Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, January 17, 1913, Zweiter Theil, Image 12

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    M ME- Vokt Mk Treu,
IN im feste- Augenblicke ein
! hast Du sen-we gemacht
site ! Da Glückes-itz- freue
g- ».«-e;s-: sie-is ssssexssss
en n n wie ver
cssenden dieses die Meute. und
Mk schon um Kragen und Uni
hes gehe —- hpis Dich der Teufe( —
Inh dann eine Erbin mit siinszehn
Fixiin finden nebst Schwiegerva
ter-. der eine ossene Hand und ein
immin Verständnis siir die Lei
- den eines armen Ossizietz hat; so ein
K
Glä- isi ini ganzen Regiment roch
dick-E dagewesen! Und Du mußt Dich
stählen wie ein Königl«
»Ach ja!« sagte der Hauptmann
Joachim von Wall-enorm verschränkt
die Hände hinter dem Hintertovs
dehnte sich weit in den Sessel zurück
und holte ties Atem. »Ach ja!«
Sein Kamerad Ernst von Hollwitz
enthie.
»Ach ist sagt du Gmckspirz. Hek
ncaL wenn mit eine Erbin mit fünf
zehn Millionen an den Holz flöge.
ich sagte etwas ganz anderes als »Ach
Its-.
«Uch ja! Du hast gut reden!«
Erst-unt wandte sich jetzt Hollwitz.
der langgestreckt auf dem Sosa tag
dekn Freunde zu, faßte ihn scharf ins
Zuge und entgegnete:
»Du, ich habe mich immer ein biß
schen ens Menschen und ganz beson
ders des »Genus unisormale« darun
ter. Ofsiziee benannt, verstanden, und
iA meine, Du hättest eben geseufzt!
Fehit Dir musi«
Weiden-no schütttelte den Kopf.
.Reel«
«Jietn! Gesenszt hast Du aber! Jch
bogeeise Dich nicht«-— Und wenn ich
Dein Gesicht ansehe! Bräutigam von
Eil-innen mit ungezählten Schätzen
nteine ich. müßten anders aussehen.«
Er wars einen Blick aus die Uhr.
Dann sprang et aus.
»Donnerwetter! Fünf Uhr! Dienst
tust! Und nun noch schnell, laß Dich
znr Garde zurückversetzem Weißt Du
noch. too wir beide so köstliche Leut
Iantsiage verlebt haben«s«
Walten-pro nickte.
»Es trat eine schöne Zeit!«
«Das meine ich auch! Und siie
Dich kommt sie wieder! Hier in die
sem verdammten Nest kannst Du mit
Deiner Millionärin nicht bleiben! Na.
und trenn Du dann Deine elegante
Wohnt-IS in Berlin W. oder in Potss
dem basi, dann denke auch mal an
den armen Teufel Holltvitz und lade
Eh zu Deinen gasilichen Tischen und
steundlM Jagdgrbnden ein! Adieu
siies us —- hent’ abend im Kasino!«
Ein abschlag, Hollwiy ging.
" Waldenow erhob sich langsam aus
been Sessel, reckte und streckte die
chlantr. sebnige Gestalt und trat an
einen Schreibiisch. Aus einem ver
schsosenen Iach nahm er eine Photo
graphie, das Bild eines jungen Mäd
chens, sah sie lange an und legte sie
dann wieder zurück.
Mit-AK sagte er leise.
Er ließ wieder in den Sesse!
fallen und tt umte vor sich hin.
Draußen verdiirnmerte der Omber
isgz der Herbste-sind klirrte leise mit
des Iessterscheiben, nnd ein letzter
Strahl der sinkenden Sonne haschte
» nd durch die bescheidene Jungge
- ohnnng.
