Aufforderung leine Folge
leistete, hatte er aufs Fenster ange
legt und — abgedrückt
Den Namen feines Heimatdörfs
chens auf den Lippen, wantte Heitti
Hyttonem breitete die Arme aus »und
schlug lautlos aus den Rücken hin.
Die Kugel hatte den Fensterrahmen
gestreift und sich in den finnifchen
Schädel gebohrt
Der Kosat tam vor Gericht, doch
wurde er freigesprochen.
In Pielsamali aber mußte ein ab
gehärmtes, abgearbeitetes Weib mit
ihren sechs Kleinen das Glitchen —
die heimatliche Schalle verlassen und
irrte obdachlos umher . .
sie tst san Spargut
Ein Fachblatt der Gastronomie be
hauptet, daß man in jedem Lande
den Spargel anders ißt und die
Spargelesser immer die des anderen
Landes als Böotier erklären und als
Menschen, die nicht anständig essen
lönnen. Jn den »Kulturländern«
wird der Spargel angeschnitten ge
gessen. Jn England werden vielfach
überhaupt nur Spargeltöpse serviert,
die natürlich ohne Mühe und ohne
Beeinträchtigung des Wohlgeschmackö
mit der Gabel gegessen werden. Bes
ser aber ist diese Methode immerhin
als die andere, bei der die ganze
Spargelstange ost der Gabel entglei
tet und dann natürlich in die Sauce
stillt, die in weitem Bogen nicht sehr
ur Freude der Umgebung umher
ptitzd Das beste ist, den Spargei
an seinem Ende mit Daumen und
eigesinger der linken Hand zu ersass
en, mit der rechten Hand eine Ga
del unter das vordere Ende zu schie
ben und dieses schwanke«, aber leckete
Gebäude zum Munde zu führen. hier
zu ist zu bemerken, daß der schöne
weiße Spargel, vorausgesetzt, daß er
recht zart und soisch ist, getrost mit
Messer und Gabel gegessen werden
kann, ohne durch das Metall an sei
nem Wohlgeschmack zu verlieren.
«- Seine Motivierung.
Gnäd et herr: «Sie wollen bei nur
als D euer eintreten und haben einen
Buckel; glauben Sie denn, daß ich
get-Illi- das schwere Gehalt geben wür
Peteni: »O nein gnädigee Den-,
den Basel haben Sie statt-P
sie-nett
Von Willen-n T. Bela.
Unwillig wars sich Htlde Lanlisch
aus einen Sessel und ballte die
Jst-sichm
»Nie. nie, nie lerne ich dieses ver
trackte Menuettt«
»Aber, Htldel« erklang vorwursg
voll der »Chor der Entriistung«, rote
Hilde die Stimmen ihrer Verwand
ten zu nennen beliebte. «
»Hildegard, du wirst niemals eine
Dame werden!« seufzte die »Tante
Baronin«, bei der das Mädchen
»auswuchs«, das heißt, seit einem
Jahre in Pension war. ·
»Nun, dann nicht!« entgegnete Hil
de troyig »Wenn ich nur ein tüch
tiger Mensch werde, das ist mir ge
ung.«
»Ein tüchtiger Mensch? —- Kind!
Wo hast du nur diese —- neumodis
schen Ausdrücke her?«
»Von dir nichtl« brummte Hilde.
»Für dich ibt’ö doch höchstens »Da
men und erren«, aber nicht einsa
che, gesunde, natürliche Menschen!"
Immerhin trug sie Sorge, daß ihr
Brununen unverständlich blieb.
»Dars ich nun nochmals bitten,
meine Damen!« riet der Tanzmei
ster, dessen Geduld-wenigstens sei
nen vornehmen und reichen Zöglini
gen gegenüber — unerschöpflich
schien. »Allo, meine Damen! Recht
gra iös und zierlich, bitte! Jch möch
te Zast sagen, ein wenig lotett! Die
Fußspitzen müssen Sie mit vorge
neigtem Kopf jedesmal bei diesem
Pas betrachten —- erst rechts, dann
linit —- so, sehen Sie — das gibt
dann zugleich eine graziöse Kopss
und Fußwendung —- ah! Sehen Sie
Komtesse Mary an! Das ist Per
seltionl Entzückendt Machen Sie
es doch nur alle so wie die Kom
tesse — bitte, bitte!«' Und mit ge
salteten Händen und oerziicltem
Ausdruck tänzelte der alte Herr vor
Mary umher.
