Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, April 24, 1914, Image 1

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    Nebraska
HERij sancmer M M
aaaaaaaaaaaaaaaaaaa
Der Kampf wider die pkoliivijjsis
Dieselbe non einem anderen Standpunkt aus betrachtet
An den Schristleiter des »Anzeiger«!
Geehrter Derti
Jn dem soeben erschienenen März
deii der Monat-schritt »Der deutsche
Kulturintqu isi einbdchst beachtens
weriher Artikel enthalte-» betitelt »Der
Keim-s wieder die Prohibition« von
Pfarrer Dr. Johannes Schubert.
Derselbe verdient von allen Deut
schen gelesen zu werden. Und richte
ich deshalb die Bitte an Sie, ihn un
vertiirzi zum Abdruck zu bringen —
Miit« endlich einmal unsere guten
Landsleute, die sich so leicht in eine
falsche Sicherheit wiegen lassen, aus
ihrem süßen Schlummer aufgeweckt
und veranlaßt werden, die Zeichen der
Zeit unbefangen zu betrachten und un
erschrocken auszulegen. l
Der Artikel selbst ist so einsach ttberO
zeugend gehalten, daß Keiner, der ihn
liest, seinen Sinn leicht mißversiehen
kann.
Und wenn dann Jeder, der die dar
in enthaltene Wahrheit erfaßt hat, nun
auch ehrlich aenug ist, die Nun-inwen
dung daraus zu ziehen, so ist zu hof
sen, daß wir über turz oder lang auch
dazu gelangen, uns die Frage vorzu
legen:
»Ja welcher Weise vermögen wir
Deutsch-Amerilaner dazu beizutragen,
daß gerechtere allgemeine Verhältnisse
geschaffen werdens
Undswas haben wir zu erwarten
wenn es nicht gelingt, eine »Ordnung«
zu schaffen, die dem Aermsten wie dein
Reichsten g e recht wird, d. h. einen
je den Menschen im Genusse seiner
»bürgerlichen Rechte« schith —- und
andererseits auch strenge daraus achtet
daß ein Jeder seine »bürgerlichen
Pflichten« treu ersiillti«
Das sind Fragen, die einen jeden
dentenden Menschen nahe beruhte-n
und zu denen Jeder srlther oder später
Stellung nehmen muß.
Wenn Sie, Herr Schristleiter. Jllre
eigene Meinung itber den Inhalt des
vorliegenden Artikelg turz darlegen
wollten, so mlirde wahrscheinlich eiu
großer Theil Jhres Lesertreises eine
solche Darstellung von ihrer Seite mit
Freuden begrüßen
lVoll-achtend
Dr. Jul. Lingenselder.
I O
s
Lasfen ivir nun Pfarrer Tr. Schu
beri’s Ariitel folgen. Derselbe lautet:
Der Kampf wider Iie Prohiiitiom
»Machtig fluthen die Wogen der
Prohibitionzbenpegung liber das ganze
Land. Nationale Prohibitionl lautet
der Zchlachtruf. llub der endgültige
Erfolg fcheiut nur noch eine Frage der
Zeit. Nicht als ob es am Widerspruch
fehlte. Als getreuer Cckart erhebt in
ionberheit ber Deutfkh s Amerilanifche
Nationalbunb feine Stimme und will
alle freiheitlirh gefinnten Bürger zum
Entfcheibungstampfeaufwecken. Laut
und vernehmlich fchallt von Philabels
phia her der Ruf: »Auf zum Kampfe
fllr die bebtohte perfonliche Freiheit!«
Jch fürchtet er wird ungehört ver
hallen! Weil es ein Ruf zum Kampfe
gegen Winbuilihlen ift. Ju früheren
Prohibitionsbewegungen war das an
der-. Da ging das Prohibitionsftres
ben von religibfen und ethifchen Be-·
weggriinden aus. Die Prohibitioni
flen früherer Jahrzehnte waren reli
» giåfe Jammer- die in der völligen
Entlzaltiamteit das hochfte heil bei
Billet und des Einzelnen sahen und
mit Wen-alt dies hocher heil
den Widerfteebenben aufzwingen woll
ten. Solchem verfuthteii Gewissens
zioang gegenüber war die Berufung
auf die perfbnliehe Freiheit angebracht.
