Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, December 20, 1912, Zweiter Theil, Image 9

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    Uebraika
Staats— Anzeiger und J set-old
Jahrgang Zk Grund Island Rein-» 20. Dezember 1912 Hweiter Theil) f Nummer 19 .
RDie Heilige Pacht
Mäg
hoch über aller Erdenstürtne Toben,
hoch über bunter Zeitenbilder Pracht:
Wie stehst du hold und klar aus Licht
gewoben,
Du heilige, du wundersame Nacht!
Was immer nur aus sel'gen Unschuld
tagen
Von froher Kindheit Glück das Herz
gespürt,
Hat deiner Sterne Diadem getragen.
Hat deiner Engelfchwingen Flug be
rührt.
Und wo des Lebens schwere Wander
stunden
Mit Schutt und Staub Erinn’rung
zugedeckt,
Hat deiner Glocke Laut den Weg ge
fanden.
Hat zaubetleis die Schlummetnde er
weckt.
Dann zog durch Wintetdunlel lockend
Klingen,
Ein Ruf von Bethlehem ging suchend
aus.
Es klopft das Herz — die Engel hört’
es singen
Und fand am Ktipplein wieder sich
nach Haus!
Adclicw Eljsthcth Mohn
Der Vater nnd
sein Hchnauzl
Weibnachtögeselzichre von Reinhold Lu
MCUIL
Den Kragen der strengen winter
lichen Kälte wegen bochausgeschla.
gen, die hände tief in die weiten
Taschen des Mantels versentt. schien-«
derte Rudolf Harling durch die Stra-?
ßen Münchens. Er wußte nicht recht,!
weshalb er es tat; wußte nicht, wes-!
halb er die gemiitliche Eile im Rats-!
teller aufgegeben hatte, und warum
er durchaus davor zurückschreckte,i
heimzukehren Gewiß, es würde Laus
iein im Atelier und eine mühselige Ar
beit, mit den vertlammten Fingern
Feuer anzumachen Jm Natsleller’
war es warm gewesen und hier aus
der Straße — nun, das war, als
schnitten hundert seine, haarscharse
Messer in die rotgesrorenen Ohren. Er
zog ein unzufriedeneg Gesicht; vor je
dem Lokal blieb er ein Weilchen zöL
gernd stehen, um den Schritt doch end
lich weiterzusetzem zehnmal wandte er
sich in der Richtung nach Schwabing,
wo er seine einsame Bude wußte, und
bog doch immer wieder bei der ersten
Querstraße ab.
Er fühlte sich elend —- ohne Frage
sehr elend. So ein merkwürdiges, un-(
behaglichesGesiihl in derMagengegend,!
das auch der vorzügliche Bardeauxs
nicht hatte vertreiben können. Und
beim Anblick der zahllosen winzigen»
Lichterchen, die allenthalben hinter den
Fenstern slammten, breitete sich diese
Empsindung einer reinlichen Leere bis.
in die Region des Herzens aus. Was»
war das siir eine Sitte, die Christbäu
me gerade vor die Fenster zu stellen!—!
Hatten sie denn nicht in irgendeinem
Winkel der Stube Plah —- an einer
versteckten Stelle, wo der Schein ihrer
Kerzen die Leute aus der Straße nicht
zu stören vermochte? Und mußte man
bei jedem Schritt daran erinnert wer
den, daß es Weihnachten war?
Wirklich —- dieseö heimlich festliche
Treiben, die fröhliche Geschäftigleit
und freudige Erwartung in den letzten
Wochen war unersreulich genug gewe
sen fiir einen, der teineei Teil daran
hatte. Und nun, da Rudolf Harling
diessnzeichen eines allgemeinenGiiickes
auf Schritt und Tritt begegneten,
wuchs die Bitterkeit des Gefühls, da
oon ausgeschlossen zu sein, ganz uner
träglich in ihm. Wie zum Trost sah
er sich nach Leidensgesöhrten auf der
Straße um, ater wie er im Ratsteller
außer einiger mürrisch dreinschauen
den alten Junggesellen fast der einzige
Gast gewesen war, so begegneten ihm
auch jeßt nur wenige Menschen —- und
die meisten eilfertig ausschreitend und
mit Paleten beladen, die noch Ueber
raschungen für die Lieben daheim ent
halten mochten. Jn Rudolf harlings
herzen regten sich allerlei rebellische
Gedanlen. Fünfzebn Jahre waren es
nun, daß er das Fest in dieser Weise
verlebte —- seitdem er zum leßten Mal
unter dem elterlichen Weihnachtsbaum
gesessen hatte. Gewiß -— ed waren ne
ben seinem angeborenen hang zur
Einsamkeit hauptsächlich die Arbeit
und die Armut gewesen« die ihn in den
ersten Jahren dazu gezwungen hatten.
