Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, August 22, 1913, Page 2, Image 2

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    g -
Es
Primingiroman von M Musikin.
is .. Entsetzt-H
Fix.
II Werber-g war selige Zeit. Lisa
.chwcrnin in einem Meer von Glück,
nnd Proer brachte jede freie Stun
de —- also so ziemlich den ganzen
Tag und einen großen Teil des
Ahnds —- bei ihr zu.
Weder das Brantpaar noch die Ba
rmitt, die fast die ganze Zeit über in
der Wäschetammer mischen der
Marnsell, zwei Näher-innen Bergkn
von Leinwand und Stößen von
Prospekten verbrachte. machten sich
viel Sorgen übe-r des grilliger alten
Senkenderg unsreundliche Haltung
gegen sie.
Er hatte die Verlobung Prosvets
mit eisiger Miene zur Kenntnis ge
nommen. eine Vorstellung der Braut
aber verläusig abgelehnt.
sSpäter vielleicht. Jetzt siible ich
mich nicht wohl genug, neue Bekannt-«
schasten zu machen« sagte er.
In der Tat sah er hagerer und lei
dender aus als je zuvor. und Peter
Mart steckte es dem alten Fräulein
Renate losschiittelnd, daß die Lichter
in seinen Zimmern jeden Morgen
ganz herabgebrannt seien — ein Be
weiQ daß Herr v. Sentenberg keine·
Nacht schlies.
»Er ist ein Querlopf und Weiber
basser«, sagte Prosper ärgerlich. »aber«
dafür können doch wir nichts-? Jch
wette, wenn er Dich nur einmal sähe
Lisa, er wäre betet-etl«
»anwischen aber verlierst Du mei
netwegen wahrscheinlich die Anwart-·
schaff ans Senlenberg!·« verseste sie
totett. ,.Wird es Dich nie reiten?
Werde ich Dir immer so viel wert
sein?"
«Siiße kleine Närrin! Nicht für
zehn Herrschaften wie Sentenberg
gäbe ich Dich ber! Goiilob war ich
nie ein Erbschleiheri Und zu le
FZIZ haben wir ja genug, Erich und«
i .«
»Schließlich wirft Du dafür jaj
auch Herr von Mauerberg«, mischte
sich die Baronin, die ganz verliebt in
ihren Schwiegersobn war. ein. »An»
einem hochzeitstag tm Septemberl
lasse ich alles gu! euch überschreiben
Ind behalte mir nur eine kleine Wit
wenkwhnung im Seitenfliigel vor. Jch
freue mich kindisch, all den Krarn
Von Verrechnungen mit dem Jnspel-·
tor dann los zu fein!«
. Fräulein Renaie, die nun fast täg- ·
lich nach Mauerberg zu ihrer jün
geren Freundin karn, schüttelte dazu -
aber jedesmal bekümmert den Kopf.
« «Bitter ist es doch, daß Joachim so
patrtöpfig ist! Jch weiß bestimmt,
er leidet selbst am meisten darun
ter, denn er hat Profper sehr lieb
gewonnen, nnd wir gewöhnten uns
beide daran, ihn ais zukünftigen
denn von Senienberg zu betrachten.
Gott weiß, wie es jetzt werden soll!«
»Nun, vielleicht gefällt euch der
andere Neffe, dieser Lavandal, doch
noch besser als Du dentftl« beschwich
tiaie die Bart-nich .«Schließlich hat
er als älterer nnd, wie Du hast«
mittelloser Mann doch eigentlich den
ersten Anspruch!«
Fräulein v. Senlenbergå Gesicht
serfteinerte piötzlich zu unrewohnter
härte.
»Mir wird er nie acfallenk« sagte sie
kurz, »e-? genügt, daß er ein Lavandal
ist! Sie tauaten alle nichts!« Sie
erhob sich und griff nach ihrem Re
iiiijlf
»Wann kommt er denn?« fragte die
Baronin.
»Heute nacht! Und nun muß ich
wohl heimgehen« —— —
Am Spätnachmittag, da dieses Ge:
spräch stattgefunden hatte, saß Me
litta v. Brankow allein auf einer
Bank in der Nähe des Parteingan
ges
Das Brautpaar spielte aus der
Terrasse eine Schachpartie, die Baro
nin war, nachdem Fräulein Rethe
gegangen, wieder in ihrer geliebten
Wäschekammer verschwunden, um sich
mit der Mamsell über Lisas Aus
siattung zu beraten. · . ein Thema.
das ihr unerschöpflich dünkte und
dein sie nie genug Zeit widmen konnte.