Dies ift heute anders. Wer die heu
tige Witten-is seit semi
zden der persönlichen Freiheit schlagen
Will, kennt die Zeichen der Zeit nicht.
Natürlich giebt’s auch heute noch
unter dem anglo-amerikanischen Kir
chenvolle religiöse Fanatiter, die durch
Prohibition die Welt moralisch bes
sern wollen. Aber das sind nicht
mehr bte treibenben Kräfte der Bewe
gung; es sind betrogene Betrüger.
Auch heute noch brauchen die Führer
der Anti-Saloon-Liga und ähnlicher
Vereinigungen die religiösen und mo
sraliichen Redewendungen und Schein
lgrünbe sitr ihre Bestrebungen, aber bie
wissen ganz genau, daß sie damit ihr
Ziel nie erreichen. Sie glauben selbst
nicht daran, und brauchen die frommen
Reben und gottseligen Argumente nur
zum Stimmenfang unter dem Kirchen
element. Deshalb ist es ihnen auch
im tiefsten Grunde ganz einerlei, ja
sogar angenehm, wenn wir mit gro
szem « Stimmenauswande Reden fiir die
spersbnliche Freiheit schwingen und un
Lsere Kräfte in nuylosem Streite gegen
religiösen und ethischen Gewissens
«zivang vergeuden. Jhre Starke liegt
Ian anderem Gebiete.
Die Pkohibitionsbewegungen fru
herer Jahrzehnte hatten einen idealen
Zug. Sie waren getragen von - einer
zwar vertehrteaysaber innerlich tief
grtindigen moralischen Uebeizeugung
»Sie betumpften das Trintilbel wie die
alten Piiritaner die Deren verbrann
ten tu Gotte-I Ehre und des Nächsten
SeelenhetL Was sie davon im Munde
führen, ist Heuchelei. Jhr Hauptar
gument liegt nicht auf religioesethis
schenr, sondern auf mirthschaftlicheni
Gebiete.
Der Alioholgenust bezahlt sich nicht,
rufen sie. Nicht fiir den Staat. denn
Eer fitlltdie Gesangniise, "5rrenhauser
;iisw. und vermehrt die Eteuerlast.
Auch nicht siir den Einzelnen, denn er
Jverniindert die Leistungsfähigkeit iin
’Berufe und den Wohlstand. Die Sta
Etistit, die sich bekanntlich zu Allem miß
ihrauchen laßt, must das beweisen
illnd weil der gemeine Mann die Leh
lren der Statistik nicht leicht faßt so
werden handgreifliche Beweise ange
wandt. Da jagt z. B. eine Eisen
bahngesellschaft mitten im lalten Win
ster stin) Angestellte ans Arbeit und
sterdienst, weil sie außerhalb der
sTienitstnnden ein Mag Bier getrnnlen
haben. Andere grosie Jndnstrieiinters
nehmen laisen durch die Presse vertrin
den, das; sie hinfort keinen Arbeiter
mehr aniteiien, der ,,trinit«. Taz
wirkt. Wenn dem Manne, der auf
sein Glas Bier nicht verzichten mill,
von den Arbeitgebern das tiigliche Brod
abgeschnitten wird, so macht dir-Z einen
tieferen Eindruck ais alle Dolienqnals
Schilderungen, init denen die Tempe
renzprediger früherer Zeiten die from
inen Seelen zur heiligen Abstinenz be
lehrten, Man frage nur bei den Ar
heitern an, welche Folgen es fiir sie
hat, wenn sie sich weigern, eine Tem
perenziPetition zu unterschreiben, eine
AntiiSaloonsLigasParade Initzinnas
chen oder znr Billy Sundaysisolleete
freiwillig beizutragen! Hinter der
heutigen Prshiiitisnsiewesung flehen
die tapiislisissen Interessen mit ih
rer ganzen sacht. Unsere ist-obtain
talisen liefern der UntiEalumLisa
sie vnershipfiiihen Mittel zu bei
Mesisser Isiisiism Sie haben die
anglo-amerikanische Presse nnd Kanzel
in ihren Sold gestellt, um unter Bei-;
feitefeiung aller anderen Fragen die
Probibitionsfragetilglich neu in die
Massen zu werfen. Mit scharfem
Auge lesen sie die Zeichen der Zeit.