Walde-im fah ihn nicht. Er hatte;
die Augen geschlossen. Er mußiej
etwas mit sich selbst abmachen. Warj
er wirklich so ein Glücks-lind, wiel
Hostoitt gesagt? ·
Die Waldenows waren ein uralter· J
aber ganz armer Schwertadel derj
Mart Brandenburg. Sie waren jeitl
Jahrhunderten immer Soldaten gen
wesen um«- hatttn sich stets schlecht und l
recht dt:rcl; die Jahre der Entbehrun- :
durchgebungert und durchgefref·-i
en- Mit dem Degen ließen sich teinez
CAN sammeln; das hatten sie allej
åiahrem die auf den blutigen Sie-·
fesselt-ern von Fehrbellin bis Sedan
und Städafrita gefochten und gefal
len sparen. l
Ihm aber, bis jetzt dem letzten sei
ses Namens, schien das Glitcl zu blü
hn. Ein alter Onkel mütterlicherseits
Wer reich, Fideikommißbesiter in
- «cesien, war unverheiratet geblieben
nd Joachim sein einziger Erbe. So
set et ans dem Kadetetnlorpz, in
Wut er nach dent frühen Tode sei
ner Eltern erzogen worden, in ein
Muthes Garde - Jnfanterieregi
W eingetreten, und der alte Onkel
M mit freigebiger hand die noblen
Hastonen des jungen Offiziers »si
smtertc tote er sich auszudrücken be
Brstg Der alte Herr war eben auch
M im zweier-, wußte aus Ettalyj
M da man die Jugend, genan
bte , »der-grämen«
M M man seine Freude daran
W M, need so hatte Joachim
ins und glückliche Tage verleit. l
- M W hatt-er dem Onkel;
wes-Wagen es
.’ n, tz
z? I nimmt hätte detalte
..» der Last-en ganz besonderen
M
.
eu all
, lief-Its detloknmißs
v III ZU « M be
» III-.- Mächt
.T- s« IV wäre sie das besie,
" III-Ce- ems
s (
lich. und sein, des junge-n Osfizier3,
etwaige entschiedene Erklärung daher
Hildegard heiraten wolle, wiirde ganz;
unfehlbar feine Enterbung nach sich
gezogen haben.
Darauf aber konnte er es nicht an
kommen lassen; denn dann wsiire er
Jeng gewesen. hätte den bunten Rock
an den Nagel hängen und sehen kön
nen. wo er mit Hiledgard bliebe. So
wartete man; war doch der Onkel
hochbetagt und seit Jahren leidend.
so daß die Aerzie sein Ableben inl
lürzester Zeit voraus-sahen .
Sie waren ja beide noch jung, er .
und Hildegard. und sie würden iiber
dem bißchen Warten nicht oerbliiben.
Und ihre Liebe würde nicht erkalten
Es war eine echte, rechte Jugendliebe
und eine solche hält durch dick und
diinm durch allen Wechsel der Zeiten
Schon als Knabe hatte er Hildegard
gekannt und war ihr jugendlicher
Ritter und Beschützer gewesen« der
m.ttig aus dem Steckenvserd teilend
tapfer und unverzagt siir sie blutige
Kämpfe mit Riesen, Drachen und
anderen fabelhaften Ungeheuern aus
gefochten hatte. Sie war die Tochter
eines armen Land-geistlichen und der
Vater hatte ste, nachdem sie erwachsen
zur Lehrerin ausbilden lassen, damit
sie sich ihr eigen Brot im Leben der
dicnen könnt Und das war bald ge
nug nötig geworden. Denn kaum h.stie
Hiidegard ihr Eramen bestanden, da
glaubte der alte Herr, in diesem Le
ben nichts mehr zu tun zu haben,
legte sich eines Abends siill und fried
lich hin. um nie wieder zu erwachen.
und ließ seine Tochter als vater- und
mutterlose Waise zurück. Joachim
lam sofort, und am Sarge des Va
ters schlossen die beiden ihre Hände
mit festem Drucke zum Bunde siir
das Leben ineinander.
Niemand aber erfuhr etwas von
diesem stillen Verlöbnis. Denn an
erse heirat war. wie schon erzählt
vorläufig nicht zu denken. Joachim
blieb bei seinem Regiment in Berlin
nnd Hildegard trat in ein Amt als«
Lehrerin insFranlfurt a. Oder. Sie
sahen sich oft, aber immer heimlich
und verstohlen, und fie fühlten es, daß
solche treue heimliche Liebe die glück
seligste ist. Voll Zuversicht und Vet
trauen sahen sie in die Zukunft, die
thnen hell und rosenret erschien wie
ein firahlender Maimorgen. Mochten
auch Jahr und Tag vergehen, ihre
Liebe blieb frisch und jung. weil
sie beide die Borg siehung zu einer
solchen Liebe ihr eigen nannten; ein
iapferes und gesundes herz. das war
ten kann und Treue erzeigen will.
