Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, January 10, 1913, Zweiter Theil, Image 9

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    Ue braika
Staats- Anzetger uan II cerolds
Jus-man
HJ statt Reh 1913 ( Zwei kThe il .) Kummer 22
Zisisau Hishi un May
Qriegssiizze von Verwaan Dreßler.
Im Oasen. Finstere Nacht. Das
Meer steigt und stillt in leichter Dü
nung. Die seindlichen Panzerriesen
liegen mit abgeblendeten Bullaugen,
etwa acht Kilometer in See.
An einer Stelle der Küste steht
aufgeregt sliisternd ein kleiner Trupp
Menschen. Scheinbar höhere türki
iche Ossiziere in weitumhiillenden
Unisormen.
»Oger, hast Du das Lauten-etc
tontrolliert?« stagt einer.
»Jawohl! Bist Du ängstlich?«
Aengstltch »s-? Nein, aber unge
duldig! Essdauert mir etwas lange.
Sollte der Funlspruch nur eine List
ver da drüben gewesen sein?«
» m! —- Horch, ich glaube, der
.An er hämmertt« .
Fast ini selben Augenblicke seht em
Glockensignal sein« gedämpst, durch ei
nen an der Kiiste angebrachten Unter
tvasser-Schallsignalapparate erzeugt.
«All ri ht! Sie sind’ö!« rust Oget·
»Juki« KameradenF
Die springen einige Schritte hin
ler die zerschossene Mauer eines Hau
les zurück und bleiben dann stehen
wChrend O er plöylich einen kleinen
elelirischen cheinwerser ausslaminen
läßt, dessen Strahlenlegel er zweimal
kurz hintereinander in die Tiese DU
seinen Füßen richtet, daß man Am
Strande den Kies wie tausend Dia
Msttten ausbliken sieht. Dann et
ltscht der Schein wieder.
Die Kameraden tommen zurück.
»Mit Du sie gesehen?«
»Ich glaube, ja! Jch sah einen
schwarzen Schatten an der Küste ent
lang gleiten. Jch denke, daß es eines
von unseren Booten ist!«
Sechs paar Augen suchen gespannt
die Wassersläche ab, die im blossen
Scheine des Mondes schwarzgriin
schimmert. .
Plötzlich scheint es an einer Stelle,
als ob ein leuchtender Edelsiein lang
sam aus dem Grunde herausstiegr.
Das Wasser blitzt aus« aber nur einen
Augenblick, dann liegt es wieder
l wars, wie ein weites, sanst ge
s welltes Kissen.
Aber bald daraus dringt an das
Ohr der Lauschenden ein leichtes
Vksustm ein dunller Flecken erscheint
ruf der Oberfläche, breit und schwarz
wie der Rücken eines Niesensisches,
Und lommt im langsamem Zuge der
Miste zu.
Jeyt hört man das Knirschen einer
lichternen Verschalung in ihren
Scharnierlagern und bald daraus ein
leise abgegebenez Kommandv.
Mitleid il Allah!" ruft Oger durch
die hoble Hand.
«Jl Allab!« schallt es zurück·
Zugleich beißt ein Anker in den
Grund des stachen Strandes. wei
Decklaternen wersen ihr sahles icht
über den breiten Rücken des Untersu
bootes, das in der Dunung leicht auf
und niederschwanlt.
Ein Boot wird los-geworfen und
ksld sind zwei stfiziere der Besal
suna an Land.
,,Guten Abend, Katnemoen!«
,.Guten Abend und Glück zum Ge
lingen eures Unternehmens.«
»Wir haben nicht viel Zeit. hier
sind die Kartenstizzen über die Stel
lung der seindlichen Schiffe und hier
die Ordres.«
Der alte. graut-artige Qfsizier uders
gibt den Kameraden ein Pickchen Pa
pure
«Habt ihr Berichte der Kommans
dantur?«
»Ja, bier sind sie!«
Der Ossizier nimmt sie in Ern
dsang und wendet sich, um wieder an
Bord seines Bootes »Durniitor« zu
geben.
»Du hast es eilig, bn Davud!«
Der wendet sich erst in Kamera
den zu.