Mary tvar eine hochausgeschossene,
überschlanle Dame von vierundzwan
zig Jahren, die schon vier oder itins
Provinzsaisons hinter sich hatte,jth
aber in der Hauptstadt Triumphe
seiern sollte.
Das schwierige Menuett hatte sie
schon vor einigen Wintern gelernt.
Jeht nahm sie an der Tanzstunde
ihrer Cousinen teil, um sich uoch et
waige »Hosnuancen" anzueignen«
denn »Herr Kölbl« war deritabler
Tanzlehrer der höchsten Herrschaften
Hilde Laniisch blickte halb schen,
halb spöttisch die Komtesse an, die
mit so blasiertervirazie ihre langen,
schmalen Füße hin und her schleifte
»Ein alberner Tanz, dieses Me
nuett!« sagte sie. »Ein srischer,slot
ter Waisen ja! den lob' ich mir! Da
hat man doch was davon! Ach Gottl
wenn doch bloß Hans das Menuett
nicht mit mir tanzte!«
Ader das Geschick war taub gegen
die Wünsche dieses achtzehnjährigen
Herzenöl
Der Ball, der einige Tage nach
dieser letzten qualvctlen Tanzstunde
im hause der Tante arrangiert
ward, fand hauptsächlich Mart) zu
Ehren statt. Mari) war ebenso wie
Hilde Pensioniirin bei der »Tante
Baronin«, tie in der weitverzweig
ten Familie als höchst nützliche Vizei
mama abwechselnd in Anspruch ge
nommen wurde.
hanc, der Held in Hildes Träu
men, war ein echter Gesellschafts
lötoe, was Aeußerlichteiten, aber
auch eine Seltenheit, was innere Ei
genschaften betraf. Trotz Majorats
herr und Assessor war er allen Er
solgen auf den Parletts der Haupt
stadt zum Trotz ein »lieber, lustige:
Kerl« geblieben: so, wie ihn Hilde
lennen gelernt hatte, als sie nochein
ganz kleines Mädel und er ein lan
ger Setundaner gewesen, damalsaut
dem väterlichen Gut, das an das
Steinbachsche Majorat angrenzte
Seit jener Zeit ,,liebte« sie ihn schon.
Der Ballabend war da, und Hilde
zitterte irn wahrsten Sinne des Wor
tes vor richtigein Ballsieber.
Schon waren die Gäste im gro
ßen Salon versammelt. Durch einen
Portierenspalt sah Hilde, wie Kom
tesse Mary von einer ganzen Schar
junger eleganter Herren umlagert
war. Mary sah aber auch wirklich
vorzüglich aus. Ganz in fließende
weiße Seide gehüllt, nur Girlanden
von kirschroten Geranien um Rock
und Schultern, bot sie das Bild ei
ner glänzenden Balldame. Die sonst
su bleichen Wangen hatten heute ei
nen seinen roten Schimmer. Gerade
darüber trauste Hilde verächtlich die
Lippen. Sie hatte doch selbst vor
einer Viertelstunde vom Nebenzims
mer aus gesehen, wie sich die Kom
tesse die Wangen mit ihrer —8ahni
pasie einrich. Daher jetzt der sti
sche, ganz aus der Haut herausblüs
hende Schimmer!
»Alte: Schminttopp!« flüsterte
Hilde zornig, während sie noch im
mer auf ihrem gedeckten Lauscheri
posten verharrtr. Endlich mußte sie
sich aber doch in den Saal wagen,
denn man fragte bereits nach ihr,
und eben rief auch im Nebenzimmer
die Tante ihren Namen.
