Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, December 04, 1914, Image 11

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    . -
sanöverhumoresie von Carl Tonkrei
cs war ein heißer Tag ge ers-s
Besonders siir die xten Jäger. ä-«
ger zu fein, hat freilich seine gro ens
Vorzüge. Wenn man im schmucken
griinen Rock zwischen den dunkelbrau
nen Kameraden der Jnsanterie oder
den hellblanen der Dragoner in der
hauptstraße des Städtchen-, in wel
ern die Brigade gerade einquartiert
t, uniherwandelt, so sällt die au
ßergewöhnliche Unisorm doch ganz
anders aus; man«,siihtt sich ais etnms
Besonderes, und man ist es auch
Jn einem Jägerbataillon stectt eben
ein ganz eigener Geist. Das nn t
der ausgewählte gute Ersatz an O -
sizieren und Mannschast. das macht
der vielleicht strengere aber auch an
regendere Dienst, und das machen
zumeist die stolzen Kriegserinneruns
gen der Jäger. Daiiir wird man
auch hier und da besonders verwendet
und z. B. im Manöver einer Kaval
ierie - Division zugeteilt. Das aber
hat, wie man so sagt, den Teufel.
So waren heute die xten Jäger
ioiossai angestrengt worden. Die
braven Grünröcle liefen nämlich nur
aus je zwei Beinen und sollten doch
mit den vierfiiszigen Dragonern nnd
Husaren Schritt halten. Durste man
sich wundern, dasz Ossiziere und
Mannschasten bei der Rast nach dem
heutigen Korpgmanöver sehr ermüdet
im Schatten eines iteinen Buchenwali
des lagen und still warteten, was
ihnen nach der Kritik noch blühen
werde. Bei den herren der zweiten
und dritten Kompagnie rasteten et
nige Lentnants der Xten Dragrnrr.
Deren Schwadron war beauftragt,
mit den beiden Jägeriompagnien noch
’eine Vorpostenstellung zu beziehen
und die gegnerische Stellung genau
zu retognogzierew Dann erst durs
ten dirse Abteilungen den übrigen
Truppen ins Quartier nachfolgen.
Damit sollten die Manöver innerhalb
der Korpg enden. Der morgige Tag
war als Sonntag ein attgemeiner
Nasttag, und übermorgen hatten die
Manöver eines Korps gegen das an
dere zu beginnen.
«Na, ich bin froh, daß der Rummel
im allgemeinen heute vorbei ist. Die
Scheinvorposten, welche wir noch be
ziehen müssen, werden uns nicht lan
ge aufhalten, und dann beginnt siir
mich sozusagen ein Glanzabend, zu
dem ich die herren sreundlichst ein
lade.«
Eine besonders shmpathische Stim
nie war es nicht, nämlich die des
Freiherrn von Rastit, welcher soeben
gesprochen hatte.
»Was haben Sie denn vor, Herr
von instit-" fragte einer der Jäger
ossiziere den Dragoner.
«Möchten das wohl wissen, here
Kamerad?«
uisiatiirlich wenn Sie uns dazu
einladen."
»Richtig richtig. Darin haben
Sie recht. Gedenie nämlich mich
heute Abend zu verlohen.«
»Was, Sie wollen sich verlobenl
Jetzt im Manöver!«
»Gewiß, habe das Bummelleben
fatt. Da ich ja Dank dem Bienen
sleisz meines Herrn Papas gar nicht
nach Geld und Gut zu fragen brau
che, ließ ich die schönsten Mädchen.
welche im vergangenen Winter unsere
Bälle schmücktem vor meinem Inne
ren Neoue passieren und sagte mir
die allerfchdnste ist gerade gut genug
siir mich. Daraufhin entschied ich
mich fiir Agathe vcn Farrnheim, die
Tochter des Gutsbesitzers von Farrns
heim, wo heilte unser Divisionsstab
im Quartier liegi.«
Seine Worte brachten große Bewe
gung in den Kreis der Osfizierr.
Sie tannten das schöne Mädchen
wohl, und man wußte allgemein nur
zu gut, daß der Vater oerschuldet
war, und Agathe die nötige Kau
tion zu einer Ofsizierehe nicht besaß.
Daher regte sich in mancher Dragos
ner- Jägerleutnants-Brust ein gewis
ser Neid, denn eigentlich gönnte nir
mand dem blasierten Baron Kastit
ein solches Glück. Allein was konnte
man machen! Man zwang den Aet
ger nieder und beglückwünschte den
Dragoner zwar nicht in sehr herz
licher, aber doch in sorinvoller Art.
