Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, December 27, 1912, Zweiter Theil, Image 8

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    geltuug.
so- Isari
01. IortseiungJ
schtssdzwaszisstes Kapitel.
-Seelenlamps.
Es war gegen drei Uhr. als Ste
fan case von seinem Arbeitsstuhl
aufstund und an den langen Tisch
der Titr gegenüber trat, um ein
Werkzeug zu holen, welches er gerade
brauchte. Der schon siir gewöhnlich
dästere Raum lag an diesem trüben
Tage fast völlig im Daniel; nur-am
Fenster war es noch hell. Suchend
blickte er iiber die verschiedenen Ge
räte. Bücher und Zeitungsblätter hin,
die den Tisch bedeckten —- da glänzte
plötzlich ein Ireudenstrahl in seinen»
matten Augen und er streckte die
Dand aus nach einer halbverdliihtsnz
weißen Rose, die vor ihm lag. »Ma-;
edl« sliisterten seine Lippen; »das
kommt von ihr; sie schickt rnir ein
Zeichen, daß es ihr wohl geht und
e glücklich ist.«
Voll Wonne sog er den siiszen Dust
ein, wasie Liebe strömte ihm zusn
Herzen und seine Augen wurden»
feucht, während ek vie köstliche Blüt-s
an die Lippen drückte. !
Er überlegte nicht lange, wer vonl
seinen heutigen Kunden Marys!
Bote gewesen sein tönnte. Ohne
Zweifel war es der alte Kutscher, der
den Beschlag eines Pferdegeschirtäs
gebracht hatte, um ihn neu versilbern
zu lassen. Nachdem er die Rose ins
Wasser gestellt hatte, trug er sie ans
Fenster und schwelgte entzückt in der
frohen Hoffnung, daß sein Plan ge
lungen und seiner Tochter glückliche
Zukunft gesichert sei. Zwar nahm er
die Arbeit wieder aus, doch wurde sie
ihm schwer; seine Gedanken schweif
ten fortwährend ins Weite und er
wünschte, daß der Tag erst vorüber
wäre und die Stunde gekommen. usn
welche er sich das Avendvmn von oersi
Zeitungsstand an der nächsten Stra
ßeneeke zu holen pflegte. Hatte Ma
rh wirklich Stanhope White ihr Jn
wort gegeben, so würde sie sicherlich
Sorge tragen, daß er eine Anzeige
der Verlobung zu Gesicht bekäme,
denn nur durch die Zeitung konnte
er die Nachricht erhalten. Endlich war
der ersehnte Augenblick da. Eine un
gewöhnlich zahlreiche Menschenmenge
tin-drängte den Zeitungsstand. Es
mochte sich wohl etwas Wichtiges er
ekgnet haben, was die Gemüter er
regte; doch wenn es sich nicht aus
Marh beog, hatte es ja jetzt keinerlei
Wert für ihn. Er griff hastig nach
dem ersten Blatt, dessen er habhaft
werden konnte und eilte in feine Be
hausung zurück.
Das Feuer war herabgebrannt und
das Zimmer kalt geworden; so legte
er denn die Zeitung hin und schüttete
erst srische Kohlen aus. Als er sie
wieder zur Hand nahm« fiel sein er
ster Blick aus die großgedruckie Ue
berschrift einer Spalte; er las:
«Oberst Deering verhaftet als
Mörder von Samuel White, dessen
Tod man bisher siir einen unglückli
chen Zufall hielt.«
Turste er seinen Augen trauen
oder war es ein Trugbild seiner er
hitzten Einbildungskrast? Nein, es
war Wirklichkeit — da standen die
Worte schwarz auf weiß und darun
ter noch andere. um die Verhastung
näher zu erklären und Beweisgründe
für die Schuld anzuführen Er brach
in ein höhnisches Gelächter aus und
beugte sich gierig über das Blatt, als
wolle er jede Silbe verschlingen.
Er las, daß die Beschuldigung von
Stanhope ausging und daß die Ge
genwart des Angeklagten am Tatort
zur Zeit, da der Schuß abgefeueet
wurde, erwiesen war. Der Gesan
sene leu nete zwar seine Schuld mit
großer immtheit, hatte jedoch zu
gegeben, daß er einen alten langjäh
rigea Groll gegen den Verstorbenen
gehabt hatte.
csllgck Mkmochlc ock llllc Acclllll
seine leidenschaftliche Erregung nicht
zurückzuhalten »Gesangen,« jubelte
er, »gesangen wie der Fuchs in der
alle! Seine eigene Unbesonnenheit
i ihn zu Grunde gerichtet und ich
bin skei.«
Wieder vertieste er sich in die Zei
tung. Ein neuer Abschnitt: .
