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About Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918 | View Entire Issue (Jan. 17, 1913)
Jahrga Nebraska m33Skaak5«» Anzetger und J set-old. i. 3 Mwei rThei l) Nu Ummck 23 Sie seiitiih Siizze von Kiste Lubotvskt Der Maler horst Fromann konnte es immer noch nicht begreifen, daß ihm nach dieser langen Abwesenheit seine geliebte, schöne Braut nicht schon bei seiner Ankunft in das haus ihrer Mutter mit einem Jubelschrei ans setz gestürzt war. Jetzt aber. als» reiis einige Minuten versttichenl waren und er sich noch weiter mit ders verwitweten Majorin Weg-net in dems , kleinen, genau nach seiner Angabe; etngerichteten Salon allein sah, brach sich mit leidenschastlichem Zorn die« große Enttiiuschung Bahn: »Was ist geschehen, Mutter? Jst Eise leanti —- Aber nein. . .. sie schrieb mir ja doch noch gestern. . Wie stets klangen die Worts-, die ich lesen darste. . . So sag’s mir doch endlich!" Die Frau mit dem weißen Haar und den jungen, ausdruasvouen Au gen sah ihn sest an: »Es hat sich al lerdings etw a in deiner Abwesenheit zugetragen, orstrc Der Maler stöhnte aus: »Das fühlte ich doch· . . Liebt sie mich nicht mehr? Jst etwa ein anderer. . ." Aber in dem nämlichen Augenblick sprang er auch schon aus dem zier lichen, weißen Polsterstuhl empor und schüttelte den Kopf: »Was rede ich da nur! Verzeih mir! Unsere Liebe bat sa doch so manche Feuerprobe be standen. . .Jch denle im Ernste nicht an so etwas. Jch vertraue ihr so ichtanienlrs — wenn es auch bei ihrer Schönheit, die jeder bewundern muß, verständlich wäre, wenn man sie mir entreißen wollte.a Die Majorin lächelte ein wenig. Aber es waren nur die Lippen, die, sich verzogen. Jn den Augen lag plötzlich der Schein großer Traurig teit. »Za. . .unsere Eise war vollen det schön.« Er überhörte die leise Wehmut. Er nickte eifrig. »Weißt du, Mutter-, im achten Saat der »Pina:otera" in Mailand hängt doch die Jungsrark von Andrea Mantegna. Von der tonnte ich mich nicht losreißem Es ift da eine Aehn iicbteit mit Eise vorbanden.« Frau Wegner legte ihm leicht die Hand aus die Schulter: »horst. . .« Da suhr er zusammen, iarn wieder zu sich und sagte, wie demütig: »Es sterlt selbstverständlich irgendein Scherz dahinter. Die Eise ist ja im mer ein Schalk Aber nun marter mich nicht länger!« Die stille Frau, die sonst so gu ten Trost wußte bedurfte heute selbst eines solchen. Aber sie wußte tei nen, von dem sie ihn verlangen und empfangen konnte. Ihren eigene Schmerz zurückdrängend begann sie sast zaghaft: »Es hat sich vor zehn Tagen in unserem Hause ein Unglück zugetragen Wir hatten die Kinder unseres Gärtners zum Kastee —- du weißt in, Eise beschäftigt sich viel mit den reisenden Blondtöpsen. Sie XII-. denn auch wieder unter innen. erfuhr-; te ihnen Geschichten, spielte mit ihnen,« und die alte. große Petroleumlampe brannte gemiitlich in der Mitte des! Fisches. Da ging die Klingei. Ders Posibvte brachte einen Brief von dir.s Sie vergaß die Blondtöpse mit derz natürlichen kindlichen Ungeduld, sies vergaß alles, auch, das- bie große,i gefährliche Lampe den Kindern sast eine Viertelstunde allein überlassen war. Denn sie saß oben in ihrem Stäbchen, um mit deinen Worten at lein zu sein« . . Ein grelles Kinder-s geschrei weckte sie endlich aus ihrens Träumen. Sie stürzte nach unten. Eins der lebhaften Kinder hatte die Lampe zu Fall gebracht. Das Tisch tuch brannte bereits, das weiße Kleid- · chen des ältesten Mädchens trug auchJ schon ein flammendes Zünglein . . .