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About Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918 | View Entire Issue (Dec. 27, 1912)
Isftesstem Jon satt Natiifejs - Gran der Nebeltage eine Sehnsucht hinein nd, ein heiliger Gras bät-innigem Schein. der Seele Einfamkeiten : diefer schimmernde Duft kauf, wie ein knospender Zweig rbftlielier Gruft. ; es riefelt eiis Verlnimen s durch das schleichende Miti, - j Heu klopft ein bebe-.er Drang fWeife vom Mut. , breite bei-sie Sebtoingem , fekion befliiaelt den Fuß Glück. fieb. eg leuchtet Und bringt - iaucbgenden Gruß. C AAA ssf Musi. Von Clara Vliitkiaen J«Siel) mal, was ich bier alles ein lauft habe. Du mußt aber wirk herfehen und mich um meine Um sicht bewundern.« - Der große Mann beginnt auszu elen. Sorafältig lnotet er an ver iedenenjltateten die Bindfaden auf iilt mit fpinen Fingern die Herr jchkeiten aus den weißen Papier-en nen kalten Auffchnitt, wundervoll eallenrofa Krevettem ein paar ver rechende Blechdiischem eine vierten ge, gelbbraune Paltete. geheimnis oll in Papierfchiilchen fteckende erle sene Süßigkeiten »Nun, habe ich meine Sache nickjt gut gemacht?" »Das haft du alles eingekauft? Dei felbft7« »Ich muß schon, da meine kleine —- ausfrau so hartnäckig ftreikt und nicht aus dem Hans zu bringen ist « Er klingelt dem Mädchen, hilft ihm selbst. die guten Dinge appetitlich auf dem Abendbrottifch zu verteilen Teilnahmslos ftebt die junge Frau daneben, ohne nur einen Finger zu Uhren «So, fertig. Gesällt’s dir’t·’ - «Ja —- gewiß!« « »Das ist mir zu wenig. Du mußt dich ein bißchen darüber freu en.« »Ich freue mich ja.« —- Kein Leuch Oen geht dabei iiber ihr Gesicht es leibt traurig, anteillos wie zuvor Während des Essens berichtet der ann von feinen Cinläufen. -; »Und soll ich dir erzählen, was ich ch gesehen habe?« Sie niclt ernsthaft. -.-..,Nun, das Warenhaus hat sich ietzt ich lebende Tiere zugelegt. eine tin enge Vögel, kleine Meischen, lanns lb fo groß wie ein Sperling Wel sittiche, die so schön miteinande: wie junge Ehepaare in den Flits rwochen. Dann ein grüner Papa init roten Fliigelbändern, der v iürlich Lori heißt, der anßerhilk en auf feinem Käfig sitzt. jedem Be ,cher das eine Krallenpsiitchen reicht-« Eihrend das andere fest am Bauer t.« ; Er erzählt in der Art, wie man kranlen Kindern etwas vorerzählt, um fi- von der Kranlheit abzulenlen Da bei-hat er scharf feine Frau ins An ge gefaßt, ob sie ihm auch wirllich zuhöre. »l! d«denle dir, was es da noch weite tsibt: in einem großen sie-fis drei reizende tleine Marmosette-Aesf eben, auch ,,Gliictsäsichen« genarnt nicht größer als eine Ratte, aber mit Schwänzem dreimal so lang, wie sie selber sind. Die lleinen Nacker sind das Menschenähniichfte, was man sich deuten lann. Stelle dir vor, sie lia ben echte tleine Menschengesichter wi Greise, rnit großen, trostlosen Augen, und iibrr den großen Ohrmuscheh ganz wunderliche Pinselchen aus star ren, hellen Haaren. Du hörst mir doch zu, Anni?« »Ja« — »Und weißt du wohl, was der klei ne Kerl tat? Rate mal.« « »Wie lann ich das wissens« »Also: Es gibt da im Käfig eine elettrifche Birne mit Blechschirm da riiber. Zuerft hockte das Tierchen oben darauf, dann ließ es sich an den Oändchen hernieder und hin aus gebreitet vor der Birne, um Ich den Leib daran zu wärmen. Das ist doch drollig, nicht wahrs« »Ja, das ist drollig.