Nur ein älterer Jägerleutnant
sprach lange kein Wort. Er war
totenhlrich geworden nnd starrte mit
einem Blick des wahrsten Entsegens
den Dragonerleulnant an. Ja der
entstandenen Aufregung bemertte aber
niemand den Schrecken des Jägers
und bit sich die allgemeine Bewegung
etwas legte, hatte fich Oberleutnant
Weilttar wieder vollständig in der Ge
ws .
Mit ernster und ruhiger, aber in
nichts auffälliger Stimme fragte er,
als eine lleine Ruhepause eingetre
ten war: »Sei-en Sie denn das Ja
wort von Fräulein von Farrnheim
erhalten, here Kamerav?«
»Direit eigentlich nicht. Aber in
direkt.«
»Das klingt lo lehr myltetiös, herr
von Kaltii. Wäre es invijltet zu
fragen, wie Sie das meinen?«
«Keineiwegt, here Wollu. Ich
habe eine Kriegslift angewendet, um
sich ni« lichsi gut bei deni stolzen
und bis est so unnahbaren Fräulein
von Putnheini einsaflihresu
»O ne thslilii
»Ja, here Weltor. Sie wisset
ja alle, das dein alten Baron von(
ssarrnheirn die Wucherer drohten, ihn!
fzu ruinieren. Nun habe ich ihm vor
idrei Wochen vorgeschlagen, sein Gut
-abzuiausen. Er ging daraus ein,
alt ich ihm einen unverhältnismäßi
,gen hohen Preis bot. Nur erklärte
ich ihm meine Absicht aus seine Toch
l
ter und bat ihn, in meinem Spinne
bei ihr zu wirlen. Er äußerte, er
Iniisse behutsam sein, weil Fräulein
Agathe einen selbständigen Charatter
habe. Unterdessen tauschten wir die
Kausz- und Vettaussdolumente aus
und gestern erhielt ich einen Brief
des alten Barons, dasz seine Tochter
erklärt habe, sie sei einer Ehe mit ei
nem Ossizier durchaus nicht abge
neigt. Obwohl mein Name noch
nicht genannt wurde, bin ich doch
meiner Sache sicher. Fräulein Aga
the weiß nämlich noch teine Silbe
bon dem Verlauf ihres väterlichen
Gutes. Nun schrieb ich edm Baron,
daß ich heute Abend 6 Uhr in Farrns
heim eintreffe. Dann erfährt das
Fräulein, daß ich der neue Herr des
Schlosses und Gutes bin. Sie wird
erschrecken, weil sie sehr an ihrer Hei
mat hängt. Hieraus lege ich ihr
Herz, Hand, Schloß, Gut und die
paar Millionen, die Papa mir zu
hinterlassen beliebte, zu Füßen, nnd
wir seiern das Verlobungssest. Das
ist die Kriegslift.«
»Also ein Uebersall.'
»Ja, tvenn Sie ek- so nennen wol
len. Aber ein Uebersalh bei dem der
Angreifer nicht raubt, sondern nur
bringt und den Ueber allenen sozu
sagen mit Gliick libers iittet.«
Der Jägeroffizier hatte schon eine
scharfe Entgegnung auf der Zunge
als das Kommando »An die Geweh
re" erschallte, und damit im Nu je
de weitere Unterhaltung abgeschnitten
war. Ebenso rief das Signal
»Fertig zum Aufsiszen« die Dragoner·
offiziere zu ihrer Schwadron.
Die fiir die Vorposten bestimmten
Abteilungen mußten noch etwa eine
Stunde marschieren. Man entfern
te sich dadurch immer mehr von dem
rückwärts liegenden Schloß und Dorf
Farrnheim Während des Marsches
trat Leutnant S ort zu seinem
mit gesenktem Kop wie geisiesabtoei
send dahinschreitenden Freund Wol
tar, hängte einfach seinen Arm in
dem des Oberleutnants ein und be
gann: »Lieber Freund! Vor allem
Kopf in die höh! Zum Trübsalblm
sen hast Du leine Zeit. Wir müs
fen überlegen, was zu tun ift.«
»Ich habe auch schon alles Mögli
che bedacht. Wäre nicht das Kom
mando zum Aufbruch so plötzlich ge
kommen, so hätte ich dem arroganten
Geaen eine solche Beleidigung an den
sion geworfen, daß er mich hätte
fordern müssen. Dann toiirde es
meine Sorge gewesen sein, daß nur
ein Bewerber um Agathens Hand
übrig geblieben wäre.'«
»Jawohl, alter Diszippr Und Du
wärst dann auf ein Jahr in die Fe
stung marschiert, hättest vielleicht Dei
nen Abschied nehmen müssen, denn bei
der heutigen Strömung gegen das
Duell wäre es in einem solchen Fal
le gar nicht undenlbar, und dann
hättet Jhr Euch erst recht nicht ge
triegt.«
»Aber was soll ich denn machen?«
»Ich habe meinen Plan bereit.