»Der Kommuniant eines Untersu
booteö nat in solchen Zeiten nie Nu
de. —- Was tann euch als Landtrupp
ler passieren«-il Eine Kugel in die
Eingeweide oder ein Granatspliiter,
der den Kopf wegreißt. Ein schnel
ler, unerbosfter Tod! Uns überfällt
er nicht so pldhlich, sondern rinst
uns ost erst stundenlang mit einen
scheuszlichen Fragen an.«
Er tritt nii r an den Kameraden
Zion und slii ert ibm su: »Ich glau
, der Feind bat meinen Schwimmer
bemerkt, als ich seine ostenlinie
durchbrochen habe. Aber still, die
Mannschast darf es nicht wissent«
«Sie schütteln sich stumm die hand.
Jdn Davud ist wenige Augenblicke
später wieder an Bord des »Dami
. ,or«. Die Oderlucte schließt sich.
Iangsam taucht der breite Walsischs
dicken unter und verschwindet lautlos
« S nur einen kleinen Wirbel erzeugend
s- in der dunklen Flut.
Idee lauen ist er untergeiauchi« so
löst Ich aus einem der seindlichen
Liva ein Alatmschusz und dritng
hallend durch das Schweigen
Nacht Der Kapiiiln des »Dami-«
tor« hört ihn durch das Rausckien
des Wassers wie den Stoß eines Ge
genstandes an die stählerne Wand sei
nes Rheine-ges
Er wird um einen Schein bliisser.
, »Volldanips!« gibt er das Kom
fmando nach dem Maschinenraum.
,·Volldampf!« gidi der Maschinen
telesraph als Kontrollmeldung zurück.
ie Schrauben sangen an zu rasen
und peitschen das Wasser zu Gischtl
und Schaum. (
» Plötzlich siillt ein blendender Schein
an die Stelle, von der der »Das-mi
;tor« eben verschwunden ist·
s «Allah schüye ungl« murmeltder
Rai-klärt zu seinem zweiten Ossizier
;gewandi, »sie haben uns doch be
?merlt!««
Von Bord des nächsten Kreuzers
ist ---- wie das Tagesgestirn selbst —s
’der Scheinwerfek ausgeslammt und
wirft seinen grellen, ruhigen Licht
iegei weit« iibek die Weil-wüste
streckt ihn aus wie einen tastendenl
Zeigesinger und glüht durch die Nachti
wie das bluigierige Auge eines
sprungdereit tauernden Raubiiere5.
Dann fängt er an, langsam- und
gleichgecnäß zu kreisen, mit seinen
Strahlenmessern scharf hineinfchnei
dend in die dichte Schwörze der Nacht.
die umliegenden Panzerriesen und
Tskpedos bald in blendend weis-es
Licht tauchend, bald wieder in die
Finsternis zurücksinten lassend.
Unterdefsen furren an etwa vier
Meter unter Wasser die Propeller
U. jagend das leichtgebaute Boot mit
größter Schnelligkeit durch die Flut.
an Davud fißt vor der Mattscheibe
des Perislopeö und sucht sich nach der
Stellung der sseinde zu orientieren.
Er sieht einige feindliche Torpedos
nach allen Richtungen auseinander
lchieszen wie Hunde, die nach dem
Wilde suchen.
,,Fidor, sie machen ein wahres Kel
seltreiben auf uns. Laß den Peri
lkvpmast einholen!" befiehlt an Da
dud dem Kameraden. Es geschieht
denn die Ofsiziere wissen wohl, wie
gefährlich ihrem unterseeifchen Maul
wurf fest der schwache Hohlmast wer
den kann. Er wirft bei dieser grei
1en Beleuchtung einen scharfen Schat
ten und bietet den feindlichen Gra
naten ein sicherss Ziel, um den Mit
telpuntt, das Zentralorgan, Mswirn
ihres Jahrzeugez u zerreißen.
Eine Zeit lang sahren die tapferen
s« dahin, ohne Orientierung, ohne
eine andere Richtung als die unsi
chere, die ihnen die vibrierende Kom
pasznadel weist.
Eine gräßliche, auszehrende Situa
non
Mit starren, weitaufgerifsenen Au
gen steht der Kapitön am Maschinen
teleqraphen.