( Da larn’z denn. Es wurde teinsj der Kleinen ernstlich beschädigt — nur Else selbst trug eine schwere Brandwunde davon. Ledensgesähv lich war sie nicht. Aber — sie hat Elses Schönheit zerstört. Die rechte Seite des Gesichte-i wird- ewig ein flammendes. entstellendes Brandrnal tragen. . . Nun weißt du auch, war um sie nicht schon dir entge engeeilt ist« Sie weiß doch, baß u ihre Schönheit allzeit angebetet hast, und ich sollte dich erst vorbereiten.« Das Gesicht des jungen Maler war sehr blase geworden. Er preßte die Hände gegen die Stirn, als wolle et sich selbst zur Besinnung bringen. Er stammelte etwas: »Ich muß sie sehen, Mut-ert« Frau Wegner hatte sich erhoben:. »Das sollst du auch, borst. . . habe nur noch ein Weilchen Geduld. Jch will iie sent rusen.« —- — Horst Feomann war allein. Sein leidenschastliches Herz schrie vor Sehnsucht nach der Geliebten. Dane ben ersiillte ein sansteö Mitleid seine Seele. Eine innere Stimme raunte ihm tröstend zu: »Die Mutter hat gewiß start übertrieben. Die Wunde wird heilen und verna:hen. . . Undl wenn wirklich ein Zeichen zurückbliehe — eine zarte Röte — fo will ich sie hundertmal küssen, denn sie zeigt doch nur, wie tapfer und edel sie ift, die ich mir als Gefährtin ausersehen ha be.« Und er ward ganz ruhig und gefaßt. Er nahm sich vor, daß fie, follte er dennoch mit einer Wehmut über Zerstörtes zu kämpfen haben, nichts davon merken solle, daß er sie auf die Arme heben und wie einft zur Mutter tragen werde. Und es follte. alles ein Jubel, eiYe große, lichte Wie derfehensfreude fein. Aber es kam ganz anders Als die Thiir fich endlich öffnete, ftiirzte er ihr mit ausgebreiteten Ar men entgegen, um feinem langentbehr ten Lieb, deren Züge er in Mailand in jeder Marmarftatue, in jedem fchönen Bildnis gesucht hatte, zu ver sicheru, daß feine Liebe zu ihr fo groß und gewaltig fei, dafz ihn diefe tleine Narbe gar nicht störe. . . Die Worte tamen aber nicht iiherl seine Lippen. s Mit weitgeöffneten Augen starrte» er die an, deren Schönheit ihm alle-s zeit wie ein Wunder erschienen warnt Und ward inne, daß dieses Wun-» der gewichen fei! Unverhüllten Gesichtes trat ihm Else Wegner entgegen. Sie hatte, troh Zuredens ihrer Mutter, den dun teln Schleier, den sie vorläufig noch vor Gästen und auf der Straße trug, weggelassen. Sie mußte viel in dieser ldtzten Zeit gelitten haben, denn sie war sehr blaß und schmal geworden. Es lag auch leine stehende Bitte. ihr tein Leid anzutun, in den Blicken, die sie ihm jetzt voll zuwandte. Es war vielmehr ein riihiges, startes Beob achten. das um jeden Preis —- nach schweren, taum erträglichen Zeiten des Kampfes und der Ungewißheit —- er fahren wollte, wie er es trüge. Und all die gefaßten guten Vor siiße entglitten plötzlich dem Manne in diesem heißen, unbeherrschten Er schrecken. · Er wußte gar nicht, daß er es tat. Aber er streckte ihr abwehrend die hönde entgegen, ehe er sie hob und —- als wolle und lönne er ihren An blick noch nicht ertragen, bevor er sich nicht an ihn gewöhnt ——— vor die Au gen vreszte... Eine Setnnde später schon tam ihm aber bereits die Besinnung zu rück. Er erkannte. daß er sich ihr» unbeherrscht und feige gezeigt hatte, daß ihr feines Empfinden die schwer sten Qualen erduldete, iind wollte alles wieder gut machen. Seine Arme wollten sie umfangen.. Seine Lippen murmelten hastige War-! te der Liebe und demütige, die ihres Verzeihung erbaten. « Sie wußte es sa, daß er niemals» gelernt hatte, sich -zu beherrschen lDatum hatte sie ihn auch prüfen wol en. Sie ließ sich nicht von ihm um fangen. Sie sah ihn niir fest unds voll an — ein letztes Mal. Danni wandte sie sich und ging von ihm — fiir immer! —- — Es war wirtlich ein Abschied ge wesen! Am nächsten Tage sandte sie ihm den Berlobungsring zuriir· eihr Brief enthielt leine langen arti-own gen. Keine Bitterkeiten oder Vor würfe. Nur wenige Worte standen aus deni dicken Papier: ». . .Ueber diesen Abgrund können wir beide nie mals wieder zueinander. . .