« — Der Ton ist ruhig. wie abwesend. Nicht die geringste Teilnahme llingt darin an. Iso Der Mann seuszt verstohlen und spendet sich ab. Seine Geduld ist am Reihen. Das geht nun schon fast zwei Jahre in derselben Weise o weiter, ohne dass irgendeine Hass nung aus Besserung sich zeigte. Eine Lunge, schöne Frau, seine Frau nnd och nicht seine Frau. Ein großes, trauriges, krankes Kind, das an nichts teilnimmt, dessen Interessenkreis sich immer mehr verengt. Die Liebesheirat der beiden hat nur ein kurzes Glück gebracht: das erwartete Kindchen ist tot zur Welt gekommen. Körperlich erholte sie sich schnel ler, als man gedacht, seelisch scheint irgend etwas gerissen, irgendein seines äadchem dns zu dem ewig neuen Le n des Tages hinüberleitet, zu all den kleinen und doch so wichtigen All tagiinteressen Anfangs bat der junge Mann es in der abrik drunter und drüber hrn la en, um sich ganz mit seiner ran In beschäftigen Schließlich aber merkt er« daß dieses tatenlose W ISichabmtihen ohne Erfolg iiber seine Kräfte geht — außerdem verlange die Fabrik den herrn. Man mach-« ,te nun den Versuch mit Verwandten. - imit barmherzigen Schwestern —- al iiee ersonnen Schiießiich fand man zdaß die beiden gut eingearbeiteten kDienstboten fiir Arbeit und Gesell kschaft genügten —- irgendwelche gei iftiglj Ansprüche stellte die Kranke nicht we r. , »Hättest du nicht Lust, dir das Gliieksäfichen mal anzusehen?« nimmt entflich der Mann den Faden wieder au . »Wenn es dir Freude macht.« — Am andern Nachmittag, als er aus der Fabrik kommt —- man hatte eng lische Tischzeit —- erwartet ihn seine Frau, den Hut auf dem Kopf. Das nette Zimmermiidchen sitzt bei ihr und hält den Pelz bereit. »Die gnädige Frau freut sich schon auf Mucli.« »Auf Muckii« »Na ja, auf das Aeffchen. Wir daben’s schon getauft, damit wir doch wissen, wie wir’s anzureden haben, wenn es kommt· Nicht wahr, gnä dige Fran?« Auch sie spricht, als ob sie ein Kind vor sich hätte· »Mucki heißen sie ja alle in den Märchen die kleinen Gnonien und Zwerge. Da wird der Name ja wohl siir den Lici nen passen.« Frau Anni läßt sich geduldig den weichen Gehpelz überziehen und sich vorn Gatten auf die Straße führen Das erste Auto, das ihren Weg kreuzt« macht sie zittern. aber ihr Mann geht mit ihr vorsichti, immer die Ent fernungen messend durch das Stra ßengeiviihl, daß schließlich ihre Angst nachläßt. Der vollbesetzte List des Warenhauses fiihrt sie in die höch sten Regionen, zu den »lebenden Tie ren.« Da sind sie alle, von denen ihr Mann erzählt hat, und sie erinnert sich an sie wie-ern alte Bekannte. Und dort ift der hohe, mit starkem Draht neh»bespannte Käfig mit den Reff en Das eine ist von gestern auf heute verkauft worden, aber ihrer zwei sind nach da. Ganz oben im Käfig hocken sie dicht aneinandergedröngt und äu gen neugierig auf ihre Bewunderer. Welcher von beiden ist nun aber Muaii Kein Mensch kann das wissen O doch, die niedliche Vertiiuferin weiß es Zu jedem einzelnen ihrer Schutz lsefohlenen steht sie in einem förmlich verwandschaftlichen Verhältnis Sie kennt alle Lebensgewohnheiten, Alter Nammen, Sippe. Also: das eine Arsschen ist hier inPension und trägt den Namen »Fumvs«. Mithin muß das andere Mucki sein. »Mucki erfreut sich noch der ersten eTeugend und zeichnet sich durch be sondere Intelligenz und Liebenswiiri digkeit aus« Banane und Mehlwiir mer nimmt es