Oft, wenn sie heimlich zu zweien spa
zieren gingen, sang ihr Joachim ein
altes Lied vor, das er einst vor lan
gen Jahren don seiner längst verstor
benen Mutter ebbet und das jedes
mal einen tie en Eindruck auf ihn
gemacht hätte
.Die Stets ifi das höchste — vergiß
ei nicht!
Und ob Dir das herz und das Auge
bricht;
Die Treue allein, die Treue allein
Wird durch Tod und durch Nacht Dir
Führerin sein!
l
Das was Du ergriffen, das halte1
est!
Ein Feigling, der das Kleinod sich
rauben läßt!
Ein Leben voll Glück und voll Son
nenschein
Gewährt nur Treue, die Treue allein!
Umbrausen Dich Stürme, so sieh
Deinen Mann!
Und siillsi Da im Kampfe, was liegt
daran?
Der Himmel sieht offen: »Du
Jupiter-, sieh ein,
Denn die Treue war Dein, die Treue
war Dein!·'
Jedes-nah wenn er es ihr zu Ende
gesungen, hatte er ihre Hand inniger
gedrückt; sie hatten sich beide lange in
die Augen gesehen nnd ein jedes
hqtte im Auge des andern gelesen,
daß sie dieses Lied von der Treue
zieht nur verstanden, sondern daß sie
etsecbsi erlebien. Und sto und
glücklich waren sie beide in esem
Bewußtsein gewesen nnd wenn He
anseinandergingen, so sliisterien sie
sich immer wieder zum Abschied zu:
»Mir noch ein wenig warten! Ueber
ein kleine-P
wende alle ihre Träume fanden ein j
jäh-Eud
Der alte Onlel war, wie gewöhn
lich, im Winter irgendwo an der
Riviera gewesen und eines Tages,
alt der riihling ins Land lam,
flatterte über die Alpen ein Brieflein
zu Joachim, in dem der Magnat dem
bestürzten Neffen kurz und bündig
mitteilte. daß er sich mit einer schönen
jungen Witwe der französischen Ari
ftotratie verlobt habe und demnächst
feine hochzeit feiern werde.
Joachim war starr. Ein dutzendmal
nnd mehr hatte er den Brief geleer.
Aber die Worte wurden ntcht anders,
sie lauteten bei jedem Male gleich:
der alte here hatte fichDa verlodt Und
wollte fich verheiratein Dafollte ja
der Donner dreinfahrenl Wie war
denn so etwas möglichi Kraut und
leidend vierunvfechzig Jahre alt —
hdrUn man doch nicht mehrl
WHundert-neu redete sich dasJ
M, aber die Tatfache f e Jeentcht
ask-I der Welt; der alte tRatt-est
DZOW MS II- aufs-HEFT
Mitseteinkanntnvenkrt
Jahren. Und feine Frau fah bezau«
bernd ichsn ans —- eia Wunder wer
es nicht« wenn inan sich in sie set
liebte.
»An-re Away-sein« iagie Jmäirn
bein- niichsten Zusammentreffen zu
ihr, »was machen wir denn anni«
Wir warfen, JoachinIP
»Ja. waran dem-T«
«Bii Du Hauptmann erster Klasse
geworden! Dann brauchen wir doch
keine Knniion mehr! Du läßt Dich
Zur Linie versehen, in irgend eine
kleine Garniion, wo esganz billig ist.
und dort iann rnan dann schon leben!
Tun es doch io viele — warum soll
ten wir das denn nicht können? Sei
ohne Sorge, Joachim, ich habe ieine
Ansprüche« . . .
»Is. Du nicht« Du armes, liebes
Mädchen! Aber ich! Wenn man so
und so viele Jahre ais der Erbe eines
großen Vermögens gelebt und gewirk
-fcbafiet hat, dann ist es nicht leidi,
sich eines Tages plötzlich einschränken,
von io mancher lieben Gewohnheit
Abschied nehmen zu müssen.«'
Sie sah ihm innig in die Angen.
.Dn kannst es, Joachim! Denn Du
hast einen eisernen Willen, wie alle
Waldenoros!«
»Vin, man wird es iernen miissenl
Aber bis ich Hauptmann erster Masse
bin. arme Oildegard, acht, neun, zehn
Jährchen können vergeben« . . .
