Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, January 03, 1913, Zweiter Theil, Image 11

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    Msn ein Its-stehn
Vonsiuldeyfr.
Dunst-. gedulde dich itinl
Ueber ein Stündleia
sit deine Immer voi! Sonne
Ueber den Siest, wo die Garten hangen
äst schon lange der Schein gegangen
mq in Lärm-ro Fenster ein.
Izer am nächsten dem Sturm der Glocken,
cmiam wohnt et, oft erschrecken
ikoch am früh’ftcii tröstet ihn Sonnen
schein.
Wer in tiefen Gassen mbmth
iitt' an winket-i leimt sich fremd
lecken hol-en ihn nie erschüttert,
Ietiekitmbl ihn nie umsitierh
Ihrr spät sein Morgen graut.
säh· nnd Tiefe bat Lust und Leib.
cui-. ihm ab. dem töriaen Neid:
Indrer Gram birgt andre Wonne.
Dulde, aeduidc dich icini
Ueber ein Stände-fein
Jst deine Kammer voll Some
f
per goldene Haue-.
Ein Märchen von Svend Leopold
Jung und neuverheiratet waren sie,
und sie bewohnten ein weißgelalltes
häuschen dicht an einem großen
Walde.
Sie hatten alles, wag Menschen
verlangen können, nur lein Geld.
Er war so etwas wie Holzhauer;
mit Fleiß und Geduld schlug er sich
redlich durchs Leben und schaffte ge
rade das Notwendige herbei. ·Un·v
sie liebten einander so innig, wie zwei
junge Menschenkinder einander lie
ben lönnen. Sie waren ja genüg
sam und hübsch und ftrotzten vor Ge
sundheit.
An Liebe und Duellwafser war
geradezu Ueberfluß vorhanden. Am
Abend, wenn die Sonne groß und
rot hinterm Walde unterging, saßen
sie vor dem Haufe auf einer kleinen.
grüngestrichenen Bank und umarm
ten einander. Die Stoarosen glänz
ten gelb und vtolett in dem ftarlen
Licht, und Rosen blühten zwischen
blauen Vergifkmeinnicht und großen,
duftenden Lilien. Tie; im Buchw
walde rief der Kucku , und unten
tm Erlengebiisch an dem lleinen See
lockten die Nachtigallen. von Miielen
gesättigt und von Liebe berauscht.
Aber dann wurde es Winter, und
die Frau begann, etwas zu entbeh
ren, etwaz. das über die reine Liebe
hinausging. Drüben, jenseits des
Waldes, lebten Damen, die goldene
Schuhe und schwarze Federhüte tru
gen und in rotlaelierten Schlitten mit
weißen, herabhänaenden Decken und
schweren Bärenfellen spazieren fuh
ren. Sie beneidete diese Damen,
und sie sagte ihrem Manne ganz os
sen, sie habe es satt, in umgeiinder
ten Kleidern umherzugehen und auf
gewiirmtes Mittagessen zu beloms
men.
Eines Tages lam der Mann in
größter Aufregung von feiner Arbeit
nach Haufe. Wie gewöhnlich hatte
er im Walde aestanden und hatte
Brennholz gehauen fiirg trialiche
Brot« da war ihm plötzlich eine
freundliche Fee erschienen, die ihm
auf das lielsenswiirdiaste ein besseres
Leben und ein reichlicheres Einloiw
men anbot.
»Ich traf sie gerade vor der Hiitte
der alten Waldfrau,« sagte er, noch
ganz benommen von seinem Erleb
nis. »Und sie war sehr zuvorkonis
wend. Denke Dir, sie will uns Geld
verschaffen, so viel wir kxaben wollen.
Aber die Bedingungen flößen mir
allerdings Angst ein. Sie tvill mich
in einen Goldbaurn verwandeln, so
das; Du jeden Tag hingeben und
mich schütteln und all die Goldstücke
sammeln lannst - so viel Du ver
magst.«
»Das ist ja ausgezeichnei!« meinte
die Frau. »Wenn sie das wirklich
siir uns tun will, dann kannst Du
Dich wohl ein wenig opfern, da
Dein liebes, gutes Weib doch so gro
ßen Vorteil davon hätte.«
Der Mann aber sah ganz muilos
aus. »Natürlich ist es ein Gliick,daß
sie uns helfen will,« sagte er beküm
mert. »Aber sie bat mich schon dar
aus vorbereitet, daß die Verwandlung
sehr schmerzhaft sein würde.«
»Was macht das?« rief die Frau.