»Die Polizei hält die Tatsache
des Mordes aufrecht. Der Ge
fangene ist nicht gestöndig. Seit
seiner Verhastung hat Oberst Du
ring nur das eine Verlangen ge
stellt, daß man sogleich nach dem
Aufenthaltsort eines gewissen Tho
mas Dalton sorseben möchte, aus
dessen Zeugnis er sich berufen wol
le. Dieser Dalton bat, wie bereits
sehtan vor etwa vier Wochen sei
ne Uebung am Marcham-Max
Its. 6 heimlich verlassen und ist
Ida-r nicht wiedergesehen wor
.
»Sc- ÆMICZT Jst-»Es
YYMnT FIEDLER-?
II M II : T Dalton isi
»He-M est-Ich
II It if »in-i m Gott ei
- Ins- ., -
----.-« -T,.- ---«-.-----..--.
ITodseind zu verderben und zu beJ
weisen, daß er schuldig ist. Deerings
ist verloren und lann mir nicht mehr!
schaden« Er rief die Worte wie i.n’
Freudenraufch und warf einen trium
.phierenden Blick nach dem Vorhang,
-ioelcher die todbringende Maschine
;verbiillte. Dann las er den weiteren
jBerichL in dein alles gesammelte Be
weismateriaL alle Verdachtsgriinde
igegen den Gefangenen aufgezählt rvai
ren. Allmählich verdiifierte sich jedoch
Iseine Miene und der Freudenschein.
fder ihn förmlich veriiingt butte,
Lschtvand aus seinen Zügen. Bald
»eutsanl die Zeitung der schlasfen
zdand und er starrte regungslos vor
sich nieder, wie gelähmt von Ent
lsetzew Plöklich sprang er aus und
Eging mit hastigen Schritten in der
JWerislatt hin und her. Ja seiner
;Seeie iobte ein wilder Kampf. Zuerst
gab sich das nur in einzelnen Aus
rufen kund, dann stieß er Worte nnd
Siide heraus, bald sliisternd, bald
Höhnend, je nachdem Furcht oder
Hoffnung bei ihm die Oberhand ges
ikamt
»Warum soll ich die Rettung nicht
annehmen, die sich mir bietet? —
was liimmere ich mich um den Mann.
dessen Tod mir Erlösung bringt!
Schweige ich, so erfiillt sich sein Ver
hängnis, fiir ihn gibts leine hilje.
Vergangenheit und Gegenwart stehen
gegen ihn aus. Je mehr man sein
Leben durchforscht, um fo triftigere
Gründe wird man finden. ihm das
Urteil zu sprechen. Selbst seine un
erschiitterliche Selbstbeherrfchung und
unbezwingbare Willenslrast werden
Inicht im ftande sein, ihn aus dem
iReh zu befreien, das sich iiber seinem
sHaupt zusammenzieht Er bat einem
igroßen Mann das Leben geraubt und
jniuß dasiir büßen. Daß Whites Tod
Inicht gerade aus die Art erfolgt ist«
wie man denkt, ist fiir mich lein
Grund einzuschreiten. Jahrelang
habe ich fiir meine Befreiung Pläne
geschmiedet, gearbeitet. gebetek Wa
rum sollte ich mich nicht freuen, nun
sie da ist? Ja, ich freue mich, ich at
me neues Leben. Furcht und Scham
sind verschwunden Sobald jener
Mann übersiihrt ist und mir niemals
mehr schaden kann, werde ich die ge
sellschastliche Stellung wieder eins
nehmen, die mir gebührt, und mit
meiner geliebten Mary das Leben ge
nießen. —- Wird das geschehen?« —
Die Frage rang sich wie ein Angst
schrei aus seiner Brust. Wird es gi
schehen? Er dachte an Marns Schön
heit, ihre Unschuld und Reinheit, de
ren Sinnbild die weiße Rose war,
die dort im Fenster schimmerte, an
die heirat, die ihr Erdenglück griins
den sollte, und immer mehr erlosch
das Feuer der Leidenschaft in seinem
Antlitz, bis es grau und verfallen
aussah, als sei auch der letzte Hosi
nungssunte erloschen. »Ich brauche
ja bloß zu schweigen und der Gerech
tigteit ihren Laus zu lassen,« rang es
sich endlich stöhnend aus seiner Brutt.