Jtn Park duftete es nach Ro
sen nnd Jasmin, ein sanfter Wind
strich durch die Lindenallee, in der
Mecitta saß, und wehte zuweilen et
Irr Regen diirrer Blütenblätter her
Sic dachte an Felix. Der Arme!
Während hier des Sommers Pracht
vertauschte mußte er zwischen dump-;
sen Kerkerrnauern sitzen und sah viel-«
seicht kaum ein Stückchen blauen
himmeM Oh er sich auch so Hasses
tachiht sehnte wie siestchnachi k·
cis ana- m:k, daß er wußt-, sie!
hielt fes an ihm. . .
»M- Mis Wes-g ig
a e, eine n u «
Meu. Ihrr fest, da Monat
Ist M " thue da mau.
us sur einen erst-uns
Wiss W Gedanken in«
Wie ZEIYLCIEFZ Sie eriiftstterie Fuss
—- es Erst-! ia nich agisgtkbesxtsnT iin"
von Eilag Essen-incl. der sich feiner
asias doch mit so Viel Eifer und
Zuversicht angenommen hatte, seit
Wochen kein Lebenszeichen!
Hatte ek die Funke ins now ge
Wstfmf Martia schrieb auch kleine-tü
iia in der leßtea Zeit. Erst gestern
-wieder. wo sie sagte:
»Sie halien ihn alle ausnahmslos
für schuldig. Jch glaube, ich bin die
einzige, die deirniich noch an seine Un
ichuld glaubt. Ganz insieheint, denn
Papa würde mir nie gestatten. es anz
zUsprechen. Ach mein armes Kind.
ich fiirchie —- ich fürchte so sehr, Du
wirst ihn Dir doch aus dem Kopf
schlagen müssen. . .«
»Nie!« sagte Melitta in Gedanken
an diese Worte ihrer Mutter nun
laut und heftig.
Dann schrai sie plötziich zusammen.
Ein kleines. schlau aussehendes Ban
ernbiirichchen hatte sich zum Parttor
hereingedriickt, sie einen Augenblick
zweifelnd betrachtet nnd dann bald
laut: .Pfi!« gerufen.
»Willst Du wa5?" fragte sie ver
wundert. ihn nähern-intend.
»Ja! Sie sind doch Fräulein Men
del?«
»Allerdingsi«
»Die Gesellschafterin von die Da
mens itn Schloß da?«
»Ja! Warum denn?«
»Ich soll Jdnen das geken. Ganz
heimlich. Und er wartet draußen
bei den drei Fichten auf der Land
straße.«
Damit drückie der Junge ihr ein
zertnitiertes Billet in die hand und
verschwand wie der Blitz.
Sehr verwundert öffnete Melitta
das Billet. Aber ihre Züse ver
änderten sich jäh. als sie ie be
kannte Handschrift Silas hernpelö
erblickte.
- « sc s- -s--- .
»Kommen Sie, sobald es ohne·
Aufsehen geschehen kann. Muß Sie
unbedingt sprechen. S. .«
Fast jubelnd lief Melitta sofort
aus die Landstraße hinaus. Gottlob.
er hatte die Flinte nicht ins Korn
geworfen! Endlich würde sie etwas
Neues hören! Und vielleicht etwas
Gutes-!
Die drei Fichten standen nur we
nige Schritt vom Parttor entfernt.
Als Melitta sie erreichte, ftutzte sie
erschrocken.
Der Mensch, der dort stand, war
ja aber gar nicht Herr HernveL Ent
täuscht wollte sie umkehren
Aber er trat rasch aus sie zu.
»Stoßen Sie sich nicht an der
Verkleidung. ich mußte sie anlegen,
um nicht vielleicht doch erkannt zu
werden«, sagte er. »Ich bin’O
schont«
»Ich hätte Sie im Leben nicht er
kannt unter dieser Maske! Wenn stel
len Sie denn vori«
»Das wird von Jhren Mitteilun
gen abhängen. Sie verkehren doch
hoffentlich mit den Bewohnern auf
Sentenberg, Jhren nächsten Nach
darni«
»Seht sogar! Lisa Lauterbeck ist
mit Prosper v. Rodenbach verlobt,
nnd dessen Tante, k räulein v. Sen
tenberg, ist die be Freundin der
Baronin.« E
»Seht gut! Es gibt nlso auch eine.