«», Als horst Fromanm nach zwei· Tagen, gepeinigt und zerbrochen von schlaslofen Nächten in das haus ihrer Mutter Einlaß begehrte —- die Klin gel hinetnpresfend, daß ein schrilles Klagen durch die Raume gellte. schließlich sich die Fäuste an der al ten, schweren Tit-.- wund schlagend — und doch keinen Einlaß fand, weil Mutter und Tochtep auf Reisen wa ren, ging er in seine kleine, noch gar nicht wieder behaglich hergerichtete Wohnung zuritck und erteilte ein jun gen Diener, der ihn stets zu begleiten pflegte, den Befehl, ebenfalls unver züglich die Koffer fllr einen erneuten. langen Aufenthalt tii der Fremde zu paeren. — — Die Jahre vergingen. Alles lies ruhig seinen alten Gang. Es wirst die große Welt nicht aus dem Geleise, wenn sich zwei Menschen voneinander verirren. . Ja, selbst die Betreffenden schienen sich rnit der Tatsache asgesunden zu haben. horst Fromann arbeitete sich wei ter zur höhe empor. Dann und wann erschien neben den Lobeserhei ungen til-er eine neue Schöpfung eine Warnung siir den Gesenkten-Häck mehr zu schonen, doch endlich zu - denlen, daß er seines Augenleidenö wegen, das ihm schon seit sriihester Jugend Zeiten der Schonuns auser legte, griindlich ausruhen rn sse. . . Diese kleinen Warnungen wurden auch von den beiden Frauen gelesen, die ihm einft nat-gestanden hatten. Denn auch Frau Wegner hatte Ein fluß auf fein Denken gehabt. "Zwar war fie nicht mit ihm über Gründe und Klippen gestürmt, wie ihre jun ge, begeisterte Tochter, aber sie hatte doch die Gefahren, die dabei wuchsen, erkannt und allzeit einen. kräftigen Zügel bereiigehalten, mit dem sie ihn wieder einfing. So war fie ihm, der friib die Eltern verloren, ein-H treue Hüterin und Ratgeberin gewe-; fen. Sie legte auch jetzt zuweilen ini matten Dämmerftunden beide Hände auf das Haupt ihres einzigen Kindes, als wolle sie es segnen. . Anfangs ge schah dies stumm. Und das junge Haupt neigte fich in foichen lichtiofen Stunden, und die Augen, die sonst fo tcpfer blickten, weinten. . Als indes Monate darüber ver gangen waren, fanden die Lippen der Mutter auch Worte für die herbe Stummheit. Sie sagte, « daß die rechte Liebe vergeben müsse und auch Doch Else Wegner schüttelte den Kop. Sie sagte ihrer Mutter das nEim i e, wie einst dem Mann, den sie doch über alles geliebt hatte: »Der Abgrund trennt uns. . .« Mutter und Tochter lebten still und abgeschlossen von jeglichem Ver kehr ihre Tage dahin. Frau Wegner bedurfte jetzt der ganzen Kraft ihrer Tochter. Sie hatte einen Schlagan fall erlitten und wollte keine andere Hand an ihrem Krankenlager dul den, als die starke und dennoch so weiche ihres Kindes. . . Eise Weaner ward in dieser Leidenszeii ein star ker, fester Mensch. Sie sah auch vieles, was«sie einst verurteilt, ja ver dammt hatte. in milderem Lichte an. . . Nur wenn sie an Horft Fro mann dachte, loderte der alte Schmerz wieder auf. Sie dachte denn auch heute noch nicht milder über sein Entsehem mit dem er sie damals an gesehen, als in jenem schweren Au genblicke, wo sie sich von ihm los sagte. . . Und daran gerade meinte sie zu erkennen, daß sie richtig ge handelt habe. Sie war fest überzeugt, daß seine angeblich so überaus feste, starke und gewaltige Liebe lediglich ihrer äußeren Schönheit gehört