»Daß ich mich selbst hineinmische, ist
nicht von Nöten· habe ich ihn doch
erst vor wenig Tagen hier an dieser
Stelle mit dem Tode spielen sehen
und keinen Warnungsrus ausgesta
ßen. Jeht geht es ja leichter, viel
leichter, denn ich werde nicht Zeuge
sein, wenn das Schickle ihn ereilt.
Und doch fühle ich einen Brand in
meinem Innern, der mich zu verzehren
droht. Jst das Gottes Strafgericht?
Hat sein Finger mein herz de
rührt?«
Wie sehr er auch dagegen anlämps
te und verzweislungsooll rang, den
iahrelangen Vorsak nicht auszugeben,
es war ein ohnmiichtiges Beginnen.
Dem ermatteten Streiter schwand
endlich der Mut, er vermochte dem
Geist, der ihn trieb, nicht zu wider
stehen« Aber vielleicht sand sich doch
noch ein Ausweg, ein Rettungsanter,
on den er sich tlanimern konnte. Was
hatte er denn zu siirchtens War er
nicht Stesan huse? Der hatte ia
nichts mit den Schreetnissen jenes
alten Goldgriiberlageri in Kalisornii
en zu schossen. Selbst wenn Deering
der Versuchung nicht widerstand, die
ganze grauenon Geschichte zu er
zählen, konnte er ihm nicht schaden.
Es schien eine offenbare Zugang der
Vorsehung, daß sich alles so tros.
Und doch war die Möglichkeit einer
Entdeckung nicht ausgeschlossen
Sollte es denn wirklich seine Pflitzt
sein, das ihm neu geschenkte Leben
aufs Spiel zu seyen, um dieses Man
nes, um seines Feindes willen? Mas
rv würde vielleicht diese Frage be
iasen Ne- Mary war ein Engel
und er nur ein müder, gebrochener
alter Mann.
Er überlegte hin und her, aber der
einmal gefaßte Gedanke ließ ihn nicht
wieder los und trieb ihn unwider
stehlich zum Handeln. Er ward nun
ganz still; wie träumend blickte er
umher in der Werkstatt, dem Schau
plas seiner Tagesarbeit; alles schien
ihm fremd und bedeutungslos. Me
chanisch holte er Hut und Rock vom
Nagel und kleidete sich zum Ausge
hen an. Zuleyt nahm er noch die
weiße Rose vom Fenster und barg sie
in feiner Brusttasche Nachdem er
die Lampe gelöfcht öffnete er die
Tiir geräufchlos und stahl sich in die
Nacht hinaus
Seik er vor einer kurzen Stunde
M Zeitmgsbkatt zur band genom
III-r M, war er wohl um gehn
seit-»W.
Ieusssdzwonzigsies sattel
Stesan Dnse in Bhttes
W o h n u n g. «
Zur späten«tllbendstunde sah man
einen alten Mann in Handwerker
lteibsung sich durch die Menge drän
gen, welche den Eingang zu dem
White’schen hause in der Fünften
Auen-te umlagerte. Ein dort ausge
seellter Polizetdiener wollte ihn zwar
zurückhalten. doch wenige erlliirende
Worte genügten zur Verständigung
und der Mann stieg ungehindert die
Treppenstusen hinaus. Als Felix
aus sein Klingeln össnete. beeilte :r
»sich ihm mitzuteilen. daß er nicht
Herrn While zu sprechen wünsche,
sondern Fräulein Dalton. die junge
Dame, die ietzt hier im hause wohne
Zugleich übergab er ihm seine Ge
schästslarte, aus der in der Eile eini
ge seltsam oerschlungene Buchstaben
zgeschrieben standen.
i Marn war gerade im Bibliothels
gimmen als Felix ihr die Botschaft
brachte; sie erschrak hestig, sobald sie
»das oerabredete Zeichen aus der Karte
erblickt hatte. Ihr Vater hier! Das
lam ihr völlig unerwartet, obgleich sie
eben noch daran gedacht hatte, welche
Erleichterung es stir ihn sein müsse,
daß sein Feind gefangen genommen
sei und siirs erste seinen Weg nicht
mehr lreuzen lönne. Aber was ih
ren Vater auch hersiihren mochte. sie
war sroh, daß er gekommen war,
denn sie trug den Verlobungsring
am Finger und sehnte sich danach,
ihn teilnehmen zu lassen an ihrem
beseligendein Gliicl
Als sie das lleine Empfangszims
mer betrat, in welchem ihr Vater
aus sie wartete, strahlte sie in Anmut
und jugendlichem Liebret wie noch
nie zuvor. Ader rasch verschwand das
beglüate Lächeln aus ihren Zügen
bei seinem düstern, hosfnungslosen
Anblick.