»Bedenl' doch einmal den Nutzen· den
wir von dem bißchen Schmerz haben
können. Denk an alle die Wünsche,
die ich mir dann erfüllen kann, an
alle die neuen hüte und Kleider, die
ich mir taufen lann. Wenn Du mich
wirklich kiebtesi, würdest Du gar lein
Aufhebens von der Sache inachen.«
»Aber ich bin ja auch frob,« erwi
derte der Mann und küßte sie zärtlich
mitten auf den Mund. »An die Lei
den gewöhnt man sich wobl schnell,
besonders, wenn Du dadurch ufries
dengestellt wirft. Aber nun so st Du
hören: Die gute Fee hat mir erklärt,
wie das Ganze zugehi. Man emp
findet oben im Kopfe einen heftigen
Schmerz, wenn die Zweige herauszu
wachsen beginnen; und wenn dann
das Goldgelb ans den Zweigen her
voriviichft und Du in den Garten
lomrnsk und mich schüttelst. dann soll
das so zu fühlen sein, als ob man
mir ein Messer direlt ins Vers
stieße.«
»Das ist alle52" tief die Frau.
Nun bist Du schon seit so vielen
been holzsiiller und hast aus
chliesilich Deine Arme gebraucht . . . .
kann ei Dir doch wohl, nichts
lchaden, wenn Du auch einmal Dem
Gehirn ein wenig gebrauchst und ein
fGoldbanrn wirft!«
l «Solange ich es ertragen kann,
Iwerde ich schon aushalten,« versicherte
idet Mann. »Aber eins will ich Dir
’sagen: Wenn es sich nicht um Dein
Glück handelte, würde ich nie den
Mut haben. das alles über mich er
gehen zu lassen.«
»Das fehlte bloß noch.« sagte die
Frau unwillig. »Du list doch kein
Feiglingt Mach Dich doch nicht
schlechter, als Du bist!'« Und sie
Estrahlte geradezu vor Neugier und
Erwartung.
Dann kam die Fee.
»Ich habe schon mit ihrem Mann
gesprochen,« sagte sie zu der Frau
und legte einen großen schwarzen
Seidenbeutel aus den Tisch. »Ich.
möchte sehr gern etwas siir Sie tumj
Aber ich will Sie noch einmal daraus»
vorbereiten, daß es außerordentlich
schmerzhaft ist« ein Goldbaum zu
werden. Das kostet Blut. Nach der;
Verwandlung stießen von Zeit zu
Zeit ein vaar Blutstrovsen aus der
Krone des Baumes, die erlaube ich
mir in dieser kleinen Flasche zu sam
meln. Einen anderen Lohn verlange
ich siir meine Bemühung nicht. —
Nun, wollen wir jetzt einen Versuch
machen?«
Jm selben Augenblick verlor der
Mann das Bewußtsein.
»He-i Jhr Mann schwache Ner
ven?'« fragte die Fee teilnehmend und
nahm ihren Hut ab.
»Gott, nein --- er ist bloß so seige,«
entgegnete die Frau. ,.Wollen Sie
nicht inzwischen ein Täszchen Kassee
trinken? Dann tommt er wohl von
selbst wieder zu sich.«
»Vielen Danlt Eine kleine Tasse
starker Kassee ohne Milch wird mir
recht gut tun. Ich will doch nicht
hvssen. daß Jhr Mann an Blutar
mut leidet!«
»Seien Sie nur unbesorgt, liebe
Fee! Sie werden so viel bekommen,
wie Sie wünschen.«
Als die beiden Damen Kassee ge
trunten hatten, erwachte der Mann
und schlug die Augen aus; er machte
einen ganz verwirrten und recht be
mitleidenswerten Eindruck.
»Schiimst Du Dich denn gar
nicht?« slitsterte seine Frau ihm zu.
