Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, May 23, 1913, Image 2

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    as auEknii
(4. Intsetzunpf
-«-eserarmt. bankerott! Das ift nicht
k- ertragen.«
Und die Frau mit dem leichten
Sinn und leichten Herzen wütete ge
gen ein unbarmherziges Geschick. Alle
Ueberredungstiinsie mästen nichts. Sie
kaufte sich das Haar, sie schrie, daß
die Diener-schuf erschreckt hinter den
Türen horchend stand.
Dann verfiel Frau Leonie in »in
hhfierisches Weinen.
Es blieb Liselotte nichts anderes
ihrig, als schleunigst den Sanitiitss
rat zu benachrichtigen.
Frau Leonie ließ alles mit sich ge
schehen; sie ließ sich in ihrem Boudoir
aus die Chaiselongue betten und ver
langte nur immer wieder nach ihrern
Schwager.
Der war pünktlich um sechs Uhr
irn Hause seines Bruders.
Als er härte, die gnädige Frau
habe schon aus ihn gewartet, begab
er sich fosort zu seiner Schwögerin.
Hier erfolgte abermals eine Szene;
aber im großen und ganzen hatte
Frau Leonie sieh ausgerast, sie fühlte
sich matt und angegriffen
Sie blieb natürlich zu Haufe; was
sollte fie überhaupt auch unter Leu
ten, wenn das, was ihrem Leben
Wert gegeben, ihr entzogen wurde.
Wie ein Proletariertoeih leben, sich
kleiden; die Almosen ihres Schmagers
hinnehmen, das ging über ihre Kräfte.
Lifelotte liißte ihre Mutter zärt
lich, als sie sich zu dem Gange rüstetr.
»Du wirst vernünftig sein, mein
Mutterchen, und Dich ganz ruhig ver
halten. Es wird alles noch besser
werden, als es vorläufig den An
schein hat. Verlaß Dich ganz aus
Onkel Mark
Als Frau Leonie allein war, ta
Inen ihr in der Tat vernünftigere Ge
danken.
Liselotte mußte eine vorteilhafte
Partie machen. Wenn sie den Baron
von Yohstedt heiratete, der sich bis-Z
her eifrig um sie bemühte, so blieb.
man doch in der Sphäre, in die man;
hineingehörte. Liselotte kam in glän
zende Verhältnisse, Baron Guido von
Bohstedt war Multimillionär.
« DIE Mdlvfe Reihe Nullen deckte«
alle Schäden Find Mängel zu.
Freilich, der Baron hatte ihr Va
ter sein können, war auch ein wenig
mitgenommen vom Leben, sie hatten
oftmals über ihr gelacht, ihm Na
men beigelegt, die keineswegs schmei-«
chelhaft make-f— ach. wie hatte Leo- «
!
!
I
nie über den-alten Freiergtnann ge
lacht-«
Umstände verändern aber alles·
Liselotie konnte doch nicht gesell-:
sehr-frisch hinuntersteigen, und auch sie,
Leonie Ollensehläger, gebotene vonj
sorgfelde, konnte das nicht« es war
ein Unding.
Mit Geora war vorläufig nicht zu
rechnen Baron von Bobstedt mußte
ihrem Leben wieder Glanz verlei
den-—
Nucb Lifeloite hatte diesen Aus
Ioeg immer wieder erwogen. Das
Endresultat indes war nur Schauders
gewesen
Bei Justizrat Polderer wickelte sich
alles glatt ab·
Jn dem Schriftstück standen deut
lieh schwarz auf weiß die Summen»
die Georg Ollenschläger erhalten«
5000 Mart waren der treuen Doris
Ingedacht, auch die Mobilien der obe
ren Fremdenzimcner und die Küchen
einrichtung. Mehrere Legate hatte
Her-an von Dann für sonstige kleine
te ansgesesh denen sie ein beson
deres Interesse gewidmet hier galt
ei einem alten Manne die Wohltat
einer Untersiiihung ferner zukommen
ci- tassen, dort einein vorwärtssirv
den jüngeren die Mittel zu seinem
W zu verschaffen
So stießen nach dern Bermtigenb
Irr-de M ötwoo Mart fiir den
Regierungsrat
«Fiinfzigtaufend Mart, lieber Ju
stizrat«, raunte Max Ollenschläger
dem Rechtsanwalt zu, während Lise
lotte sich im Entree für den Rückweg
rüstete, »ich verzichte natürlich auf die
Erbschaft zugunsten meines Bruders.«
»Das macht Jhnen alle Ehre, Herr
Regierungsrat, doch halte ich die
Sache nicht für so einfach,« wider
fprach Palderer. »Wir sprechen noch
darüber. Wollen Sie der Familie
Jhres Bruders Gutes mit dem Ver
icht erweisen, letzen Sie das Kapital
fest und gewähren ihnen die Nutz
nießung der Zinsen. Nur auf diese
Weise sichern Sie der Familie eine
Summe, die dieselbe vor äußerster
Rot fchiist Was geschehen foll,
W lek Bruder wieder hergestellt
ist, Sauen wir dann näher erörtern.