Sie wissen, daß die wachsenden Rie
senvermägen auf der einen Seite und
die steigende Berarniung und Bereleni
sung der Rassen anf der anderen eine
.
Alea jacta!
P
i
W.-«H.
«
Und wiederum die Ranken-Waffen klirren,
Und wieder Krieg und laütes Kriegsgeschrei,
Und unheilfchwangere Gerüchtk irren
Herum, was wohl der w a hte Grund des Kampr set.
Gilt es, Zu schlichten die polit'schen Witten
Das merikan’fche Volk zu mackkn f r e i ,.
Dann ist der Waffengau nach dort zu preisen,
Muß es geschehen auch du ch Blut und Eisen.
Mit blut’gen Lettern schrieb nian die Geschichte
Bisher der mexitan’ichen Betaut-tin
Ein jedes hbh«te Streben wird zunichte,
Greift man aus blutige Gewalt zurück.
Nie sonnt man sich im goldnen Freiheitslichte,
Wo Aufruhr niedertritt der Menschheit Gliictz
Durch Revolution nnd Dittatoren
Noch niemals wahre Freiheit ward geboren.
Man lann die Freiheit einem Volk nur geben,
Wenn es sie wünscht, will nehmen in Empfang;
Wenn es erfüllt von diesem edlen Streben,
Dann immer schon die Freiheitsglocke klang.
Doch wenn sich Haß und Leidenschaft erheben,
Da wendet sich die holde Göttin bang;
Wo nicht das Glück weilt und der holde Friede,
Da bleibt die Freiheit immer eine Mnthe.
Der Revolutionen Sturtnaelajge,»
Des Krieges eehlachtens und Zerstörungspfad,
Sie unter-wühlen jedes Staate-gehande,
Jedwedes Streben, jede bessre That.
Ein Volk nicht ieine beste Kraft vergeude
Jm Bruderlampie; es ist böse Saat,
Aus welcher neues Unheil stets entsprossen
Und neues Blut im Streite ward vergosiein
Cz tobt der Kampf nun unten fern im Süden,
Mög’ es dem Volk ern Katan für Freiheit fein,
Für inn’re Ruhe und für inn«ren Frieden,
Und mag Columbia sein Hüter sein.
Und wo jetzt nur die Leidenschaften winden,
To ziehe Ordnung und Gedeihcn ein
Des Volkes Glück. Der Friedensennel neige
Sich lächelnd nieder mit dem Palmenzweigel
tiestvnrzelnde ilnznsriedenlseit erzeugt
tmben, die nicht mehr zn damnien in. ?
Die Arbeiter sanan an, nach den lit
sachen ihres Elends zu fragen; sie zwei
feln an der tsterechtiateit unsere-Z tum
listtschen Wirtlischnftgsnstenisz. Tie
Stimmen des llmstnrzes und der die
volntion werden drohenden Eoslange
es gelingt, die Aufmerksamkeit der
Menge von den wahren Ursachen ihrer
Laaeabi und auf eine Nebennrsache
hinzulenken, ist das »System« sicher.
Nichts ist einfacher und billiger, als«
dem armen Manne weiß zu machen,
dasz der »Damit Rum« an allem sei
nem Elend schuld ist. So lange die
Pohtbitioutm Gange gehalten wer
den stau, sind Kapitals-mai nnd
»Zum-essen« vor einer wahrhaft so
zialen Reform oder gar tm- einem
völligen sozialen Umstuez geschützt.
