Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, November 08, 1912, Zweiter Theil, Image 9

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    Nebraska·
Staats- Anzetger und II set-old
Ja ON er1912« Lin-ei rTheli .) - ummcr 13
Wie
sen Iferefe Ldsilim
sticht sei-u hab ich den Heim-us einst
vernommen
Nit fremdem setzen bin ich hergekom-!
insen
Du aber hast die Arme ausgebreitet, l(
. Unt mächtig bat et mich zu dir gego-.
Nun bin ich dein. Wes-Linie die Seele
MI
Zu sich-m Flug. mein Sehnen und
mein Singen, J
Dir heimat, will ich alles, alles brin
gen ni
Aus deinen Liiiien hab' nich Lichi ge-»
W
Auf deinen Höhen bat-« iib thit ge-!
trunken. i
In deines Tannen ditnielnkiinek Nacht
sin ich in süßen Lindheiisiraum ver
stinken
Geneigien Hauptes ikei ich ’dir entge
Hi
Lein bin ich Gönre mit den Dei-nai
fegen.
(
I
- i
per Franifiihretu (
i
Siine von W Oarold Thomfoir
Siephan warf seinen Zigctttenil
flummel über das Geländer der Ve
randa und sah ihm nach, wie er auf
den sonnenbeschienenen Gartenpfad
fiel und bläuliche Rauclfwöltchen in
die Luft sont-it
Dann wandie er sich dem blond
hornigen jungen Mädchen an feiner
Seite zu.
«Warutn". begann er langsam.
»Daß Du bisher nie etwas davon er
wähnt· Warum hast Du mir nie
darüber geschrieben, Lena? Hat es.
Dich denn gar nicht bedrückt, die
Sache so ganz iiir Dich zu behalteni
Natürlich hast Du doch keine Silbe
aus diesen gemeinen Briesen ge-!
glaubt?« s
»Sieh mal her«, sagte sie und«
streckte ihm die Hand entaegen. »Sieh
ist Dein Rina: den wiirde ich wohlj
nicht mehr tragen, wenn ich eins
Sterkenswörtchen geglaubt hätte!«
Drei Jahre bist Du ieht beinahe sorts
gewesen« Stenhan. aber ich habe diel
aanze Zeit auf Dich vertraut —- nie
hatte ich irgendwelche Zweifel an Dei
ner Treue, —- auch nicht, als diei
Brieie damals lamen.'·
»Aber Du weißt doch, daß matt
sub von dem Leben im Ausland aller-.
hand Wunderdinge erzählt. Und ichl
habe doch nun so lange draußen goei
lebt. Und dazu die beiden Briefe,
die Du bekommen hast! herraotit
Jch wünschte« ich hiitte den Schreiber
seht hier! Eine Frauenhnndschrist ist
es gewesen« sagst Du? Und nach
dem, wag iie schreibt, bin ich also der
reine Wüstling gewesen! So daß ich
überhaupt tein Recht hätte, noch mit
Dir verlobt zu sein! Und Du solltestl
mich ausarbeni Lena —- — —«
f »Nun?«
Es hömmerle ihm in den Schläietb
»Ich wollte, Du hättest die Briese·
lieber aufgehoben statt sie zu ver-I
brennen. Jch hätte sie gern gesehen
Schon um zu ersahren, wer der·
(
Schreiber gewesen Est. Natürlich
brauche ich Dir nicht zu versichern,
daß er oder sie Dir platte Lügen aus
getischi hat-« L »
,.Laß das alles, laßt" Dies sie· »Ich
wollte Dir das alles gar nicht ersah-J
len. Aber nun, da Du bei mir bist,j
—- iibertam es mich doch. Wir
haben uns ja auch versprochen, nie Ge
heimnisse vor einander zu haben. Und
nun ist es gut. Du gehst ja jeht
nicht wieder aus Reisen, und in zwei»
Monaten — —- -—« lächelnd sah sie
ihn an.
Er stand von seinem Stuhl aus
und ging zu ihr hinüber und legte
den Arm um ihre Schultern.