Vorläufig nichts autt der hand ge
sein«
Der Instizrat hatte recht, Max
D chliiset sah ein. War ei auch
Ist elende Summe, die das Ku
als Zinsen als-part so warf et
M Gewissei ab. Man konnte
M rechnen, und der Regierungs
rat mut- emsttich parat-er nacht-eu
Iet wie feines Verwandten noch fee
Ier Ia helfe-s sei.
O begann Mart
III-Peits- . M is unter
Ebreitrn, noschoein sie nebrneinander in
dem zierkichrn kleinen Connt Plan
rgenonimen hatten
Vorläufig mein Kind. seid Jbr
sa noch untergebracht.« sagte er. »Jen
sen wird den Konturs anmelden. Jbr
erkaltet einstweilen ans der Kon
tursnxasse Euren Unterhalt. Freilich
so nach nnd nach mitJen wir unter
den Dienstboten anstimmen. wollen
aber auch darin nicht mit Ueberstiiv
zung vorgehen. damit der armen
Mutter der Umschwung der Verhält
nisse nicht allzu fühlbar wird. Es
kann auf ein paar Wochen bier nicht
ankommen. Der Verzicht auf Ermi
page und Automobil mag vorläufig
geniigen. Wir wollen in Muße
überlegen, wie Jhr Euch in Zukunft
teinrichten lönnt."
Das alles sagte der Regierungsrat
iin gepreßtem Ton.
Liselotte schien freier in ihrem Ge
müte, seit der Zwang der Mutter
,gegeniiber aufgehört hatte. Sie muß
iten sich in ib: Schicksal er ben.
EWollte Liselotte den der ßten
kFreiersrnann nicht anböten, so blieb
ihr nichts anderes übrig, als eine
Stelle anzunehmen
Von Baron von Bobstedt sagte sie
ihrem Onkel nichts, obgleich sie wuß
te, daß er in den nächsten Tagen
lseine Werbung anbringen wiirdr. Er
Zwar in diesen Tagen mehrere Male
Fbei ihnen gewesen, hatte seine Hilfe
angeboten und seine Absicht durch
blicken lassen.
Bisher hatte die Mutter die Hilfe
mit liebenswürdigem Danke abge
lehnt und im übrigen den verliebten
Gecken verspottet Wie sie beute
darüber dachte, wußte Liselotie nichtU
Das junge Mädchen unterbreitete«
dem Onkel ibre Absicht, sich urn eine«
Stellung zu bemiihen. -
»Viel kann ich ja nicht, talentloz,
wie ich nun mal bin,« sagte sie. »Im
merbin könnte ich als Kindersräuleim
sjgurieren, als Hausdame oder als
weicmcnatterm Was wir mit Ma
ma anfangen, ist mit natürlich noch
nicht llar, Onkel Darüber bat sie
am Ende ja auch selbst zu bestim
men.«
»Gewiß, gewiß, mein Kind. Vor
läufig nur teine Ueberstiirzung. Es
muß alles reiflich überlegt werden«
Jn den nächsten Tagen war es
ganz still geworden im Hause Ollen
schlagen denn auch die ieilnebmenden
Freundinnen fanden keine Veranlas
sung, sich peinlichen Situationen aus
zusetzen Ganz vereinzelt nur larn
diese oder jene Dame, vielleicht aus
Neugier hingetrieben Sie mußten
es sich gefallen lassen, nicht ange
nommen zu werden. Frau Leonie
lonnte niemandem Rede stehen. Sie
war seelisch zu sehr herunter
Sie, die graude demu- von einst
—- eine Beitlerink
Jhr konnte niemand helfen, und
Mitleid schien ihr mit einem Male
beleidigend.