Da stand sie nun im Saal, ganz
verwirrt und lächelnd, in ihrem daf
tigen Foulatdtleidchen, mit dem
Kranz von Maßliebchen im mißbrau
nen Dant. Und als erftet tratcans
v. Steinbach vor sie hin, lächelte auf
sie herab von seiner schlanten Döbe
nnd wartete auf ihre Tanztartr.
»Dort ich um das Menuett bit
ten. Fräulein bildetm fragte er leise
Fräulein Hilde nannte er sie! Als
ob sie sich gestern getrennt hätten!
Und sie waren sich doch seit ihrerl
Einfegnung nicht wieder begegnet! l
»Das Menuettt Ach, bitte —l
nein! — ich tanze es so schrecklich
schlecht. Jch kann es überhaupt noch
grä; nicht richtig!« bat Hilde ängst
lt .
»Macht nichts! ich werde Sie schon
dirigieren! Und dann noch den
zweiten Walzerl Jas«
»Ha, ja! Walzer tanzen Sie so
fein.«
Hans lachte: »Das wissen Sie
noch, Fräulein Hilde? Wir haben,
so viel ich weiß, ein einziges Mal
miteinander getanzt2 Das war aus
Ihrem väterlichen Gut; ich glaube,
an Ihrem fünfzehnten Geburtstag-«
Mary, die eben vorüberging,
rümpste die Nase. »Wie vertraut er
mit dieser Kleinen tut!" — Aber
natüfltch sprach er mit der ungeho
belten Hilde eben in einein anderen
Jargon als mit ihr oder anderen
Damen. Und sie schoß aus den gro
ßen blonden Assessrr einen Seiten
blick, der deutlich genug sprach. wenn
auch die hochmütigen Lippen stumm
blieben. Ja, Hans v. Steinbach war
halt eine durchaus gute Partie!
Das Menuett bildete den graziös
sen Schluß des ersten Teiles vor
dem Abendessen Hilde Lanlisch war
im Paradies-. Ohne daß sie es
wußte, war sie die Königin des
Balles geworden, denn unter all denl
großartigen Städterinnen war auch
nicht eine, die so jubilierend lachen,
so urwüchsig und naiv antworten,
so leicht unt- schwebend tanzen konn
te wie sie.
Komtesse Mary bemerkte das alles
sehr wohl und wenn sie sich nicht
mit aller Macht beherrscht hätte,
würden ihre Tänzer bald eine merk
liche Abkiihlung ihrer guten Laune
konstatiert haben. Sie wußte in
dessen, das Menuett würde ihr den
Triumph bringen. Von einem Gar
deleutnant, Vortänzer bei Hos, war
sie zu dem Tanz engagiert worden,
und eben trat sie bei den getragenen
Klängen mit ihm an.
Ei, wie sie die schmale Fußspitze
bog! Wie graziös sie das Kleid
rasste, Jen Kopf neigte, den Arm
hohl
»Sehen Sie!« rief Hilde ihrem
Tänzer zu. «Sehen Sie, ich mache
alles salscht Mit der Kotntessehiits
ten Sie tanzen sollen, die kann so
etwas! Tenniö findet sie ordinär.
und ich schwärme dafür. Kochen
tann sie keine Spur, und ich ordent
lich, dagegen weiß sie von Ethik,
Aesthetik und anderen Tith eine
ganze Menge. Wir sind die richti
gen Gegensätze!« .
- »Ja!« sagte Hans v. Steinbach
einsilbig. Nur ein leises Lächeln
war bei Hildes drolligen Worten um
seinen Mund gezuctt, aber er hatte
es schnell unterdrückt. Er wollte
nicht zu schnell sehen lassen, wie es
ihn zu dem frischen holden Natur
kind hinzog, das er in all den Jah
ren nicht vergessen hatte.