.Was ist geschehen?« sengte sie.
dicht zu ihm hintretend, in vorsichti
gem Flüsterton. »Ich glaube doch,
die Verhasiung jenes Bösewichts
würde dich von aller Furcht befrei
en.« —
«Marn," rief er in flehendem Ton.
als erwarte er von ihr Rettung aus
drohender Gefah. ,,soll ich mein
Leben aufs Spiel sehen um eines
Mannes willen. der lein Erbarmen
kennt? Jch weiß, daß Oberst Der
ring Samuel Wbite nicht mit eigener
Hand erschaffen hat. Soll ich ez be
YIannt machen, obgleich feine Befrei
Zung meinen Tod bedeutet?'·
T Marh guckte schmerzlich zusam
»men. Ein lalter Reif legte sich auf
die Blüten ihres jungen Glücks.
« »O, warum stellst du die Frage
an mich?« rief fie. »Ich hin deine
åJochten wie kann ich dich zum Tode
jverdammeni Und doch, wenn er
kunschuldig ift —«
; »Würdeft du mich «noch lieben,
äwenn ich schwiege?« f
! »Die Wahrheit gilt mehr als das
,Leben.« versetzte sie tief erschüttert.
i»Du könntest nie mehr glücklich sein,
«ließest du deinen Feind unter einer
falschen Anklage sterben.«
«Glaubsi du das wirklich? Traufi
du mir zu, daß ich Neue- empfinden
wiirde, daß der Trieb zum Guten
noch in mir wohnt?«
»O, sprich nicht so! haft du mich
doch von Kindheit auf zu Wahrheit
und Tugend angehalten, wie follteft
du selbst deine Lehren Liigen ftras
fent Würde ich dich denn fo innig
lieben, wärest du nicht die Giite fel
beri«
»Du weißt nicht, wie böse Ge
danken die Furcht vor jenem anne
in meiner Seele geweckt hat-;Zf Noch
setzt, nachdem ich dir geftanden habe,
daß er unschuldig an dem Verbrechen
ist, dessen man ihn zeiht, schaudere
ich davor uriick, die Tatsache der
Welt zu visinbaren.'
»Und du weißt es ganz gewiß,
daß er Herrn Whites Tod nicht ver
ursacht hatt«
»Er ist nicht durch seine hand ge
sallen.«
»Aber er war im Haus«
»Doch bat er ibn nicht geschossen«
»Das weißt du« Vater. und lannst
auch andere davon überzeugen?'
»Ja, das kann ich·«
»Dann bleibt dir leine Wabl.«
»Sagi das mein guter Engelt«
'Vater, könnte dir nicht Stanbope
die schwere Pslicht erleichterni Soll
ich ihn rusen, damit er dir beisieht?«'
»Er dars nicht wissen, daß ich dein
Vater bin, hörst but Jch bin Ste
san Hufe, der Techniter. Sobald nach
nur eine Menschenseele erfährt, daß
ich Thomas Dalton war, giebt es
leine Rettung mehr sür mich.« "
»Ich werde mir nichts met-ten las
sen und vielleicht entgebst du der Ge
sabr. Unmöglich lann doch aber se
ner Deering so rachsüchtig sein, daß
er seinen Lebensretter noch mit töd
lichem Haß versolgt. «
»Von ibrn bade ich nichts zu hoss
sen. Er dars nicht ahnen, wem er
seine Befreiung verdankt-«
Vielleicht vermag Stanbope dies
ins Werk zu sesen. Er ist so gut;
wenn er totiszte —"
»Woblan, ich will mit herrn
Wbite sprechen, aber nicht in deinem
Beiseitr. Sage ilnn daß i das
Zimmer bewohne, in dein er dchVa
malt der-sand. Er bat mich zwar
ais sDalton gesehm« -aber
M
stimmle
»O nein, sogar mir erscheinst du
sa völlig sremd.«
.So rise ils- denn herbei und
Gottes Segen geleite dich, mein teu
res Kind!'·
Sie wollte noch zärtlich von ihm
Abschied nehmen, aber er trieb sie
zur Eile. ,
«Gel1.« drängte er. »das-sit mein
Entschluß nicht wieder wantend
wird.« -
Als Stank-one in das Zimmer trat,
erhob sich eine greise Gestalt und
lam ihm würdevoll entgegen.