Seit auch Liselotte den ganz plötz
lich in der Mutter Gunst gestiegenen
Freiersmann abgewiesen, gab es ja
überhaupt keine Hoffnung mehr.
So dämmerte das lebenösrohe Weib
in gänzlicher Apatbie dahin.
Sie konnte stundenlang vor sich
hinstarten mit trostlosern Ausdruck
in dem lieblichen Gesicht. Die Au
gen rot und trübe vorn vielen Weinen.
Dann wieder tamen Stunden, wo sie
wie gebetzt durch die Zimmer rannte; «
sie gedachte aus diesen Wanderungen
nicht der schönen Stunden, die sie in
den Räumen verlebt, in ihr fraß nur
der bohrende Schmerz, all diesen
Komsort verlassen zu müssen.
Und die bange Frage zitterte in
ihr: Was dann? Was dann?
Liselotte bemühte sich in heißem
Mitgesiihl uen die Mutter, die ihre
Gegenwart und alle Sorgfalt bin
nahm, wie etwai, das sie dulden
müsse. Jbre einzige Unterhaltung
rnit ihrem Linde bestand in Jam
mern und Kla . und aus allern
siiblte das « blige Mädchen ins-!
mer und immer wieder den Vorwurf
nun-sch- mannswezuss
nen. «
Eine Unterbrechung in die Mono
tonie dieser Tage brachte der plötz-"
liche Besuch des Majors von Borg
selde hervor, der über das Schicksals
seiner Schwester aus egoistischen
Gründen beunruhigt, herbeigeeilt war,
nrn sich iiber den genauen Stand der
Dinge zu orientieren.
Frau Leonie war durch sein blos
liches Erscheinen nicht seht erfreut,
eher ein wenig eingeschüchtert.
Sie kannte seinen hochsahrendens
Sinn, und nu- die Gewißheit eines;
gediegenen Wohlstandes hatte ihn ei-s
snigerznaßen mit der Mesalliance aus- ;
kgesöhnt gehabt, die seine schöne be-;
sgehrenswerte Schwester eingegangen. »
I Darüber waren nun einundzwanH
Izig Jahre verflossen. «
s Man hatte sich verhältnismäßig
jwenig gesehen; Major von Borgselde
shatie sich niemals besonders gut mit
seinem Schwager gestanden, obgleich
der Luxus, den dieser um sich ver-»
breitete, ihm einesteils imponierte,!
andernteils wieder, da er nicht das;
Gltick hatte, sich ein so tostspieligesj
Leben zu leisten, ihn mit Neid er-?
Mitte. !
Man hatte dem Major die Er-?
trankung Georg Ollenschliigers, sowiei
die W Frau von Dann-i
M Er hatte ei aber siirs
W Mig gehalten, der Don-H
Lä- ikzrn se weitläufig Erkennt irr-s
die letzte Ehre zu erweisen. Was sie
Erkrankung des sichre-kraus anhe
langte, so hatten ein paar Werte de?
quer-ds- geniigt.
Nun tin-!- sr aber selber gekrmmen.
denn er wollte wissen was an den
Gerüchten war, die ihrnn zu Ohren ge
kommen: das Haus llenschliigers
in Kot-kurz die Erbschaft von Fra
von Dann eine Seifenblase.
Als der Major die Wahrheit er
fuhr, wetterte und sluchte er.
Skandal über Standal Ermor
dung, Fallissementt
Das also war das Ende vorn
Liede Ueber die Verhältnisse gelebt
Heruntergewirtschastet von derHöhr.
Niedergerissen in den Staub. .
»Ich bitte Dich. Karl. habe Er
harmen.« slehte die unglückliche Frau.
-.,Was helfen alle Deine Worte? Sie
machen das Geschehene nicht unge
-schehen.«
»Man muß sich doch wenigstens
augsprechen,« brauste der Major ans.
»Was wird nun aus Dir werdens
Was-ans Deinem Kinde? Jst kein
Freier da, der Dich wenigstens von
der Last befreit? Aber was rede ich
da? Wenn der Mensch entgleist ist,
ziehen sich die Freier zurück.«
»Liselotte ist so eigen, ach, so
eigen.« stöhnte Leonie.