»Hu-ei Monate ist noch sehr langel
hin , sagte er. »Jetzt, wo der Tag sol
nahe rückt, tommt er mir meilens
sern vor. Auf ganz kurze Zeit muß
ich übrigens heute doch noch iortreis
sen« .
Sie cehnie sich zurück und sah zu
ihm empor·
»Aber doch höchstens auf eine Wo
che, nicht wahr-e und das ist ja nichti
allzu lange.« i
»Nein. Und dann lann sich»
Bretter Dir ja auch in dieser Zeiii
widmern Er kommt heute, das weißit
Du fa. Ein « immer hat er schon im(
hotel unten im Dorf bestellt. Jch’
habe ihm gesagt, daß er Dich so
oft besuchen könnte, wie er wollte.
Es ift Dir doch recht? Und e»Deine
Mutter wird hoffentlich auch nicht«
dagegen haben. Ich habe mir gedacht,
daß er Brautfiihrer bei uns sein
soll.« .
Lena schüttelte langsam den Kopf.
Er beobachtete fie und fah ihren nach
denklichen Ausdruck.
»Nun9!« rief er. »Was gibt's
denn? haft Du immer noch Deines
anfängliche Meinun iiber ihn? Lie-1
bes Kind, Du haft hn doch nur ein-i
mal gesehen —- alii ich ihn Dir am1
hafen vorstellte. Man taan doch ei
nen Menschen nicht gleich verurteilen,
, »weil einem fein Lächeln nicht gefällt
Mir ist seine Art zu lächeln gar nicht
einmal ausgesallen.«
Sie versuchte zu lachen, aber es ge
lang ihr nicht recht.
«Natiirlich nicht«, sagte sie. »Viel
letcht war es nur Einbildung bei mir,.
vielleicht habe ich ihn auch zu sehr
mit Dir verglichen. Wenn er unser
Brautfiihrer sein soll, dann will ich
mir meine Eindriieke von ihm auszu
reden suchen. Nur —- -—— ——-«
»Nun«t«
:Nur wäre es mir natürlich lieber
genesen, Du hättest jemand dazu aus-l
gesucht, den wir beide schon länger«
kennen.«
»Aber warum dennz Jch habe ihn
unterwegs kennen gelernt und er ist
mit mir aus demselben Schiss gefah
ren. Er ist zwar kein intimer Freund,
aber ich habe es ihm angeboten und
,er erklärte sich gern bereit. Außer
dem kenne ich ihn nun schon sast drei
Jahre.«
Diese Erklärung mußte ihr genü
gen im Stillen aber genügte sie ihr.
doch nicht. Wie kam Ernst Breuer
dazu, eine so wichtige Rolle bei ihrer
Hochzeit zu spielen? Aber wenn Ste
phan es so wollte —- ——— — .
Und sie beschloß, daß. wennl
Breuer am Abend kommen sollte, sie!
ihm so freundlich wie irgend einem
andern eFreund von Stephan begegnen
wollte. l
Aber sie sollte es schwerer finden.
als sie es sich gedacht hatte. Breuer
war allerdings ein Mann, der sich
sehen lassen tonnte: höflich und ge
wandt. und wußte sich schnell bei Le
nas Mutter ins rechte Licht zu segen
— aber es war irgend etwas an
ihm. was Lena nicht leiden tonnte.
Sie hätte nicht sagen können, was es
war. Ab und zu fiihlte sie, daß er
sie forschend ansah, und das verur
sachte ihr Unbehagen Sie ver
wünschte die Röte. die jedesmal un
ter seinen Blicken in ihr aufstieg.
Sie wußte, daß er sie bemerken
würde.
Als er eine tleine Photographie
von ihr aus einem Tischchen am Fen-.
fter stehen sah, beugte er sich meh
rere Selunden darüber und starrte
sie an.
Dann lehnte er sich in seinen Stuhl
zurück und sah langsam von Lena zu
ihrer Mutter hinüber.