Dann aber —- als mit den ersten Er
folgen seiner Bilder sich auch ein besse
rer Verdienst einstellte —- biitte er doch
am Ende an dieGritndunß einesheimi
denken können, wenn ihm die Gewoan
heit des Alleinseins nicht in Fleisch
und Blut ilbergegangen wtirr. heute
war es wie ein Aufruhr in ihm. Was
war das für ein Leben —- keinen Men
schen zu haben, für den man sorgen
konnte und der einem mit ein wenig
Liebe vergalt, was man ihm an Liede
gab. Hier herumzulaufen, anstatt
glücklich zu fein mit andern —- und an
alledem war nur die eigene Stutnpfs
heit schuld.
Er runzelte die Brauen und blies
die Backen auf, als könnte er durch vie
grimmige Grimasse die unerquicklichen
Gedanken verscheuchen. Da tauchte
plötzlich ein Etwas vor ihm auf —
langhaarig, schnauzbiirtig, mit dünnen
Beinen und unförmig großem Kopf,
huschte um eine Straßenecke, blieb vor
ihm stehen, sah ihn aus großen, klu
genAugen aufmerksam an und wedelte
mit dem Schwanz. Doch ein Lei
tensgesährtel dachte der Maler und
bückte sich fast mit einem Gefühl der
Erleichterung, den Kopf des Hundes
zu streicheln.
«Gelt — du weißt auch nicht, wo du
hingehdrst?« sagte er in teilnehmendem
Verständnis, und der Hund heulte wie
zur Antwort kläglich auf. Es lag et
was Mitleiderregendes in dem weh
mütigen Ton; und es gehörte heute
nicht viel dazu, Rudolf Harlings herz
zu rühren.
»Ja, Schnauzl, so tann es einem er
gehen, wenn man häßlich und unlie
brnswürdig ist wie du und ich,'· fuhr
er fort. Es war ja selbstverständlich
daß der arme vierbeinige, zitternde
Kerl Schnauzl hieß —- teinMiinchener
hätte einem Vertreter seiner Rasse ei
nen anderen Namen gegeben. Und es
war unverkennbar, daß er den Namen
erkannte. Schweifwedelnd sprang er
an Rudolf Harling empor, und statt
des melancholischen Denkens bellte e:
ein paarmal freudig auf.
Und er roich ihm nun nicht mehr
von der Seite. Wohin er sich auch
wenden mochte —- tvie ein Schatten
blieb der Hund hinter ihm, so dicht an
seinen Beinen, daß er alle Augenblicke
fürchtete, ihn-zu treten. Und seltsam,
—- Harling zitterte fast davor, daß
ihm das Tier doch noch davonlaufen
tönnte —- daß der merkwürdige Ge
fährte ihm verloren ging, den er da in
seiner Einsamkeit gefunden hatte. Er
sprach mit ihm, er redete ihm fortwäh
rend freundlich zu, und blieb hier und
da stehen, ihm den unbeschreiblich häß
lichen, struppigen Kopf zu streicheln,
in dem doch die llügsten und treuesten
Hundenugen standen. Jede dieser
Lieblosungen beantwortete Schnauzl
mit seinem dankbar freudigen Bellen,
und diese lebhaften Laute erfüllten den
Maler mit wunderbarer Berubiaiing.
Er war doch nicht mehr allein; er hatte
jemanden, mit dem er sprechen konnte
-- und dem er eine Freude zu bereiten
vermochte. «
l Jn der ersten kleinen Wirtschaft an
der ihn sein Weg vorüberführte, han
delte er fiinf Paar Weißtoiirste ein,
und eilsertig strebte er sodann mit dem
neu gewonnenen Freunde dem kalten
Atelier in Schwabing zu, vor dem er
sich doch so sehr gesiirchtet hatte. Hier
wollte er Schnauzl ein Mahl bereiten
—- ein Mahl, wie es ihm vielleicht seit
langem nicht geboten worden war.