»Was soll die fremde Dame denn von
Dir denkeni«
»Ich habe nicht den Mut,« sam
merte der Mann, »ich habe nicht den
Mut! Jch bin so furchtbar empfäng
lich siir körperliche Schmerzen! Lie
ber will ich arm bleiben und mein
Gehirn und mein Herz unversehrt
behalten. Jch sinde, auch Gold kann
man zu teuer kausen.«
,,’5eigling!« schrie da die Frau·
»Aber gut! Wenn Du nicht willst
so will ich ! Wollen Sie einen Ver
such mit mir machen, liebe Frau.
damit mein Mann sehen kann, daß
ich keine Angst davor habe, ein paar
Schmerzen auszuhaltm wenn es sich
um sein Wohl handelt.«
Alle drei gingen in den Garten,
die Frau an der Spitze, sie war zu
begierig nach dem Gold und den
neuen Kleidern.
Dann berührte die Fee sie mit
ihrem kleinen Stabe, ein halberstick
ter Schrei wurde laut, und im sel
ben Augenblick stand da ein schlanler
kleiner Goldbauni, dessen lange, seine
Rioeiae hin und her wehten. Und an
den Zweigen hinnen viele Hunderte
von glänzenden Goldmünzen. Der
Mann siel aus die Knie und verbarg
das Gesicht in den Händen. Er
schiiinte sich ivie ein Hund iiber sich
selbst. Näher und näher kroch er
san den siinkelnden Baum heran,
legte seine zitternden hande um die
strahlende Rinde und bedeckte den
schönen Stamm mit brennenden
Küssen
Aber er rührte nicht eins von den
Goldstücken an, um seiner verwandel
ten Frau nicht wehe zu tun.
»Wenn Sie nicht schiitteln wol
len, werde ich es tun," sagte die Fee
mit veröchtlicher Betonung, und sie
schüttelte den Baum dasz alles Gold
herabrasselte
Nachdem sie es ausgesainineli hat
te, steckte sie es in ihren schwarzen
Seidenbeutel, der dadurch einen rechts
betrüchtlichen Umfang bekam. Dann!
berührte sie den Baum wieder mit
ihrem Zauberstab, und ini selben Au-4
genblick stand die Frau in ihrer rich
tigen Gestalt neben ihnen. Sie
schluchzte und klagte über starke
Kopfschmerzem Noch war sie ganz
ivirr und betäubt von alledem, ivas
sie soeben durchgemacht hatte.
Es dauerte lange, bis sie wieder
ganz zu sich kom.
«Entse licht« sliisterte sie ein übers
andere al. »Ach. wie sehr ich ge
litten habe! Es war. als ob mir ein
rostiges Messer direkt mitten ins
Vers gestoßen würde.«
Na ja, aber jeht ist es doch liber
standen,« sagte de Fee, »und das
Ganze hat ja nur vier Minuten ge
dauert!«
»Wie ich Dich liebe und beioii -
derei« ries der Mann seiner Fr u
zu. »Wie soll ich Dir nur danken
silr Deinen Opfermiiti«
»Stei! Dich nur nicht an," sagte
die Frau, Jetzt ist die Reihe an Dir.
Aber das will ich Dir sagen, wenn
ich das noch einmal durchmachen
müßte. dann würde ich den Verstand
verlieren.'
Und nun berührte die Fee den
Mann mit ihrem Zauberstab, und
im selben Augenblick stand ein Gold
baum da. schöner und reicher als der
vorige, bis zur Erde bedeckt mit rotem
Gold.
Die Frau begann sofort, den
Baum zu schütteln, und bei ihrem
Eifer passierte es ihr, daß sie einen
Zweig abbrach. Aber sie achtete reicht
weiter daraus, so eilig hatte sie es
mit dem Cinsammeln des Golde5.
»Sie diirfen nicht zu heftig vor
gehen," sagte die Fee. »Was Sie;
heute nicht einsammeln können, damit
hat es ja Zeit bis morgen. Jeden
Tag wachsen die Goldstiicke nämlich
von neuem. Mit etwas Behutsams
teit und Behendiateit können Sie ein
und auch zwei Jahre lang Ertrag
aus dem Baume ziehen. Aber Sie
dürfen nicht die Zweige abbrechen,
denn dann riskieren Sie, daß Jhr
Mann siir Lebenszeit Jnvalide
wird.«
»Kann ich ihn so ohne weiteres so
stehen lassen?« fragte die Frau be
kümmert.