Tante aus Sentenbergi Die Frau
des Bestherslk -
»Nein! Seine Schwester!«
»Und er selbst? Was siir einen
Eindruck machte er Ihnen?« «
»Sozusagen gar keinen, denn ich
kenne ihn nicht« Jch glaubee, ich sah
ihn nur ein- oder zweimal ans der
Ferne iin Part, wenn wir nach Sen-H
tenberg kamen, das alte Fräulein zu
besuchen. Er ist ein Sonderling und
sehr menschenscheu.«
»Wie sieht er ansi«
»Gkoß, hager, etwas vorniiber ge-.
beugt, mit sehr furchigern Antlitz, so
viel ich sehen konnte. Liebenswürdig
oder einladend sieht er jedenfalls nicht
aus«-.a
»Nu: natürlich!« nickte Hempel be
friedigt. "
»Warum fragen Sie nach ihm?«
»Sie sollen es sogleich erfahren.
Nur eine Frage noch: Erwartet man
nicht Besuch auf Sentenberg?"
»Allerdings! Einen Neffen, hertn
Felix v. Lavandal. . . aber ich he
greise wirklich nicht. . .«
»Erinnern Sie sich an Jhre Be
aegnung mit dem angeblichen Dr.
Richter in Wien?«
»Sehr gut! Und er war es auch
bestimmt, obwohl Sie es mir nicht
glauben wollten und behaupteten, er
sei tot. Jch habe ein scharseg Ge
dächtnis für Physiognomien!«»
s ,Sie hatten in der That recht.
Nur heißt dieser Herr in Wirtlichleit
Felix v. Lavandal!«
l Melttta prallte erbleichend zurück.
« «Lavandal?« stammelte sie dann
schwer atmend, «Lavandal? Was soll
Idas bedeuten? Sie wollen doch nicht
Gebannten . .«
»Ich behaupte vorläufig gar nichts,
als daß dieser Lavandal eine fabel
haste Aehnlichkeit mit Richter hat, der
galler Wahrscheinlichkeit nach die alte
zRahl ermordete. Und daß er mir
ztrok seines sicheren Auftretens da
durch verdächtig ist!«
»Aber mein Gott — das wäre —
welcheu Grund könnte er denn dabei
gehabt habenk
.Diei zu ergriinden bin ich hier.
M start, Dihl und Neste
vielen da unter einer Detle ein furcht
share-si- Spiel. . . das noä niäi znT
EEnoe its«
: »Oui« und Reffes Sie greinen
doch nichtsden alten Senlenbergi«
»Jawohl! Oder gibt ei noch ei
nen andern Onkel in der Familei«
»Meines Wissens nichtl Aber die
leiden haben fich Jahre nicht gesehen
— kennen einander tauml«
»Dann-f geb icb nichts! Sie sind
äußerst fcblau und gerieben. Befan
ders der Alte! Dabei ifi er von ei
ner Kaltbiiitigleit nnd Gietrpiffenlofiae
leit, die einfach beispiellog dasteht
Mordet einen Menschen und ziindei
sich zwei Minuten fpiiter lächelnd eine
Zigarre an! Aber ich muß mobl
hsibfch beim Anfang beginnen, wenn
Sie mich verstehen follen.«
lind er erzählte der gespannt zu
börenden Melitta alles, was er feil
feiner Ankunft in Wien erlebt hatte.
»Sie leben woth schloß er, »in
Gras, in Wien bei der Glaser, beim
Mord an der Donau: Immer wie
ein böser Dämon der hagere, alte
Herr mit dern grauen Bart, den Rich
ter »Onlel« nannte. Glauben Sie
noch, daß mein Verdacht falfch ist?"
Melitta, die anfangs in fteigender
Erregnng zugehört hatte, fenlte jetzt
mutlos den Kopf.