Freilich konnte er sich’s nicht versagen,
ihm schon unterwegs den Zipfel einer
Wurst zu geben, aber die Hauptsache
—- die hauptsache sollte doch erst da
heim kommen-— die große Bescherungl
Und ein Gedanke fuhr ihm durch den
Kopf. Es gehörte ein Christbaum zu
einer ordentlichen Weihnachttbeschei
kung —- obne Frage. Vom christ
baum sollte sich Schnausl seine Wiirste
holen. Es mußte ihm gelingen, noch
ein Bäumchen auszutreiben. Lichter
genug hatte er daheim, ihn damit zu
schmücken.
Er geriet in einen freudigen Eifer
und in eine Erwartung, wie er sie seit
Jahren nicht mehr empfunden hatte.
Wirklich gelang es ihm, noch einen
Baum auszutreiben — eine kümmer
liche lleine Tanne freilich nur, mit we
nigen dürftigen Zweigen und einer
wehmütig getnickten Spitze. Aber ein
Baum war es doch: ein richtigerWeih
nachtsbaum, der in seiner Bude bren
nen sollte. Was verschlug es, daß er
ihn selbst nach Hause tragen, mußte
und daß ihm die Hände erstarrten da
bei in dem grimmigen Frost? — Er
wollte ein Feuer machen im Kamim
daß auch ein Ersrorener zu neuem Le
leen daran erwachen mußte. Und
dann — dann sollte sein Feft begin
nen.
Und es verlies programrnäßig Drei
mal schnitt er sich allerdings in die
Finger, ehe eine genügende Anzahl
kleinen Holze-Z zum Feuermachen von
den großen Buchenscheiten herunterge
säbelt war, aber er fühlte den Schmerz
loum. Und als die Flamme dann im
Ofen prasselte und eine behagliche
Wärme sich im Atelier zu verbreiten
begann-, da stellte er in feierlicher Rüh
rung den Baum in eine Ecke, an dem
er die Würste befestigt hatte, und ent
zündete die Lichter —- eineg nach dem
andern. Wie er aber dann in die un
ruhigenFlämmchen starrte —- da über
lam es ihn mit überwältigenderMacht,
die Freudlosigteit der letzten einsamen
Jahre, die Kindheitserinnerungen und
tausend wehmütige und schmerzliche
Gedanken. Und er tat, wozu es ihn
drängte — er legte den Kopf auf die
Arme und weinte wie ein Kind.
Auf der Stelle ließ Schnauzl von
der herrlichen Wurst, die er gerade
zwischen den hungrigen Zähnen gehal
ten hatte. Den Kon legte er feinem
neuen lHerrn sest auf die Kniee; und
als Rudolf Harling nicht darauf ach
tete, da setzte sich Schnauzl in eine Ecke
und begann zu heulen —- verzweifelt,
durchdringend zu heulen, mit einem
long anhaltenden, klagenden Ton, der
durch Mark und Bein drang. Verge
bens sprach der erschrockene Harling
ihm zu und ftreichelte ihn; sobald er
die Hand von ihm ließ, hob jenes Heu
len wieder an, mit dem ein leidersijll
tes Hundeherz sich zu erleichtern suchte.
Da saßen sie nun nebeneinander aus
dem Fußboden unter dem brennenden
Weihnachtsbaunt, an dein noch zwei
und eine halbe Weißwurst baumelten,
—- der Herr und der Hund, und es
wußte wohl leiner von ihnen, wessen
Herz schwerer sei.
Plötzlich sprang der Maler erschrot:
ten aus. Fest und energisch war an
’die Tür gepocht worden; und er glaub
te seinen Auan nicht trauen zu dür
sen, als auf sein verwirrtes ,,Hetein!«
ein weibliches Wesen aus der Schwelle
erschien·
»Verzeihung!« sagte eine llangvolle,
tiefe Stimme. »Ich bin Jhre Nachba
rin. Und weil ich glaubte, daß hier
ein Kind schrie, so wollte ich —- —«
Sie sah den Christbaurn mit ieinent
seltsamen Schmuck, sah den Hund und
seinen Herrn, der mit bochgerötetent
Gesicht daneben stand — und vor Er
staunen vertnochte sie den begonnenen
Saß nicht zu vollenden. Schweigend
standen sie sich gegenüber, bis Rudolf
harling fühlte, daß er doch wohl et
was sagen müßte.
»Sie wollten helfen?« staate er nn
Hsicher, und suhr sich mit der Hand bin
ier den halslragem der ihm plötzlich
zis. eng erschien. »Das —- das ist —
sehr gütig von Ihnen. Aber Sie se
hen, es war kein Kind — es war —
nur ein hund.«
Sie geriet nun selbst in einige Ver
wirrung. Aber ihr lluges, angeneh
mes Gesicht drückte doch die lebhafteste
Teilnahme aus.