»Was iui es. Joachim? Hält die
Treue nicht ansi«
»Sie hätt aus« Liebling!«
Und fest umklammerien sich ihre
Lande«
Er sah es ein, seine Versetzung zur
Linie war unbedingt notwendig ge
worden. Der Onkel wollte ihm in
Zukunft nur noch einen aanz geringen
Zuschuß zahlen. So leicht jedoch war
die Versedung nicht. Alte, liebe Kame
radenlreise verlassen, alle gesellschaft
lichen Beziehungen der Hauptstadt
ausgeben, aus allen ebenso sreundli
eben wie lostspieligen Gewohnheiten
eines Gardeossizierdaseinz heraus
müssen, in irgendein elendes Nest
nbersiedeln, wo man die Abende bei
sckslechtem Bier und triibem Stumpsi
sinn im Kasino zubringt, neue Kame
raden. die dem Fremdling von der
Gardr. der da hereingeschlendert wird,
regelmäßig nicht erade mit den un
befangensten un wohlwollendsten
Gesinnungen entgegenlommen —
leicht war ein solcher Wechsel nicht,
wahrhaftig nicht.
Und so schob man ihn aus« zögerte
ibn bin, immer und immer wieder. Es
gab ja in Berlin so viele Biedermiini
net, die einem jungen Dssizier belie
bige Summen vorstrecken, ganz beson
ders dann, wenn ihm aller Wahr
scheinlichkeit nach doch einmal ein
großartigeg Fideikommiß zufallen
wird. Und diese Wahrscheinlichkeit
daß die Ehe des «Onlels tinderlos
bleiben und daher er, Joachim von
Wall-enorm dennoch das Erbe erhal
ten werde, war doch sehr groß.
So wurde denn daraus losgelebi.
Mit schwerer Sorge sah es Hildegard
·Joachitn.« bat sie,- tu es mir zu
liebe — aeh von Berl n sort!«
NAber Lieblingk l
»Nein Aber, Joachiinl Tu es niir
zuliebe, worum ich Dich bitte — geb!«
»Es ist ja doch nicht nöti«
»Es ist nsti ! Du bist nicht inebr
der baldige Bei iher einer großen Erb
schasti Du bisi nur noch ein armer
Offizier, der sich nach der Deckel
siieeien muß!«
Aber Joachim schüttelte den Kopf;
er blieb in der hauptstadi. ;
Ein Jahr daraus schüttelte er denl
Kon nicht mehr. Dem Onkel war ein l
Sohn geboten worden ein Pracht
funge, wie er schrieb Und zwei Jahre
daraus schüttelte er den Kopf nochs
viel weniger: Ein zweiter Staininhalsl
ter gesund und kräftig, hatte in dein
siiån schiksischm Magnstmschipssel
das Licht der Welt erblickt. ;
»Na, aller guten Dinge sind drei!«
dachte Joachim ärgerlich, als er diei
Anzeige erhielt. i
Und er behielt recht! Als die Zeit
erfiilIet war, tain ein drittes Brü-4
derchen zur Welt. und vor den lraftis »
san nStiniinen der drei jungen, Erden-i
rger sanken alle Hoffnungen Joa-;
chinis zusammen, wie die Kartenbäuss
see unter dein Faustschlag einez zer
stotukngdlustigen Buben WasNaber bers
nun j
»Eine reiche heirat, re von Wal
denoiv!« sagten die läubiger, die
fest dringend wurden und init Anzei
ge an das Regiinent drohten.
»Eine reiche Deiratl« sagten die
Kameraden, die genau wußten, wie es
uen Joachim stand.
Und von distretein ganz disteeten
heiratsvermittlern nnd Heini-ver
inittlerinnen tainen ilnn täglich chdii
trete, ganz ditlrete Briefen s hau
geflogen.
Er las sie nichts et zerriß sie.
»Ich bleibe Dir treu, httdegard!«
scat- et
tließeesichindie Prwinz
ver esen. Aber die Schulden gingen
rnit.
Weiten Sk »Den Dberleuii
nant!« rieten die litiibiger. »Ein
Mann wie Sie —- an jede-i Finger
einen Alt-fisch- lvenn Sie wollent·
Eines Tages ließ ihn der Obern
loniaiein
P Dienstanng «
A edåi Zeigt-set Sturmim nnd
M eins-« M
Ein-inne leid
Wieso-sk- »so-II
muß bitten, das der betrog binnen
acht Tagen bezahlt NU«
Nach diesem Bitten gab ver Onkek
in Schtesien das Geld het.