»Ja! Jch fürchte, Sie befinden sich
auf falfcher Fährte!«
»Ob«-! Und eben noch behaupteten
Sie lehr bestimmt. es fei doch Richter
gewesen, den Sie damals in Wien
wiedererlanntenl«
»Das behaupte ich noch! Aber ent
weder war dies damals nicht Jhr La
vandal. oder —- eö ist eben nur
Lavandal ein Schurke. Daß Herr
v. Senlenberg beteiligt war, ift
fchon darum ganz ausgeschlossen,
weil er fein Schloß hier, wie ich be
ftirnrnt weiß, feit Jahren nicht ver
lassen hat«
»Das heißt, man nimmt dies all
gemein an. Saaten Sie nicht, daß
;r·?ein menschenlcheuer Sonderling
er "
»Allerdings! Aber. . .·
»Das-unter kann man viel verber
gen. Gibt es viel Bedienung in
Senlenberg?«
»Nein! Der Schloßherr selbst wird
nur von einem einzigen Diener be
dient. Außerdem gibt es noch einen
Kutscher, einen sehr alten Kastellan
einen Reitlnecht und zwei Mägde. so
viel ich weiß.«
»Der alte Herr mit seinem Tiener -
wohnen wohl auch ein bißchen abiei:s,
nicht wahr? Das stimmt so gut zur
Menschenscheu!«'
»Ja. Sie wohnen ganz allein am
Ende des linken Seitensliigels.«
»Sehen Sie! Und wenn der Die
ner nun im Einverständnis wäre. . ·?
Vermutlich ist er alt und schon lange
in der Familie. Heißt er nicht viel
leicht —- Viktor-V
»Nein, Peter Mart. Und ich sage
Jhnen noch einmai: Sie irren sich.
Fräulein Renate ist sehr besorgt um
ihren Bruder —- es ist unmöglich«
daß ihr bei ihm auch nur eine Ah
wesenheit von Tagen entgangen wäret ;
Und dieser Vernser hat ja vier Wo-:
chen als Steinschleiser in Wien ge
wohnt. Es ist ganz ausgeschlossen
Uebrigens ist Herr v. Senkenberg lei
dend. Nach allem, was ich über ihn
hörte, ist ihm Kaltbiiitigteit am we
nigsten zuzutrauen —- abgesehen da
von, daß. so unliebenstoiirdig er
auch ist, sein Charakter allgemein als
vond seltener Lauterteit gerühmt
wir .«
Hempel blickte unruhig vor sich hin. -:
War er doch einem Phantom nach- ,
gerannt? !
Dann wars er trotzig den Kopf zu- ,
rück: «
»Ich muß mich selbst überzeugen!.
Wie kann man sich Zutritt auf Sen
lenberg verschaffen?«
»Das wird sehr schwer, wenn nicht
ganz Unmöglich sein! Zu Fräulein!
Renate könnten Sie wohl gelangen.z
sie ift gutmütig und harmlos, aberk
’ ihr Bruder läßt niemand vor. Es soll;
i
l
sogar Befehl gegeben lein, ihm denj
zNesfen Lavandal möglichst vom Halse;
zu halten. Wenigstens erwähntel
Prosper dies neulich lachend zu Lisaz
als Beweis von der Quetlöpsigleitl
des Onieis« «
«Bah —- irgend eine Neigung oders
Leidenschaft wird ek doch habe-se«
l
ten zu diesem Zweck überlassen wird.
.len
»Leidenschaft? Ach ja —- ich glau
be, er sammelt Altertiimer.« »
Hempel atmete ans. «Goti seii
Dant! Davon verstehe ich auch ein
wenig, und weiß einen Mann in
Wien, der mir wohl ein paar Raritäs
Nun bitte, merlen Sie sich folgendes:
Ich bin der Antiquitätenhändler Ro
din aus Paris, wohne vorläufig in
Prachatitz in der »Krone«, wo mich
Nachrichten etreichen,- falle Sie mir
etwas mitzuteilen haben. Trefer wir
uns persönlich, dann kennen wir ein
fiäder aber nicht, das halten Sie
e .«
«Jch werde es sicher nicht pages
Ferner nehmen Sie sich streng zu-·
samtnen bei der ersten Begegnung
mit Lavandal! Sei n Sie ihm ja
zkein Mißtrauen2 agegen können
-.Sie ganz unbefangen fsagem daß ek
Ieinem Herrn ähnlich Ehe, der ein
Emal kurze Zeif im hause Jhrer El
stern wohnte. Er wird es leugnen,
IRichter zu fein, und Sie müssen sich
f den Anschein geben, gar u glauben
Mir derng teilen ke sofort mit,
«ob er de elbc ist« den Sie in Wien]
Tiger ME- sssst triier Sie Eis-Er
Sk- rk·.-. :-:« III r igk Li: Tit-n
.-.Jeziiurn icåesnt Beirnders mas
Zie iiixier Lavankials Leben in Sen
Ekenlserzq rn Erfahrung bringen iön"en.