schon aus der Hand Oh. die gnädige Frau wird eine rie sige Freude daran haben. Einstim len wird es freilich in einem Käfig gehalten werden müssen, wie dort ei ner steht —- aber später, wenn es erst zahm ist, und man’s auf dem Schoße halten kann wie ein Kind« —- —— » ,,Komm fort, Anni. du vergißt, daß dein Mann noch sozusagen niichtern ist«, sagte der junge Eheherr, als er sieht· daß feine Frau viel stärker in teressiert als sonst je das Tierchen betrachtet und den Anvreisungen der Verkauferin lauscht. »Komm jetzt, Liebling, Mucki bliebt dir auch mor gen noch.'« »Es könnte aber verkauft werden« »Was töte das? Dann kommt wie der eine andere Mach-Sendung und schließlich ist doch eins wie das an dere.« »Nein -« dieser hat so etwas be sonders Rührendes.« — Am Abend, kurz vorm Schlafen gehen ereignet sich etwas Besonderes. Anni nimmt die hand ihres Gatten spielt verlegen damit, schmiegt sich dann an seine Schulter und sagt schüchtern: »Du, ich möchte was« — »Nun, und was möchtest du denn, mein herzelchens« »Lache mich aus —- ich habe mich gn Muth verliebt. Jch möchte Mak r.« »Aber Kind!« Jn diesem Augenblick macht sie ganz den Eindruck einer normalen jungen Frau. Jhre Augen haben einen so andern Glanz als sonst, ein bewegtes Spiel des Ausdruckes läuft über das Gesichtchen, sie ist sehr lieb lich nnd sehr reizend, wie sie nun sich selbst über den törichten Wunsch auslacht. s »Wirtlich —— ich möchte Mach-« s Es geschah dann, was geschehen mußte: Mucki wurde gekauft. Jn dem ungleichen Kampf zwischen Stär te nnd Schwäche siegte auch dieses IMal stvie immer die schwache Hilf flosigteit des Weibes. i »Na, es ist zwar ein Unfug, aber Ida es nun mal ein »Gliicksiisschen« ;ist, so hassen wir, daß es uns Gliick »dringt.« s Der Anfang sal) nicht danach aus - Schon aus der Treppe meldete sich »Wind durch ein fürchterliches Geschrei, est-, ein Gemisch von Pseisem Fau chen, Schnalzem das man dem win eigen Tierchen gar nicht zugetraut satte. Das Bauer war nett ausge stattet, mit den verschiedensten Fuß gesiißem mit einem Brettchen, das in arci viertel öhe einen echten tleinen Ballen bilde e, zu dem ein Leiterchen einaussiihrtr. Und oben, tn die äu » erste Ecke gedrückt, saß ein abscheuli- s ches Geschöpfchen mit zerzausten Fell den endlosen Schwanz gesträubt wie einen alten Zylinderputzer, die Augen angstvoll ausgerissen, die Zähne ge fletscht. Jn der Todesangst gebär dete es sich, als sei es ein furchtba res Geschöpf, das den großen Men schen da draußen Angst einjagen müsse. Mueki wurde mit allen Herrlichkei ten seines beschränkten Küchenzetielss versorgt, es wurde ihm eine Deckel als Teppich iiber den Balkon gebreitet i »und eine Schicht schöner weißer Tot-i lettenwatte in die Ecken gesteckt, da mit er sich ein Nestchen bauen könne. JMan redete ihm liebreich zu. ver sicherte, daß man ihn sehr lieb habe. »und daß es ihm hier sehr gut erge Ihen würde, und nun möge er so ffreundlich sein,-sich nach den Strapa ’zen der Uebersiedlung zu stärken. iAber alle Logik und alle Liebesmiihe jprallte an Muckis tödlicher Angst ab. ’ Die junge Frau, Auguste, die ver-; iwöhnte Köchin, Jda, das angenehme iStubenmädchem standen hilflos ums Flut herum —- dann trat noch Doggi, i fdie große, vornehme dänische Doggel Iheran, um ihn zu beschnuppern ——1 und nun war das Malheur erst rechk groß. Es schien, als wollte Marti; sich in sich