»Was fiir eine merkwürdige Aehn
lichteit«, sagte er, »mit einer Photo
graphie, die ich einmal bei Ihrem
Bräutigam gesehen habe. Nun lann
ich sie wenigstens mit dem Original
vergleichen.«
Er hielt einen Augenblick inne,
dann fuhr er fort:
»Man findet so selten eine schöne
Photographie, die ganz ähnlich ist."
Lena sah ihm an, baß seine Worte
ernst gemeint waren und biß sich auf
die Lippen.·
Bretter blieb an diesem —ersten
Abend nicht sehr lange. Beim Fort-s
gehen liesi er durchblicten, daß er
während seines Aufenthalts nichts zu
tun hätte und die Bekanntschasti
fremder Leute nicht suchte, so daf;i
ihn Dem-s Mutter höflichekweice ein-l
lud. so oft zu kommen, wie es ihm
paßte.
»Es wütde uns sehr freuen«, schloß
sie, »denn wenn Lena auch allerhand
vor der Hochzeit zu tun hat, so ist sie
doch in- dieser Woche viel allein, Herr
Bauer-"
Und Vreuer sorgte dafür, daß das
junge Mädchen nicht so viel allein
blieb. Nicht, daß er von der freund
lichen Einladung einen zu ausgiebi
gen Gebrauch machte. Er wählte Zei
ten und Gelegenheiten tlug, so daß
Lenas Mutter teine Ursache zu ir
gend welchem Veracht hat, und auch
Lena sah in ihm nichts weiter als
ben Gesellschaften den ihr der Ver
lobte für-die Zeit seiner Abwesenheit
empfohlen hatte.
I O I
Allmählich jedoch gingen Uena orez
Augen auf, ganz allmählich. Bretteri
war sehr ost mit ihr zusammen, aber
nicht, weil er Stephan damit einen
Gefallen tat, sondern sich selbst. Und
als sie schließlich hinter die Wahrheit
lam, wunderte sie sich, dasz sie sie
nicht sriiher entdeckt hätte. Sie merk
te, wie lange er jedesmal« wenn er
sie begrüßte oder sich von ihr verab
schiedete, ihre Hand in der seinen
hielt, und ivie er sie jedesmal, wenn
sie ihn ansah, beobachtete; wie-ein
schmeichelnd seine Stimme wurde,
wenn er die Unterhaltung von irgend
einem glei gültigen Thema zu ihren
beiden Per onen hinleitete.
Und eines Abends wußte sie, wie
es um die Dinge stand. Sie saßen
beide in einer Ecke des Gartens, und
Lena war wohl tn stiller Freude dar
iiber, daß Stephan am- nächsten oder
übernächsten Abend schon wieder zu
riick wäre, ein wenig herzlicher zu ihm
gewesen als sonst. , -
Bretter ahnte den wirllichen
Grund ihrer besonderen reundlichi
teil nicht. schrieb ihr e ne andere
Ursache zu und handelte rasch ent
schlossen.
Er legte einen Augenblick lang sei
ne Finger auf ihren Arm und zwang
sie, ihn anzusehen. .
»Nun?« fragte sie erstaunt
,,Jch bitte Sie, Fräulein Lena,
laufen Sie mir nicht davon, wenn
Sie das, was ich Ihnen sagen will,
erschreckt. hören Sie mir zu, ich
flehe Sie an. Wissen Sie, warum
ich mit Jhrem Bräutigam zusammen
hierhergeiommen bin — —- warum
ich eine so große Freundschaft für ihn
vorgab, —- und warum ich so bereit
willig Brausührer sein wollte? Soll
ich es Jhnen sagen?«
»Nein«, flüsterte sie und rückte
von ihm ab, als sie seine flackern
den Augen und sein zitterndeö Ge
sicht sah
»Jhrentwegen tat ich das alles!