Aber gestehe mir zuerst offen: ist
denn zwischen Euch Beiden alles in
Ordnung?«
«Wie Du es nimmst. Wir sind
als Kinder miteinander ausgewachsen
toir lieben einander eigentlich natur
gemäß von jeher, und Agathe weiß
oaß ich offiziell um sie erst anhat
ten wollte, wenn ich Hauptmann bin.
Sie weiß auch genau, daß uns selbst
dann noch viele Einbehrungen bevor
stehen· Auch ihren Vater glaubte
ich mit all« dein einverstanden, ob
wohl noch nie Direttes iiber diese
meine und Agathens Absichten ge
sprochen wurde. Also formell gebun
den ist sie nicht. Aber ich sah un
sere Verbindung eigentlich als selbst
verständlich an. Freilich, der alte
Baron hat ganz freie Hand. Dar
um liinnte ich es ihm nicht einmal so
sehr verargen.«toenn er nach dem rei
chen Gimvel langen wollte, wenn
Agathe und ich uns nicht rühren.«
»Gut, Woiiar. Nun bin ich klar.
Jetzt heißt es: Kriege-list gegen-kriegs
list. höre meinen Plan. Nach
dein Aufstelien der Vorposten beich
test Du dem Hauptmann ossen und
ehrlich und bitiest sofort um Urlaub
sür den Abend und den morgigen
Tag. Dann radelst Du so schnell
als möglich nnch Farrnheiin. Um
5 Uhr kannst Du dort sein. Jn
zwei bis drei Stunden bist Du mit
Deiner Agathe und dem Baron im
Waren. Rücksicht gibt es seine, hörst
Du, Woltari Keine Spur Rücksicht!
Du erzählst, wie taitlos der etelhas
te Kerl von einem Kasiik hier rennoi
niiert hat, bringst den alten Farrns
heim dadurch in harnisch, daß Du
ihm mitteilst, wie jener ossen von
seinen Schulden sprach, stellst ihm
vor, wie unwürdi es wäre, daraus
hin deine einige ochter so zu ver
scha ern, sagt ihm, daß wir alle ei
nen solchen Schritt sehr verurteilen
würden u. L w. Dann bringst D
ihm hei, da ihr ia jeht, wo das Gut
so vorteilhast verkauft ist« heiraten
könnten daß er zu Euch stehen muss,
Fund anderes mehr. Kurz, bis abends
die Gäste kommen, ha Du alles ins
Reine edrarht und in Fest wird
Eure erloduns lisientlieh verkündet
F— Jch aber übernehme es, Dir die
Wahn sreizuhaliem Jch nehme den
Instit nus mich und garaniiere Dir
Jdasz er vor abends 9 Uhr nicht auf
»der Bildsliiche erscheint. Jch selbst
ikomme auch erst um 7 Uhr.« I
I »Was hast Du denn vorf«
; »Gebt Dich nischt an, Schwielen-s
jKriegslisi gegen Kriegslisi. Willst
kDu inn, was ich Dir vorgeschlagen?«
»Und ob ich es will! Handelt es
sich doch um mein größtes Glück.«
»Gut, also auf Wiedersehen heute
Abendl Jch verlange jetzt aus eine
Stunde Urlaub und radle sort.«
»Ah-hin denn?«
»Zum Feind! Adieu!« Damit lief
er vor an die Spitze der Kompagnie
und sprach länger mit dem als Vor
posienlommandeur bestimmten Major«
der zugleich sein Onlel war. Dann
ließ er sich eines der mitgesijhrtenj
Dienstsahrräder geben, und hierauf
rndelie er schnell wie der Wind da-l
von
Nach etwa einer Stunde waren die«
Jäger und Dragoner in ihrem Vor
poftengelände angetommen. Kaum,
dafz sie standen, und noch ehe die Of-.
fizrete zu einer allgemeinen Jnstrut-.
tion zusammengerufen waren, sauste
Leutnant Schott auf seinem Rade da
her. Er hatte zwar einen purpur
roten Kopf- allein lein Mensch fah
dem ftrammen Offizier an, daß er
in der Gluthitze des Septembernach
mittags in taum 70 Minuten über
22 Kilometer zurückgelegt und noch
dazu mit einem bei den gegnerischen
Flisilieren stehenden Freund gespro
chen hatte.