»Warum denn nicht?« erwiderte
die Fee·
»Denn wenn mein Mann wieder
Mensch wird, dann wird er sich nicht
leicht dazu bewegen lassen, sich wieder
in einen Goldbaum zu verwandeln,
fürchte ich Er soll deshalb ein paar
’Tage so stehen bleiben, und ich will
sabwarten Er stirbt doch wohl
fnicht davon?«
) »Seien Sie nur ganz ruhig, liebe
Frau, « sagte die Fee. »Ich will wie
der bei Jhnen vorsvrechen, wenn ich
einmal bei Gelegenheit vorbei
lomme.«
Damit ging die Fee ihrer Wege.
Tag und Nacht lag die Frau nun
auf allen Vieren draußen auf dem
Nasen und schauselte das Gold zu
sammen. Sie rüttelte und schüttelte
den Baum, daß es in seinen Zweigen
sang und rauschte; und mit inniger
Freude sah sie, daß er voll großer
Goldlnosven war, die eine neue Ernte
versprochen.
Hin und wieder, wenn das Auf
sammeln der Münzen sie ermüdet
hatte, sprach sie zärtlich und tröstend
mit ihrem verzauberten Manne und
bat ihn, um des himmels willen so
lange wie möglich auszuhaltem da
sein und ihr Glück davon abhänge.
Und der Baum rauschte so seltsam
im Abendwinde, und die Rinde
schwißte Blutstrvpfem die still am
Golde herabglitten und in der Erde
verschwanden.
»Mein armer Freund,« sagte sie
bewegt, »ist es wirklich so schlimm?
Sei nun lieb zu Deiner tleinen Frau
und quäle mich nicht allzu sehr Jch
will einen kleinen Gang in der Stadt
besorgen und komme vielleicht erst
morgen abend nach Hause. Es fehlt
uns ja fast alles in der Wirtschaft,
und ich werde nicht vergessen, etwas
zu laufen, das auch Dir rechte Frrude
bereiten und Dich iiberraschen wird.
Was meinst Du zu einer Gießlanne
und einer GartenschereZ Na, leb"
wohl, mein Freund-«
Und dann aina die Frau zur
Stadt, wo sie sich ein Paar goldene
Schuhe mit hohen Absätzen nnd einen
lrosenroten Federhut kaufte. Auch
szehn seidene Kleider in allen Regen
ibogenfarben kaufte sie. Und als sie
snun so fein war, meinte sie, in diesem
sAufzug könne sie ins Theater gehen.
Da saf; sie in ihrer vergoldeten
sLoge und strahlte wie eine Prin
’zessin in dem rotfeidenen Kleide mit
den gelben Samtschleifem und sie
»dachte: nun bin ich doch endlich ein
mal in meinem Leben ins rechte Gleis
gekommen. Nun fehlen mir nur noch
lDiamanten und Fuhrwerk· Wie die
jLeute mich durch ihre Operngläser be
strachtent Bin ich denn wirllich so
schön? Der alte Kammerdiener dort
"in der Loge gegenüber findet es
offenbar. Wer wohl der junge Mann
fein mag, der mich da fortwährend
anstarrt? Ihm tännte ich mein Herz
ausschiittem er sieht so verständnisin
nig aus« und er hat einen Scheitel im
Nacken. Ich will jetzt leben und mich
amiisierent
Eine ganze Woche blieb sie in der
Stadt, und als sie schließlich wieder
nach hause reiste, hatte sie den jun
gen Mann bei sich im Wagen. Sie
saß auf feinem Schoß und versicherte
ihm zärtlich, sie sei gerade Witwe ge
worden. Er glaubte ihr, weil er so
verliebt war und soeben eine größere
Summe von ihr geborgt hatte.
Als sie in dem Waldhause anla
men, behielt sie ihn bei sich als eine
Art von Geschäftsführer und Sehe
tär, denn allein tonnte sie ja nicht all
das Geld zählen, das täglich bei ihr
zusammenstrdmtr.
Da kam eines Tages wieder die
Fee vorbei. J
»Na, liebe Frau,« saate sie, «wie.
geht est Nun wollen Sie wohl gern!
Jhren Mann wiede rhaben?« ;
»O Gottt« meinte die Frau."
«Glauben Sie wirklich, daß das not-l
wendig ist?«
»Ja. finden Sie das denn nicht
selber?« fragte die Fee.