hatte. Wie hätte sie sonst schaudernd in jenem Augenblick zerbrechen dürfen? Die Jahre hatten sonst vieles wieder bei ihr gut gemacht. Die einst so ent stellende Narbe war kleiner und blas ser geworden. Sie wirkte nicht mehr entstellend. Wenn sie jetzt, trotzdem sie das dreißigste Jahr vollendet hat te. in den Straßen ging, wandten sich wieder die Köpfe nach ihr herum, und mehr als ein Fremder tat die selbe Frage zu dem Hotelier. bei dem er Wohnung genommen: »Wer ist wohl diese schön-, Erscheinung mit dein klassischen Gesicht, das eine kleine Narbe zeigt?« Mehr als ein Freier —- Söhne aus jenen Familien, mit denen sie einst in regstem Verkehr gestanden — llopfte auch an die Tür ihrer Mutter Sie konnte sich aber zu keiner neuen Verbindung entschließen. So blie ben sie zusammen, bis der Tod kam und mit harter Hand das flackernde Lebensflämmchen der stillen, gütigen Frau verlöschte, die so viel gelitten hatte. Nun war Else Wegner allein. Sie wollte sich einer Tätigkeit widmen, obschon sie von den Zinsen des ihr hinterlassenen Kapitals in voller Be haglichkeit hätte leben können. Sie hatte bei der anstrengenden Pflege ihrer Mutter jene freudige Genugtu ung kennen gelernt, die sie nicht mehr entbehren mochte. Darum wandte sie sich sehr bald an eine ihr bekannte Oberin mit der Bitte um gütige Nat schläge für den Beruf der Kranken-» pflegerin. . · i Noch ehe aber die Antwort eintraf, geschah etwas Seltsames. Sie lass wie alle Morgen, nachdem sie vom Grab der Mutter zurückgekehrt warJ die Zeitung und las auch die solgendei Notiz: ». . . Nun ist leider doch ein-i getroffen, was die größten Aerztes dem berühmten Künstler schon vor Jahren in Aussicht stellten, wenn er seine Lebensgewohnheiten nicht zu ändern vermöchte: Horst Fromann ist völlig erbltndet. Eine Operation soll aussichtslos sein, wie uns von zuverlässiger ärztiicher Seite mitge teilt wurde. Darum wird er sich be reits in den nächsten Tagen, wie wir erfahren, aus dem Sanatorium Wießach in Rautenbach in sein Heim zurückbegeben. . .«-— — — Wie sonderbar war es doch, daß Eise Wegner kaum eine Stunde spä ter mit sitegender hast die nötig sten Sachen in eine Handtasche zu sammenpackte und die Aufwartung ahlohnte! »Ich muß sofort verreisen«, sprach e. . . »Es ist auch ganz unbe immt, ob ich noch jemals nach hier zurückkehren werde. Ja, i tann wohl sagen, es ist ausgeschlo en!« Ja —- es war ausgeschlossen! Denn Elle Wegner fuhr zu dem einsamen, blinden Künstler, utn hin xort sein Licht nnd seine Stütze zu em. . . Was die langen Jahre mit ihren harten, feingeschlissenen Grübeleien nicht hatten zustande bringen können —- diese Nachricht hatte es vollbracht. Sie zerriß alle Schleier, die über Else Wegners Seele lagen. Sie schlug in Blitzesschnelle die Brücke über den göhnenden Abgrund, auf der eine nie ausgelöschte heilige Frau enliebe den rechten Weg fand. Tant- unf Rollen-v Humoresle von L. Brandt. t «Trude, wir dürfen das Fest aus der »Rollschuhbahn mitmachen, Papa hat es eben erlaubt.« schrie der lange ;Tertianer Adolf Schwieger, saßte :lurzerl)a.ad seine 15jiihrige Schwester um die Taille und schwang sie im Zimmer herum »Was gebt hier vor —— wie be »nebmt Ihr Euch?" ließ sich einel xscharse Stimme von der Tiir oernehJ Ernen, und Tante Berta, die seit dems lrTode der Frau Doktor Schwiegers iMutterstelle bei den Kindern vertraH ssah mißbilligend aus die beiden. » L »Wir besuchen das Fest aus der» Nollschuhbabn, Papa hat es uns er laubt,« echoten beide. « ,,Daraus wird nichts,« sagte lurz die dicke Tante und nahm, ohne sich um die erstaunten Gesichter zu küm mern, ihre Handarbeit- vor. Trade Schwieger stiegdas Blut in den Kopf, sie wurde seuerrot. »Weißt Du, Tante,« sagte sie, »Du hast eine Art, uns alles rundweg.ab zuschlagem es ist schon nicht mehr schön. Wenn Papa es uns erlaubt, kannst Du doch nichts dagegen ha en.