»Was heißt eigen? Mädchen in
ihrer Lage können nicht wählerisch
sein. Was willst Du denn?« suhr
der kleine settleibige Herr seine Nichte
an, die bis dahin, ohne Teil an dem
Gespräch zwischen Bruder und
Schwester zu nehmen, still in sich ge
lehrt dagesessen.
So deprimiert sie in ihrem Gemüt
auch war, so bäumte sich seht doch
ihr ganzer Stolz bei dem herrischen
Wesen dieses Onkels aus, der nicht
gekommen war, um zu helsen oder
seiner unglückliche-r Schwester ratend
zur Seite zu stehen« sondern nur« um
nuhs und zwecklos zu schimpfen.
ixg schien inrn gewissermaßen eine
Art Wollust zu bereiten, den lange
Jahre ausgesveichertn Groll gegen
die Verbindung seiner Schwester end
lich einmal austoben lassen zu tön
nen.
Mit dieser unglückseligen Heirat
hatte die schöne, tebenspriihende, ta-:
priziöse Leonie in der Tat seine Kar
riere arg geschädigt Ein früherer
Vorgesetzter hatte sich um das ieks
liche junge Kind bewarben und ward
abschtijgig beschieden. Das konnte
der Major seiner Schwester niemals
verzeihen, und er empfand geradezu
einen unbändigen Haß gegen den
Mann, der ahnungslos und ungewollt
in sein Schicksal eingegiissen.
Liselotte empfand das Klei «che
im Charakter des Majork. Fu
Augen sprühten in unterdrückter ei
denschasi; sie wollte gerade etwas er
widern, als der Maer sortsuhr:
»Du wirst Deiner Mutter nicht zur
Last sallen können, das ist ausge
schlossen Ich mache Dir einen Vor
schlag. Du tannst mich nach Berlin
begleiten. Meine Frau ist leidend,
eine Stütze ist ihr vonnöten. Sie
will die Liedenstviirdigteit haben,
Dich in ihr haus zu nehmen. Jhr
werdet hoffentlich die Großmut die
ses Anerbietens nicht verkennen; Du
wirst Dich bemühen. der Tante hils
reich zur Seite zu stehen. hossentlich
läßt sich eine passende Partie siir Dich
sinden.«
Liselotte machte eine iiihle adlelk
nende Handhewegung
»Berniihe Dich durchaus nicht,
Onkel Es ist ja gewiß von Tante
höchst lobenöwert, etwas für mich tun
zu wollen, indes möchte ich selstiindig
über meine Zutunst verfügen.«
Der Major lachte sartasiisch. E
«Und wie dachtest Du Dir Deine
3utunst7«
»Sie will eine Stelle annehmen.
Karl,« hauchte Leonie. «Jch glaube,
das ist inein Tod. Könnte eine Ba
ronin von Bohstedt sein« iiher Mit-;
lionen gebieten, und will dienenk
Den Major schien dieser Entsch
seiner Nichte sötenlich zu amtisierems
.Ra. versuch nur Dein beil. DI
wirst schon Augen machen. wenn ei·
beißt: Ducke Dich! Gehorche!« «
Jn diesem kritischen Augenblicke
wurde der Regierungsrat gemeldet.
Die Begrüßung der herren fiel
kühl aus« Immerhin legte sich der»
Major in seinen Reden einigen.
Zwang auf. I
Das Gespräch drehte sich selbstver
ständlich um die letzten Ereignisse.
Und der Major wagte ganz vorsich
tig die Frage: »Was wird aus Leo
nie werden?«
»Wir werden schon fertig werden,
herr Major,« betonte der Regierungs
rat. »Mit einigem guten Willen bes
ser, alz sich die Sache zuerst ansieht.
Fiir Leonie ist gesorgt. Nicht glän
zend, aber vorläufig muß man sich
bescheiden. Georg soll einein Kran
kenhaus übergeben werden. Der Sa
nitätirat wird noch heute Rücksprache
mit Dir nehmen, liebe Leonie. Es
muß etwas fiir ihn geschehen. Bit
der, Elektrisieren und dergleichen.