.Entschuldigen Sie, Herr Wdite,«
sagte der Alte mit Fesiigleit, »ich
ließ Sie um eine Unterredung bit
ten« weil ich Ihnen eine wichtige
Mitteilung zu machen dabe. Die
heutige Zeitung berichtet, daß ein
Mann als Mörder Jhtes Vaters der
hastet worden ist.«·
»Ganz recht. Wissen Sie etwas
Näheres darüberi Kommen Sie
wegen einer Zengenaussagei Sie
wohnen ans dem Marsham-Plan —
hat der Oberst Deering Sie dort et
wa ausgesuchti«
»Ja, vor kurzem. Ader darum
handelt es sich nicht.« Er hielt inne,
dann rasste er sich zusammen. »Ob«-it
Deering hat Jhren Vater nicht er
schoisen!« rief er mit raschem Ent
schlug
.Wie? was sogen Siei Minnen
Sie das mit Gewißheit bebaut-terri«
»Ich sah ihn an jenem Unglücks
tage aus dem hause kommen und
gerade als er um die Ecke bog, tönte
der Schuß aus Jhres Vaters Zim
mer.«
Stanhope del-te vor heftiger Er
regung. «th es möglich — Sie sa
hen den Mann-dorten den Schußi
Und wo waren Sie selbst?"
»Im Erdgeschosz des Eckhauses ge
genäher. Die hohe Gestalt des Man
net erregte meine Aufmerksamkeit
Als der Schuß siel, stand er einen
Augenblick still und sah empor, und
da erkannte ich. daß es derselbe here
war, der oor einigen Tagen in mei
ne Wertstatt lam, um nach Thomas
Dalton zu stagen.«
»Dann lam über seine Jdentitiit
lein Zweisel bestehen. Jhre Aus
sagen herr huse. ist siir mich von
höchster Wichtigkeit; sie verschasst
mir eine wahre herzenserleichterung
Gewiß werden Sie dieselbe bereitwil
lig aus der Polizei wiederholen!«
»Wenn es sein muß, ja. Halten;
Sie es siir notwendig?« Die Stint-!
me des Alten zitterte merklich. seines
Füße wantten. Stanhope betrachtetes
ihn mit teilnehmendem Blick. s
uSie siihlen sich angegrissen. Jchl
werde Jhnen ein Glas Wein bringen ;
lassen." j
»Nein, nein, es ist nichts. Sagen?
Sie nur, wann ich mit hnen ausi
die Polizei gehen soll. ch wünsche’
nur meine Pslicht zu tun· Fiir jenen
Mann habe ich lein besonderes Jn-»
teresse.« .
»denn scheinen Sie mir nicht
lriistig genug; ich werde eine vorläu
sige Anzeige bei der Polizei machen
und Sie morgen in Jhrer Wohnung
abholen und mit Ihnen zu dem Jn
speltor gehen· Oberst Deering soll
nicht unschuldig leiden-«
»Ich stehe Ihnen ganz zu Dien
sten; also morgen erwarte ich Sie,
Herr White!«
Siesan Huse schritt langsam der
Tiire zu. Aus der Schwelle sah er
sich noch einmal mit sorschenden
Blicken um, als wolle er seinem Ge
dächtnis die ganze Einrichtung des·
Raumes bis auss kleinste einpriigm
Wenn Stanhope dies seltsam er
schien, so konnte er ja nicht ahnen.
welche schmerzliche Freude es sür den
Vater war, der si site immer von
der geliebten Tochter trennen sollte,
wenigstens einmal die Umgebung zu
sehen, in der sie leben und glücklich
sein würde.
Dreispigstec Kapitel.
E n i v e ck t.