Und sintentalen Geschichte und Minu
rung lehrt, hast weder Trintgetuolsu
heiten noch Trunksucht auf geseglichesu
Wege auszurotten ist, bleibt dtc Heut
eine Schraube ohne Ende, die inuner
von Neuem angesetzt nieroen kann, um
bas ,,Voli« angenehm beschäftigt zu
halten, ohne onst die besitzenden Klas
sen die Rechnung bezahlen müssen.
Mittlerwetle aber dient die Bewegung
»dann die lecten Reste wirtbschaftltcher
Selbststttnbigieit in den Massen zu
zerstbeen nnd vie Arbeiter auch poli
tisch und sozial in völlige Abhängig
leit vom Kapital zu brinaen. Jst der
Arbeiter von heute schon Lohnsclave,
so ist bie Pkohibition verletzte Schritt,
ihn politisch zu entmtlnbigen, und der
ersie, ihn auch ln seinem Peivatleben
zu i.-11!red)tm. Dagegen helfen keine
Beschlüsse und Reden über persönliche
Freiheit Nur eine thatkrästige Um
geflatznng unserer gesammsen mieth
schasilichen Verhältnisse kann das
Uebet der Prohihitionshesze überwin
den. Und dazu fehlen uns nicht
zum mindeste-r auch in deutsch-ameri
kanischen Kreisen —— Einsiele Mille-.
Kraft und Muth!
N a eh s ch r t s t: --- Lbizser Ar
tilel war gerade beendet worden, alsJ
uns ans Vandergrist, Va» gemeldet
wird, das; der ,,Tin Plate Trust«
seine Arbeiter angewiesen hat, bei
Strafe der Entlassung sofort aus allen
Vereinen auszutretem in denen geistige
Getränke zum Augsehant tonnnen; ser
ner ist ihnen unter Androhung der
gleichen Strafe verboten worden, Li
zensaesuche zu unterschreiben
Tiefe Behandlung der Arbeiter ist
denn doch wohl nichts Anderes als
ZelabereiI Aber was nützt es, in sol
chen Fallen von schändlichen Eingrif
sen in die ,,persönliche Freiheit« zu
lainentireni —- Der Trnst lehrt sich
daran nicht! Und die Trustsclaveu
mltssen es sich gefallen lassen, wenn sie
nicht hnngern wollen. —- «Persönliche
Freiheit« ist ein Wahn unter dem ge
samte-artigen System wirst-schriftlicher
IKneehtschastt —- Das müssen unsere
Arbeit-er erst einsehen lernen. Der
Willltir der vrivilegirtensVollsauss
beuter muß eine Schranke gesetzt wer
"den. Der Arbeiter leistet seine Arbeit.
zDasilr erhält er Bezahlung. Das Pri
svatleben des Arbeiters geht den Ar
beitgeber nichts an. Wandel sum
Besseren kann nur an der Wahlnrne
geschaffen werden. Aber alle ehrlichen
und aufgeklärten Menschen sollten da
fttr sorgen, daß der Arbeiter nicht aus
einem Ertrem in das andere fällt.
Hier giebt es Missionsarbeit fiir den
Nationalbund zu verrichten; praktische
Arbeit, nicht nur der Ruf nach persön
licher Freihettt —
II s
I
Nachschrif·t! — Wenn es mir
gestattet sein sollte, noch einige Worte
über die Hertunft des Artikel-s hinzu
zu fügen, so möchte ich erwähnen, daß
»Der deutsche Kulturträger« — Mo
uatsfchrift für die Kulturarbeit des
Germanenthunig deutscher Zunge —
Wherausgegeben von Fred R. Minuth
yin Grand Haben, Mich., einen deutsch
xtulturellen Standpult vertritt, der ihn
Iverbientermaßen in nicht zu ferner Zeit
’zu einem wichtigen Faktor besonders
Yunserer deutsch - ainerilanischen Ge
schichte werden lassen wird. Ein jedes
seiner Hefte bringt beachtenswerthe
Arbeiten ans berufener Feder. Und es
ist nn Interesse unseres g an ze n
Volks-Wams dringend zu wünschen,
»daß er weitestc Verbreitung finde, auf
daß er seine Ausgabe auch erfüllen
tann und beizutragen vermag zur Ver
edlung aller Herzen, die im ganzen
Lande echt d e n t s ch denken und em
pfindenl
K- K
IAnmertung der Reduktion.