Wie Sie zusammenzuckeni Aber war
ten Sie, ich habe Ihnen noch mehr zu
sagen, was Sie hören müssen. Wenn
Sie mir davoniaufen, gehe ich zu
Jhrer Mutter und erzähle ihr die
Geschichte zu Ende.«
»Herr Breuer«, sagte sie heftig er
regt, »ich verstehe nicht, was das alles
zu bedeuten hat, aber ich wünsche
nicht — —- —-«
Sie sprach nicht zu Ende. weil er
wieder die-Hand auf ihren Arm
legte.
»Hören Sie mir zul« sagte er
»Jch habe nun einmal angefangen
und will weiterreden. Vor einem
Jahr sah ich ihr Bild bei Jhrem
Verlobten zum ersten Male — und
ich verliebte mich rettungslos in Sie.
Nein, nein, laufen Sie nicht fort —
eö geht noch weiter. Jch habe mich
in ihr Gesicht verliebt, und als ich
hörte, daß Sie verlobt seien, habe
ich versucht, meine Liebe iiir Sie. die
ich nie persönlich gesehen hatte, zu
bekämpfen. Aber es gelang mit
nicht. Und seitdem ich Sie ietzt ten
nen und schätzen gelernt habe, ist es
mit meiner Kraft zu Ende. Um Sie
kennen zu lernen, bin ich mit dem
Manne, den Sie heiraten wollen, hier
hergereist.«
»Halt!« schrie sie fest, »lassen Sie
Mich geben« Herr Breuert Sie wollen
von Liebe resen und verraten lallt-lit
tig meinen erlobtent Jch denke, er
und ich sind von heute an mit Jhnen
fertig!«
»Was geht mich der andere an!
Nur um Jhretwillen habe ich ihm
Freundschaft vorgetäuscht. Verstehen
Sie das nicht? Jhretwillen! Sie
wollen den andern heiraten, aber Sie
dürfen nicht« Sie tönnen nicht! Er
hat kein Recht, Sie siir sich in An
spruch zu nehmen. Jawohlt Jch
werde Jhnen gleich sagen, weshalb!
Jhr Berlobter ist nicht der heilige,
für den Sie ihn halten. Jch habe
ihn draußen kennen gelernt. Er hatte
einen guten Ruf und war recht lie
bensiviirdig, das ist aber nichts
Ungewöhnliches bei Leuten seines
Schlages. Er war beliebt, und die
meisten hätten wohl auf seinen ta
dellosen Lebenswandel geschworen
Ich aber lann Ihnen reinen Wein
einschenten.«
»Sei-reiben Sie ihm«, bat er,
»schreiben Sie ihm, daß Sie ihn
nicht wieder sehen wollen, aus wel
chem Grunde Sie wollen« Und, - —
kommen Sie mit mir, kommen Sie!
Es geht alles viel leichter, als Sie
denken. Wenn Sie erst meine Frau
sind —- —- ——« i
Mit einer schleudernden Bewegung
hatte sie seine Hand von ihrensu
Arm abgeschiiiielt und wandte sichi
schnell zum Gehen. Er aber rief ihr
nach: (
»Einen Augenblick noch! Wenn
Sie mir nicht glauben wollen« — —--«
ich habe Beweise!«
Als sie zögerte, trat er an ihre
Seite. »Ich bade Jhrem Verlobten
etwas fortgenommen, aber ich srene
mich, daß ich es getan habe. Ich
habe ihm ein kleines Päclchen Briefe
fortgenommen, das er sorgfältig ver
schlossen hatte. Es sind Briese seiner
Frau, und wenn Sie sie sehen, wer
den Sie mir glauben. Jch möchte sie
Jhnen zeigen, « sie sind in meinem
Koffer im hotel.«
Einen Augenblick stand sie still nnd
ihr Hirn arbeitete sieberisch. Dann
sagte sie aber ruhig:
»Ich will die Briese sehen, aber
nicht heute Abend. Vielleicht bringen
Sie sie mir morgen. Jch werde Sie
allein empfangen.«
»Und Jhr Bräutigam?« fragte er.