«Jetzt rief es: »Die Herren Offi
ziere."
Der Mafor gab den gleich darauf
um ihn bersammelien Herren die Jn
ftrultion über das Bez ehen der Vor
poften. Zum Schluß bemerkte er:
»Es kommt viel darauf an, dasz wir
noch heute die Ausdehnung des rech
ten feindlichen Ilügels austunds af
ten. Jch will daher eine gemichte
Patrouille dorthin entsenden, Leut
nant Schott und zwei Jäger, alle
drei aus Fahrriiderm und Leutnanl
von Kastit mit zwei Dragonern rei
ten resp. fahren nach Labdcrf. drin
gen im Perzawald bis aus die Höhen
von Auflach vor« und suchen von
dort Einsicht in die feindliche Stel
lung zu erlangen. Wer ift im Nanti
der ältere von den beiden Herren?«
»Ich, here Major«, antwortete
Leutnant Schott.
»Gut, so übernimmt Schott das
Kommando. Die Herren tönnen
gleich abgehen.«
Ohne auf die beiden Offiziere noch
Rücksicht zu nehmen, fprach der Ma
jor weiter über dienstliche Verhältnis
se· Kastit tonnte daher nicht bitten,
einen anderen Dragoneroffxzier zu
entsenden, und Schott rief schnell fei
ne Jiiger, setzte sich aufs Rad und
fuhr an. Nun mußten Kaftit und
seine Dragoner eilends nachreiten.
Es war ziemlich weit nach Lab
dorf. Eine am Rad Schorts vor
zunehmende angebliche Reparatur
hielt auch auf, und schließlich lam die
gemischte Patrouille erst gegen 5
Uhr im Perzawald an. Kaftit
rasonierte gehörig über die verdamm
te Pairouille. Aber Schott tröste
te ihn: »Wir wollen schnell die Hö
hen ersteigen und uns turz umschau
en. Dann sind wir in einer Stun
de zurück, und Sie können spätestens
til-;- Uhr in Farrnheim sein. Jhre
Stute hält ja aus-«
Jetzt standen fie an den mit Bü
schen bedectien Höhen. Nun befahl
Leutnant Schott: »Halt! Absteigen.
Sie, Herr von Kafiit, ersuche ich
ebenfalls abzusitzen, jene Höhe dort zu
ertlettern und sich in der Richtung ge
gen Marlweg umzufehen. Jch klei
tere hier hinauf und relognosziere
gegen Eiling Jn zehn Minuten bei
den Pferden und Rädern wieder sam
meln· Pferde und Fahkrader nach
rückwärts wenden, damit wir keine
Zeit verlieren!«
Beide Offiziere tletterten nun auf
die ziemlich steilen Höhen. Es ver
gingen teine drei Minuten, da ertön
te rechts, wo Kaftit hinaufgestiegen
war, ein lautes »Hurra«, und es fie
len einige Schüsse. Fast gleichzeitig
erschien Schott wieder bei den Pfer
den und Rädern und loinmandierte:
»Zurück« fo schnell Jhr könnt, da
mit wir nicht auch gefangen werden,
wie der Leutnani bon Kaftit.«
»Herr Leutnant foll ich nicht —«
»Das Maul sollen Sie halten,
Dragoner. Nehmen Sie das Pferd
des herrn Leutnants an die hand,
und galoppieren Sie zurück.«
Der Deagoner gehorchte natürlich
und jagte, die Stute Kaftits an der
Hand führend, mii den anderen Dra
gonern voran-, die eadfahrenden Jä
ger folgten nach. Jn etwa dreiviertel
Stunden hatte man die zehn Kilo
meter zu den eigenen Votpofien zu
rückgelegt Unterdeffen wurde Leut
nant von Rafiit von dem Oberleuts
nant Weber des feindlichen Fiifilieks
Regimenis und deffen Leuten festge
halten und iroh feines Neinonfteie
tens zum Votpoftengtos geführt.