Vorgebender Artikel Pfarrer Dr.
iSchubert’-Z behandelt die Prohibitions
frage you einem« Standpunkt. welcher
unseren Lesern und überhaupt den
sMeisten der liberal gesinnten Bevölke
Irung dieses Lande-z fremd nnd nen er
Hscheinen mag, und dennoch ist gerade
Jdamit der innerste Kern, das thatsäch
!liche, wenn auch klug verhüllte Leit
Imotiv der Probibitionsbewegnng be
srtthrt und seiner Hülle entlleidet wor
’den. Tie ganze Frage ist damit ent
schleiert, das Licht des Tages wirft sei
nen grelten Schein auf sie und lüszt sie·
als das erscheinen, was sie eigentlich
ist: eine Art Vliszableiter des droben
den llngewitterg, das in der Lust « un
serer Zeit liegt nnd unser heutiges
staatswirtbschastliches System klaren,
reinigen resp. berandern mag. Man
fürchtet, das-, das Voll, wenn ilsm Ge
legenheit gegeben wird, über seine ei
gene mißliche Lage, seine Unfreiheit
und sein lslend sowie über die Ursachen
desselben natlmidenteth dieses ,, System«
zertrümmern mag — man fürchtet das
geistige tirwachen des schlafenden Rie
sen und dessen logischc Schlußfolge
rnngen, darin aimelnd, das; die tier
tenntnis; sich ais-J Tageslicht ringt,
dieses kapitalistische Urkirthschastgshsteni
habe die Grenze zwischen Mensch nnd
Mensch verrückt. Man fürchtet das
Ausdannnern des Gedankeng, das; nn
ser heutige-S tahitalistischeiz Wirth
schaftssnsteni zwei Klassen geschaffen
hat: nanienlosz Reiche nnd nanienlos
Arme; ferner nnninschrantte Macht anf
der einen Seite schuf, grenzenlose Ohn
macht anf der anderen. Dieses Auf
dannnern seiner Lage soll die Volks
seele nicht erfassen, sie soll in geistiger
Ztuinpfheit verharren, um sie desto
fester ain Zügel in haben und sie desto
mehr den ausbreitenden Zwecken der
Kapitalrnacht gefügig zn machen· Die
Unterbindnng allgemeiner und indivi
dueller Freiheit ist hierbei ein wichti
ger Faktor, denn sie bedingt Abhän
gigkeit von der es niederzwingenden
Kavitalniacht hinsichtlich der Existenz.
Es gilt alio, das unter der Knecht
schastsgeißel des Kapitaliömns leidende
Volk nicht erkennen zu lassen, das der
Großtapitaltsmus und sein Wirth
schaftssystem sein Elend verursachen,
das ihn zum Partei unserer Zeit stem
« pelt, lenkt seinen Blick daher von dei
Hauptursache auf eine Nebenursache,
beschäftigt damit sein Denken, unt
diese Nebenursache ist die Prohibtionss
bewegung, welche zugleich dem Zweit
dient, ihm die tndtviduelle Freiheit zu
beschneidenx abhängigen ohnmächtiger
zu machen, um solcherweise sein Opfer
desto sicherer am Vungerstrick zu haben.