Darf aber nicht wieder Won
MM« Mk sagte a. »Ich hast
ietzt selbst M Jung-us —- Ists-W
Kerle. soc kch Dir-. WZM Du sie
setzenk s
.Nee, ich danke, Onkel! Mein Zug
siidttk
ch·«Ich so! Nu also let-wohl, Joa
un.«
Seitdem hatte er den Onkel nicht
wieder gesehen. Aber die Gläubiger
fah et wieder. Die kamen dehnt-lich.
Er fühlte es. lange ließ sich die Sache
nicht mehr halten.
Beim lekten großen Frist-jahrz
ovoncement war er hauptmann ge
worden.
Glücklich lächelnd hatte ihn silbe
gatd beim nächsten Wiedersehen um
amt.
«Nur noch eine lurze Zeitl« sagte
sie.
»Ehe kurze Zeitl« wiederholte er
gedanlenvoll.
Ja, sie hatten treu ausgehalten die
Jahre hindurch. Von seinen Schulden
hatte er ihr nichts gesagt; ihm war
eB. als würde er durch dieses Geständ
niel ihr ganzes Lebensglück vernichten.
Denn wie sollte er heiraten, solange
diese Schulden da waren, und wer
wärde sie bezahlen?
»Den Abschied nehmen!« sagte er
zu sich selbst. »Es ist der einzige Weg
der mir bleibt.«
Nach den letzten Herbstmaniivern
trar er im Urlaub mehrere Wochen
in Baden-Baden gewesen, um sich
rheumatische Schmerzen wegzubaden.
Herr Friedrich Selimann, alleiniger
Inhaber der Firma Gebriider Selt
mann ö- Co· in Hamburg, war sein
Tischnachbar an der Table d’hote des
Hotels Ein vielfacher Millioan und
Vater einer einzigen Tochter, einer
zarten fchlanlen Erscheinung, laum
fiebzehn oder achtzehn Jahre, mit
einem Gesicht von geheimnisvollem
ganz eigentümliche-n Reiz.
Sie waren täglich zusammen. Herr
Seltmann fand Gefallen an dem
jungen hauptmannx man ritt zusam
men aus, und Joachim wunderte sich
wic elegant Liddh Seltmann im Sat
tel faß, und wie terl und verwegen sie
den fchneidigsten Galopp mitritt. Auf
der nächsten Neunion im Kursaal war
er ihr bevorzugter Tänzer, und er
freute sich, wie graziös und gewandt
sie zu tanzen wußte. Jm Lamm-Ten
nis, Golf und Krocket war er ihr
Latinen und mit Bergniigen bemertte
er die anmutigen Bewegungen und
tellungen der jugendlichen Spielerirn
m Theater saß er neben ihr, und er
entdeckte mit Genugtuung. welch
tressliches leitisches Urteil und welch
lebhaftes Interesse fiir die Kunst ihr
zu eigen war.
Und eines Tages entdeckte er noch
etwas: daß sie ihn liebte. Aus dem
Klavier des Musitsalons im Hotel
fand er zufällig ihr Rotenalbum lie
genb das sie wohl vergessen hatte. Er
btii erte es durch, um seinen Inhalt
kennen zu lernen. Zwischen zwei Sei
ten lagen ein paar Nosenbliitter, ein
mit Bteiftift befchriebener Zettel da
bei: «Lichtenthal, 24. September
IM. Von ihm erhalten« So stand
von ihrer Band daraus.
Vor wenigen Tagen war es gewe
sen-, da hatte er ihr die rote Herbst
rofe geschenkt. Und nun fand er diese
hier wieder, und sie redete eine deut
liche Sprache zu ihm. Wie ein Sün
der legte er das Notenalbum wieder
aus das Klavier.
»Noch heute abreisen!«
So sprach er zu sich selbst. Sosort
wollte er seine Koffer packen. Er ging
in sein Zimmer. Ein Brief lag da.
der mit der Post gekommen war.
Vom Regimentslommandeurl Das
konnte nichts Angenehmes sein. Er
las — ada, neue Meldung über
Schulden, tategorische Aufforderung,
binnen vierzehn Ta en zu bezahlen,
widkigensalls man einem Abschiedss
gesuch entgegensehen müsse.
Da war dte Bescherung. Binnen
Pistzehn Tagen bezahlen Widrigens
a s —
Was glattbte denn der Alte eigent
ltchs Das Geld lag doch nicht aus der
Straße! Und der schlestsche Onlelf
An den war nicht zu denken.