« » »Bielleicht nehm’ ich mir doch das Yecht, Jungfer Naseweisz. Was soll : s überhaupt bedeuten? Jbr rennt Papa und fragt, ob Jhr das Fest mitmachen dürst, und mich übergeht Jhr. Mir wird bloß die Tatsache mitgeteilt. Also Schluß davon, Jhr igeht nicht, denn ohne mich lönnt Jhr »das Fest nicht besuchen, und ich gehe nicht mit.« " »Aber Tante, das ist wirklich stark. Du schlägst uns das Fest ab, nur weil wir Dich nicht zuerst sragten,« »schrie Adolf erbost. »Das wird ja noch schöner. Selbstverständlich ge hen wir hin, und zwar allein. Wir sind sroh, daß Du mal nicht überall mitklöters .« »Frecher Junge, unverschämter Bengel!« knirschte die Taute. »Ich werde es dem Papa sagen, o, ich werde es Dir zeigen —" »Aber Taute, Du russt ja auch Adolss Hestigleit durch Deine Reden beraus. Jeden Tag ist hier bei uns Krach, ach, war es srüher schön, als Mutti — " weiter konnte Trude vor Tränen nicht sprechen, und auch der lange Adols trat in sichtlicher Bewe gung bei Trudes Worten an das Fenster, um den anderen nicht seine seuchten Augen zu zeigen — — .,Kinder, Kinder, was macht Jhr denn? Was geht denn nur hier vor? Mein Gott, haltet bloß eine Stundes Frieden. Die Leute reden schon über uns,« und der plötzlich eingetretenes kleine Doktor Schwieger streckte bess schwörend die Arme gen Himmel. ’ »Deine Kinder, lieber Schwieger, sind Prachtexemplare »Was-a ach, guter Papa, dieTantes will uns nicht — »Still, Kinder. Was gab es denns hier wieder, Verta?« l »Höre, «lieber Schwieger (Tantes seßte sich in Positur). Also, ich finde es zunächst sonderbar von Dir, daß Du mit mir nicht die Sache be sprichst, wenn die Kinder ein Fest mitmachen sollen. Du gibst ihnen einfach Deine Erlaubnis. Jch muß doch notgedrungen mit, und da Jhr mich alle übergeht, so gehe ich eben nicht hin, und die Kinder auch nicht!« »Na, weißt Du, Berta, wenn das Dein einziger Grund ist, darum doch keine Feindschaft.« »Meine Feindschaft könnte Dir auch sehr ungelegen kommen, lieber Schwieger zumal wenn Dein lieber, zu mir stets sehr höflicher Sohn Adolf studiekt, und Deine mir immer freundlich entgegenkommende Tochter heiraten will, ich möchte sehen, oh Du da nicht den Weg zu mir finden wirst; denn von Deinem Vermögen könntest Du es kaum erniögljchen.« Und als hätte sie eben den höchsten Trumpf ausgespielt, lehnte sich Tante Berta nach ihrer von Jronie tropfen den Rede n den Stuhl zurück. »Wie Du leicks bist, Berta,« sagte verdrie lich er Doktor. »Jmmer hältst u mir meine Geldverhältnisse und Deine Großmut vor. Halte, ich bitte Dich, Frieden mit den Kindern, verdirb ihnen doch nicht ein Fest! Was nimmst Du denn auch alles gleich übel? Dich zuerst fragen! Herr gott noch mal, Kinder, was fragt Jhr mich denn auch? Jhr seid doch alt ge nug, um zu sehen, wie die Verhält nisse hier liegen! Nur jeden Tag diese Szenen, immer wieder Krach! Die Patienten laufen mir nächstens da von. Meine Ruhe will ich in meinem Hause haben!« schrie Papa Schwie ger zuletzt ganz wütend und stampfte mit dem Fuße auf. »Und auch nicht aus dem ange führten Grunde allein weigere ich mich, das Fest zu besuchen, aber ich fühle mich denn doch mit meinen kaum vierzig Jahren zu jung, um mit den anderen alten Damen den ganzen Abend zusammenzusitzen und Kassee zu trinken.