· Sie miifsen jeget dicht an die feind
ltchen Schiffe rangelommen sein.
Vielleicht lauert schon der heimtiickifche
Sporn irgend eines Panzers dicht un
ter der Oberfläche auf sie, bereit, ih
nen einen tötlichen Empfang zu brin
gen und sie sind vollständig machtlos
dagegen, rennen in blinder Verzweif
lung vielleicht im nächsten Augenblicke
ihrem» Fahrzeuge selbst die talte
«:-1uy«1ptse in oen reco.
Das ganze Boot zittert leicht unter
dem Stoße der Maschine wie ein
gehetztes Tier, das in verztveifelter,
letzter Kraftanstrengung schon alle
Qualen des nahen Todes empfunden.
Einen Augenblick trommelt der KA
pitän nervög gegen die Aluminiums
vlntte des Tisches, dann drückt er den
Hebel im Maschinentelegraphen auf:
,.Skvpp!« (
»Stopp!« -——- Kontrollmeldunq.
Das Brausen am Hinterteil hört
zugleich auf, aber das sanfte Rauschen
.des an den Wänden dahingleitenden
Wassers ist fast noch ausregender.
Mit trampshaftzusammengebiisenen
Zähnen prefzt der Kapitän das Gesicht»
gegen die dicke Glasscheibe des Ober-i
lucks.
helles Licht fällt ihm entgegen, ob
gleich der HydrosBarograph auf 2
Meter Tiefe steht.
Da oben scheinen jetzt alle feind
lichen Fahrzeuge ihre Blenden ausge
steckt zu haben, um das Meer nach
irgend einem Anhalt fiir den gefange
nen Verdacht abzusuchen.
Er sieht deutlich die Umrisse der
Wassertiere, unter denen sein noch
in leichter ahrt befindliches ahrzeug
dahingleite. Seesterne wer en ihre
vielecktgen Schemen erab. Ein Dam
merhai gloht mit se nen telestopartt
en Augen herab aus den riesigen
asserbewohner, de sen Glieder aus
Fisttahh dessen Flo sen aus Bronee
n .
Dicht über ihm, nur durch das Glas
»getrennt, hat sieh ein riesiger Polizi
ian den Wulsten der Nietu en se ·
gesaugt und läßt sich mikfchleppm
als könnte er es nicht erwarten, der
Erste zu sein, der aus den Leibern
der Männer da unter ihm das rote,
warme Lebenzblut trinkt.
Plöslich scheint dem Kaptttin das
Blut in den Adern zu erstarren. Sei
ne Blicke werden zu sinker kalten
Etsnadeln Da über ihm erscher
ein mächtiger, breiter Schatten. Dich
ter und dichter wird er, fchwärzer und
bestimmter und fliegt heran wie eine
Wolle im Sturmwind.
Der Kapitän kennt diese furchtbare
Erscheinung, eigentlich hat er ja nichts
anderes erwartet.
Es ift einer der feindlichen Kreu
zer, der da oben auf ihn zujagL Die
werden sich freuen, wenn sie an Bord
den Stoß fühlen, der ihnen hier un
ten den grausigften Tod bringt. Sie
wissen nicht, welcher Zufall ihnen da
l
einen wehrlofen Feind vor den spitzen
Nammdorn legt. Sie brauchen nur
drauflos zr fahren, den Ohnmächtigen
nur zu til-erkennen ——- Warte nur
noch einige Augenblicke, blutgiertger
Polyp, dann darfft du dein Festmahl
halten. ;
»Sinlventile auf!« fchaltet der Ka-(
pitän das Kommando ein und schreit!
es dazu laut hinaus, als könnte etJ
dadurch die Tätigkeit der MaschineI
befchleunigetd l
Langsam rückt der Zeiger-, am Hy
drobarographen im Kreise nach rechts
Miliimeter und Millimeter: zwei ein
Viertel, zwei ein Halb, zwei drei
Viertel . . .
an Davud weiß, daß er minde
stens bis au 9 Meter sinlen muß,
Um den fur tbaren Gegner unschäd
ilch iiber sich dahingleiten zu lassen.