Vorsichtig war er sonst nicht von
Natur« aber jetzt kam ihm doch ein
leiser Zweifel, und die Worte llan
gen ihm in den Ohren» die Muth
ihm vorhin mit überlegener Ironie
gesagt hatte:
»Sollte man es siir möglich hal
ten, daß ein so junges Ding, wie
diese— kleine Lankisch, schon so ras
finicrt ists Sie spielt direkt die
Naive!«
,,Wirklich, Komtesse?s« hatte Hans
entgegnet. »So, wie sie jeht ist, war
sie aber schon immer.«
»Hahaha! Ja! Was aber früher
Natur war, ist jetzt eben Berechnung
Oder stir was halten Sie es sonst,
wenn eine achtzehnjährige Ballnovize
sagt, sie würde sich im Handumdre-s
hen den begehrtesten Kavalier im
Saale zu ihrem Stlaven und Frei
ersmann machen?«
,,’.itedeiisarteii: Das halte ich ganz
einfach siir tindlichess Reiioinmieren!«
»Wie iiian’H nimmt. Vielleicht ge
lingt der tleinen Schlaiieii ihr Piani«
»Ja, so hatte Kointesse Miin ge
sagtt Und obwohl Hans gefühlt
hatte, welch giftiger Haß in den la
cheiid gesprocheiien Worten lag, war
doch ein leiser Stachel zurückgeblie
ben. Nun wollte er prüfen, ob Hil
de ebenso scharfe Worte und eine
ebenso gehiissige Gesinnung hatte wie
ihre Cousirie Mary.
»Komtesse Muth tanzt das Me
niiett aber wirklich wunderbar!«
sagte er leichthin. »Und sie siehtaiich
schön aus!«
»Nicht wahrt Jch sagte Jhneii
doch gleich, Sie hätten diesen Tanz
mit ihr tanzen sollen. Sie beide
hätten ein glänzendes Paar abge
geben.'·
»Sie haben wohl die Komtesse
sehr gerne, hildei«
»Ach neiiil Das müßte ich liii
gen, aber ich erkenne an, daß sie viel
mehr Tit enden und Vorzüge hat
als ich. n erster Linie ist sie eine
wirkliche Dame, und ich— ich werde
wohl zeitlebens eine wilde Hummel
bleiben.«
Das kam so neidkos und mit
einem so herzha ten Seufzer hetauö,
daß band mit e nein Schlage wußte
das war keine Verstellung!
Jn diesem Moment tarn M
Schluß des Tanzes, wobei die
re in graziiisem Tunzschritt it
Plätze wechselien und die M
unter den ausgeht-denen Armen dec
ersten Paarez durchschritten. Dasei;
geschah es, daß Murys Arm html«
Kon so hart streifte, daß ihr det·z
Maßliebchentranz mit zwei Haarnasi
deln herausgerissen wurde. «
Für eine junge Dame gibt est
in Gesellschaft doch nichts Aergerli-»,
cheres, als wenn ihr die Friiur see-«
stört wird. Zudem hatte hanö III-L
Steinbach veunich beobachtet vqßdsok
hoöhafte Komtesse absichtlich dsss
Malhenr herbeigeführt hatte. Nicht-Q
destoweniger lachte Hilde hellauf,,
griff mit beiden Händen nach de
Kränzchen und druckte es wieder ,
in das duntle Gelock. Die schiefes
Frisur sah zwar etwas zerzausten-O
aber das stand den-. süßen Gesichtthcsi
nur um so besser, so daß sich Dant
nicht enthalten tonnte, ihr ein tut-f
zücktes Bravo zuzurufen.
»Ich hin aber doch wirMch zu
ungeschictt!« sagte die errötende bit-i
de entschuldigend »Hossentlich hatt
sich Mary nicht den Arm an meinen
dummen Haarnadeln verlegt!« Undf
dabei sah sie sich mitleidig nach Rom-;
tesse Mart) um, die ein recht schaden
srohes Gesicht machte.
»Hilde!« flüsterte ihr da Hans insi
Ohr. »Sie sind doch wirklich ein
grundgutes, liebes Mädel! Wollen
Sie mir einen großen Gefallen inni«
»Ja! Gerne! Was ist's denn?«
»Kommet! Sie mit mir sitt eint
paar Minuten dort in den sitt-J
Jch muß Ihnen etwas erzählen.""
Als nach einer kleinen Weile Dili
de und Hang wieder -.1uftauchtrn,.
gingen sie Arm in Arm vor ver-»
sammeltem Krieggoolt zur Taute.