« Papa Schwieger geriet dadurch noch in größere Wut. »Was willst Du denn tun?" schrie er. »Dann roll' doch mit —- meinen Seaen hast Du!« »Aber Papa, dazu ist Tante zu lorpulent und alt,« sagten ganz vor wurfsvoll die Geschwister. Das war die Stelle, wo Tante Berta sterblich war. Sie war doch nicht alt, sie wollte vielmehr nicht alt sein. Mit großer Aengstlichkeit gab sie aus ihr Haar acht, und jedes weiße Härchen wurde sorgfältig aus gezupft. Die hellsten Farben, die modernsten, jugendlichsten Hüte wur den von ihr bevorzugt. Sie trug die teuersten Korsetts, um schlank zu er scheinen. Auch tanzte sie ebenso gern und ihrer Meinung nach gut, wie ganz junge Mädchen, und da sollte sie zum Rollschuhlaufen zu alt sein? Das war stark! Darum sagte sie auch voll Zorn sprühend: »Um Euch zu beweisen, daß ich mich noch sehr sung fühle, will ich heute abend in irgend einer stillen Straße Rollschuh laufen, obgleich mir der Sport höchst unsympathisch ift.« Adolf und Trude lachten laut.auf. Papa Schwieger murmelte: »Ver rüelt!« und ging in sein Zimmer zu rück. Tante Berta aber nahm gleich Mantel und Hut und ging Rollschuhe kaufen. Was war denn groß dabei? Ganz kleine Kinder liefen schon all morgendlich zur Schule, und-sie, die Tante Berta, sollte es nicht können? Ja, wenn es Schlittschuhe wären, da sah die Sache anders aus. Eine dünne Stahlschiene war die ganze Herrlichkeit —- hier aber waren vier kräftige Rollens und da sollte sie nicht Rollschuh laufen können? Das war ja zum Lachen! Unter solchen und ähnlichen Ge danken stampfte die Tante der Eisen warenhandlung zu. Adolf und Trude hatten vom Fenster aus die Tante beobachtet, glaubten aber, daß das Rollschuhkaufen nur ein Scherz ge wesen war. Adolf knisf seine Schwe ster jetzt vor lauter Verwunderung in den Arm. »Trude, die kommt tatsächlich mit Rollfchuhen, ich mache mich diinne. Du hast das Vergnüge.l, allein mit der Tante zu gehen. Jch sehe mir unbemerkt die Chose mit an.« »Adolf,« flehte Trude, »ach, laß mich doch nicht allein mit Tante, lomm doch mit-« Aber der Bruder blieb hart, und als die Tante und Trude mit ihren Rollschuhen der Siegeästrafze zuftreb ten, schlich er unbemerkt ihnen nach. Leider war nun eine Bank zum Anschnallen der Rollschuhe nicht vor handen. Trude bemerkte dies mit großer Freude und in der stillen Hofs nung, daß nun der Heimweg ange treten würde. Tante aber wußte so fort Rat. »Komm, Truhe, wir gehen nach der Baumitraßz hier gleich um die Ecke, die Drofchkentutscher haben bei ihrem Halteplatz eine kleine Bank, vielleicht kannst Du mir «dort die Rollfchuhe anfchnallen,« sagte sie und iibersah absichtlich die bittenden Au gen ihrer Nichte. ,,Tante, die Banmstraße ist so be lebt, und Du kannst doch noch gar nicht laufen. Ach, komm, wir wol len es lieber lassen.« »Das wäre noch schöner, mein teu res Geld fiir die Dinger ausgegeben zu haben und dann nicht laufen! Komm nur fix!« Die Kutscher hatten nichts gegen die Benutzung ihrer Bank einzuwen den, nur sei dieselbe sehr-warmer und auch fiir lorpulente Damen nicht start genug aebaut meinten sie· Tante hüllte sich- in eisiges Schweigen. Trude schnallte ihr die Rollschuhe an und dann schnell ihre eigenen, natürlich die sämtlichen Kutscher als Zuschauer habend. »So, Tante, jetzt lomm,« sagte Trude und ergriff die Hand ver Tante, aber es war leichter gesagt, als getan. Krampshafi hielt sich Tante an Trudes Arm fest und ging oder rollte mit verschiedenen Bücklingen glücklich vom Bürgersteig auf den Fahrdamm. »Tante, stell’ Dich hin, ich schieb’ Dich schnell die Straße entlang, bis wir wieder in der Siegesstraße sind; da sind weniger Leute« »Was hast Du denn immer mit den Leuten? Laß die doch gucken, so viel wie sie Lust haben! Jch will mal allein versuchen.