Der lommt näher und näher.
7 « 8 — seinhalb Meter —
Jetzt ist er da, —- — jetzt —- —!
Ganz finster ist es über ihm.
Er preßt die Handslächen vor die
Augen. Nicht sehen, das Schreckliche
Grausigel
Jetzt —- ein Stoß --- ein Knirschen
wie von reißendern Stahl und Eier
——-- das Boot zittert und treiselt Der
Kapitän wird zu Boden geschleudert.
Ueber sich hört er die wütenden Schlä
ge eines Propellers, der das Wasser
Mkschd Er springt wieder aus die
Füße und wundert sich, daß die M
zige Flut nicht hereingestürzt kommt,
um sein Fahrzeug aus den Grund zu
drücken.
Ueber ihm wird es allmählich hel
’ier und heilee. Der Schatten gleitet
;geräuschlos vorüber.
Lebenshossnun uckt durch isW
Nerven. Kein iätizicher Stoß, nur
cine Kollision! Wenn auch eine schwe
re.
Woher naht nun wohl die nächste
Gesahr, vielleicht die lehteit Lauert
sie schon über ihm?! Oder jaat sie
in Gestalt eines Dunamit gefüllten
Torpedos aus seine Flanle zu?!
Jetzt muß er sich orientieren, muß
das Letzte wagen:
«PUMPen ank« gibt er Kommando.
Die Kolben sangen an zu schluchs
zeu. Langsam hebt sich der »Dami
tor" zur Oberfläche empor.
Die Scheinwerser wandern oben
allmählich ab. Der Kapitän des
Kreuzers triumphiert und befiehlt,
VUkch Marionidepesche die Nachricht
an den Admiral zu geben:
»Spion in den Grund gerammt!«
—- —— Jetzt ist es oben wieder sin
ster. Der Walfischriirlen taucht in
Die Sternennacht empor. die Obst
iuae wird geben-er Der ora pira an
steigt aus der schmalen Leiter hinaus
und holt erst ein paarmal ties Atem,
denn die Lust da unten ist fast wirt
liche Grabeslusi.
Die Austrittverschalung um ihn ist
dutgetissen und wie nasse Puppe zer
schliht Das also war der Stoßt
Ihn schaudert-—
»15 Zentimeter tiefer, dann lägens
wir am Grunde!« murmelter und
späht, innerlich noch zitternd, nacht
den seindlichen Fahrzeugen.
Die liegen ihm jetzt am Rücken. Er
erkennt deutlich ihre landseita abge
blendeten Decklichter Noch ist er nicht
weit von ihnen weg, aber die freie
See liegt vor ihm, und die kennt er
und ist mit ihr befreundet.
Er lehrt zurück, läßt die Verscha
lungen schließen, den Peristopmast
wieder aussetzen und ,,Maschine unter
voller Kraft« laufen.
Dann geht er zu seiner Mannschast
in den Maschine anm, um sie auszu
klären, denn er lBei ß,sie wie et
selbst auch, schre liche ßAugenblicke
ausgestanden haben
Sie sind noch sehr bleich, aber wie
sie nun ihren alten Kapitän mit dem
ruhigen Antlih eintreten sehen, fallen
sie einandeb in die Arme und trium
phierem »Gerettet!« —
ffv
—- Aug der Schule. Lehrer:
»Wer lann mir sagen, warum Saul
sich versteckte, als man ihn zum Kis
nig wählte? «
Löwenwitts Fritzchem »Er hatte
Bange, daß er eine Lage (Bier) ge
ben müßte. «
— Bitter. Dichterling (zum
Schlächter): «Möchten Sie mir nicht
wieder ein paar Pfund alter Manu
slripte ablausen9«
—- «Nee, das mach’ ich nicht mehr;
Ihre lesten Gedichte haben mir die
ganze Kundschait verdorben. «
Ast-litten
Eine Skizze aus dem Bergwannsleben
von Jofet Buchhorn. s
»Karl!« !
Mit einem jähen Ruck wandte sich«
der breitschultrige Mann von dem
schmalen Fenster, vor dem er Stun
den um Stunden gesessen und geson
nen hatte, in die dämmrige Stube
zurück.