»Acht« sagte sie. »Und weshalb hat
der arme Kerl so geschrien?«
Nun hatte der Maler doch zu seiner
Erleichterung einen Gesprächsstoss ge
fanden. Mit der größten Ausführ
lichieit erzählte er ihr, wie ihm
Schnauzl auf der Straße begegnet sei
—- und sie hörte ihm aufmerksam zu.
Unvernierlt tanien sie ins Plaudern;
und erst nach einer guten Weile sagte
sie:
»Aber nun will ich sie nicht länger
stören —- Sie erwarten gewiß einen
Besuch«
Rudolf Harling erschrak aufs hef
tigste. Und hastig sagte er:
»Nein, ich —- ich erwarte durchaus
niemanden. Das heißt — die Wahr
heit zu sagen — ich bin ganz allein
Aber Sie —- Sie werden gewiß in JhH
rer Familie -——« .
Sie schüttelte wehmütig den Kopf.
«Jch habe keine Familie mehr,«
sagte sie. »Und ich bin in meinem
Zimmer allein wie Sie."
Es war gewiß eine traurige Mittei
lung. hacling aber erfüllte sie mit
siirmlicher Freude.
»Dann bleiben Sie doch hier!" rief
er lebhaft. »Weshalb sollen wir das
Fest nicht zusammen feiern . . . Jch
kann Sie versicheru, es ist entsetzlich,
so alleio zu sein.'«
Vielleicht bedurfte es der Versiche
rung nicht, sie von dieser Tatsache zu
überzeugen. Sie sah in sein gutes,
ehrliches Gesicht, und mit einem klei
nen Lächeln sagte sie:
»Wir lennen uns aber doch eigent
lich gar nicht« Herr —«
»Harling,« ergänzte er rasch. »So
-— nun wissen Sie, wer ich bin. So
genannter Kunstmaler, siebenunddrei
ßig Jahre alt« nicht vorbestraft und
irr-weiten . Und nicht wahr, Sie wer
den bleiben?«
Sie sah ihn noch einmal an. Und
dann streckte sie ihm die Hand entge
gen.
»Feiern wir also zusammen, Herr
Harling,« sagte sie. »Aber ich meine,
wir gehen lieber zu mir herüber —
und den Baum und Schnauzl nehmen
wir mit. Es ist nämlich — ein biß
chen ordentlicher bei mir — und viel
leicht ein bißchen behaglicher.«
Dagegen hatte Rudolf Harling ganz
und gar nichts einzuwenden. Mit dem;
Baum in der Hand folgte er ihr in»
das gemiitlicheMädchenstiibchen, dessenj
Tiir sie vor ihm öffnete, und Schnauzls
schloß sich unaufgefordert an. Seines
aufmerksamen Blicke wanderten vont
dem einen von ihnen zum andern —
und er mußte sich wohl getrostet haben!
niit seinem Herrn, da der lange, be-«
haarte Schwanz in beständiger Beine-;
gung blieb. Eilfettig verzehrte er sei-—s
ne letzten Wärste, um sich's dann int
einer Ecke des Sofas bequem zu ma-;
chen. ;
Die beiden einsamen Menschen abers
feierten dann doch noch einen heiligen;
Abend, wie sie ihn wohl kaum er-«
träumt hatten. Im Anfang erzählten
sie einander ihre Geschichte —- die Ge
schichien zweier stillen Lebeiigläuse,
arm an äußerlichen Erlebnissen und
reich an verschwiegenem Kummer. Sie
war eine mittellose Lehrerin, die sich
ihr Brot sauer genug verdienen mußte.
und die Gemeinsamkeit des Kampfes
gegen Armut und Not, den sie hatten
führen müssen, wob von vornherein
ein Band des Verstehens um die bei
den. Dann setzte sie sich an das Fila
vier und begann zu spielen —- alte,
schlichte Weihnachtgweisem wie sie zu
gleicher Zeit wohl in ganz Deutschland
erklingen mochten. Und der Maler
stand neben ihr; erst mit seiner Ver
legenheit kämpfend, und dann mitsin-·
gend — erstaunt darüber, daß seine
Stimme wirklich noch nicht eingerostet
war. Lied um Lied sangen sie zusam
men; den Zauber der Kindheit weckten
die vertrauten Töne
Spät war es, als Rudolf Harling
sich verabschiedete —- und merkwürdig
lange standen sie hand in Hand vor
der Tür, ehe der Maler wirklich ging.