selbst verkriechen, sich mitl dem gesträubten Schwanz ermattean Schließlich ließ man ihn allein,z faßte aber draußen vor dem Schlüs selloch, aus dem der Schlüssel gezo gen war, Posto -- abwechselnd die Hausfrau und das angenehme Stu benmädchen. ich möchte ja so gern, daß er sich gewöhnte, sich so recht wohl bei uns sühlte«, meinte die junge Frau, aber ein Blick durch das Schlüsselloch überzeugte sie vom trau rigen Gegenteil. Mucki hatte seine Ecke verlassen, tastete das Gitter sei nes Käfigs ab, sorgfältig Stab sür Stab, faßte mit den Händchen den starken Eisendraht und rüttelte mit der Kraft der Verzweiflung daran. um seinem Käfig zu entfliehen. So. - stehend sah man ihm erst an, was er eigentlich war, ein kleiner Mensch » aber ein sürchterlicher, ein Simson ? der die Säulen des Tempels zum( Stürzen bringen möchte. Dann wur-» de er ruhig, drückte sich erschöpr wieder in sein Eckchen, zitternd, scheu» um sich blickend. »Wissen gnädige Frau«, sagt das; nette Stubenmädchen, dem die leichte Stellung Zeit läßt. Bücher und Zei tungen zu lesen, »ich habe im Zim mer vom Herrn im Brehm nachge lesen. Ein Marmosette - Aeffchen ist so viel wie ein Uistiti. Sie ge-« hören zu den Nachtaffen, sind Nacht fresser und leben am liebsten in Erd höhlen und Baumlöchern. Wir soll-. ten ihm ein dunkles Ställchen bauen, damit er sich bei uns wohlführt." Es wird aus starlen Puppen ge baut, die man leicht zwischen dies Stäbe des Käfigs, auf den Ballom schieben kann, und andere, die mans al-·l Dach darüber legte. So tann man nach Bedarf seine Wohnung ab tönen, vor-i sanftesten Clair-obscur bis zur nachtschwarzen Finsternis-. · Mucli nimmt’s dankbar hin, so dankbar. daß man ihn eigentlich gar nicht mehr zu sehen bekommt --- und nun wird die Sorge immer dringen der: er frißt nichts! Ob er sich ver hungern will, aus selbstmörderischer Absicht vielleicht? Man häuft einen Kreis von duftenden Bananenschnitten um sein Lieblingspliitzchen, schleicht aus den Zehen hinaus an das Schlüs selloch wartet, wartet! -—— nnd endlich, o Freude, tommt Mucli, Ne pomut aus seinem Verschlag hervor schnuppert, üugt vorsichtig ringsumt und beginnt dann langsam eins Scheibchen nach dem Andern zu zer-. nagen. Alle, selbst der Hausherr sind be-« glückt und gerührt: Nepomut hat ge fressen, Nepomui wird uns erhaUen Jbleiben. Eine selige Stimmung wie tum Weihnachten hängt über dem !hause. « Frau AnniÆeht ihn mit leuchtenden Augen an. z »Ist er nicht goldig, der lleine kKerli Wenn er doch wüßte, wie lieb »ich ihn habe, und wenn er mich wie Ider lieb hötte.« T »Wie soll er denn gnädige Frau f lieb haben? Gniidige Frau müssen sich Tmehr um ihn beiiimmern. Jmmer Jselbst füttern und gut zuredem ,,Ei two ist denn unser guter Nepomul? iViollen wir denn ewig in dem Ställ ichsn sitzen?« Nichts da, gleich mal f herunterkommen.« Sie läßt nicht locker, ihre anödiae Frau muß sich selbst um den tleinen Kerl beliimmern, das wird sie schon ron ihrer Schlvermut kurieren. Im mer beschästigen, mit irgendwo-T hat ihr der Arzt so osl eingeschärst. Und so muß Frau Anni das Muclibauer von einer Stube in die andere schlep pen, wo gerade Sonne ist, denn Mucli .sröstelt häufig. Außerdem muß sie an Nepomuis Lähmung arbeiten, ihm aus winziger silberner Konsettgabel die Bananenscheiben reichen, die er dann davon sortreiszt, in beiden Min chtn hält und davon abveißt, wie ein