,,Katl!«
Er wies mit beiden Händen die
Vorwürfe, die in dem Klang der mü
den Frauenstinime lagen, von sich.
»Ich hab kein Geld; Du weißt es,
Mite; seit gestern nicht und seit vor
gestern nicht —-— möglich, daß wir
morgen neue Mittel erhalten. Aber
die Rassen sind erschöpft — — sind leer
— allenthalben . . . . Und dabei setzte
die Bewegung so verheißungsvoll ein
Wenn nur nicht diese Bande — die
pflicht- und ehrvergessene Bande ge
wesen wäre — -— wäre der Streit ge
gliickt, dann «—«
»Karl — Karl — ich hab’ Dich
so gebeten, laß ab; hab’ Dich so ge
warnt —«
»Du? Ja —- das hast Du! Die
Streitscheu liegt Dir eben noch von
Deinem Vater her in den Kno
chen g-« ,
»Laß den Vater —- er war ein zu
friedener und gerechter Manni«
»8usrieden? Allerdings. Leider!
Aber gerecht? Nein — gerecht war er
nicht. Er war immer nur eine Krea
tur seines herrn7 immer nur Knecht,
Dienstmann.... Er trägt jetzt im
letzten Grunde die Schuld daran, daß
wir uns in diesen langen Wochen
harten Kampfes verbluten. —- Hat
er nicht gleich die Christlichen ausge
sbotep als wir zum ersten Ansturm
Egegen den Menschenschacher der Ze
chenherren übergingen; als wir dies
ganzen weiten Neviere im Umkreis
;aus« den Kriegssuß brachten? Seidi
untertan der Obrigkeit, die Gewalti
über euch hat« ging seine Predigt.
Steht zu euren Brotherren; denn
wenn sie verdienen, habt ihr eure
Nahrung. —-— Damals, als es wie ein
jsinnerweckender Rausch über die Ge-»
»nosserc lam« als sie sich allenthalben
iorganisierten und wuchsen und furcht
bar wurden, ging diese Predigt Dei
nes Vaters nur in wenigen Herzen
ein. Wir hattzn die Trümpse in der
Rechten, und wir spielten sie aus:
Seit Jahren hatten wir kein Teil ge
habt an den riesengroßen Verdiensten
der Gewaltigen; wir konnten zehn
und zwölf Stunden in den sticligen
Stollen schusten, indes sie Feste über
Feste feierten. Wir standen jede Mi
nute vor dem Tod, und sie ritten zur
Schnitzeljagd und spielten Tennis und
Tamburin --«
»Und als die Wetter damals die
ganze Grube sast in Flammen setzten
« wer war zuerst am Förderlorb?
Wer zuerst in den Schächten, da es
am gesährlichsten war? Wer ging von
Kranienbett zu KrankenbeM Wer
von Witwe zu Witwe? Wer gab mit
vollen Händen und sorgte siir die
Waisen ——'«
»Das war die verdammte Pflicht
und Schuldigteit dieser Schlotbaronei
Daß sie zahlen konnten, hatten die
Opfer der Katastrophe möglich ge
machi.... Aber nun hub Dein Va
ter an — nun war er obenauf. Und
nun fand seine Predigt ein Echr...
Ja, unsere Direktoren, unsere Herren
—--— das sind Kerle! Wo der Tod seine
Fallen gelegt hatte, standen sie; im
mer vorne; immer am Feind. Und
die verblendete Masse verließ unsere
Fahnen und scharte sich um die Be
ruhigungstanzel Deines Vaters . . ..