EMir isi ja iede Einzelheii non Wich
EDITIOin
i »Ich werde alles tun wrs Sie ter
Elangen als-er ich gestehe Ihnen —- ichs
ihade gar keine hoiinnng daß wir
Edern armen Felix aus diesem Wege
helfen werden!«
- ItsSinn das inssen wir Gott und
zunserern guten Stern überlasseni Jii
der Weg falsch —- nvaon ich noch
nicht überzeugt bin —- dliekie uns nur
mehr die Spur der Frau Hndlah die
ia auch so nicht verloren isi. Nun will
ich vor allem versuchen, als Rodin
die Belanntschsit dieieg Peter Mark
zu machen-"
»Sie wollen heute noch nach Sen
ienberg«i«
»Selbstverstiindlich! Mir lieat dar
an dort eher ans der Vildfkkschk zUE
erscheinen als Herr v. Lavandai. Er
taan dann um so weniger Verdacht
schöper —- falls e; ihm in den
Sinn käme Uebrigens will ich nur
sondieren heute.«
So zuversi tlich und froh Melitia
den Parl ver assen hatte, so mutlot
und enttäuscht lehrte sie zurück.
Je länger sie darüber nachdachte,
deiio nbsurdee schien ihr Hemvels
Verdacht argen Lavandnl Welcher
Zufarnmenbang konnte zwischen die
sem jungen Lebemann und der armen
alten Trötlerin in Graz oder der
siisler bestehen?
CO
i
E
E
E
!
XX. !
Inzwischen bestieg Silaå denn-es
seinen Wagen, den er ein Stück ent- s
fernt hatte warten lassen und suhr
direlt nach Senlenderg.
Die ersten grauen AbendschatteH
sentten sich nieder, als er das Schloß
erreichte. das in seiner Weitläusig-j
leit und der tlösterlichen Stille. die es f
umgab, doppelt melancholisch wirtte .
wenn das belelendse Sonnenlicht es
verlassen hatte. «
Das Hauptportal war geschlossen. T
Das soll wohl symbolisch wirten?’
dachte Hempel spöttisch Man reslets;
tiert nicht aus Besuche! Geniert mich«
aber nicht. I
Er befahl dem Kutscher, in dens
Wirtschaftshos zu fahren, der seit
wärts zwischen Stallgebäuden lag
und aus dein man Pseisen vernahm. i
Ein Neittnecht und der alte Sen
tcnberger Kutscher « beide in Hemd-·
ärmeln —- setzten eben eine altoäterii
sche Kutsche instand, die wohl be
stimmt war den erwarteten Gast vom «
Bahnhos zu holen.
Hempel trat iiemlich selbstbewußt:
aus und verlangte, dem Schloßherrn
ge. neldet zu werden
Wie er nicht anders erwartete, s
wurde sein Begehren turz abgelehnt.
Der Herr empiange tetne Besuche
und dürfe nicht gestört werden.
Dann möge knan Herrn Peter
Mart rufen.
Auch das ginge nicht an. Es seif
schon spät, und Mart habe ietzt oben
zu tun.
Aber Silas ließ sich nicht abschiit:
teln. Ganz gemiitlich stieg er aus
seinem Wagen und setzte iich aus eine
Bank an der Stalltiir.
»Dann werde ich hier aus herrn
Mart warten. Es handelt sich um
eine wichtige Sache und Herr V.
Senlenberg würde nachher sehr är
gerlich sein, wenn er nichts von met-E
nein Kommen erfahren hätte-« i
Auch das schien nicht den gering-«
sten Eindruck zu machen. Die zwei
Leute blickten ihn, während sie ihren
Wagen weiter blank rieben, zuwei
len nur tnit verstohlenem Mißtrnuen
»Mus; ’n Jude fein! Meinst Dui
nicht, Joses?« sagte der Kutscher
einmal halblaut »Er redet so to
misch. Gar nicht wie ’n ehrlicher
Deutscher!«
»Kann sein", gab der Reitlnechi
zur Antwort. »Ist-dringlich is er ge
» nug!«
» Nach einer Weile spannte der Kut
scher die Pferde ein und fuhr davon.
Josef begab sich ins Schloß, anschei
nend obne weiter von dem Fremden
Notiz zu nehmen. Die Hintertür
machte er fürsorglich zu.