»Ich bin, offen gestanden, etwas
besorgt, daß ihm ein Schaden zuge
stoßen sein könnte. Sie hätten mich
längst holen müssen. Jch verlehre in
Familien, wo der Mann es höchstens
einen Monat lang aushält, Gold
baum zu sein, und Jhr Mann hat
Leththott weiß wie lange dagestan
II
»Soll ich nun auch noch Vorwürfe
helommen2« klagte die Frau. »Wenn
Sie meinen, daß er Schaden erlitten
hat« dann, finde ich, können wir ihn
ja ebenso gut stehen lassen, wie et
steht·«
« »Ich hafie für nichts," sagte die
Fee. »Aber wie wollen in den Gat
ien gehen nnd einmal nachsehen, wie
er sich ausnimmi.«
»Ich habe nicht den Mut, ihn zu
sehen. Jch will ihn nicht sehen!«
Da ging die Fee allein in den
Gatten. Die Frau und der Seirelör
saßen inzwischen im Haufe und
schmiegien sich dicht aneinander. Da
hörten sie in weiter Ferne jemand
jammern und stöhnen.
»Das ist mein Mann!« schrie die
Frau.
,,Sind Sie denn nicht Witwe?«
fragte der Setretär verblüfft und
spähte nach einem bequemen Aus
gang.
»Nicht ganz,« sliisterte sie er
schrocken.
Sie hörten jemand die Garten
tteppe hinaufwanlen, und ietzt ver
äahmen sie die tröstende Stimme der
ee.
Die Tür ging auf, und auf der
Schwelle stand ein taumelnder, zit
ternder Greis, der mit seltsamen, er
lloschenen Augen starr vor sich hin
blickte.
f Als der Greis die beiden da drin
nen sah, faßte er an fein Herz und
sanl plötzlich zusammen.
»Nun sind Sie von ihm befreit,"
sagte die Fee. Freuen Sie sich dar
über, er wäre doch nie wieder Mensch
geworden.«
Schluchzend wars sich die Frau
über den Toten. Jhr Gewissen er
wachte, und sie hatte so grenzenloses
Mitleid mit sich selbst.
Dann erhob sie sich langsam und
wandte sich zu dem Selretär, der
ganz zerknirscht dastand.
»Nun müssen Sie Goldbaum
sein,« slüsterte sie sast unhörbar.
»Zeigen Sie mir, daß Sie mich eben
so lieben wie der, der dort liegt. Sie
haben mir so oft erzählt, daß Sie in
den Tod für mich gehen könnten.
Nun nehme ich Sie beim Wort. Le
ben Sie wohl, mein Freund«
Den Sekretär überlies ein Schau
der.
Dann ging die Fee mit dem Un
glücklichen langsam in den Garten
hinab.
OR
cis widriger kamen-streich.
Hin und wieder geschieht es wohl,
daß selbst den im amtlichen Verkehr
mit Gaunern recht gewißten Herren
vom Gericht von diesen ein Schnipp
chen geschlagen wird. Von einem sol
chen Fall, der sich in einem Borort
von Kopenhagen ereignete, wird be
richtet:
Jm Vorzimmer eines Amtsrichters
erschien ein Mann mit einem Brief«
den er dem Gerichtsdiener übergab mit
der Bitte das außerordentlich wich
itige und eiliqe Schriftstiick dem Herrn
!«.)lthrichter sofort zu übergeben Der
Gerichtsdiener kommt der Aufforde
isrung nach. Der Amtsrichter öffnet den
Brief. Er enthält nur die Worte:
s»Sollte es wohl gehen?« Der Amts
sitehter dreht nnd wendet das- Schrei
iken, aber weiter ist nichts zu ent
stecken. lkr schiittelt den Kopf. Dann
ssagt er zu dem Gerickitgdienert »Nu
;sen Sie doch den Mann herein!«
sAls der Gerirkitsdiener im Vorziminer
serscheint ist aber der Mann ver
Ischwunden nnd mit ihm auch der kost
Jbare Pelz des Anitgriit)ters. An dem
HHatem wo der Pelz aekianaen, hing
nur ein Zettel mit der Aufschrift: »Ja,
es ging dacht« Man hat vergeblich
»versucht, den raffinierten Gauner ano
sindig zu machen.
i
l sie elect-risse Klingen
. Silas Corncob, der reichste Former
»der Gegend, hatte sich ein neues Haus
;bauen lassen mit allen neumodischen
Verbesserungen Zu diesen gehörte
;eine elektrische TürtlingeL eine Neue
rung, die man in jener Gegend noch
nicht kannte.
i Eines Sonntags nachmittags kam
sein Nachbar Joe Briggs und wollte
»Silas einen Besuch abstatten. Es war
ein heißer Tag; die Fenster standen
weit offen, aber die Haustüre war
geschlossen. Joe klopfte an —- leine
Antwort. Joe klopfte zum zweiten
Male, etwas stärker - -- abermals keine
Antwort, trohdem man das Klopfen
gehört haben mußte. Joe klopfte sehr
laut zum dritten Male — — ohne Er
folg.