»Er kommt doch morgens«
,,Morgen oder übermorgen,« sagte
sie. »Sie tommen vielleicht um
dreif«
»Und dann? Wenn die Briese
für Sizi überzeugend sinds Werden
Sie ihm legraphieren, daß e zwi
lchen lene aus ist und er si nicht
mehr vor Ihnen sehen lassen soll?
Ach, wenn Sie mich doch liebtenl
Aber eines Izages werden Sie est Jch
werde nicht- unversucht lassen, um
Sie zu entsank
-4.- —
,.Morgen um drei«, sagte sie und
ließ ihn stehen.
Er sah ihr nach, wie sie durch
den Garten auf das Haus zuging.
Dann schritt er durch die Garten
psorte ins Freie.
: . . .
Am folgenden Tage wartete sie
auf ihn im Wohnzimmer.
Sie nahm i.,m die Briefe ab, die
er ihr schweigend bot.
»Wo sind denn die Umschläge2«
fragte sie
»Die Umschläge? Die wird er wohl
sortgeworsen haben. Daraus kommt
ed ja gar nicht so sehr an.«
Sie durchslog das erste Blatt und
errötete tief.
»Das ist eine Gemeinlkeit!« rief sie.
»Jawohl, das ist es«, sagte er nä
her auf sie zutretend. »Und Sie ha
ben ihm geglaubt und wollten ihn
heiraten!'«
»Sie versteb’n mich vielleicht nicht
richtig«, gab sie zurück. »Ich dachte
an etwas anderes. Das sind nämlich
nicht die ersten Briefe in dieser
Fondschrifh die mir in tsie Hände
allen.«
»Wie??!!«
Sie heftete ihren Blick fest auf sei
ne Gesichtszüge und sagte:
»Vor einiger Zeit habe ich einen
Brief in derselben Handschrift be
kommen, in dem ich gewarnt wurde
vvk mein-m Bräutigam und zwar
aus denselben Gründen, aus die Sie
anspielen. Mir scheint, Sie sind et
was unvorsichtig gewesen, Herr
Bretter-'s«
s »Unvorsichtig? Wie meinen Sie
bas?« fragte er.
»Wissen Sie, was ich glaube, Herr
Breuer?"
»Nein«, sagte er inz.
»Ich glaube, daß Sie irgendein
weibliches Wesen veranlaßt haben, so
wohl diese Liebesbriefe hier an mei
nen Bräutigam, als auch die Briefe,
die ich kürzlich bekommen habe, zu
verfassen. Habe ich recht?«
Sie sah, wie er mit den Hän
den nervös an sich herumtastete, aber
tät-s er dann aus sie zutrat, sagte
»Nein«, und griff nach der Tisch
glscte. »einen Augenblick, ich habe
heute an meinen Bräutigam telegra
phiert. er ist augenblicklich bei meiner
Mutter-, und sobald ich klingele, kommt
er hier herein. Aber ich will das gar
nicht, denn es könnte iibel für Sie
ablaufen. Jch habe ihm nichts von
dem gesagt, was in diesen Tagen vor
gekommen ist, und wenn Sie mit
jeht bestätigen, daß meine Annahme
mit den Briesen richtig ist, will ich
Jhnen ein Zusammentreffen mit ihm
ersparen und Jhnen freien Abzug ge
währen«
Sie hielt die Hand noch immer
aus der Glocke.
Er aber nickte langsam, und so
sließ sie sie los.
’ »Ich gehe«, sagte er, »aber, mein
Gott, ich habe alles aus Liebe siir
Sie getan-«
Eine halbe Stunde später trat
Stephan in das Wohnzimmer und
sand Lena zusammengetauert in ei
nem großen Stuhle sitzend, aber alH
sie ihn kommen sah, lächelte sie ihm
durch Tränen glücklich zu.
A
tem-zweier Erzähle-.