O, unsere kapitalistischen Machthabet
sind nicht so beschränkt, sie sehen klar,
kennen die Gefahr ihres despatischen
Handelns gegenüber dem Volle, und
wissen daher, was sie thun und was
ihnen frommt, diese Macht zu verlan
gern, obgleich sie erkennen, daß es nur
eine Art Galgenfrist istl -
Und haben unsere nationalen spott
lichen Spiele hauptsächlich das Base
ballspiel, einen anderen Zweck als den«
das Volk von Dingen und Fragen ab
zulenken, welche geeignet sind, dasselbe
aus seine eigene Mifere und die Grund
ursachen derselben, in der lapitatisti
schen Despotie begründet, aufmerksam
zu machen? Mit Riesensummen trägt
der Kapitalismus dazu bei, den Base
sball-»Karyphäen« unerhört hohe Sa
ilüre zu bezahlen und die:Begeisteruug
des Volkes-für das Spiel rege zu er
halten, und dies gelang ihm soweit
auch. Aber wie Wenige erkennen die
tiefer liegende Absicht, daß es nur da
zu dient, in erster Linie ein Ablenker
des Vollsdenleus aus die Probleme uns
serer Zeit zu sein. Und selbst viele
der Julelligeutesten sehen in dem Spiel
nur den Nationalsport und nichts An
nae-L Das Timeo Danaos et dona
kerentes (icl) furchte die Danach wenn
sie tjtcschente geben) sollte auch gegen
über unseren sur solche Zwecke große
Summen verschenkeLden Millionären
dein Volte die Augen öffnen. Und
schon im alten Rom manipulirte man
«an ähnliche Weise seitens des Patri
lzierthiinis um die Plebejer davon ab
zuhalten die Gedanken ans ihre eigene
Lage zu lenken: Man unterhielt sie mit
Spielen Und gab ihnen gerade genug,
den Hunger zu befriedigen Cum-m et
circenses). Das Stillen des Magen
tnnrrens und Zerstreuung lnllen das
Denken des Volkes ein, das nur er
livacht resp. sich bethätigt, wenn der
Hunger vor der Thlir steht und die
» Stlavenkette rasselt Dann aber wird
Idie Vernunft ausgeschaltet und die
irohe Kraft bricht sich ost in entsetzlichet
Weise Bahn, die Leidenschaft reißt alle
, Zchranten nieder.
i Ein ahnlicher Schachziig zum Ein
ilullen des Volksdeiikeus resp. zur Ab
lteukuug von den brennenden Proble
i·iieii unserer Zeit ist die jetzige Prohiss
zbitioiisbeioegiiiig.
« Die Proliiliition Von diesem Stand
lpuukt ans betrachtet, wird daher den
iRiif nach persönlicher Freiheit wir
ikiiugslos verhallen lassen. Der »An
Izeiger« hat schon des Oefteren betont,
das; die ganze Prohibitiousbewegung
einen diel tiefer liegenden Mund hat
nnd daß die lfjetrantefrage in unserer
ltjegeutuart nur den Mantel bildet,
welcher den Kern der ganzen Bewegung
verhüllt· Tie sogen. persönliche Frei
heit geht dabei freilich mebr nnd mehr
in die Kriiinpe, und dies kommt in ei
ner Hinsicht unseren kapitalistischen
Machtbabern auch gelegen, aber diese
zreiheitsnnterbindung ist nur eine
iFolge, eine Nebenursache der tiefer lie
genden Hauptidee der Probibitiongbe
ioegung unserer Gegenwart. Dieselbe
konnte schwerlich eine so riesige Propa
ganda entfalten. wenn sie von den Ka
pitalinterefien nicht mit ungeheuren
Summen unterstützt würde. Und
diese Riefenbeitrage erfüllen ihren
Zweit: Prolsibition ist zur Zeit der
Schlachtruf im ganzen Lande, und das
Voll tuird damit so intensiv beschäf
tigt, daf; ihm der Gedanke faft fern
steht, unter der Knechtfchaftsfuchtel des
Kapitaligmus zu stehen, und während
dem tnechtet derselbe weiter und macht
das Volk noch mehr von sich abhängig,
entrechtet es mehr und mehr, so lange
es möglich ist« Der Kapitalisnius
weiß, daß er auf einem feuerspeienden
Vulkan feinen Cancan tanzt, doch er
wiegt sich in der Sicherheit, daß die
Eruptison noch inder Ferne steht, daß
- dieses von seiner Elendslage solcher
(Fortseyung aus der 4. Seite-)