Dort mußte er fchtifilich bestätigen,
daß et gefangen genommen worden
war. Dann durfte er wieder zurück
Iehren.
Er fand aber von feinem Pferd
und von den Dkagonetn nicht eine
»Svut. Nach Auflach gehen und
jdokt einen Wagen nehmen« ionnte er
nicht« denn in diefem Dorfe lagen
fetndltche Ulanen, vielleicht sogar ein
Brigadeftab. Da blieb nichts übrig
alt fluchend auf der ftanbigen Chausi
see die zehn Kilometer zu Fuß zu
rückzntvandern.
Wütend kam er gegen 8 Uhr
abends im Biwat seiner Schwadron
an. Diese war aber ebenso wie die
Jäger schon ins Quartier nach Farin
hetm abknarfchiert. Nun mußte er
noch fast eine Stunde weite-wandern
Dann kleidete er sich um und eilte ins
Schloß.
Er lam gerade recht, als fchallende
hochs den festlich erleuchteten Speise
saal durchbrausten, und die Jäger
musit einen schmetternden Tufch blies.
»Was ist denn los-W fragte et
ziemlich bestürzt den Diener-, der ihm
geöffnet hatte. »Unse1 Herr hat fo
eben die Verlobung der Baronesse
Agathe mit dem Jägekoberleutnant
Woltar verkündet, Herr Leutnant.«
»Mit dem Jägerober — ah, ah,
ich verstehe.« Darauf machte er kurz
Kehrt, sprach kein Wort mehr und
verließ schnell das Schloß, ehe ihn
jemand aus dem Festsaal bemerten
tonnte. —
Da drinnen aber gings lustig zu
Die anwesenden Jägerossiziere und
ebenso ihre Kameraden von der Ka
dallerie gratulierten dem neuverlob
ten Paar so herzlich, wie selten, denn
Jedermann sreute sich über das Glück
Woltars und gönnte dein renommis
stischen Baron Kastit den Korb.
Als einer der Herren nach Letzte
rem fragte, antwortete Leutnant
Schort: »Er fiel, wie es scheint, in
einen seindlichen Hinterhalt, denn er
geriet bei Auslach iii die Gefangen
schalst der elsten Füsilierr. Vielleicht
geniert er sich deshalb zu tommen.'«
Damit sprach man nicht mehr von
ihm. Als später einmal Woltar und
Schott einen Augenblick allein bei
sammen standen, meinte letzterer lu
stig:
»Na, Freundchem unsere Kriegslist
hat doch geholfen!«
»Sie hat mich zum glücklichsten
Sterblichen gemacht und mich Dir
zu stetem Dant verpflichtet.«
»So soll es sein.« Damit gaben
sie sich die Hände. Dann eilte Wol
tar wieder zu seiner schönen Braut.
» «Braucht es nicht, Freund. Ein
Tandermal stehst Du mir bei.«
-
Der Iotisiiiittpnien
Erzählung von state Luboivsli.
LUnter dein slaniinenden rotgeiäibs
ten Nachthiminel loderten init zi
schendem Ausprasseln brennende Gur
benbiindel vorjiihrigen Haseniirohs
in die Läste, während der leichte
Schalbeschlag desz Schuppen-H kni
sternd und polteknd, von mächtigen
Flammen verzehrt und gestoßen. zu
Boden sank.
Der neucrbaute, erst seit wenigen
Tagen in Benutzung genonanene
Jungviehstahl des Großbauern Dar
ner wurde in dieser hellen Jenani
ninacht von einein bisher auf uner
tlärliehe Weise entstandenen Feuer
zerstört. Als der Besitzer endlich an
Ort und Stelle war, gab es nichts
mehr zu retten. Die hagere Gestalt
des alternden Bauern siaid vorn
übergeneigt, als wollte er sich in die
glühenden Fluten stürzen. Seine Au
gen schienen ans dein Kopfe zu quel
len. Drohan schwangen sich keine
starken Fäuste. Tann ächzte er aus.
Den Schaden an dem noch unver
sicherten Schuppen würde er schon
tragen, dasiir war er der reichste hier
in der Gegend. Wenn nur das nat
glatie, prachtige Jungvieh nicht auch
hätte daran glauben müssen!