Straßenjunge von seinem Butter brot. Der Hausherr steht diesem Multi iultus mit gemischten Gefühlen ge genüber. Seiner lerngesunden Na tur kommt dieses Getue unsagbar albern vor, und doch gönnt er seiner armen kleinen Frau die Freu de. Manchmal scheinW sogar, als wolle die Beschäftigung mit Mucki sie aus ihrer Dumpshelt herausrei ken, sie beginnt, sich um ihre Wirt chast zu kümmern, ein leise Freude an Pay und hübschen Kleider zu zei gen. Eines Tages trisst er sie in ei nem festlichen rosa Morgenlleid am Assenliisig sitzen; in den letzten zwei Jahren hat er sie nur in dunlleni Farben gesehen. Das Kleidl stammt noch aus der ersten Zeit ils-s rer Ehe -— wieviel sröhliche Tages hatte es damals gesehen! Es ist lächer- · lich, aber das helle Kleid übermannt » WI- er hätte die Trägerin in seine Arme nehmen mögen, oder er hält an sich und sragt nur: - »So schön, Liebling? Mit einem Male?« ,,Ja," sagt sie, »Mucki maa mich lieber in hell. Er mag die schwar zen Blusen nicht. Wenn ich mit dem schwarzen Arm in sein Bauer sassr. fürchtet er sich.« »Ah, also um Mucli!« Er würgt ein bitteres Gefühl herunter. »Na was macht denn dein Kümmerlina?« »So sollst du ihn nicht nennen. Er ist ja so lieb, und er wird schon ganz ZMML Jch darf ihm jetzt schon den Rücken trauen. So — ganz vorsich tig, zwischen den Staben hindurch. Eben hab ihn auch trockengelegt." »Was hast du getan?« »Nun trockengelegt, die Watte ge wechselt. Das muß doch geschehen « ngei wird sie rot iibers ganze Ge Dem Ehemann wird’S unheimlich Großer Gott, wenn diese Liebe zu Mucki zu einem Wahn wird, zu ei ner neuen Form der alten Erkran lang. Doch Frau Anni hat ihre Verlegen Fett überwunden, ganz harmlos sagt ce: »Am liebsten mag er’s, wenn ich ihm was singe. Dann wird er ganz zutraulich Paß auf, wie er dann das Köpfchen schies legt, um genau er hören zu lönnen·'« Und zu dem kleinen Scheusal gewendet, fängt sie an, mit einem süßen, heimlichen Stimmchen zu singen ,,Kommt ein Vogel geflogen, Setzt sich nieder auf mein’ Fuß, Hat ein' Zettel im Schnabel, Bringt fiir Mucki ’nen Gruß.« ( Und der so angesungene lleine Kerl ( duckt den Kopf, wölbt den Rücken tugelartig auf, daß er fast wie ein Jgel ausschaut, und ganz langsam, demiitig uns zutraulich lotnrnt er näher geltochen. Frau Anni jubelt: »Mein Marmosettchen, mein liebes. goldiges Glücksässchen, hast mich denn lieb? Komm mal ganz nahe ran, daß ich weiß, du magst mich.« Da faßt ihr Mann ihre Hand nnd s schüttelt sie heftig wie es in ihrer ganzen Ehe nicht vorgekommen ist,s und sieht sie mit bösen Augen unterj zornroter Stirn an: »Höre auf, ich tann es nicht ver tragen. Alles für das unvernünfti ge Tier, all deine Zeit, deine Sorge gehört ihm, während ich« — ,.Mucli braucht mich. Er ist ja hilflos. Aber du« —- sagt sie leise »Aber ich? Brauche ich dich dennz nicht? Wenn du nur ein Zehntel von I vix-set wiknichm »Affmtiebe« fiik mich ( iibrig hättest, wir lönnten so glück lich sein.« »Es ist schon so lange so zwischen uns ich weiß ja nicht, ob du es anders wünschest«, murmelt sie scham rot, mit einer Bewegung zu ihm hin. ; »Ich? Anni « Herzelchen — ich? Das ist doch nicht dein Ernst, ich verstehe dich nicht.