—
Redner, bei deren Wörtern nian
einschlafen möchte, und Dichter, deren
Bühnenwerke die gleiche Neigung in
uns aiislösem finden wenig Anerken
nung. Die PolarlfskiinoT wie der
bei Kap York in Weftgrönland ver
einzelt lebende Stamm bezeichnet
wird, denken über diesen Punkt an
ders. Man Pflegt dort während der
langen Winternacht ans Langeweile
üppige Schmausereien zu veranstal
ten, d. h. Mengen von rohem gefro
renem Fleisch zu vertilgen. Wenn
dann alles voll und faul in der Hiitte
liegt, will man angenehm unterhalten
werden, und da inusz ein Erzähler
Märchen und Geschick-ten zum Besten
geben« Dabei ist aber seine Ausgabe
die Zuhörer in den Schlaf zu reden,
und je eher ihni das gelingt, desto hö
her wird sein Talent geschätzt. Wie
Knud Rasmussen berichtet bat, :in
men sich die besten Erzählen sie wä
ren noch nie mit einer Geschichte zu
Endegekomnieii. Ertlärlich war indes
sen diese sonderbare Anschauung,
wenn man erfährt, rasz alles, was
erzählt wird, den Zuhörern bereits
bekannt ist; sie haben es als kleine
Kinder s on von den Großmüttern
gehört. ie einschläsernde Wirkung
des Gesanges wird in eineni bestimm
ten Falle ja auch bei uns geschätzt:
wer Kinder in den Schlaf zu singen
vermag, gilt als gewandte Mutter
oder geschickte Kindersrau.
Die Schweiz besaß im Jahre
1910 606 Banlen, darunter 19
Staatsinnkem
Frist-entom
Erzählung von Tore Duncker.
Nur sehr ungern hatte Kanzleirat
Müller seine Einwilligung zu dieser
Reise nach Heringgdors gegeben.
Wahrhaftig, die Zeiten waren nicht
danach.
»Und deine Töchter, die doch auch
etwas vom Leben haben und endlich
zu einem Mann kommen wollen?«
Der Kanzleirat hatte trübe gelä
chelt. »Wenn sie in Berlin nicht dazu
lrmmen, weshalb sollten sie es in
Heringsdors? Uebrigens, Mella ist
taum achtzehn, sie hat Zeit.«
»Aber Klara mit ihren sechsund
zwanzig nicht.«
»Sie hat wohl resigniert!«
»Aber ich nicht,« hatte die Kanz
lcirätin geeisert. So war sie Siege
rin geblieben.
Jn wenigen Tagen hatte sich’s die
Familie in einem verhältnismäßig be
scheidenen Häuschen, nahe der Ahl
bccler Grenze, behaglich gemacht.·
Mella hatte ihren Tennistlub die
Alten einen bequemen Strandlorb ge
funden. Selbst Klam, die eigentlich
immer zu kurz lam, hatte ein stilles
Plätzchen in dein weißen, weichen
Sand entdeckt, in dem sichs wunder
vrll träumen, lesen und von den Nöt
geleien des Alltags ausruhen ließ.
Als sie zu Ende der ersten Woche
an einem heißen Tage in ihrem schlich
ten Leinenlleid. mit dem großen,
schattenden Hut die Düne herunter
tum, sann sie zu ihrem Schrecken
Nachbarschaft, ganz nahe ihrem stil
len Platz. Ein Herr, der ihr siir den
Augenblick den Mücken wandte, war
in Gemeinschaft eines kleinen, weiß
getleideten Mädchens gerade dabei,
den letzten Spatenstich an einer tie
fen, hochlehnigen Mulde zu tun.
Verstimmt, aus lautes Plappern,
lärmende Spiele, Kindergeschrei ge
faßt, nahm Klara ihren Sitz ein.
Das Buch schlug sie gar nicht erst
aus. Es lohnte wohl kaum den Ver
such, sich in Jbsen zu vertiefen.
Aber auch mit dem Träumen war
eS nichts. Ohne es zu wollen« hörte
sie, den Kopf zurückgelehnt, die Au
gen unter dem großen Hut geschlos
sen, aus das leise, zärtliche Gespräch
der beiden.