Eine große neue Hoffnung nahm er«
mit —- das herrlichste Geschenk, das
ihm der Cristabend hatte bringen kön
nen. Und als er in feinem einsamen
Zimmer stand,da zog er den struppigen
Hund an sein Knie, traute ihm zärt
lich den langen Behang und sah ihm in
die klugen Augen.
»Ich dank dir, Schnaule sagte
er leise. »Bist doch ein braves Vie
cherl.«
per Glittstliaumfemd
Es dunkelte schon, als der
alte Krause nach Hause ging,
den Berg über den schmalen Steg,
vorbei an der Sägmühle, deren Räder
jetzt still standen, weiter den schmalen
Weg über die Wiesen. Er kam von
droben aus dem Bergwald. Wie oft
war er so gegangen!
Kraufe hatte im Winter wenig zu
tun da oben, aber er konnte nicht im
Tale sitzen Tag für Tag. Er mußte
immer wieder zu ihnen hinauf, zu den
harten, hoben Stämmen, die er liebte
und die er dich belämpfte und be
siegte. ;
Mit der Axt schlug er ihnen tiefe
Wunden, bis sie sanken. Wie’s halt
ein Holzschläger tun muß. Dann, im
Winter, verlud er ihre Leiber und
fuhr sie zu Tal.
Und andere Bäume wuchsen seiner
Axt entgegen.
Krause hatte viel Verdruß erfahren
in den letzten Tagen da oben; immer
wieder hatte er im Forst eine Lücke
gefunden, wo seingliedrige Bäumchen
gestanden baten. —
Was unter den Bäumen groß und
reif und nützlich geworden war, das
mußte fort; aber die Jungen, Feinem
die umzuschlagen, das — das war ein
Verbrechen — das war Mord!
» Und warum wurden die zarten
Stämmchen ermordet?
; Weil ihnen die Menschen sür eine
sturze Stunde ein ftrahlendes, glit
zerndes Mäntlein umhängen woll
ten!
Jmmer die schönsten holten sie aus
tien Reihen heraus. Ein Mord war
fras, ein Verbrechen! Um Kindes
slaunen willen. Einsperren müßte
man die Leute« die einen Christbaum
.l;aben, alle einsperren, alle! —- —
Da war Krauses Haus. Es war
alt und morsch, und das Dach saß
ihm schlecht wie eine schiefe Haubr.
Und darunter die Augen waren dun-?
lel. Jn der Stube war’s kalt. i
Krause machte Feuer, und er setzte
sich dazu und freute sich, wie die roten
Flammenzungen Spänchen um Spän
chen gierig sraßen.
Das bißchen Abendbrot war bald
verzehrt, und dann saß der Alte —
saß und sinnierte Und wußte doch ei
gentlich nicht recht, was er dachte —
heute am heiligen Abend — so allein,
so ganz allein. —
Wie langsam doch da die Zeit ver
geht!
Krause war schon ganz in graue
Tabatgwolten eingehiillt, als er an
den kleinen Hans vom Nachbar dachte.
Der war ein allerliebster Bengel. Den
liebte er — sonst hatte er wohl siir lei
nen Menschen etwas übrig — weder
Haß noch Liebe. Sein Nachbar lag
trank, schon mehrere Tage — aber er
war nicht allein, er hatte das Kind.
Der alte Mann tappte langsam zum
Fenster und bemühte sich, hinüberzu:
seyen, dann löschte er die kleine Lampe
aus und schloß sorgfältig die Haustür
hinter sich zu.
Als er beim Henschel ins Stäbchen
trat, hörte er den lleinen Hans jäm
merlich weinen und schluchzen.
Ja — zu allen war das Christtind
gekommen — zu allen — nur zu ihm
nicht« allen hatte es etwas gebracht,
nur ihm nicht —- und bei allen brann
te ein Lichterbaum, nur bei ihm nicht.
Der alte Krause setzte sich zu dem
Kleinen aus die Bank, und seine harte
Hand suhr immer wieder über den
blonden Kopf. Er schluctte und wollte
aus die Christbäume zu schimpsen an
fangen; aber er brachte es nicht fertig.
»Luß gutt sein, Jungel —- luß gutt
sein!«
Der traute Vater wars sich im Bett
hin und her.