Also den Rock aus tehent
Joachim schüttelte ch Der Gedan
le verursachte ihm sast einen wohnsi
schen Schmerz -—— den Rock ausziehen
—- Niel Die Waldenotos waren tm
nrer Soldaten wesen, und tm Grade
würden sie st umdrehen, wenn der
lexte ihres Namens mtt Zyltnder und
jRegenschirm über die Straßen gehen
wüßte«
Arn Abend dieses Tages verkündete
here Seltrnann der otelgesellschast
dte Uerlo seiner
ledy mänsenn hauptmann Joa
chim von Walde-tote
—-s————---———
Ali Joachim am andern Morgen
erwachte, war ihm eins klar, ganz
klar, zum Erschrecken gewiß: daß er
gestern das Beste in sich emorbet
hatte, die Treue. Aber wie e n echter
Mörder, gieickxgijliig und gefühlt-II
gegen das, was er getan, fette er ei
nen Weg fort. Kalten Blutes schrie er
einen langen Brief an ildegard,
feste ihr alles auseinan er nnd
wünschte ihr Glück für i en ferneren
Leben-wen Schon zwei es darauf
datk er ihre Antwort in feinen DIR
denz sie fandte ihm den Ring irr-Ich
Ein ttettzer W las dabei ist den
»ewigen Worten- .M sei mit M
beides-l Dicdegard.«
Da war er mit leisem Stöhnen in
den Sessel gefnnlen. Die fehlt-hie
entfagende Größe dieses Mädchens
riittelte mit R t an feinem hatt
werdenden Gen- n. Er wußte est
Sie würde keinem andern Mann zum
Altar folgen, sie nicht! Sie hielt die
Treue auch ihm, dem Abtriinnigem
der ihr das Herz gebrochen!
Und die anderes Und Liddni War
er denn ihr treu? Liebte er fie?
«Nein,« schrie der Anlliiger in ihm
»Dn liebft fie nicht, Du liebst nur
das- Gold der Abnungslofem das Dich
tot dem finanziellen Schiffbruch be
wahren foll!"
Scheu fah er biniiåer nach ihrem
Bilde. das in prarlxtvollem Rahmen
auf feinem Schreibtifch fiand. Ein
fiißes. vertrauengvolled. fast noch
tindliches Gesicht mit tiefen, fragenden
Angen. die um Wahrheit zu bitten
schienen. Und daneben tauchte die an
dere auf: das aereifte Mädchen mit
dem stillen. felbftbetvufzten Antlitz, den
klugen Angen, die in die Gebeimnilfe
des Lebens eingeeifen wollten« über
der hohen, weißen Stirn das reiche
volle. laftanienbraune haar.
Beleg und betroa er sie nicht beides
Jäb fuhr Joachim aus feinem
Sessel auf. Es war ganz dunlel ge
worden im Zimmer, und niemand
hätte die flammende Röte bemerlen
ldnnen. die bei dieiee an sich felbit
aetichteten Frage feinloffenex ehrli
cheg Gesicht bedeckte.
Der Bursche trat ein und brachte
die Lampe. Joachim wandte sich an
um
«Jch toerde siir Dich um einige
Tage Urlaub nachsuchen! Ich habe in
vierzehn Tagen in Hamburg hochzeit
nnd Du sollst mich begleiten!«
»Ja Beseht!« entgegnete der Bur
sche. Aber er wunderte sich, wie tatt
und hart heute die Stimme seines
Herrn klang: so hatte er er ihn noch
nie sprechen hören.
Jn einem eieganten hotei zu Ham
burg siand Joachim von Waldenow
und machte Toiiette siir die Fahrt
zum Standesbenmten und danach zur
Kirche. Der Bursche, der ihm dabei
behilflich war, war erstaunt. weich
ernstes, blasses Gesicht sein here hatte.
und wie nnwirsch und unseeundiich
der sonst stets so Ruhige und Gütige
iedes Wort herausstiirzte. Der treue
Diener hatte doch auch schon so man
che hochzeit gesehen; aber das mußte
er, so, wie heute sein Herr. so hatte
noch kein Bräutigam ausgesehen
wenn er an seinem Hochzeitstage sich
ein hübsches, junges Mädchen beim
holte.