« Er fühlt, wie sie schwer atmet, wie ihre junge Brust sich gegen seine Schulter driictt. »Wie solltest du mich denn vrrste hen? Jch verstehe mich ja selbst nicht — aber ich brauche etwas zum Lieb haben« — Sie wirst die Arme um seinen Hals, preßt sich an ihn, zitternd und hilflos. Und der Mann versteht, was sie nur dunkel ahnt, versteht das irre gegangene Muttergefiihl des jungen Geschöpfes, versteht die ganze Art ih rer Krantheit, die im Grunde nichts anders ist als versetzte Liebe, die nicht weiß, wohin mit ihrem Reich tum, wohin mit ihrem Sehnen. Langsam und zart muß ihr der Weg gewiesen wert-en, bis sie ihn selbst zu gehen wünscht. Das ,,Gliictsäsfchen« hat ihn ge zrigt. Noch tennt sie ihn nicht, der Mann aber weißt er wird zu einem neuen Glück führen· A-— Du Alter unseres Papier-. Bekanntlich wurde das Papier, ei ne chinesilche Erfindung, von den Kreuzfahrern nach Eurrpa gebracht. Von 1190 ab erscheint es in Deutsch land. Der schwedifche Forschungs reitende Sven Heoin, der auf feiner großen Reise in Zentralasien CZUU Meilen zurückgelegt hat, fund in den: Sande der Wüste Gobi chinesisches Papier, das ungefähr aus der Zeit von 250 n. Chr. stammt. Auf dein nördlichen Ufer des Lop - Not - Sees entdeckte er die Ruinen einer Stadt, und dort sammelte er eine beträcht liche Anzahl von chintsischen Hand scl)riften, die etwa 1700 Jahre nlt sind. Nach den chinesischen Quellen, die immer verdächtig sind, wenn esz sich um chronologische Fragen han delt, würde die Fabrikation des Pa ters in China bis auf das zweite ahrtausend v. Chr· zurückgehen — Der ,,Wnnderuktsr«. Erzählung oou Maurit- Prah Martal fur Loire war nicht ge-· rade eines der schmutzigen klein-us Nester der Provinz, in denen es keine Kranken gab. Jm Gegenteil; das Städtchen war bei allen Aerzteu beriirhtigt wegen steter Masern, zahl reicher Fälle von Divhtetie und be sonders hartnäckiger Gripven Trotz dem hatte der Doktor Bichonneau keine Praxis-. Weshalb? Niemand konnte es genau sagen, denn er ge fiel allen. Er war reserviert. ernst in der Ausführung senes Bewies sriekte außerdem gut Tennis, besaß eine nette Stimme, hörte allen Leu ten ruhig zu und tat wenigstens so als ob er alles glaubte, was seine nerviisen Patienten ihm erzählten Kurz, er war ein tiichtiger Arzt von vorzüalichen Eigenschaften Aber die Kranken gingen nicht zu ihm, und diejeniaen, die ihn zufällig ton fultierten, hüteten sich, ihm fein Ho norar zu zahlen. Aber wenn es galt ein Picknick oder ein Tanzvergnügen zu arrangieren, dachte man als gu ten Geselkschafter zuerst an ihn und lud ihn mit Vorliebe zu Diners ein. Jn Krankheitsfällen nahm ganz Martal den alten Doktor Moucha main in Anspruch. Dieser war un sauber. hrurnmig und fast taub. Mouchanrain war eine Tradition der »tadt. Seit mehr denn vierzig Jahren starb man in Martal nur durch feine Vermittelung Dagegen war nichts zu machen. Dr. Bichonneau kämvfte sieben lange Jal,re· Während sieben Jahre wartete er in seinem Joinfortabeb mit gutem Geschmack eingerichteteu SprechZiminer Vertrauensvoll auf Patienten. Während sieben Jahre empfing er nur wenige Kranke. die sich gewöhnlich mit den Worten emp fahlen :,,Sie senden uns Jhre Rech nung zu. nicht wahr, Herr Doktor?