Er ist tot - - ich will ihm darum nicht
wehe tun —- aber daß unsere Nieder
lage sein Wert ist si— daß alle un
sere Hoffnungen durch ihn vernichtet
sind ---- horch, Käte! Schrie da nicht
unser —«
Jm Nu war der Bergmann in dem
anstoßenden Zimmer, und »Käte,
Mite, so tomm’ doch - es röchelt!«
Die Frau preßte die mageren
Hände auf das stockende Herz; sie
wollte vorwärts, aber ihre Füße wa
ren wie gelähmt. Schnell griff sie
nach der Lehne eines Stuhles — da
wieder: ,,Kiite, Käte, so tomrn’ dacht«
Aber mit einem wehen Aufschrei
sank die Aermste auf dem Boden zu
sammen. — Da, Lärm tani die
Straße herauf, Johlen und Pfeifen
schrillte durch den fallenden Abend
und »Lump, Feigling, Streitbrecher«
gelltees in die Häuserzeilen hinein
—- »Streitbrecher, Feigling, Lump«
in allen nur denkbaren Abarten und
in allen nur möglichen Tonstärken. —
Männer brüllten, Weiber treischten
—- dann Schreckensrufu »Rettet euch,
sie sind uns im Rücken —- die Uta
nen traben ant« Jm Augenblick war
die Straße leer wie zuvor. Ein paar
Lanzenreiter ritten vorüber.
Die Frau schreckte auf. Jhre
Zaudtiir war gegangen —- und ein
ann trat ein, dem das dicke Blut
aus einer Stirnwunde floß.,- »Mit
Verlaub,« sagte er, »ich will nur ein
wenig das Gesicht säubern und ein
Tuch um den Kopf legen, damit ich
—- aber was ist dass« Schnell beugte
er sich zu der Frau am Boden nieder,
richtete sie aus und setzte sie in einen
Armsiuhl. »Käte,« klang es da wie
der aus der Schlafstube, »K·cite!« —
»Hier gibt es, wie mir scheint, noch
Hilfsbedtirftigere als mich.« Er sah
nach der Frau. Sie war eingeschla
fen. Wie sie bleich und verhärmt
wart »Ja, ja, der Streit!" Er schob
ihr noch eins von den Sofatissen in
den Rücken, dann ging er in das Ne
bengemach. Der andere sah erstaunt
auf den Fremden. Einen Augenblick
lang. Dann zuckte es in seinen Au
gen aus. »Der Matthes Ries?« —
»Derselbe!« -— »Dann scher’ Dich
zum Henker-, Du Judas! Jch will
nichts mit Dir gemein haben!« Die
Frau im Nebenzimmek stöhnte auf
und das Kind wimmerte.
. »Du sollst auch nichts mit mir ge
mein haben, aber die da drinnen und
das hier. Und wenn Du Deine Frau
gerne hast und Dein Kind behalten
willst, dann tritt mit Deiner Wut
beiseite und laß den Streit aus dem
Spur Du tust mit, ich nicht. Dul
siehst alles heil in der Auflehnung,
ich sehe allen Vorteil im Ausgleich.
Jeder nach seiner Art. Nur soweit
solltet ihr es nicht kommen lassen,«
dabei deutete er auf seine noch immer
unverbundene Stirn, »daß es an das
Leben und die Gesundheit geht, zu
mal ihr mit solchen Gründen die
Richtigkeit Eurer Auffassung kaum
dartun werdet.«
»Das ist auch nicht die Absicht ·der·
Streikleitung,'« murmelte der andere.
Dann ließ er das wimmernde Kind
in die Kissen gleiten und nahm« wenn
auch widerstrebend, einen feuchten
Schwamm von dem Waschtisch und
reichte ihn dem Gegner hin. »Hier
ist auch ein reines Leinentuch.·«
»Wollt Jhr es mir hinten zukno
ten?'« Der tat so. »Ich danke Euch!«
»Keine Ursache!« '
»So —- nun nehmt mal zunächst
diese Butterbrote -—-— sie waren fiir
meine Morgenvesper bestimmt, ich laß
auch meinen Kaffee da — Euch wird
ein Schluck aus dieser Buddel gut
tun.« »Ich mag nicht.« ,,Nehmt!«
»Nein —- aber, wenn Jhr meiner
Kiite ——«’ »Gerne, recht gerne, und
für das Kind soll meine Frau eine
warme Suppe kochen. Wenn ich den
Doktor sehe -—« »Der kommt nicht!«
»Und ich sage Euch, der kommt —
er will ja nicht Euren Fanatismus
kurieren, er soll ja nur Euer Weib
und Euer Kind vor dem Aergsten
bewahren. Und nun noch, im Ver
trauen, Karl Köster, ein Wort von
Mann zu Mann, wenn ich Euch mit
einer Kleinigkeit aushelfen kann —-?«
»Nicht um die Welt!« »Aber um das
Kind und die Frau — es hat keine
Eile mit der Rückgabe. Jch steh’ in
Brot und Jhr -— na, lassen wir das.