Inzwischen wurde es duntel.
Silas fing an« sich zu ärgern. Das
xschien ja wirllich eine nette Wirtschaft
hier« und die Leute machten sich am
Endee wohl noch einen Spaß aus
ihm
Schon wollte er dreist ins Schlotz
dringen und kategorisch verlangen,
daß man ihm den Kammerdiener
endlich ruse, als die hintertiir sich
abermals össnete und ein alter Mann
mit einer Laterne in der band er
schien.
Er hatte ein glattrasiertes gräm
liches Gesicht, und spöble kais-trau
isch umher, bis er heiapel entdeckt
hatte
«Ah, da sind Sie ja,« sagte er
dann ziemlich unfreundlich und von
oben herab, «tnan sagte mir, dass ein
Mann mich durchaus sprechen wolle
.,nun was gib» denn?«
Entschuldigen Sie, Monsieurc ,]
antwortete pel mit ausgesuchter
hsfl teit ich zu so unpassen
dee tunde verspreche, aber wenn
man sich aus der Durchreise indetl
ndrnlich von riij
nnd tviirde, olls ein weiteres Ver-i
weilen in d er Gewnd keinen Mi»
like erkeh stieg Sorgen wieder weis-?
terreisen Mein Name ift Alchimie
Radien ich bin Sammler und handle
zuweilen auch ein wenics rnit before-T
derg erlesean Stiirlen die sanft its-Zer
hkmpt nicht auf den Markt kam-gest
i
;
z
i
Ratiirlirh entriere ich derartige Ge-?
schiffte ausschließlich rnit ernsthaft-n
Satan-irren zu denen. wie man mir
mitteilte. Ihr Herr gehört. Seine
Sammlung kennen zu lernen und ihm
vielleicht behilflich tu fein. drs eTne
oder andere fedlende Stiick tu er
langen, ist der Zweck meines Kom
mens.« -
Es war interessant zu beobachten
wie sich das Gesicht des Konjunktur
ners bei diesen Warten veränderte
Alles Unfreundlickie und Hochniifiae
war wie weggeblasen Selbst der
grämliche Zug um Mund und Nafe
war nur mehr ein Ausdruck stiller:
Beliirnmertheit.
.Ah. das ist freilich etwas aanz an
deres«, sagte er nun ebenfalls sehr
höflich. .Verz,eilnr: Sie nur« daß
man Sie hier im Wirtschaftsbos
warten ließ. Unsere Leute find eben
gar nicht an Fremde gewöhnt und
haben ganz verlernt« Unterschiede tu
machen. Ein Sammlerl So. fo!
Das freut mich sehr. Es wird mei
nen armen Herrn hoffentlich etwas
zerstreuen . . Darf ich Sie bitten,
Monsieur Rodin mir ins Schloß zu
solaeni Jch tann sie siir heute al
lerdings nur in meinem Zimmer
empfangen.«
»Das tut nichts! Glauben Sie,
daß Herr o. Senienbera mich morgen
wird empfangen wollen?«
»Ich hoffe Os! Ich hoffe es zu!
Gott! Es wäre so gut — gerade
fest —- eine Ablentung —- vielleicht
hat der liebe Gott es extra so einge
richtet, daß Sie just heute zu uns
lamen. . .«
Man war inzwischen ir-. da? Schloß
aetreten, dessen Treppen und Kot-ri
dore nur spärlich durch Lampen er
hellt waren.
Weder Blumen noch Teppiche mit-«
derten die einsame Leere des alten
Gebäudes. in dem jeder Schritt laut
triderhalltr.
Peter Mart hatte mehr zu sich selbst
als zu feinem Begleiter gesprochen
Jetzt blickte er ihn unsicher an.