Alles Dinge, die in Privatböusern
unausfilhtbar sind. Es handelt sich
ja nicht darum, Georg in diesem
traurt en Zustande wettet Wetieren
u lasen, er muß wieder auf die
tne gebracht werden. Unsere Lise
lotte will ja in die Reihe der schaf
fenden rauen treten.«
s .c- san-stau- iiei rek wij
Regierungs-at unhiifiich in die
:.e-c-e.
»Ich sage: Glück aut! Herr Major.
Zie hat das Zeug zur Selbständig
leät. Und ihren Willen. Sie wird
ils-en Weg finden-«
Der Majas guckte die Art-fein
«Mag sie ihr Heil versuchen. —
Mein haus, Liielatte. sieht Dir feder
zeit offen.«
»Es ist sehr gütig, lieber Onlel,«
sagte Liselotte kühl, wenn auch haf
li . s
Niemals würde sie von dem aus;
purem Egoismus gebotenen Anerbiesi
« ten Gebrauch machen. Sich unter der
- Thrannei der hochteabenden Sippe der
Borgfeldi beugen —- nimmermehr!
Jedes andere Los wäre vorzuziehen
Gewisseeniaßen das Gnadenbrat essen
und dafiir ausgebeutet werden, der
Blitzableiter ichechter Launen sein,
Vorwürfe einstecken, geduldet.
Leonies Einladung den Abend mit
ihnen zu verbringen, lehnte der Maior
ab. Er sei nun überzeugt. daß die
Zukunft feiner Schwester in den be
sten händen läge, da tönne er beru
higt wieder beimessen-. Und fiir den
heutigen Abend habe er mit einem
alten Freunde eine Zusammentunft.
Man irennte sich recht kühl.
Die polternden und anichuldigen
den Worte des Bruders hatten einen
Stachel in Leonie zurückgelassen
Ach, wie glänzend hätte sie dastehen
tönnen, wenn sie ihr Leben in andere
Bahnen gelenkt, wie es die Jhren fiirz
gut befunden. Es war doch, trotzs
ihrer Liebe zu ihrem Manne, trog
der glänzenden Jahre, die sie an sei-Z
ner Seite verlebt hatte, ein großer;
Irrtum gewesen. ;
Auch Liselotte hatte einen Mißgriiig
begangen; indem sie den Baron von?
Bohsiedi aufgeschlagen trieb sie sich
itn blinden anerstand dem Elend in
die Arme. - T
Die arme Liseioite .nußte alle ihre
Kräfte aufdieien die unangenehmes
Nachwirkung von Onkel Majors ge
bäsiigen Reden abzuichwiichen
Siebentes Kapitel
Der Fall Hunn ruhte nun aus
schließlich in den Händen der Polizei
Es erschien aber ziele ch aussichtslos,
den Täter zu finden, denn alle Re
cherchen waren bishe« ohne Erfolg
geblieben.
Doris hatte, ihren Angaben ge
mäß« den Rachmittaa bei der Schwe
ster auf dein Eteinweg verbracht.
Tie Frau unterhielt dort einen klei
nen Bratladen, der Mann arbeitete
auf der Blohrn und Boßfchen Werft.
Fleißigr. reelle Leute.
Ueber den Besuch in der Van in
Horn verlautete bisher nichts. Die
Nachbarschaft war über allen Zweifel
erhaben.
So hätte Krirninaliommissar Pent
sich wohl allmählich beruhigen tön
nen.
Das tat er aber keineswegs. Es
waren so viele unausgetlärte Fälle in
letzter Zeit zu verzeichnen gewesen« eg
gab Leute genug, die über dieses Po
lizeipech wiheltem und der Kommissar
Penl war eine ehrgeizige Natur.
Er hatte alles mögliche versucht,
hatte tagelang die Ban in horn von
einem Geheimpoliziften beobachten
lassen, denn die Erfahrung hatte ihn
gelehrt, baß immer wieder ein Zurück
zum Tatort das A und O aller tri-«
minalistischen Erkenntnis und aller
Erfolge ist
Leider versagte hier diese Taktik-i
Es ereignete sich nicht das geringste. ,
Da ziemlich sicher nachgewiesen;
war, baß von einem Raubmorb nicht-;
die Rede sein könne« hatte Kriminal- F
tomrnifsar Pent die alte Krirninab «
frage ernstlich bei sich erwogen: Qui
Zenit-satt Wer hat den Vorteil bei
r Sache?