»Ich weeß nich, was ich ihm noch
sagen sull —- nu heult er mir schun
den ganzen Abend a Kupp voll!«'
»Sei gut, sei stille,« tröstete Krause
immer wieder, aber das Leid saß zu
tief in dem Kinderherzen
Und er war ein fo niedlicher Ben
gel! Kraufe fchwitzte und rückte voo
der Ofenbank weg·
Der Kranke winkte dem Alten.
»Hätt’ ich ock a Bäumel beschaffen
kenn — aber grade wie ich eens hol’n
wollte, wurd ich krank — a bissel
Chriftbaumzeug hatt’ ich fchun vum
Markte mitgebracht — ’s liegt tm
Schube —«
Krause zog den Schuh auf
Da lagen bunte Papiertetten, Lich
te, Sternchen, Nüsse, Zuckerkringei.
»Ich weeß gar nich, daß ich so un
gezogen geweft fein foll,« jammerte es
von der Ofenbank her, »ich hab’ doch
immer gefolgt —-- —- und nu — nischt
gekriegt —- nifcht — hu hu hu!«
Krause seufzte aus tiefstem Her
zensgrund.
Eine Stunde später trug Kraufe
ein wunderschöne-s Tannenbäumchen
den Berg hinab.
seltsame Yeilsnachtsseier
Noch in den ersten Jahrzehnten des
vorigen Jahrhunderts wurde in gewis
sen Gegenden von Galizien das Weih
nachtsfest aus eine ganz eigentümliche
Weise begangen. Man belegte am
Christabend den Eßtisch dick mit Heu,
zur Erinnerung an die Krippe des Hei
lands, und erst über das Heu wurde
das Tischtuch gebreitet. Dann kamen
aus diese Tafel Fische in allen mög
lichen Zubereitungsweisen und die na
tionale Weihnachtsspeise, welche »Kut
ja« hieß und aus einem Brei bestand,
der aus WeizenrnehL Mohn, Milch und
Honig bereitet wurde. Wenn die
,,Kutja« auf den Tisch lam, schöpfte
der Hausherr einen großen Löffel voll
aus der Schüssel heraus und schleu
derte den Jnhalt gegen die Stuben
decle. Blieb der Brei droben an der
Decke hängen, so galt dies als ein gün
stiges Vorzeichen für das kommende
Jahr. Gewöhnlich blieb denn auch der
Breillumpen schon wegen feiner kleb
rigen Bestandteile hängen und wurde
nun mit aller möglichen Sorgfalt an
der Decke zu erhalten gesucht, ebenso
sorgfältig, wie man die glückbringw
den Schwalbennester an den alten
Bauernhäusern zu erhalten sucht.
Man kann sich daher leicht vorstellen,
wie die Zimmerdecken aussahen.
Weihnachten in der
csiinderliube
Der Onkel (an eine vergoldete NUI
zeigend): »Sieh mal, Fritzchm was
ist denn das?« — Frischem »Ei
schmutziger its-ingen«
P
»Kurtchen, warum ißt du denn
deine Kuchen nicht?« — ,»,Heb’ ich
mir auf bis nach den Weihnachtsi
ferien, jetzt hat es ja doch keinen Zweck
tranl zu werden-W
III si· It
,,Groszpapa, hast du gute Zähnef
— ,«,Leider nicht!«« —- ,,So, dans
hebe mir doch bitte meine Nüsse aus.·
Il- si
,,Mama, wir werden zu den Feier
tagen schlechtes Wetter belommen.« ---
»,.So? Weshalb denn?«« — »Ja, das
Barometer ist gefallen.«—— ,»,Nun, wo
her weißt du denn das?«« —- »Ich
hnb’ es eben hinuntergetvorfen.«
-.-———.-.-—.« —
Weihnachten
Wieder sliesst der Liebe Bronnen,
Glänzt das große Fest des Lichts,
In der Liebe Strahlen sonnen
Wir uns- selgen Angesichts.
Wie ein lieblich Hiinmelswnnder
Kehrt sie sieghast bei uns ein
Leid und Streit, sie geben unter
Nur die Liebe herrscht allein·
Lichtnmtvobne goldne Tage
Steigen ans im Zauberschein,
Es erwacht gleich ferner Sage
Ein Crinnern hold und rein.
Und die alten Kinderlicder
Tönen unterm Weibnachtsbaum,
Bringen süß vertraut uns wieder
Unsrer Jugend selgen Traum.
Jn dem Licht der Weibnachtelerzen
Gliiht der ewgen Liebe Licht,
Frieden gießt es in die Herzen.
O verschließet sie ihm nichtl