»Ich lomtne anen weil-« wunder
lich vor, mein Herr? Sie tönnrn ’g
ja auch nicht verstehen, warum ich
froh bin über Jdr Komm-m«
»O doch! Jch denle mir, Sie
freuen sich um Jures Herrn willen.'«
I
»Ja, das ift’3 auch! Sein Leben
ift fo arm und traurig . . . lein
Menfcb lannUZ begreifen. wie einsam
Wrnn er die Freude an dem alten;
Zeug nicht hätte, icis glaube er würde
liingst den Verstand darüber verloren
haben.«
Ein wunderlrcked Gemisch vons
Teilnahme, Neugier nnd Enttiiuichung
erfüllte Silas Den-neu
Trotz Melittas Worten lrar er mit
der Voraussetzung gewinn-en in demi
Kammerdiener den heuälerischen»
Mitschuldigen eines raffinierien Ver-g
brechers zu finden, der es irgendwiei
ermiiasiztit hatte, die Welt »Er-roh eins
Dovretleken zu täuschen. «
Nun sand er einen treuen, ehrlichen
Menschen« der mit Hingesung an fei-t
nem Herrn hing und ihn nur bethxgte
nrn sei-ek- traurigen, einsamen Le-;
benst nisten z
Heuchelei war bei Peter Mart völ-;
lig ausgeschlossen Dazu war trink
mehr gutmütigeä als intelligentes Eis-J
ficht zu sehr der unbewnkkte Spieg-l«
jeder inneren Regung. I
Aber wenn tein Verbrechen — was
steckte denn dann hinter dieser mert
würdigen Abgeschlossenheit?
hempel hätte gern Fragen gestelltl
aber er wagte es nicht, das tautn er-j
loschene Mißtrauen des Dieners wie-;
der zu weiten Zudem: War es viel-,
leicht auch verlorene Zeit, er musth
seine einmal begonnene Rolle nuns
dotb zu Ende spielen. l
«Glauben Sie, daß Sie Ihren«
herrn heute noch fragen können weis
gen morgen? Wird er es niclit übel: Z
nehmen? Es ist j-: wirklich fchonT
recht spät geworde:«« sagte er also
nur, als sie das erst-, Stockwerk er
reicht hatten und der Kammerdiener
sich nach lintg wandte.
»Ich hoffe es. Freilich hängt al-)
les von seiner Stimmung ab. Die
ist heute gerade nicht ieir gut. Aber
versuchen möchte ich es doch. . . eben
weil ich denke. es bringt ihn aus an
dere Gedanken.«
Er blieb vor einer Tür sieben:
zössnete und zündete rasch eine Lampe?
tin dem ganz dunkeln Raume an. ESE
lwar seine eigene Stube.
» -»Belieben Sie bitte hier einzutre-!
ten und zu warten. Ich muß mekneini
Herrn jeyt das Abendbrot bringen.?
Dabei will ich versuchen, die Rede aqu
Sie zu bringen« !
«Werden Sie lange fortbleiben?«
»O nein! Ich habe das Abendbrotl
nur in das Zimmer zu stellen. Ser- i
vie-m nißt ek nicht« l
»Bewobni hetr v. Senlenberg denn
das ganze große Schien uneins-H
fragte hempel barmlod. i
»Nein! Seine Schwester besl
wohnt einen Teil des rechten Flügel-In J
und ein Reife oben im zweitenl
Stock einige Gaitzimmer. Außer
dem erwarten wir beuie noch einen;
Beil-einall I
.unv doch speist Ihr has qui
leink »
»Er speist immer alleini«
.»
s , .
R Kyoto Shtle Jesusqt erwarten das-s
k a ch wo oppe unge ge
stornnteni Hütten Sie entr M doä
gleich gesagtt« tat Ver-sei über
rascht.
Peter Mart schüttelte den Kons.
und es schien Silas, als Jacke ein
Blitz des Verdrusses über sen glatt
rasiertes Gesicht
«Ungelegen? Jm Gegenteil!« sagte
er kurz. »Ich alaube dieser Besuch
wird nicht viel mit meinem Herrn i; ·
Berührung tomrnen.« is,
Dann verschwand er, nachdem ex
noch eine Flasche Wein und ein Gla-f .
vor Heinvel aus den Tisch gestellt un; l
ibn aufgefordert hatte, sich damit d F
Zeit zu vertreiben. i
Der Detettiv war allein.
Wie sonderbar und gehsirnnist i
einen hier alles anmutet dachte er i
Gans anders. als ich es erwartet i
und doch. . . 4
Eines ist klar: Der Diener freu
sits über mein Kommen, weil es timer
gerade ieht eine willtornmene Ablens
tuna für seinen Herrn zu ver-heißes
scheint.
Ablentung aber wovon? Es schien
fast, als fürchte er für sdie nächste-:
Zeit unangenebme Eindrücke Dass
könnte nur mit Lavandals Ankunft
zusammenhängen.