Buronin, um der zuerst zu sagen,
daß sich zwei Herzen fürs Leben-«
gesunden hätten.·.
s-——-.s..
Goethe und die Johannisnacht«
du
Jn Jena besteht jetzt noch der
Brauch, daß die Knaben in der Jo
hannisnacht auf den Bergen Feuer
anzünden. Als Feuerunggstoss sam
meln sie in oc: Stadt alles unbrauch
bar gewordene Holz, alte Kisten, Fäs
ser und dergleichen, zu Goethes Zei
ten besonders abgetehrte Stumpfen
von Reisigbesen. Die immer strenger
werdende Polizei wollte auch in die
ses uracte Recht der Jugend eingeri
sen und verbot die Johannisseier am
24. Juni; bei einer bald daraus inf
Jena stattfindenden festlichen Gele-«
genheit brachte Goethe den Trink
spruch auf die Jugend aus-:
Johannisseuer sei unverwehrt,
Die Freude nie verloren!
Besen werden immer ftumps gelehrt
Und Jungens immer geboren. »
Das war die Veranlassung, dass.
das die Sonneiiwrndseter störende
Polizeiverbot wieder aus-gehoben denn
de . . . Schon in Wetzlar im But -
fchen Hause, wo sieben Kinder dtsl
zwölften Lebensjahre bis zu Lui die
zwei Jahre alt war, herumtollten,
konnte Goethe im Kinderspiel mit den
Kindern ganz Kind sein. Er balgte
sich mit ihnen herum. lag mit ihnen
an der Erde, ließ sie auf sich herum
trabbeln, und es war bei solchen
Szenen oft großer Lärm und groß
Geschrei. Der Hausarzt tam einst
dazu und fand dieses unter der Wür
de eineg geicheiten Menschen. »Das
inertte ich an seiner Nase«,’sagt Goe
the. »Ich ließ mich aber innichts
stören, liefz ihn sehr vernünftige Sa
chen abhandeln und baute den Kin
dern ibre«.5tartenhäuser wieder aus,
die sie zerschlagen halten« Die AU
gen von ganz Wetzlar waren damals
aus den mertwiirdigen jungen Mann
gerichtet, den sie nicht begreifen lonn
ten, der bald am Martitage alle Kir
schen auf dem ganzen Markt auf
tanfte, alle stiiider in der Stadt zu
sammentrominelte nnd dann mit der
itarawane nach Buffs Hause zog, wo
er die Kinder alle im Kreise uin die
ziörbe herumstellte, die Kirschen-aus
teilte und Lotte ihnen Butterbrot das
zu schnitt
Izu- Gocdveiäqteeu "
i Von seinen Dregdcner Fetieatagen
Gerichtet tiarl Frenzel einiges Leder
den berühmten Schauspieter Emil
Teorienk »Es-es Tage-z als Gutziow
noch Deamatutg des Theaters war,
sammt Einit Devrient in der verdrieß
Ilichsten Laune zu ihm. »Ich bin«
Jtiasttas«, sagte er ihm, »ich kann m
ldem neuen Stück nicht spielen, altes
ssträubt sich in mir gegen dies-. Rot
"le.« — »Aber sie ist dir doch aus
Den Leib geschrieben.« —- »Hast du sie
aufmerksam gelesen? Dreimal hade
ich in der ersten Szene das Wust
Geld zu betonen —- ich Und Geld!
Wenn ich wenigstens statt dieses ge
meinen Wortes Gold sagen tönnte!«
»Sage Gold«, tröstete ihn Gutztom
. . . Und nun mußte man die un
nachahmliche Gebärde der Verachtung
sehen, das zornige und saöttische Be
ben seiner Stimme hören, wenn er
ausrief: «Etendes Goldt« Als-s ob
er über die Schätze des Ktösus ver
sitgtr. Weit weg was-« taan aus der
modernen Dürstigteit, und et statt ei
nes armen Schluckeki den Tief-rig
Märchenptinz.«
—.-..-- —
—«Stoßseufzer. Nein-was
sich meine Frau alles hetausnimmk
sogar die Zähne! s