Also ich schick Euch meine Frau und
den Doktor. Glückauf!« ,,Gliick
auf!« sagte auch der andere, wenn’
auch nur mechanisch.
War das nicht der elendeste Hohn
auf das ganze Unterfangen, das er
mit unternommen hatte? Wenn das
die Genossen wüßten? Wenn sie er
fuhren, daß er von einem Sirt-Uhre
cher — hahahaha, das war ja die
reinste Komödie, das war ja Jm
Nebenzimmer rührte es sich. ,,Kiite!«
»Ja, Karl?« »Wie ist Dir’s?« »Bes
ser — der Schluck Kognak und das
Brot« —- er hörte, wie sie gierig zu
biß —- ,,wer war der Mann, Karl?«
Jn seinem Halse wiirgte es. Er
wußte, wenn er den Namen nannte,
kannte sie ihn, kannte seine Art und
seine jetzige Stellung zu der Auf
ruhrbewegnng ifn Revier - -- trotzdem:
»Es war der Matthes Ries« Er
hörte mit offenen Ohren in die Stille
hinein -- - was würde sie antworten?
Würde sie ihm mit neuen Vorwürsen
kommen, ihn gar höhnen? Nur das
nicht —- jetzt nicht! ,Jch finde, daß
er an uns sehr anständig gehandelt
hat,« bemerkte sie nach einer kleinen
Weile. »Ich auch,« wollte er erwi
dern; aber die Scham schloß ihm den
Mund.... Gerade als sich die
junge Mutter, die nunmehr schon ein
wenig sicherer«auftrat, über das zer
wiihlte Bettchen ihres Kindes beugte,
pochte es mit kräftigem Knöchel an
die Zimmertiir. »Nabend,« sprach
eine Frauenstimme in das allmählich
immer stärker werdende Dunkel hin
ein. »Nabend! Mein Mann, der
Matthes Ries, schickt mich. Jch hab’ .
fiir Euer Kleines eine warme Hafer
griitzsuppe zurecht gemacht — ich
denke, die wird ihm guttun." Karl
Köster hatte Licht geschlagen und eine
dickbauchige Petroleumlampe ange
zündet. »Aber das geht doch nicht,
Frau Ries, wie sollen wir denn . « .«'
,,Laß, Mann,« fiel ihm da die junge
Mutter in die Rede, »iag' nichts
mehr, oder willst Du der Gevatterin
ein Wort gönnen, sag': Bergelks
Gott! Es geht um unser Kind, um
unser einziges, Karl!« Da trat der
Bergmann auf die danlabwehrende
Frau zu und sagte mit gepreßter
Stimme: »Vergelt’s Gott!« Reine
Ursach’!« lächelte die, »so was ist
Menschen- und Nächstenpflicht!«
»He, Köster,« rief es leise durch
die Fenster. Der schrak zusammen:
»Der Mengelmann.« »Und wenn’s
zehnmal der Mengelmann ist,« flü
sterte Köte ihm rückgratstärlend zu,
indem sie mit mütterlichem Glück
dem Kleinen einen Löffel nach dem
anderen einsuppte, ,,er gibt Dir nur
große Worte, aber kein Brot für
Dein Kind, für Dich, für — mich!"
»He, Köster,« rief es da noch ein
mal durch die Fenßer. Diesesmal
aber lauter und energischer. »Ja,
Mengelmann?« gab der andere zu
rück. ,,Ging nicht vor einer Weile
der Ries von Eurer Schwelle? Hm?
Ach sieh, und ist das nicht seine Frau
dort —- oder sollte ich mich täuschen?«
Jn dem Bergmann jagten sich die
widerstreitendsten Gedanken. Wenn
der Parteigewaltige vernahme, daß
der Ries ihnen in dieser Stunde der
Not geholfen hätte? Dann —- ande
rerseits, wie konnte er dessen Ein
greifen leugnen? Da stand seine Frau
ja als sprechende Zeugin. Und dann,
hatte der Ries nicht mit einer Selbst
losigleit an ihm gehandelt, deren er
-— gar nicht fähig gewesen wäre?