Auch da steckt ein Rätsel dahin-;
ter. Der Onkel ladet den Neffen zu
sich ein, und der Diener behauptet»
»dieser Besuch wird nicht viel mitk·
meinem Herrn in Berührung korn
rnen'«. Was zum Teufel tann das1
bedeuteni
Er gab es endlich auf, darüber
n.tchzugriibeln, und überlegte, was
er mrrgen dem alten Herrn an An
tiquitäten in Aussicht stellen könnte.
Natürlich würde er sagen, daf;
fein Gepäck noch in Wien lag: dann
mußte Freund Blum, eine Autori
tät ersten Ranges aus dem Gebiet al- .
ter Kunstgegenstiinde, ihrn eine kleine-«
Auslese seltener Stücke zusammenfiel
lcn. ·
Hoffentlich befafi er noch die Krü
gcsanimlung und die hübschen Hoch
zeitsbecher, die er ihm türzlich ein
mal als Unita gezeigt hatte. Auch
eine tostbare Toilettegarnitur, die von
Maria Antoinette stammen sollte, so
viel Hempel sich erinnern konnte, war
von Blum aufgeftöbert und erworben
worden
Der Eintritt des Kanimerdieners
unterbrach seine Gedanlen. Peter
Marts Gesicht strahtte förmlich, und
fein vorhin aebückter Gang war
isidtzlich elastisch aeworden.
»Es ging weit besser« als ich
dachte«, stieß er mit so ehrlicher
Freude beraus, daß Hempel ihn
aani gerührt betrachtete. »Er will
Sie sogar heute noch sehen. . . das
beißt, wenn es Ihnen nicht zu spät
wird.«
»Mir teinezwegsl Aber ihm —«
»O. er schläft ja ohnehin fast teine
Nacht, und heute schon gewiß nicht!
Für ihn wäre es eine angenehme
Zerstreuung. Und Sie, Monsieur —
wenn Sie erlauben würden, daß ich
Ihren Wagen fortschicte und Ihnen
nachher eines der Fremdenziminer
richtet-? Ja? Wollen Sie?"
»Mit Vergnügen!«
»Ich dante Jhnens Sie tun damit
mehr ein gutes Wert, als Sie ahnen
tünnent Bitte, kommen Sie nun!
Mein herr erwartet Stel« -
Verwirrt folgte hempel dem Dies
net.
Welcher Glückszuialll Das war
it mehr, als er je hätte erwarten
·«:innen. Jeder Puls in ihm war
iiihernde Erwartung, als Peter Mart
nsm die hohen geschnihten Flügelm
e.". öffnete. die aus dem Entree rn
»s« mit düsterer Pracht eingerichtete.
·-«·mach führt-u und meldete: «Mon
steil- Rodin ans Paris!«
XXL
»k- erste Blick, den Hempel ans
Ms '-si- entieaentominenden Schloss
!-Jr-:- warf, belehrte ihn, daß sein
«2"s-7ssi«1d-i ein sqlscher gewesen.
TEssIs vom Leben, einem heim
««t-en Firmen oder Krankheit vor
ietig a--11«erte Mann mit dem mü
ken. qlmsitosen Blick tonnte unmög
lich derset se sein« der pseisend die pie
tiilos dissckttviiblte Wohnung einer
Ermordeten verliess und sich lächelnd
eine Zigarie anziindetr. nachdem er
ein Menschenleben zerstört hatte.
Wohl war er hochgewachsen und
hager, mit einem von grauem Haar
umrahmten surchigen Antlitz. Aber
dieses Antlitz trug trotz seiner harten
und bitteren Linien so unverlenndar
den Stempel strengster Rechtschass
senheit, daß hemvel sosort jeden Ber
dacht aufgab· Und dann, während
Herr o· Sentenberg ihn mit vor
nehmer Liebenstviirdigleit willkom
men hieß und von seinen Sammlun
gen gi sprechen begann, bemächtigte
sich S Detettios eine wunderliche
Unruhe.
Wo hatte er nur schon einen ähn
lichen Raps im Leben gesehen? Und
ähnliche Bewegungen? Besonders die
eine. den Kopf etwas seitwärts zu
rückwersende beim Sprechens
Er quälte sich so damit. daß ee
tamn acht gab aus das, was der alte
here sprach und sich gewaltsam ans
seinen Gedanken ret n mußte, all
dieser endlich einen ranl Wie,
und, einen Armleuchter in die nd
neh«:iend. ihn aussprderte, sich eine
Schäße Ia besehen.
Entsean solst aus Seite s«