Er wußte bestimmt, daß Silas zu
hause war und überlegte sich, was er
eigentlich tun sollte, als von innen
Silas' mächtige Stimme erschallte:
Kreuzmillionendonnerivetter, kannst
Du nicht auf den Knopf der Schelle
drücken? Wozu habe ich die denn
anbringen lassen?«
— Familienstolz. Mutter:
Amalie, sieh zu, daß du unter die
Haube kommst, du wärst in unserer
Familie seit 100 Jahren die erste alte
Fungfert
—- Jntetessante Lektüre.
Sie: Jch lese jetzt Freitag-El ,,Soll
und Haben.«
Er: So, warum lesen Sie denn
gerade Freitagöi
I Mike 113.
Eine Maniiverf("nirre von H. E.
Ermifclx
»Also, Herr Leutnani, sehen Siei
dort links von dem Kirchiurm den
Bergk
- »B’sehl, Herr Obersi!«
»Diesen Berg, es ist nach der Kur
te die Höhe 118, werben Sie mit
einer »Handvoll« Leute besehen und
jede verdächiige Bewegung, feindlich-:
Pnttouillen, Flieget usw. sofort met
den!«
»B’fehl, Herr Oberst!«
Der schon etwas angefahrte Kom
mandeur, dessen rundliches Bäuchiein
durch die Feldbinde wie in zwei Tei
le geschnitten war, wandte sich, riesige
Rauchwollen aus seiner Zigarre rot
sich herstoßend, wieder dem Jnneren
seiner Zelthiitte zu.
Es ist immer gut, Eile zu heuchsin
und zu tun, als ob man sich dort-»in
ter Pflichteiser mehrere Beine aus
reißen wollte —- solange man sich im
Gesichtswinkel von Vorgesetzten be
findet.
Um die Ecke aber sieht selbst ein
Oberst nicht und das ist gut.
Nach einigen Galoppspriingen iiel
Leutnant Scharfenbeck in gemiitlichen
Schlenderfchritt. Gemächlich holte er
sein Eint aus der H.«.-sentasche, zün
dete sich eine Zigarette an und schritt
langsam und würdig mit nachschlei
fendem Säbel, beide Hände in den
Taschen seiner feldarauen Litewra
vergraben durch das Biwalslager sei
ner »Behausung« zu.
Ueberall tauchte und roch es nach
schönen Erbssuppen Die Löute la
gen auf der Erde, spalteten Holz,
gruben Rock-Wehen ichälssen Karto»
fein, schleppten Wasser in den Koch-«
geschirren und Wassersiielen her-in,
scherzten, lachten, tauchten oder schlie
fen. Man sah es ihnen an, unter
diesen freundlichen Nebenumständen
waren sie wieder gern Soldat.
Nur der arme Felix Scharfendea
durfte dieser Freuden des Lagerie
bens nicht teilhaftig sein. Ein Hö
herer hatte es anders und tückischer
gewollt.
Statt der warmen Abendmahlzeit
die der grasgriine Fähnrich im
Schweiße seines Angesichts hinter
dem Offizierszelt zufammenbraute.
hieß es nun mit fchiefhängendem
Magen über knietiefen Sturzadcr
»tippeln«· Und während der Kabi
tän und die anderen sich an der
Weintiste gütlich taten, mußte aus
gerechnet er, Leutnant Scharfenbeck,
auf Patrouille ziehen, nach dem
Sprichwort: »Den Jüngsten beißen
die Hunde!« Immerhin war es eine
große Gemeinbeit. ——
Nach Ablauf weniger Minuten
waren drei Leidensgefährten, Leute,
die bei dem Feldwebek ein großes
Schuldtonto hatten, ausgewählt den
Leuinant zu bgieiten Mit muelsrlzen
Gesichtern lnallten sie sich den Elf
feu« auf den Rücktri, sttilpten tra
chend den Helm auf und trotte«en
schwerfällig mit krummen Knien hins
ter ihrem Führer hor· tiin Hagel visin
ironischen Bemerkungen folgte ihnen
Noch einmal warfen die Vier einen
iehnfuclitsvollcn Vlicl auf das bunt-:
Gewimmel des Platze-Z- von dem
bläuliche Wölkchen zum Gemeinder
himmel ausstiegen, zum letztenmal ea
gen sie den wiirziaen Geruch braten
der Kartoffeln und tachender lssrlssszs
wiirste ein —- dann ging es iisit
gramverzerrten Gesichtern vorwärt3,
dem Feind entgex,eii. «
,,Nannuu?!« machte Leutnant
Scharf-what der Obersttmnmandics
rende seiner kleinen Streitmacht unt.