Joachim war ietzt allein im Zim
mer, da er den Burschen soeben noch
zu einer Besorgung iortgeschiat hatte
Er stand vor dem Spieael und rückte
an der Unisorm; ste saß tadellos.l
aher doch fühlte er iich heute darin
keenat und ungemütlich ,
»Das ist des Königs Rock«« sanke«
er zu seinem Geaenbild, das ihm blas-,
und unsreundlich ans dem Spiegel
entgegendliclte, »den Deine Väter und
Urväter mit Ehren aetragen dadenl
Das ist des Königs Rock, in dem sie
fitr ihren König und ihr Vaterland
zu kämpfen, zu dluten und zu sterben
verstanden, als treue Ehrenmannerl
Und darum hat ihnen dieser Rock
auch immer gut gesellen! Weshalb
ssdt er Dir heute nicht? Weshalb
drückt und beengt er Dich? Jch will
Mir's sagen, Joachim von Waldenowt
Weil Du ein Lump geworden hist, der
den Rock nicht mehr wert ist, ein
Lügner und Betrüger, der die ernste
Wahrheit, die aus diesem Rocke
spricht, zuschanden macht: Treue zu
halten seinem Schwur-! Darum re
helliert der Rock; er weiß, daß er nicht
aus eines Lumpen Leib gehört!«
Er machte eine hestige Beweguna
mit den Schultern, daß der Rock in
allen Nähteu trachte.
«Zerreisz nur!« fuhr er in feinem
lauten Selbstgespräch sort und starrte
sein Spiegelbild kornigen Blickes an.
«Zerreisz nur! Du hast ganz recht!
Du willst keinem Elenden dienen, der
die Treue nicht hält! Jawohll Joa
chim von Waldenow, laß Dir es noch
einmal sagen. Ein Elinder hist Du.
ein Lump, der um des Geldes willen
ein treues Vers verraten und einem
halben Kinde Liebe gelogen hatt Und
Du erhiirmlicher Geselle, Du willst
toirllich in einer Stunde zum Altar
schreiten, willst vor Gottes Angesicht
Dein »Ja« sagen, willst Gott hellt
gxtäywie Du alle Menschen belegen
Wieder eine schroffe, zornige Bewe
gung des Oberiötperz,s ein leises
Knirschen und Reißen im Rock.
«Reiß nur weiter,« sagte Joachim,
»du-mit du die Schande nicht zu sehen
brauchst. wenn Untreue und Lüge vor
den Altar treten, wenn das Vertrauen
eines unschuldigen Kindes mit Füßen
etreten, die große stille Liebe eines
Zartherzigen nnd tapferm Mädchens
zur Seite geworfen wird! Und wer
tut das alle» Wer tut das Ungeheu
eei Wer macht aus einem ehrlichen
Kerl einen gewissenlosen Lumpens
Du, Joachttn von Waldenow, und der
Mammon! Verflucht ihr beide!«
Jn fliegender hast riß er den
Rock vorn Leibe.
Ali der Bursche urtletiam, fand er
das Zimmer leer. u der Erde lag
die Uniforin —- die Kiste am stüt
ken wie an den Achier M AMICI
bis zum Ende AMICI
suf dein Tische aber lag ein W
enii folgenden Men: »Beste Ist
seine suchen ein und mache damit
was Du willst!« —
Währenddesien warteten in bet
vornehmen Billet Stirne-ums und die
Hochzeitsgäste auf den Bräutigam.
Aber der kam nicksi. Jinmer frage-Idee
wurden die Blicke, immer unruhiger
der BrauivaieD immer bleicher die
Brand aber der Bräutigam lan
nichi. BierieZsinnde auf Viertelstunde
verging. ungeduldig scharrten drau
ßen die Pferde vor dein Wagen, wie
verhofi bniie der Simsdesbeamie schon
ielepbonifch nach dem Ver-bleib des
Brauipcareg anqefragi —- der Besu
iigam fern nicht
Endlicå erschien ein Dienst-nann.
»Ein Brief file Herrn Selfmann!«
Mit fliegender Hand Eissneie dieser,
und feine und Liddng Augen« die ne
ben ihm stand, irrien über das Pa
pier. -
»Ich kann nicht! Ich will ein
ehrlicher Kerl bteibens Verzeihung! ,
Walde-ow« ·
Bestiirzi fina Selimann feine ihm
mit leisem Schrei ohnmächiig in die
Arme fallenke Tochier anf.