Vorteile konnten am Ende nur den
beiden Brüdern aus been Tode der
Frau von Dunn erwachsen.
Den Regierungsrat mußte er selbst
verständlich ausschaltetn
« Bei dem Grohtaufmann lagen die
Verhältnisie wesentlich ander-. Der
Mann hatte sich in Eeldverlogenheii
ten befunden, und fett war der Kon
gen ani Beweise muß man haben
)
i
turs angemeldet.
Nun hatte der rührige Beamte, der,
seine Fühlhörner nach allen Seitens
aussireckte, ja auch erfahren, wie es!
mit der vermeintlichen großen Erb-?
schast bestellt ewesen. Aber davon!
brauchte der roßtausmann ja teinej
Ahnung gehabt zu haben. Das war«l
anzunehmen, da der Regierungsrat ja
auch nichts davon gewußt hatte.
hier konnte am Ende die Stelle
sein, wo ein Daten einzuschlagen
war.
Jndes gehörte Kommissar Pent
nicht zu den Leuten, die sich aus
ihren physiognomischen Schaksblick
allzu viel einbilden· Jm Grunde
verachtete er derartige Theorien. oie
sogenannte Kriminalanthropologie u.
. to. Die Lösung scharssinniger
robleme gelingt am besten aus dem
Papier, in der Praxis lockt man lei
nen bund damit hinter dem Osen
hervor. Was sii t man mit den
geistreichsten Schlii en und Folgerun
Ja, Beweise!
Lag aber das geringste Bett-achts
moment gegen den Großtausmann
vors War sein sinanzieller Ruin
etwa ein Grund, ihn des Mindes, be
Æ an seiner Schwester, zu besich
Nein Es bedurfte doch säxlagenksr
Jndiziendetiseise, um tolclxen Verde- gsr
u begründen Und dennoO ins-Hirn
iich die Sache nach dieser Seite ein
wenig zuspiten zu wollen.
Ei war eine Anzeine aus dem Kri
minaltomneiisartat erstattet worden
daß der Großtnnsmann Georg Ol
lenschläger am S. Oktober« abends
um 8 Uhu bei seiner Schwester ar
meserr. Er war von mehreren Leuten.
die gerade des Weges in einem Ge
fährt gekommen, erlannl, ia soigar
gegrüßt worden.
Da man von einer Vernehmung
des Großtausmnnnd Abstand nehmen
mußte. war man völlig ani die Ang
sage der beiden Männer angewie!en,
die aber nach Eriundigungen als ein-.
wandsreie Zeugen gelten konnten.
Diesem gegenüber stand wiederum
die Aussage eines weiteren Zeugen.
der einen Mann iiber das Stalet,
welches die Grenze zwischen Senator
Büttners und Frau von Hunns Van
bildete, hatte steigen sehen. Es tonnte
dieses ungefähr in der zehnten
Stunde gewesen sein.
An der linken Seite der Biittnen
schen Van brannte abends eine La
terne, die den Eingang siir die Dienst
boten und Lieferanten hell betrachtete,
aber auch einen Teil des hinteren
Gartens iiberstrahlte, so daß es im
merhin möglich schien. einen Eint-re
cher, der das Statet überstieg, von der
Straße oder von einem der benach
barten Gärten aus zu bemerlen.
Diese letzte Inschrift war zwar
anonym, aus die im großen und gan
zen nicht viel Gewicht gelegt wurde.
Jn der Regel wanderte dergleichen
unbeachtet in den Papierlorb des Kri
minalbeamten·
Dieses Mal jedoch legte Penk das
Schristftiiet sorgfältig beiseite. Die
Sache follte untersucht werden, da
die Angelegenheit des Großlausmanns
einstweilen brach liegen mußte.
War ein Mann über das Statet
gestiegen, ohne dasi der bund ange
schlagen, so war es zweifellos ein Be
tannter von Frau von Hunn ge
wesen.
Da anzunehmen war, daß der
Herr Senat-or solche nächtlichen Er
lursionen unterlassen würre. mußte
man sein Augenmerl der Diener
schast zuwenden.
herr Senator Büttner hielt sich
Eauipage, folglich waren Kutscher
Stalltnechte u. s. w. vorhanden,
gleichfalls ein Diener.
llm nun niemanden von der Die
nerscbast im Nachharhause tot-fider
zu machen, beschloß Pent, äußerst
vorsichtig zu Werte zu gehen. Je
sicherer sich ein Verbrecher fühlt, um
so leichter neigt er zu Unoorsichtig
leiten.