beangapfelte dnrch das Fernglas dr
Geliinde und die ominöse Anhöhe
»Seht Jhr nichts-W fragte er die
Wassenbriider, die treuen.
»Nein, Herr Leutnant,« erwiderten
diese, ohne vcn den hohen Kartoffel
stauden auszubsicken Denn nur un
gern fällt man aus die Nase
Nach einer Weile meinte Kaczmip
cszat, der edle Pole, der immer noch
nicht den Speck nnd die schon haibsv
sertige Erbe-warst Vergessen konnte.
»Herr Leutnant, ich glaube, die
Höhe ist schon besetzt!« Und im Jn
nern betete er um beschleunigte Räc
tehr zu seinem Leib- und Magenge
richt.
»Da haben wir den Salat.«
Wutentbrannt riß der Leutnani
das Glas an die Augen.
Der Salat bestand ans einem
seindlichen Ofsizier und sechs Mann,
die es sich aus Höhe 113 bereits so
bequem ais irgend möglich gemacht
hatten.
Was sollte nian nun machen? Ten
greifenTt Vier egen sieben, wäre
mehr als Sei stmord. 11mtehren?
Nein. Dazu war man nicht eine ge
schlagene Stunde durch die Kartof
seln gelaufen und dann wider-sprach
diese Art der Kriegsfiihrung auch et
was den Gepflogenheiten des preuskis
schen Offensivgeistes.
Schießenf Macht unniitz Lärm,
fällt auf, wird im Lager gehört und
vorbei wäre es mit der schönen Ges
miitlichteit. Und einmal am Tage
wollte man doch auch seine Ruhe ha
ben.
Gottseidanl schien der Feind noch
nichts bernertt zu haben
Da ram Felix auf eine glückliche
Idee. Denn nicht umsonst hieß er
s»Feiix«.
W
Jrgenowo hatte et mai ing ge
lesen von Poeiameniätem auf des
inichi geschossen werden darf
- Fluqs zog et also den Säbel aus
der Scheide, knüpfte sein weißes Ta
schentuch an die Spitze und schritt
wohlgemut auf die befetzie Anhöhe
»zu.
i »Gestatten Sie, daki ich mich ver
Istelle —- Schotfenbeci.«
f »Eizdork,« sagte es yinier den gei
’ben Gnmaschem richtet-. sich auf und
Iwsschke sich die verichlcifenen Auqem
»Wie Sie an meine-: weißen Fid
ne sehen, komme ich zu Ihnen, um
mit Ihnen zu untekbnndeln wegen
»Räumuisci dieses Höhe!«
s »Ja, das wird sich aber schwer ma
chen lassen, Herr Kamerad!« sagte
der andere und erhob sich langsam.
»Ich habe nämlich den ausdrücklichen
Befehl von hier aus Meldungen zu
schielen und bin stob, daß ich endlich
oben bin!"