« Die iibliche Redensart jener Leute die die Gewohnheit haben, überhaupt nicht zu zahlen. Eines Tages jedoch mußte sich der unglückliche Doktor Bichonneau fiir besiegt erllären· Er besaß keinen Pfennig mehr. Er zeigte allen mit einer sonderbaren Miene an, das; er nach Griechenland gehen werde, wo man ihm eine vorteilhafte Stellung in einem Sanatorium angeboten habe. Große Diners wurden ihm zu Ehren gegeben. Frau Grednet Fol ville arrangierte sogar einen Ball in ihren Salon. Eine ganze Reihe herrlicher Feste nnd besonders herzlicher Enirfiinge wechselten sich ab. Bis endlich der Drttor abreiste. Zwei Jahre nach der Abreise Dok tor Bichonneauä kursierte ein sonder bares Gerücht in gar-; Martal. Es gab, erzählte man. in der Vorstadt einen Schuster, der die reinen Wun der tat· Nich. etwa, daß er um sonst bas Schthwerk besoblte; nein er heilte alle Krankheiten der Welt. Man nannte ihn Vater Filu. Bor: stig, mürrisch, aber originell, mit einem Bart wie ein Meergreis. lebte er hinten in seiner Krambude in Gesellschaft eines Papttgeis, einer Elfter und eines Wolfhunde5, der den Besuchern die Zähne entgegen fletschte. Vater Filu verließ eigentlich nie seine schmutzige Wohnung. Aber man führte ihm die Kranken der gan zen Umgegend zu und er heilte sie alte. Getvöhnllch sagte er: »Dein Dich tveg, Fifrelim im Namen des heiligen Joachim !« Gleichzeitig machte er einige geheimnisvolle Zei chen auf die Stirn des Kranken und wie durch Zauber war dieser geheilt. Lie- gab auch mhsteriöse Mixturen, deren Wirkung geradezu wunderbar war. Verrenkungen und Brüche waren ein Kinderspiel für ihn . Seit mehr denn sechs Monaten ließ Vater Filn den Arbeitern und Landleuten seine Pflege zu Teil wer den und alle fchwuren aus ihn. »Dieser Hauptkerl«, sagten sie voll Bewunderung ,,hatte nicht nötig auf die hohe Schule zu gehen, um zu lernen, wie man arme Leute heilt, im Gegenteil, er kann allen Stadt arzten Unterricht geben. Und wirklich. eines Tages ging eine Dame der Gesellschaft, Frau Carcaillon, die Frau des Notars, zu Pater Filu· Der Wunderjipktoh seine Augen hinter großen blauen Brillen versteckt, empfing sie 11nivirscl,. Er ließ sie aus einen Holzscheniel Platz nehmen, sprach völlig unverständliche Wort-:, rief den heiligen Bonifazius nnd gleichzeitig den heiligen Joachim an. Sein Wolfshund, den er Sokrates ries, mußte dreimal hellen, dann ließ er Frau Carcaillon eine Prise wei ßen Pulvers verschlucken und witt devoll erklärte er: »Durch Fisrelin sind Sie geheilt, neine Dame.« »Aber, mein L-err·..« »Sie sind geheilt, meine Dame, scge ich Jhnen.« Zitternd stammelte Frau Carrail lon: »Es ist wahr, wirklich iva.·sr. Ich fühle mich gesund. Ach. großer Gott!« »Rus«n Sie nicht Gott an«, sagte LHeils-la reng. »Rusen Sie zwölfmal amen Fifrelin, der Allmäch tigel« W Madam-. Careaillon ries also Fis relin an! »Wieviel bin ich sehend-ist« fragte sie. »Nur dreißig Francs«, antwortete Filu mit unerschiitterlicher Ruhe. Es rief eine völlige Revolution in Martal hervor, als man hörte, daß Madame Carcaillon den Wunder doitor lonsultiert hatte. Die kleine Madame Bargunet, welcher eigentlich nichts schlie. be eilte sich, dem Beispiel Madame Carcaillons zu folgen. Filu emsi sing sie mit demselben Zeremoniell, riei Fisrelin an und gab ihr eben falls eine Prise weißen Pulvers »Es ist wunderbar. unerbört«. rief alsobald Madame Baraunet aus. »Wie wol-I ich mich sent fühle! Ge rettet, ich bin gerettet!