Er konnte sich nicht langer beherr
schen. Er leuchte etwa-z heraus
Der, siir den es bestimmt war, ver
stand es indes nicht. Karl Wilvoct,
der älteste linecht des Großbaueim
arbeitete nämlich init sverzweiielter
Anstrengung, uin tie Flammen zu er
sticken. Aber ein anderer horte und
verstand, was der ohnmachtige
Grimm des Groß-dauern geschrien
hatte. Mit ein paar Schritten war
er vollends an der Seite des Ian
melnden und legte seine Hand aus
dessen Arm. »Ihr solltet Uneririese
nes lieber doch noch nicht behaupteii«,
mahnte er. »Es lönnie Euch leicht
Unannehmlichteit bringen!«
Da verlor der alte Dorner den
Nest seiner Beherrschung: «Jch soll
nicht sagen, daß der Karl der Brand
stifter gewesen ist — der Lump. dem
ich, gerade nach der heutigen Abend
suppe, meine Tochter zum andern
Male unzweideutig verwehrt habe.
Tausendinal sage ichs wiederl Zehn
Jahre ist er aus meinem Hose. Das
Herz meiner Tochter hat er mir ge
stohlen, daß sie mehr an diesem Kerl
als an mit hängt. Weil sie nieine
Einzige ist, dachte er, mich weich zu
kriegen. Nun er aber einsehen
mußte, daß er das gute Geschäft
nicht machen konnte, wollte er wenig
stens seine Rache tiihlenl«
Der andere versuchte noch einmal.
zu besänftigen. »Ihr wart doch
aber bisher so von diesem Menschen
eingenommen, Nachbar; und aus ei
’nen bloßen Verdacht hin soll man
seine Zunge nicht loslassen. Er wird
schon beweisen können, wo er von
ider Abendsuppe bis gegen Mitter
Inacht gewesen ist«. ·
Nein, das vermochte Karl Wilvock
nicht! Er stand mit fefizufmnsnens
gepreßten Lippen vor dem Großbaus
ern, wie auch später vor dem Richter,
und wiederholte eintiinig: »Ich schwö
re zu Gott, ich weiß nichts von dem
Feuer. Der Johannifpruch redeii
schon wahr. Es wird dereinst alles’
an den Tag tommen.« I
Niemand Erfuhr aber, wo et dieses
Stunden gewesen war. Jn inner«
Schlaflammer jedenfalls nicht Das
belundeie eidlich ein glaubwljxrigeri
Mitknecht. Aber dafür, daß e:, der
bisher völlig Unbeftrafte, das Feuer
angelegt habe, fehlte auch jeglicher
Beweis. So mußte er doch festge
sptochen we:den!
Wohin er sich gewandt hatte, nach
dem er vom Darnerschen Hofe ge
gangen war, wurde bald offenbar.
Ganz in der Nachbarschaft war er
geblieben. Dort hütete ce das Eigen
tum einer begüterten Witwe, die schon
längst ein Auge auf ihn geworfen
hatte. So wuchs allmählich Gras
über die Geschichte!
Nach einer Zeit kam, wie seither,
ehe er von der Liese Darner die herbe
Abweisung erfahren mußte, auch wie
der der Nachbar, der damals beim
Feuer so verständig und beginigend
mit dem alten Darner gesprochen
hatte, der Bauer Klughardt, zu
Gast. Er schien völlig vergessen zu
haben, daß die schöne Liese ihm einst
einen Korb gegeben hatte. Er saß
wieder in der Laube unter dein üp
pig wuchernden Pseifenkraut, tauchte
behaglich seine kurze Pfeife und re
dete mit dem Nachbar über die
Trockenheit und das große Lämmer
sterben. Ueber die Liese fah er vor
läufig noch fort. Aber ein aufmerk
samer Beobachter konnte doch bald
genug heraushaben,«daß er lediglich
um ihretwillen hierher gekommen
war.
Der alte Darner hatte nichts ge
gen diesen Schwiegersohn einzuwen
den. Er war ein tüchtixker Wirt und
pünktlicher Steuerzahler, trant und
spielte nicht« Als Hans Klughardt
ihm eines Tages erklärte, daß er,
troß des frühern abfchlägigen Be
scheids, in Gottes Namen noch ein
mal die große Frage an das Liesel
richten werde, nickte er bedächtig.
,.Habe nichts dagegen, Klughardt.