Ja seine Behausung zurückgekehrt
fand Stesan huse reichlich Zeit, die
nngliicklichen Folgen des Schrittes zu
überdenien, den er getan. Sobald
die Polizei anfing, nach« seiner Ver
gangenheit zu forschen, ließ sich seine
Jdentitiit nicht länger verbergen,
darüber gab er sich leiner Täuschung
hin, doch wankte er nicht, den gefaßten
Entschluß auszusiihren. Als Stanhove
an andern Morgen zur verabredeten
Zeit erschien, sand er den alten
Mann bereit, mit ihm zu gehen. Daß
er ihm unterwegs so bleich und hin
söllig vorkam, schrieb er seinen ho
hen Jahren zu; denn daß sein Ge
sähete aus diesem Gange alle Qualen
eines zum Tode Verurteilten litt,
der das Schassot besteigen soll, tvar
ihm ja völlig verborgen.
Ehe sie das haus verließen, hatte
der Alte Stanhope noch seine Bitte
vorgetragen, ihm womöglich eine Be
gegnung mit Oberst Deering zu er
sparen. Dieser habe ihn, sagte er.
damals in seiner Wertstatt mit grosser
Geringschiihung behandelt und es
sei zu einem Wortwechsel zwischen
ihnen elommen. Er hege nun eine
große bneigung gee en den Mann
und begehre keinen nl von ihn-, ja
es sei ihm am liebsten, wenn jener
gar nicht erslihre, wem er seine Be
freiung zu verdanken habe.
Icus dem Zimmer des Polizeiamts »
in das man sie siihrte sen-den sie
nur einen Herrn rnit sreundlicherj
Miene und den schweigsamen Schrei
ber on seinem Pult. Erleichtert at
n:ete Hase aus, der iingstliche Ans
drnck schwand aus seinem Antlis nnd
er stand hoch ausgerichtet da, wäh
rend er vor dem Polizeiinspettor
Zeugnis ablegte. Er erzählte seine
Geschichte genau wie tags zuvor und
da sie sich wirklich so iuaetragen hat
te, ionnte ihn auch rein Kreuzvethr
darin irre machen. Des Obersten
Unschuld wurde hierdurch llar er
wiesen need der Jnspektor gab sosort
Besehl, n Gefangenen hinzuführen
um ihm die Freiheit zu verkünden.
Stanhope sah den alten huse er
schreckt zusammensuhren und beeilte
sich, dem Jnspettor mitzuteilen, dass
jener nur um der Wahrheit und Ge
rechtigkeit willen sein Zeugnis abge
legt habe. aber aus jeden Dank ver
zichte. Jn, er bäte ihn zu enilassen,
ohne daß er genötigt sei, dem Ober
sten zu begegnen, der ihn neulich in
seiner Werkstatt beleidigt habe. Seit
dem verabscheue er den Menschen und
wolleihm nicht als Wohltöter gegen
überstehen.
Nachdem Hase dies ungewöhnliche
Verlangen aus des Jnspeltorö Fra
gen bestätigt hatte, erklärte ihm die
ser, es sei unmöglich zu verhindern,
daß sein Name össentlich bekannt
werde, dagegen wolle er ihn nicht
zwingen, mit dem Obersten zusams
mentressen, wenn ihm dies zuwider
wäre. Er möge sich inzwischen in
dem kleinen Nebenzimmer nusruhen
und warten, bis die bevorstehende
tlnterredung m· dem Obersten vor
iiber fei. Nat rlich zögerte der Alte
keinen Augenblick, den ihm gebotenen
Zufluchtsort aufzufuchem Steinhope
geleitete den Schwantenden dahin,
und ehe sich die Tür fchloß, fliisterte
er ihm freundlich zu: «Seien Sie
ohne Furcht, fobald er fort ift. hole
ich Sie. Bis dahin pflegen Sie der
Ruhe, niemand wird Sie ftiiren.«
Bei feinem Eintritt erkannte Oberst
Deering leicht aus den Mienen der
Anwefenden, daß feine Sache eine
günstige Wendung genommen habe.
Auf die betreffende Frage des Jn
ftsektorz erwiderte er, daß er zur
Zeit, als der Schuß abgefeuert wurde.
gerade unten am Haus vorbeigegan
gen fei; er hätte diesen Umstand
schon friiher erwähnt, wenn nicht die
Wahrscheinlichkeit, daß man feiner
Versicherung beimessen würde, zu ge
ring gewefen fei.
»Geftern war noch lein Zeuge frir
Jhre Aussage da," lautete die Ant
wort; »heute hat sich einer gefun
den.« '
Ueberrafcht fah fich der Oberst im
Zimmer um; zuleßt blieb fein fragen
der Blick auf Stanhope haften.