»Genau dasselbe soll ich arclx
Und einer von uns ist zuviel hier,
nicht waer«
»Ja, ia, das schont Donnerwet
ter, was machen wir nun? Halt, ich
bab’s. Jch will einen Vorschlag mo
chen, lieber Herr Scharfrnbeck, so war
doch Jhr Name? Wie wäre es, wenn
wir beide so recht gemiitlich auf die
ser wunderschönen Hist-e blieben und
beide unsere Obercheis mit fi. Mel
dungen beglückten. Was ich nichå
weiß, wissen Sie vielleicht, und was
ich weiß, sage ich :’(bnen!«
Und so geschah-es. Freund und
Feind legten sich ins weiche Gras, un
ter-suchten ihren gegenseitigen Provi
ant« teilten Lebensmittel, Cognak
und Zigaretten redlich miteinandeu
und schrieben dann, als sie ihr Mahl
beendet hatten, »aus saurer Langewei
le« als Dessert einige Meldungen an
die jeweiligen Vorgesetzten —
Noch niemals verlies ein Wandrer
lua so schnell und ebne Zwischenfälle
Alles llavvte wie am Schnürchen
Tie Truppen brauchten nicht erst 50
mal aneinander verbeizulaufen obs-I
sich wie eine »Kasseemiihle« zu dre
hen, alles. die Kavalierie, vie Jus-Jn
terie, die Bombenwerser, die Motor
fahrer und die Flieget wurden von
der Meidesobril auf Höhe 113 auf
das vrompteste bedient
»Es ist wirklich eine Freude,« sag
te am folgenden Tage Seine ist-zel
lenz zu derr neben ihm stehenden Ade
iutanten, »die Truvpen fechten zu se
hen. Wie bervorraaend die beiden
Fiibrer über die Bewegungen des
Geaners orientiert sind.
Die Kritik nach dem Gefecht triefte
von Wohlwollen Immer und im
mer wieder tam Seine Exzellenz aus
die Wichtigkeit des Meldewesens Fu
riicl, lobte die beiden Parteisiibrev
und versprach den Leutnants Schar
senbeck und iftzdnrß den beiden Len
kern der Schlacht, eine glänzende
Karriere
Am Abend dieses alorreichen Ta
ges fand ein geradezu ,-.erheerende3"«
Liebesnmhl statt. Tie besden Leut
nants wurden gefeiert wie weiland
Achilles und Bat-onus nach der Fr
stiirmuna von Troja. Ter Seit flcß
in Strömen — die Oauptleute fielen
einander freudetrunleu um den Hals,
denn das Gespenst mit dem winken
den aninderhut war wieder einmal
aliictlich untaangeir Die beiden Ober
lsten boten sich oereith zum zwölften
final das »Tu« an und versprochen
’sret) auch tiirderhin als- Briaadekstm
inandeure in roten Hosen getreulich
zur Seite zu sieben.
Langsam trocti der jun-Je Tag an
den Fensterscheiben liech
Da sing in der Heldenbrust des
Lentnams Sclzarfenbeel plötzlich das
Gewissen an lantzii schlagenSchwam
iend erhob er sich von dem Stuhlgw
flecht, klopfte Jng- Glas und ließ die
verglasten Stielauaen iiber die Reihe
der hochroten Köpfe schweifen
Nachdem er längere Zeit vergeblich
nach einem festen Anhaltspisntt ge
sucht hatte und bei diesem Bemühen
sämtliche Gläser in der Umgebung
ihren Inhalt iiiser das Tischtuch ent
leert hatten, begann er von lautem
Schlucken oft unterbrechen, seine gro
ße Beichte.
Herrschaften, —-— Verzeihung Herr
Obersts Jch danke --— hle —— viel
mals fiir die schöne Feier --— hup —
es war alles Schwindel. Ich ——-— al
lein verfaßt. Höhe 113 ——— mit Leut
nant Etzdorf zusammen Jch bitte —
Weiter kam der Redner nicht. Al-.
les schrie wild durcheinander: Prosts
EtzdorsL Schluß Scharfenbectl Ein
famoser Junge! Jetzt will er sein
Licht unter Etzdorfg Scheffel stell-as
Wankend kam der Oberst, eine Träne
der Riihvung aus dem Auge schlen
lernd, awf den ratlos vor sich hin
starrenden Leutnant zu, drückte ihn
sanft auf den Stuhl und sagte: Las
sen Sie nur, lieber Scharsenbech wit
wissen alle, was Sie heute geleistet
haben Sie brauchen Jhre Fähigkei
ten nicht selbst zu schmälern. Nur
keine falsche Bescheidenhcii. Seine
Exzellenz war sehr zufrieden mit Ih
nen und mit nns allen und das, ist
doch schließlich die Hauptsache Pfost,
lieber Scharsenbeck, auf das nächste
Maniider!« —
Alg am nächsten Tage der Leut
nant Scharfenbeck von vielen Seiten
feiner ,,nltigen« Rede wegen gehänselt
wurde, tat er das beste, was er tun
konnte, lachte selbst viel über seine
.,Schnurte« und —- schwieg