Redet mal mit ihr!«
Diese Unterredung fiel freilich
nicht nach Wunsch aus. Liese Dar
ner weinte still vor sich hin und sagte
endlich gequält: »Ich lann nicht ...«
Da begehrte die Leidenschaft«cchkeii
Ides andern auf. »Wie-im de.- an
dern, des —- Brandstifters, kannst
wohl nicht?«
Sie zitterte an allen Gliedern
»Du sollst ihn nicht so nennen! Er
ist es nicht gewesen! Wir werden den
wirllichen Täter schon heraugirwen
Kennst Du denn nicht den alten Jo
’hannispruch: Die kürzeste Nacht löst
alle Rätsel?«
Er lachte gezwungen auf. »Es
sollte mich freuen. Aber eine Ant
wort aus meine Frage ist das ei
gentlich doch nicht«.
»Ich heirate Dich nicht!«
»Auch nicht, wenn es feststeht. daß
der Wilvock der Senger gewesen ist t«
»Dann, ja!«
»Willst Du mir die Hand Ist-auf
geben?«
Sie sah an ihm vorbei. »Wozu«,
fragte sie leise.
Er drängte sich näher an sie bekan.
»Mädel. ich habe Dich tausencinal
lieber wie der Schelm, dem Du nach
trauerst und der sich doch längst mit
der reichen Witwe getröfxet haben sollt
Besinne Dich doch. Wer kann’s dean
anders gewesen sein, als er's Wo hatt
er in den Stunden, in denen dass
Feuer angelegt ist, gestecttt Sag mirs
das doch!«
Sie war einer Ohnmacht nahe.z
Sie wußte das auch nicht. Sie hatte;
'ihn beschworen, es ihr zu ver-raten.
aber er hatte nur den Kon geschüt
telt und weiter geschwiegen.
si
Die Junitage liesen iiber trocknes
Gras nnd sljegenden Sand wieder zu
dem längsten Tag iIn Jahre. MiN
Sonnenganz und Himmelblan wurdel
es abermals Johanni. Bauer Dar-i
ner hatte den Schuppen nicht an der
alten Stelle errichtet. Er war jetzt
zwischen Scheune und Pserdestall ge
ichoben, damit er beständig unter Au
gen stand. Aus die abgesahrene und
sauber zurechtgemachte Baustelle woll
te er jetzt Spätriiben pflanzen Er
eggie in eigener Person die Stelle
noch einmal an diesem Johann-Wage
ab. Die Knechte machten ihm das
nicht gründlich genug. Nahezu eine
Stunde hatte er bereits die festen.
spitzen Zähne der Engen in den
lockern Boden dringen lassen, als er»
sich plötzlich ein wenig aus-ruhen
mußte. Jhm ging wieder mai die»
alte Geschichte im Kopf herum. Dies
Liese mußte sich endlich zu dem hans
Klughardt bekennen, damit sie die
hohlen Wangen und den verzwe:ielten
Blick verlor. Schlimmsten Falles
zwang er sie dazu. Tiefsinnig starrte
er dabei auf die fchmärzliche Acker
trame und biickte sich, einen Augen
blick später, nach irgendetwas. Ein
Messer war ed. Er erkannte es so
sort wieder als dad, was er einsi aus
der Stadt dem Klughardt aus Ge
iölligieit besorgt hatte. Es Isite sei
nerzeit einen halben Scheffel Witzes
gekostet« besasz ein veestlbertes hest «
and einen Bärentops als Stempel in
Iet festen Stahlllinge.
Er kratzte mit dem Nagel Rost
ind Schmutz weg. Da kam richtig ·
der Bärenlopf zum Vorschein. Selt
iami Gerade an der ’"randstelle
Tag dieses Messer. Konnte es der
Klughardt aber nicht in der Anste
zung der vorjährigen Johannisnacht
Ierloren haben? Nein, er hatte es
Damals nicht verloren. Er war ohne
Messer gewesen. »Ich muß es ir
xendwo vertan haben," hatte er aus
des Großbauern Frage geantwortet.
Der alte Darncr sasz stumm und
steif aus seiner Egge. LEr hatte noch
in einiger Entfernung von diesem
Messer, ein Stück Kiennolz gefunden
-— und der Klughardtsche Wald ver
forgte die ganze Gegend mit Kien.
Eine schwere, dunkle Welle brauste
ihm plötzlich vor den Ohren. Klug
hardts Messer — sicher auch sein
Kien —- seine Liebe zu der Licie —
ccr Haß auf den and-ern und der
Wunsch, den Nebenbuhler endlich fiir
immer ans dem Wege zu räumen
Er stand auf, schierte die Gaule
los und winkte einen Arbeitsmami
oon der Grabendrmnage herzt-.