« Tante gab sich einen kleinen Ruck und rollte los. Leider waren die Rollschuhe heimtiickisch, sie rollten von selbst ob des kleinen Stoßes, und’ Tante Berta schwang gleich Flügeln ihre Arme. »Trude!« lreischte sie. ,,Sosort komm her!« Trude lam auch gleich, aber Tan tes Rollen war fast schneller, sie rollte dem Rinnstein zu, und Tantes Arme umfingen hilfesuchend die große Straßenlaterne. Das war ein Bild zum Malen, und im Nu war Tante von Schaulustigen umkreist. Der Trude war das Weinen näher wie das Lachäi. Kurz entschlossen nahm sie Tante Bertas Hand und zog die ängstlich um sich Sehende in die stillere Siegesstraßr. Da hier nur wenige Menschen zu sehen waren, wuchs Tantenf Mut wieder. An Trudes Hand machte sie verzweifelte Anstrengungen. Plötzlich hörte sie ein Auto tuten. »Trude, Trude, wir werden über fahren!" jammerte sie. »Aber nein, Taute, bleib’ ruhig stehen, es fährt vorbei,« sagte Trude. »Nein, Du herzloses Mädchen -— willst mich wohl dem Tode hier preis geben! Siehst, da kommt ein zwei tes und dort eine Droschle, ich sehe es kommen, ich werde überfahren, l — — -« Nitsch, ratsch war alles vorüber, und Trude und die an allen Glie dern zitternde Tante hatten wieder freie Bahn. »Na, Tante, wie gefällt Dir das Rollschuhlaufen?" sagte eine Stim me, und Adolf stand schadenfroh la chend vor den beiden. »Seht gut —- was«ift denn groß dabei?« sagte die Tante piliert, machte sich schnell von Trudes Hand los und wollte dem dummen Jungen ihre Künste zeigen. »Links ausstoßen rechts aus stoßen!« kommandierte sie sich selber, machte dabei aber unwillkürlich eine tiefe Verbeugung nach vorn, eine noch tiefere nach hinten — schwapp, saß sie etwas plötzlich und unsaan auf dem Fahrdamm. Trude und Adolf versuchten mit vereinten Kräften die Tante, die fürchterlich aus die Kinder, auf die Rollschuhe, kurz auf die ganze Welt fchimpfte, hoch zu bringen. Und als es ihnen endlich gelungen war und die Tante umaehend abzu- . schnallen wünschte, Zog Trude Tante Berta schnell die Straße entlang der Abschnallbanl zu, während Adolf hinten kräftig nachschob. Der An blick mußte sehr komisch sein, denn die Droschienlutscher singen laut an zu lachen. »Warten Sie, Madameten. wir stellen die Bank auf den Fahrdarnrm da brauchen Sie nicht erst auf den Biiraersteiq zu llettern,« meinten einiae eilfertia. Tante Berta war so wie so sehr unanädia und das Lachen der Leute machte ihre Laune nicht rosiger. ,,Laßt mich!" schrie sie die Ge schwister an. »Ihr nur macht mich lächerlich!« llmqebend wurde ilirem Wunsche nachaeaeben, und Tante Verta rollte selbst der Bank zu. Mit einem Seufzer, der aus der Tiefe ihres Herzens sam, liesk sie sich mit eibem Wahr-dich auf die Vanl nieder. Da « ein sit-ach — das leickte Brett aab nach ein Schrei, und die Tanie laa im Rinristein. »Aber Madamelen. unsere schöne Bank haben Sie zerbrochen, nun kommen Sie man «— —« Hub lust! s— nnd Tante stand wieder auf acht Rollen. Zwei Droschlenlutscher hielten sie nun. und Adolf und Trude schnallten so schnell wie iraend möglich die Rollschuhe ab. Dann wurde die Tante in eine Droschle ver-laden und —- nach Hause aina’s. Am Iaae des Rollschubiestes lag Tante infolge der ausaesianisenen Strapazen zu Bett. und Papa Schwieaer aing seeleniroh mit seinen Kindern zur Rollschubbabn Os eKante Verta noch einmal das Roll schuhlausen probiert? —- Komischer Vorwurf. Hausfrau (zur Köchin): »Minna, daß Sie mit Jhrem Schatz immer im » Dunkeln sitzen, wirft ein eigenartiges Licht auf Sie-«