So stand also nicht nur die Villa
Der Verstorbenen, sondern auch die
jenige des Senatoro unter polizeili
cher Kontrolle. Es war daher ganz
natüriich, daß, als der Diener Man
fred Scheurer an diesem Abend aus
gehen durfte, ein Mann ihm unauf
fällig in einiger Entfernung folgte.
Manfred Scheu-set strebte munter
oortvärto, wie ein Mann, der ein rei
nes Gewissen besiyt Er pfiff sich ein
munteres Stückchen, während er an
der Haltestelle aus-die Eleltrische war
tete. Zu diesem gesellte sich jemand,
der redelustig ausgelegt war. Er
lniipfte sofort ein Gespräch mit dem
jungen Manne an, welches sich in den
allerharmlosesten Bahnen bewegte.
Das Wetter, die Fahrgelegenbeiten,
endlich der Horner Mord, der in den
ersten Tagen nach dem Geschehniss
das Tagesgespräch gebildet hatte und
namentlich auf dieser Strecke bis zur
Erschöpfun erörtert worden war.
Jett aller ngs fingen die Wogen der
Erregung bereits im, abzuebdem das
Jnteresse verlor sich, andere Ereignisse
traten in den Vordergrund
Immerhin war der Mord noch
nicht in Vergessenheit geraten; eg wa
ren doch erst gut acht Tage seit jener
Katastrophe verstrichen.
Manfred Scheurer hatte durchaus
leine Veranlassung, sich in Schweigen
zu hüllen; er erzählte, daß er in der
Nachbarschaft der hunntchen Ban
bedienstet sei und welchen großen An
teil das tragische Schicksal der hoch
geschiihten armen Ermordeten überall
fände.
An der Ecke des Burstah und Rö
dingsmarltes verließ der Diener den
Wagen, und nachdem er flüchtig zum
Abschied an seine Mühe gegrissen,
tümmerte er sich um seine neue Be
kanntschaft nicht weiter. Er eilte den
Kajen zu und bog in den unwirtli
chen, düsteren Gang ein.
«hallo, Männe!« ries der alte herr,
der um diese Stande noch nicht sein
Lager ausgesucht, »ich habe Dich so
halbwegs erwartet. Sieh. mein
Junge, dort aus dem Petroleumlocher
brodelt das Wasser und hier« — er
schnalzte mit der Zunge, indem er
eine Flasche, halb mit Rum gefüllt,
gegen das Licht hielt » »hier ist ein
guter Tropsen. Zu Abend gegessen
wirst Du wohl halten«-»
Nicht gerade zu Abend, Vater,
aber doch zu Mittag. Wir essen um
halb sieben.«
»Ja immer nobel. hier in mei
ner stillen Klause vergesse ich natür
lich, daß es draußen eine Welt voll
Glanz und Pracht gibt. Auch slir
mich gab es einmal bessere Zeiten.
Rest-, reden wir nicht davon «
W month
Der Alte seufzte. W M kk
zärtlich über die Flasche ntkt dem
lockend-en Inhalt.
Manfred hatte sich gesehn Mel-W
er seinen Mantel an dem Nagel Mi
gehängt; den Filzhut legte er vorsich
tig aus die Komme-da
Philipp Schemen der Bat-»t. MUS
ztuei Gläser von zweifelt-after Sau
s herkeit auf den Tisch resiellh als aber
Eber Grog in denselben dustete. leih
Tinan nichts mehr von der Unsauhseri
« leit.
: Manfred ergriss sein Glas
«Prosi, Vater.« «
»Prost, mein Söhnchiem aus ein
gutes Gelingen Deiner geheimsten
Wünsche.«
Er leerte sein Glas aus einen
Zug.
»Gehst Du, wie ich es ehrlich
metne."
»Mit mir« gewiß, dessen hin ich
sicher-« erwiderte Manfred.