»Nein« ich biif sur ein Abgesand
ter," erklärte diefer, der Zeuge ift
ein Mann, der Sie im entscheiden
den Augenblick auf der Straße ge
fehen hat.'·
«Jch wußte es doch, daß meine
Unfchuld an den Tag kommen witt
de," rief der Oberst.
«Oberfi Deering," begann ietzt der
Jnfpektor, »unter den obwaltenden
Umständen werden Sie wohl keinen
Grund mehr.haben, uns zu verfchwei
gen, wie es kam, daß Sie Herrn
Whites Haus um 10 Uhr betraten
und dasfelbe erst um halb 3 Uhr
verließen. Da Sie zugeben. daß ein
alter Groll zwischen Jhnen und dein
Verstorbenen beftand, muß es eines
ftarlen Beweggrundes bedurft ha
ben, daß Sie fo lange unter einem
Dache verweilen konnten, wo man
Sie nicht willtommen hieß. Um
Ihrer selbft willen und aus Rücksicht
fiir herrn White, für den die Sache
natürlich von höchster Wichtigkeit ift,
bitte ich Sie, uns den Umstand zu
erklären.«
Der Oberft hatte fein volles Selbst
vertrauen wiedergewonnen. fobald
die hoffnung auf Freisprechung in
ihm erwacht war. Er nahm feine al
te Gönnermiene an und antwortete in
berablaffendem Ton:
«Gern gebe ich Jhnen die ge
wiinfchte Auskunft. nachdem die
Verdachttgrsnde, die gegen mich vor
lagen, sich als nichtig erwiesen haben.
Jch hielt es fiir das Beste. bis feßt
Zu verfchweigen, wie es zuging, daß
ch vier Stunden lang in herrn
Whttes Schlafzimmer eingefchloffen
war. da meine Angaben Ihnen viel
leicht unwahrfchetnlich getlungen
hätten. Jeßt kann ich aber frei her
anstedem
»Das Geschenk, welches ich Ihre-«
berühmten Mitbiirger zur hochzeit
brachte, war leine Liebesgabe, denn
ich baßte und verabscheute ihn von
Grund meines herzens. Doch will
ich nicht von meinen Gefühlen spre
chen, sie sind seht mitsamt ihrer
Ursache begraben und gegen seinen
Sohn hege ich keinen Groll. — Jch
war die Vordertreppe hinausgegan
gen und sobald ich den Schritt der
zurückkehrenden Dienerin auf der
Hintertreppe hörte, unangen.eldetund
unerwartel bei ihm eingetreten. Tie
Ueberraschung, welche ich ihm berei
ten wollte,«gelang vollkommen und
gewährte mir den größten Genuß
Als er sich umwandte und sein Blick
mich traf, sah.ich, daß er sich aller
Umstände bei unserer lekten Zusam
menlunst noch genau erinnerte und
die hochzeitisreude war ihm grünb
lich verdorben. Meinen Zweck hatte
ich erreicht; ich lieh die Pistole aus
dem Tische liefen und sog mich zu
rttck. Whtte war all-MEDIUM «
sah mich zwar nicht an, doch befand
er sich zwischen mir und der Tiir. zu
der ich eingetreten-. Jch oerioanbte
tein Aug-e von ihm und wollte mich
durch die Dintertllr entfernen. Dabei
hegt-es ich den Mißgriff. sinkt in
M stsnal hinaus in das Schlaf
zimmer zu treten. Beide Jiiren sind,
wie der junge Mann hier weiß, dicht
neben einander. Sobald ich meinen
Irrtum ertonnt habe. wollte ich ihn
wieder gut machen, doch da ward
der Schlüssel im Schtoß hastig um
gedreht. Der Ausweg war mir ab
geschnitten und ich fah mich gefan
gen. Ob dies. feindliche Absicht oder
Zufall war, vermochte ich nicht setis
zustellen. Lärm zu machen schien
mir in meiner Lage nicht geraten und
so faßte ich mich denn in Geduld, bis
mein Widersacher mich iiber lurz
oder lang freilassen würde. Jech war
reichlich mit Zigarren verfe n, die
ich eine nach der andern tauchte;
wenn mir dazwischen die Zeit lang
wurde, stand ich auf und schlenderte
im Zimmer umher, die kostbare Ein
richtung betrachtend. Jch sah den
Koffer und die offene Reisetasche —
here White mußte also uoch einmal
den Raum betreten, ehe er aus die
Hochzeitireise ging; diesen Augenblick
wollte ich ruhig abwarten·
«Endlich, um halb drei Uhr, nä
herte sich ein rascher Schritt der
Tür, eine Hand driickte aus die Klin
te und schloß dann auf. Der über
raschte Ausdruck in der Miene des
Eintretenden bewies mir zur Genü
ge, daß meine Einsperrung nur ein
Versehen gewesen war. So verlor
ich denn auch weiter tein Wort, fon
dern entfernte mich durch das Stu
dierzimmer. Als ich die Tiir nach
dein Vorsaal öffnete, fiel mein leßter
Blick auf ihn. Er stand noch an
derselben Stelle, in der Hand die
Pistole, welche ich ihm am Morgen
gebracht hatte. Ich kam unbemerkt
die Treppe hinunter und aus dem
Hause. Gerade als ich unter den
Fenstern vorbeiging, hörte ich den
Schuß, aber ich kehrte nicht noch ein
malum — Sie werden mir das
laum verdenten.«
Stanhope war abseits getreten. Er
glaubte, daß Deering die Wahrheit
sprach und mußte an sich halten, um
nur dem Abscheu, den er vor dem
Mann empfand, nicht Ausdruck zu
neben.