« Und sie ging enthusiasmiert von dannen. ' Man sprach nur noch von Vater Filu, man dachte nur noch an ihn. Mit Doltor Mouchamain wollte man nichts mehr zu tun haben. Was iiir ein nnmissender, stupider, ja schäd licher Mensch! « Den Kavitiin Parleflur, der ge wichtiaite Kopf in Mai-tat quälte eine chronische Bronchitis und er ent sckloß sich. nachdem er sich lange über den Charlatan motiert hatte, Vater Filu zu konsultieren. Auch er war entzückt. Der Wunderinann gab ihm die dovvelte Vortion weißen Pulvers und eine Medizin die nach Karbol schmeckte. Das Mittel war radikal. ,,S::recht mir nicht mehr von den Dottoren«. tagte der Kapitän. nach dem er bei Filu gewesen« ,.sie verste ben alle nichts. Filu, der brave Schuster-, weiß zehnmal mehr. Wun derbar ist dieser Mann, staunen-Z-. wert.« lind was das Merkwürdigfte war. dEeier Wunderdoltor sprach fast nichts, verließ nie seine Hinteritube, dis- in einem geheimnisvollen Halb drnlel lag. ,.Welch eigenartiger Mensch«. sag ten die. Damen mit sonderbarem Scheuern »Er ist ein Uebermensc«, meinte Madame Carcaillon, sehr stolz dieses Wort anzuwenden Die große Frage war jetzt: »Ist er schön oder häßlich?« Niemandem hatte er Gelegenheit gegebe., ihn-be trachten zu können, teiner hatte seine Gesichtsziige in der Dunkelheit in der er lebte, gesehen. Schließlich wurde allgemein angenommen, daß« er ein schöner Mann sei. Madame era Lecomard, die Bichterim widmete ihm ein feelenvohi les Gedicht. Aber zur Verzweiflung aller wollte Filu aus seinem Maulwurssbart nicht herauskommen Man wäre stolz gewesen, ihn empfangen zu dür fen, ihn zu sehen und zu sprechen Schließlich gelang es Madame Ofarcaillom den Widerspenstigen zu einem Diner zu laden. Seine Zusa ge war in Martal ein unerhörtes Er eignis. Er kam, selbstverständlich mit Verspätung, den Kon in eine große Kapntze verhüllt nnd trat so in den Salon ein, wo man ihn fieberhaft er wartete. »Da kommt unser aller Retter««,« ries Madame Carckiillon in unbe schreiblicher Ausreanna. Filu wars daran seine Kaputze zi-.riicl, er hatte Haar und Bart Ver sckxnitten und war von elegantem, ju gendsrischem Aussehen. Rufe, Schreie, Ohnmachten »Aber«, rief Madame Carcaillon tast wankend, »das ist ja der Doktor Bichonneau.« »Jalvohl, er ist es wirtlich«, stot tcrte die Komtesse Lanzalon. »Ja Person«, sagte darauf der Pseudo-Schuster Filu. »Ich habe mich als Schuster etabliert, meine Damen, um Sie alle zu heil-n. Mir blieb lein anderes Mittel, um Sie zu überzeugen, daß ich ein ebenso guter Arzt als alle anderen bin.« »Aber die Pulver, diese beilenden Pulver, die Sie uns gaben und· Wunder getan l)aben?« fragte Frau Urednet Folville. »Das lvar nur Natron, gnädige Frau«, erwiderte der Doktor mit selbstgesiilligem Lächeln. ter Sachverständigen Der Leiter einer Fischbrntnnstnlt genießt den Ruf eines Sachverstän digen in allen Angexegenheiten, die uns Forellenzncht nnd Forellensnng Bezug hoben. Von allen Seiten er-. hält er Ansrngen iiber die Pflege die ser ebenso schönen als schnnickhnften Tiere; nmn sucht seinen Rat, wie man Forellen fangen kann, man sriigt bei ihm nn, wenn sich unter den Forellen irgendeine Krankheit zeigt. nützlich erhielt er ein Pracht-. exemplnr einer Forelle, die zuerst ge bührend bestuunt, dnsm geruht und« gesotten, und schließlub mit Behagen verzehrt writte. Aber das köstlich Gericht hatte ei-. nen unangenehmen Niichgetchmnck Eid. liche Tage später erhielt der Such-. verständige nämlich den folgenden Brief: »Weder Herr! Vor einigen Ta gen schickt-e ich Jhnen eine Forelle; würden Sie die Gilie haben, sie g: untersuchen nnd zu analysierem ich gerne wissen möchte, woran gestorben ist.'« so