Oder deren er sich nicht fiir fähig ge
halten hätte? »Na, Jhr habt aber
eine lange Zeit nötig, um auf eine
einfache Frage eine einfache Antwort
zu geben. Jch kann mir ja denken,
daß sie Euch nicht leicht fällt . . .
,,Leichter als Jhr denkt,« klang es
da hinter dem Rücken des Bergmanns
— seine Käte: »Ja, der Ries war
hier. Zufällig. Eure Leute hatten
ihm den Schädel blutig geschlagen —
da sah er unsere Not und trotzdem er
im anderen Lager steht, half er uns.«
»Hm —- und die Parteitasse? Nun?«
»Von der wissen wir schon seit drei
Tagen nichts mehr.« »Hm —- und
Euer Wort, Köster? Hm?« Der gab
keine Antwort; er zuckte nur hilflos
mit den Schultern. »Hm, und Euer
Wort, Kösters Hm?« fragte »der an
dere eindringlicher und höhnischer
als zuvor. »Wir-d zu Schimpf und
Schanden, wenn es das Leben eines
Kindes gilt,« klang es da wieder hin
ter dem Rücken des Bergmannes. Da
straffte der sich und fiigte lurz und
heiser an: »Und das Leben eines
Weibes.«
Der andere pfiff langsam durch die
Zähne. »So also steht die Sache?
So also —— na, dann gehabt Euch
wohl — auf der anderen Seite!«
Auf der anderen Seite? Hohoi
So weit war er nun doch noch nicht!
So weit --- auf der anderen Seite
——— aber —-— ja, richtig! Nun würde
es lommen, all das Eile, das so oft
schon einen Abtriinnigen getroffen
hatte: Verachtung und Haß; das
laute Gebell der anstiirmenden Meu
te; nun würden sie ihm Steine in den
Weg schleudern, so viele und so große
sie am Straßenrand finden konnten
—- nun hieß es, einsam werden, ver
fehmt sein. —- Aber-das Kind? Die
Frau? Waren sie nicht ein Opfer
wert?
Und dabei hatte er eine tnappe
Stunde Zeit vorher noch den toten
Schwiegervater geschmäht, der viel
leicht weiter gedacht und vernünftiger
gebaut hatte, als er? Aus diesen Ge
dankengängen heraus reichte er feiner
Käte kurz die Rechte. Die drückte sie
mit treuem Druck. Und ihm war,
als ob er neue Kräfte aus diesem
treuen Druck gewänne. Neue Kräfte
zu neuen Kämpfen . . . .
Er trat an das Fenster, in das
jetzt das Silber des Vollmonds
blinlte. Drüben schlugen die Flam
men in den Abend. Da ging das
Rad der Arbeit seinen steten Gang,
in das die unersättliche Wunschbegier
der ewig Unzufriedenen sich vermaß,
einzugreifen. Vor ihm wuchs das
Grau der Schlaclen in das Dunkel.
Aber iiber die Schlacken war ein
neues Leben getreten, ——— Baum reihte
sich an Baum, nnd durch diese Baum
reihen fiel das junge Licht der Nacht.
Und darum: ob es auch jetzt noch
schlackendunlel in seinem Innern war,
ein neues Leben würde schon ein
neues Licht in sein Hoffen und sein
Glauben hineintragen ...... Ein
neues Leben» »ein neues Licht....
Glück auf!
— E r hat R ech t. Nachtwächter
lzu einem Studenten, der benebelt an
einer Haustüre lehnt): »Was-, Sie
suchen die Haustüre von Nr. 10, da
lehnen Sie ja daran.«
Student: »So; hinten hab ich
halt keine Aug’n.«
—- Unverbefserlich. »Die
jungen Eheleute drüben leben ausfal
lend zurückgezogem sie scheinen seht
sparsam u sein.«
Alter unggeselle: »Die werden
fut alle älle die E e dem It en
Inrücklegä wollen« new I M