Der Jnspeltor batte den langen
Bericht mit Interesse angehört.
»Die Verwechslung der Türen
kommt mir doch febr feltfnm vor,«
stagte er, »Sie mußten ja im ersten
Augenblick bemerken. dofz Sie nicht
auf dern Vorfnai waren."
Ermessen Sie nicht, daß ich rück
wärts binauöging,« erwiderte der
Oberft mit ruhiger Ueberlegenbeii.
»Hier febe ich wei«Tiiren, die ganz
ähnlich zu einander gelegen find,
wie die dortigen. Wenn ich nun, die
Augen auf Sie gerichtet, dies Zim
mer oerlassen wollte, fo könnte es
leicht gefcheben, daß ich die falsche
Tiire wähle.«
Urn feine Behauptung anfchaulich
zu machen, hatte Deering.· während
er sprach, wirtlich die Tiir geöffnet.
und ebe der Jnfpeltor es hindern
lonnte« war er rückwärts in das ttei
ne Zimmer getreten, welches Stefan
Lxufe zur Zuflucht diente.
Ein unwilltiirlicher Auffchrei er
tönte hinter dem Obersten. der sich
voll Ueberraschung umwandte.
«Ab,« rief er, »wen finde ich denn
hieri« Er trat dicht an den alten
Mann heran, der vor Angst zu ver
geben schien, und blickte ibtn forschend
ins Gesicht. »Die Züge find mir
belannt,« fuhr er fort, »balt, ietzt
weiß ich, wo ich Jhnen begegnet bin
—- in Thomas Taltons früherer
Wohnung, dort haben Sie Jbre
Wertfiatt.«
Stauhope war besorgt herzugetrei
ten und mit thn der Jnspektor.
»Diec ist der Zeuge,« sagte leh
terer, »der Sie aus der Straße ge
sehen hat« als der Schuß siel.'·
«Wirtlich?« versetzte der Oberst
und faßte den Alten näher nnd nä
her ins Auge« bis ihm zuletzt ein
leiser Ausruf der Befriedigung ent
schlüpste und er mit spottischem Ton
bemertte: »Ja freilich kenne ich den
Mann.« ·
Als sie bald den-aus das Polizei
geböude verließen, beugte sich Oberst
Deering mit ruhiger Gelassenheit zu
dem alten Galvanaplastiter nieder.
Die wenigen Worte, die er ihm zu
sliisterte uud deren Bedeutung OuseK
vollkommen verstand. verlor-Mem
»Bestimmen Sie, wann und wo
unsere Unterredung stattfinden sollt«
Die Antwort auf diese Frage war
ebenso kurz und bündig:
»Heute nachmittag um drei Uhr,
in meiner Werkstatt.«
Gortsehung solgt.)
.-.s-.
--— Druckfehler. Glas einer
tädagogischen Broschüre.) «... Die
Herren befinden sich im gewaltigen
Jrrtiumy welche im Stock rin'Keil
mittel erblicke-X
-—«- Er weiss sich zu helf-I.
Silber-heiser (zu seiner Irrw- »Du
Wastl, der Schust, hat ein falsches
Silberstiick beigelegt, alt et eine
Rechnung zahltet«
Fran: «hiittest DW doch zuriiels
gegeben!« -
sauer: »So unnobet bin ich n s«,
ich Pis« seiner Mithin el- lit«