Um einen kleinen, eigenen Sitz »im
Stühlchen aus Sand dicht bei Papi«
hat das Kind, nur so groß, daß
Püppchen Else mit darauf Platz
hatte·
»Du weißt doch, Papi, Onkel Dol
tor hat Seelust siir Else verordnet,
weil sie so blasse Backen hat.«
»Und deshalb hast du sie oben in
ihrem Bettchen liegen lassen?« neckte
der Vater.«
»Die Wohnung mußte doch erst
fertig sein, wie neulich bei uns, wo
du mich erst von Tanie Lieschen hol
tcst, als mein Stäbchen in Ordnung
war.«
»Ja, mein Liebling« Wie tiefe
Schwermut klang es aus dem Ton
des Mannes. Dann schwiegen sie
beide Die Kleine hatte ihren Ball
aus dem rotgestrickten Netz geholt. Derl
Vater lag aus gestütztem Arme und
sah aus das Meer hinaus. — —- «
Die Alten saßen im Strandlorb
und blickten unruhig nach den Töch
terchen. —--- Endlich sahen sie Klara,
hart am Wasser, näher-kommen
Der Kanzleiriiiin scharse Augen be
merkten sofort, sie tain nicht allein.
Ein stattlicher Mann ging an ihrer
Seite. Vor ihnen her sprang ein
Kind, warf einen Ball hoch in die
blaue, reine Luft, fing ihn auf und
hing sich dann zutraulich in Klaras
Arm. Nun lamen sie den Bretter
steg herauf, alle drei, geradewegs auf
den Strandtorb zu. «
Der Kanzleirat, dem der Seewind
die Sorgenfalten noch nicht aus dem
Gesicht geweht, sah dein Ante-inwen
den müde und gleichgültig entgegen.
Die Frau war ganz gespannte Auf
merksamkeit Klaru stellte vor:
»Baumeister v Roberts aus Müns
chen« und mit einem lächelnden Blick
auf das Kind: »Fräulein Lilli v.
Roberts.«
Roberts wandte sich mit weltmän
nischer Liebenswürdigteit den alten
Herrschaften zu. Er entschuldigte
sein und der Kleinen Eindringen in
den geheiligten Frieden des Strand
lorbes, der Kleinen Zutunlichleit, die
das gnädige Fräulein allerdings selbst
durch das Auffinden des vermenge
gangenen Lieblingsballs verschuldet
hobe.
Die Kanzleirätin bemerkte, daß ihre
Tochter stets eine besondere Liebe für
Kinder gehegt.
»Das fiihlt so ein tleines.Wesen
naturgemäß«, gab Roberts zurück, in
dem er dem Kinde über das turzge
schnittene, Lockige Blondhaar fuhr,
und wieder glaubte Klara jenen Un
terton von tiefer Schwermut in des
Mannes Stimme zu hören, der zu
vor ans der Sandrnulde zu ihr her
übergeklungen war. —
Nachdem die Fremden sich verab
schiedet, sprach die Mutter eifrig auf
Klara ein. Sie aber hörte wenig
oder nichts von den sie bestürmenden
Fragen. Jn ihrer stillen, tiefen Seele
hatte der schwermiitige Klang Wurzel
geschlagen. Sie forschte seinem
Grunde nach. Grübelnd fragte sie
sich, ob der Mann das Weib nicht .
vergessen könne, das ihm das holde
Kind geschenkt, ob ein früher Tod oder
das grausame Leben es von seiner .
Seite gerissen habe?
Sie fühlte, so sehr sie sich dage
gen fträubte, daß von dem ersten
Sehen schon ihre Seele mit ihm litt.
Als Klara am nächsten Morgen an
den Strand heruntertam, fand sie
Kind und Puppe im weißen Sand
ihrer Grube lang hingestreckt Lilli
lachte übermütig.
,,Verzeihen Sie dem kleinen Trotz
lopf. Er war von dem Besitzwechsel
nicht abzubringen.«
Sie lächelten beide. Dann nahm
er ihr den Jbsen aus der Hand und
bat um die Erlaubnis, ihr vorzule
sen. Aber er kam nicht weit. Ir-«
gend etwas schien· ihn anzuriihren mit
kalter, abwehrender Hand.