Etwa drei Monate danach tat
Herr Seit-neun ernsten Auges wietet
ein Schreiber-. Es war aus New
York. So aber lauteten die Schluß
worte: «
Vorarstern bebe ich meine Ebe mit
Hilbegard nein-losem und ich bin
der giiicklitbsie Mann unter der Son
ne, weil rnie Treue gehalten worden
ikt und ich setbkksp rene bewahrt babr.
Mit meiner bis-de Arbeit bringe ich
mich und mein liebes treues tapfe
kes Weib, das mir vertrauensvoll in
die ferne Fremde aefoigi ist, bnrckig
Leben. Mcg es tausend-nd ein bartei
Leben voll Miibe nnd Arbeit sein —
es wird dennoch köstlich ieinz denn
es ist ein Lied von der Treue und
ich bin ein ebriisssse Cis-l aebiiebew
Und ich botfe und bitte, dass Sie die
sem ver-teilten werdet-. nnd ein schien-s
ter Kerl Ihnen nnd Ihrer Tochter
Schweres anoetan bat-«
Wieder und wieder los Herr Selt
nmnnx und feucht wurden seine Augen.
Dann rief er seine Tochter und
unb ibr den Brief. Mit feuchtern Auge
iiberisper mich sie die Zeiten. Dann
febnte sie ibr Haupt an die Brust des
Vaters nnd iaqte leise:
»Mit bat er rnir netan tebr webt
Aber recht but er doch gebandeitis
Its menschliche set-un t
»Hüte-usw«
Wenn man den Behauptungen ei
nes angeblich berühmten Gelehrten
Glauben schenlen dars, erleidet die
menschliche Stimme kaum merkliche.
aber dar-ernde Veränderunaen nnd
sinlt von Generation zu Generation
tiefer. Unsere Vorfahren wußten
überhaupt nicht, was eine Baßstimrne
war; in uralten Zeilen sprach und
sang man nämlich nur im Falsett,
d. h. mit Fistel- oder Kopfstimut
Jett aber ist der vorberrscheth
Stimmton der Bariton aber es be
steht eine offenkundige Neigung filt
einen noch tieseren Niedergang der
Stimme, so daß der »gute Ton«
fchließlich ausschließlich der Bakton
sein wird. Neun Zehntel der schö
neren Hälfte des Menschenaeichlechtz
besianden ehemals aus schrillen So
vranen Jetzt werden einem Ille Ve
langsprosefsoren bestätigen, daß die
Sovrane immer seltener werden« und
daß auch die Meszosoprane nur noch
sehr dünn geliit sind. Wenn das so
weiter gebt, wird schliesslich die ganze
Mmschbeit mit einer Grabe-stimme
singen und sprechen, aber es bleibt
bei all dem Unglück doch noch ein fil
lier Trost: ebe die Menschheit mit
dem Singen so tiei sinken wird, wer
den noch etwa reinig Jahrhunderte
ins Land-gehe-: Die Theaterunters
nehmer ionn also vorläusig noch
ruhig schlasen.
Das Farbentptet der Verteuerung
——
Schon seit Jahrhunderten wird die
Schale der Perlrnnschel und ähnli
cher Muscheln wegen ihres milden
Glanzes nnd ihres schönen irisieren
den Farbenspielz hoch geschätzt. Die
Ursache dieses Schimmerns ist eine
rein mechanische. Beim Polieren der
aus außergewöhnlich dtinnen Schich
ten bestehenden Perirnutter entstehen
kleine und regelmäßige Furchen, die
die Schichten durchschneiden. Dies
hat zur Folgt-, daß die Lichtwellen an
den Seiten er Furchen reflektieren,
einander austitschen. Da bei der Nei
gung der reflektierenden Strahlen
nur die kürzeren Wellen, nicht aber
die längeren ausgelöscht wersem tre
ten eben jene Farbenspiele an die
der Physiker die Farben der ge reif
ten Oberfläche nennt. Sie erschei
neu auf Glas und poliettern Metall,
aber am schönsten ans Perlinutter.
Einen Beweis site die rein mechani
s Ursache kann sich jeder selbst ver
ssen, wenn er, wie das zuerst der
Engländer Wehsiee getan hat, Perl
rnntter vorsichtig in schwachern Sie
gektack abdriickt Man erzeugt da
Init nicht nnr die riechen, andern
auch das We der Ver nnitteh