»Bei Euch da draußen sind ja
haarstriiubende Dinge passiert,« hob
der Alte an, nachdem er sich seinem
Sohne gegenüber mit Behagen nie
dergelassen. »Daenals, als Du mir
das Dinge —- es steht noch wohlbe
balten in der dunklen Lule —- zur
Verwahrung brachtest, hatte ich ja
teinen blassen Schimmer davon. Und
DU· sagtest auch nicht«
»Die Geschichte ging mich ja int
Grunde nichts an. erstens —- und
zweitens hatte ich ein furchtbar unbe
hagliches Gefühl. Gib inal den Ka
sten heraus, Vater.«
Mit einer tünglingsarttgen Beben
Digkii sprang der Alte hinter die
Bettstatt und holte des Gewünschte
Manfred durchschnitt mit dem Tas
schenmesser das Band, nahm die Hülle
ab und stellte den Blechlasten auf den
Tisch.
»Mit diesem Kasten hat es seine
eigene Bewandtnis«, erklärte er, und
seine Hand, die das Glas zum
Munde führte, zitterte merklich.
,,Schliesz mal die Außentiir. damit
wir ungestört sind. Dann will ich
Dir das Geheimnis dieses Kasten-s
erzählen.«
Geschäftig eilte Scheuter sen. an
die Thiir und horchte auf den Flur
hinaus, ob sich nicht etwa neugieriae
Laufcher dahinter befanden. Dann
drehte er den Schlüssel um, und hing
vorsichtshalber ein Tuch über den
Drücker.
»So. nun kannst Du losschiefzen«,
crmunterte er seinen Sohn.
Dieser befolgte den Rat, sprach aber
ins Flüsterton
Die Stimme drang so schwach
in des Alten Ohr, daß et Mühe
hatte. alles zu ver-stehen« denn sein
Gehör litt schon unter der Last der
Jahre.
Als Manfred schwieg, ließ der Va
ter nur ein teifes Grunzen verneh
men.
«Und nun, Manne-P fragte er.
»Nun wollen wir den Kasten auf
seinen Inhalt prüfen-«
Philipp Scheurer brauchte nur die
Tischschieblade zu öffnen, da lag zwi
schen einem Rest Schwarzbrot, etwas
Lebertourft und einem Röllchen Kau
tahak harnmer und Brecheisen.
»hast Du keinen Schlüsselk fragte
der Sohn.
«Nein«, entgegnete der Vater.
Er hatte keine Lust, dieselbe Proze
dur an dem Kasten noch einmal vor-«
zunehmen, die er vor acht Tagen an
gewandt.
Es kostete viele Mühe; das Schloß
setzte den Kraftaufwendungen großen
Widerstand entgegen; endlich aber ab
es einen Knaxs —- tnan konnte en
Deckel öffnen.
Briete lagen darin.
Nichts als Briese — einfache
Briefe.
Der ganze Kasten war vollgepfropft
damit.
Vater Scheurer stieß ein meckern
deö Lachen aus. .
»Daß Dich der —«
Manfreds zitternde hände war
sen den papiernen Jnhalt in wüstem
Durcheinander wieder in den Kasten
zurück·
»Auch gut.'«
Er traut sein Glas hastig ans.
»Bring' den Plunder aus die Seite,
Vater.«
»Gewiß, mein Sohn.'«
«Jch will sent gehen, ich brauche
Lust. hier ersticke ich.«
Mansred zog sich seinen Paletot an,
während der Alte den Kasten in sein
Versteck zurückbesördertr.
US ist vielleicht besser so,« murmette
Männe. »Ich heiraie die Darst.
Zwar ist sie zehn Jahre älter als
ich und so gräßlich vernünftig. Aber
man will doch vorwärts in der Welt
und nicht ewig Diener bleiben. Do
rii hat siinstausend Mart geerbt.
hätte ich so viel geerbt, was unter den
gegebenen Verhältnissen sehr wyhl
hätte sein tännen, dann — nun««a,
dann hätte ich Doris nicht genom
men. Die tleine Mike bei Biittners,
das oerslixte schnippische Kammertätzi
chen, hat mi» nun mal angetan.«
»Ja, mein Sohn«, sagte der ehr
würdige Alte und strich sich seinen
schönen grauen Bollbart, «man tann
nicht alles haben.«'
.Stinnnt, und darum hetrate ich
die Desti. Jch bin fürs Vorwärts
kommen.« ,
Wiwwgsokju »