,,Bringt mir mal die Braunen in
den Stall. Hier, das ist dusiir!·
Dann ging er zu Hans Klughardt.
Der wurde blaß wie der Tod« als
der Großbauer zu ihm sprach: «,Euer
Messer, Nachbar. Auf der Brand
stelle habe ich’s gesunden. Und hier
— Euer Kienholz Wir andern ha
ben ja gar teine«Fichten!«
Der andere stammelte etwas. »Ich
weiß von nichts. Das ist mein Messer
gar nicht. Jch habe meins in der
Tasche.«
»So zeigts’ her!«
»Was sällt Euch ein! Aus meinem
Hause —- Jhr —«
»So haben Ivir nicht gewettet,
Hans Klughardt. Erst noch ein paar
Worte. Wißt Ihr, wer das Feuer
angelegt hat, um einei- andern in
Verdacht zu bringen? Derselbe, der
da sein Messer nnd Sein Kienholz
verloren hatt«
Es sprang wie ein Funke von Hof
zu Hos. »Der Klughardt hat’s ge
tan. Aber vor's Gericht tann er nicht
mehr. Er hat sich nämlich heute
nacht am Virnbaume erhängt Der
Karl Wilvoct aber ist ein Ehren
inann«.
Der zog, sobald das Gerücht vor
ihn kam, die langschästigen Stiefel
an und nahm sich einen kurzen Ur
laub. Er mußte das Lieset wisrersei
hen, mit ihr aus den Finien danken,
daß endlich der entsetzliche Schimpf
von ihm genommen war. Er sah auch
den Großbauern, und er sah seine
entgegengestreette Hand und nahm sie
ohne Groll. Es war wie einst. Er
saß mit Vater und Tochter an dem
nämlichen Tische. Nur, daß er setzt
ossen seine Augen zu der Geliebten
erheben du«-ste.
Plötzlich sagte der alte Bauer:
»Na kannst Du’s ja sagen. Wo bist
Du die Brandnacht gewesen, Kerer
ilnd der Besragte stotterte wirklich
sein Geheimnis heraus: »Die alte
Waldtatrin hatte mir g:sagt, daß in
dem Lehmberge ein Schatz liege, der
bloß in der Johannisnacht zu heben
sei. Da war ich damals hint«
Da mußte der alte Darner wi
der Willen lant herauslachen. »Den
Schatz hattest Du ja wirklich, K.irl«,
meinte er dann mit einem Blicl auf
seine liebliche Tochter. »Mach nur,
dass er wieder blank wird. Damit es
leine Johannisnacht gibt, die Euch
mit ihrem Spruch Leid-«- bring:t«
Da sahen ihn die beiden Jungen
fest an· Und er merlte es: das war
teine Johannisliebe in ihren Her
«!.eii, sondern ein starkes, heilige-; Le
lcnsseuer, das erst erlosch, wenn sie
selbst zu Staub und Asche wuri—en.
s
Sei-den tu der Mark Brandenburg.
3n Ende deg -.4 Jahrhunderts er
faßte verschiedene Stamme der alten
Gernmnen ein Wandertrieb, der sich
bis nach Norbnsrita erstreckte. Die
verlassenen Wohnplatze wurden Von
den Serven (Sorben- oder Wenden
eingenommen. So isi z. B. das heu
tige Lübbenau in der Mart nusbem
uralten Lubin hervorgegangen Die
serbischen Einwanderer z. B. in Vet
schau, stottbug und Burg wurden
sriedlich gernianisiert. »Es ift«,
schreibt Andree, »ein allmähliches
Einschlasen, dem die slawische Spra
che hier unterliegt, und dem germa
nisierten Slnioen eröffnet sich dadurch
ein weiterer Horizont.« . . . Ein gro
ßes Verdienst hat sich der serbische
Gelehrte Snmler erworben, der um
1846 alles Wendische sninmelte. Das
Eigenartige des Wendentums im
Spreewnld gibt folgendes Rätsel wie
der: Der erste schlängelt sich in Wie
sengriinden, mituntee auch durchs
zweite hin. Das Ganze ist im
Deutschen Reich zu finden; ganz et
genartig schaut es aus darin. Aus
lösung: Spreeivald. Wendis
Vollglieder hat übrigens auch hof
Inann von Fallersleben dichterisch
lviedergegeben, der bekannte Dichter
von »Deutschland, Deutschland über
alleö.« H