»Ich kann ihn noch nicht vertra
gen, selbst in Ihrer Gesellschaft nicht.«
Ein warmer Blick streifte sie. Zart
rann die Röte in des Mädchens blas
ses Gesicht·
m sprach zu ihr von Mädchen
und Frauen, wie sie das Leben heut
dem Mann entgegenbringt. Hart
und ungerecht, wie ihr schien. Ab
und zu machte Klara einen schüchter
nen Einwand, den er nicht gelten ließ.
,,Jch«kenne sie nicht, die Selbstb
sen, die nichts sein wollen als Weib
und Mutter — oder vielmehr: ich
kannte sie nicht — bis gestern!«
Von hinten legte das Kind die Ar
me um Klaras Hals und drückte ihre
zarte Wange an die ihre.
Roberts aber sprang heftig aus und
riß das Kind von Klara los.
,,Komni’, es hat keinen Zweck.
Nimm deinen Eimer, wir wollen Fi
sche sangen geh’n.« — —
Als Roberts, Lilli an der Hand,
nächsten Morgen. on den Strand kam
war Klaras Platz leer. Er hatte es
nicht anders erwartet.
Mit dunkeln Blicken starrte er auf
das Meer. Endlich kam er zu einem
Entschluß: Ein Geschöpf wie diese
Klara Müller fand er kein zweites
mal auf der Welt.
Aus dem Strandkorb der Alten
schimmerte ein helles Kleid.
Sie hatte ihn kommen gesehen und
Zeit gehabt, sich zu fassen.
Er nahm ihre Hand sanft zwi
schen die seinen.
»Wir haben uns schnell gesunden,
in raschem Verstehen. Das Kind
hängt an Jhnen mit leidenschaftlicher
Zärtlichkeit - — dars ich eine Frage an
Sie richten?«
Der Herzschlag stockte dem stillen
Mädchen. Ein Paradies blühte vor
ihr auf. Wollte das Glück wirklich
kommen — unsaßbar - — riesengroß!?
,,Wiirden Sie sich entschließen kön
nen, mit mir und dem Kinde nach
München zu gehen?«
Das Leuchten in ihren sonst so
stillen Gesicht ließ ihn stocken. Dann,
ohne sie anzusehen, fuhr er sort in
überstiirzier Hast.
»Meine Frau —«
Von irgendwoher kam ein naher
Laut. Er blickte nicht aus, er konnte,
er wollte nicht.
»Meine Frau — ich mache ihr kei
nen Vorwurf daraus --— das Mutter
sein ist vielleicht ein Talent wie an
oete Laterne auch, es rast na) nkcyt er
lernen, nicht erzwingen « meine
Frau ist nicht damit begnadei. Sie
sind es, Fräulein Klara! Jn Ihrer
Hand liegt es, meinem Kinde das
Glück --— mir den Frieden zu ge
lcn —- wollen Sie, Klara?«
Sie wandten sich einander wieder
zu.
Jn das Mädchens Gesicht war die
lodernde Glücksflamme ausgelöschL
Statt ihrer stand eine gütige, opfer
sreudiae Zärtlichkeit darin.
»Ich will,« sagte sie schlicht und
legte ihre Hand sacht in die ausge
streckte des Mannes.
ff
— Das FamilienglücL
Mann: «8anke doch bloß nicht im
mer beim Essen!«
Frau: »So! Wann soll ich’s denn
tun? Den Tag über bist Du im
Amt und abends im Wirtshaus-; da
ist doch das die einzige Zeit für das
bißchen Familienglück.«
—- Ein widerspruchsvol
ler Pantoffelheld. Gattin:
»Na, wart' nur, das werde ich Dir
schon anstreichen! Neulich küßtest Du
die Köchin nnd heute das Stuben
mädchen —- Pantoffelheldt
»Ich mag aber tun, was ich will,
nichts ist Die rechtl« «