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About Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918 | View Entire Issue (Nov. 1, 1912)
Nebraska Staats-Anzeiger und Esset-old . Jahrg mcr 12 Isqco Jan satt Nöttger. Und fn den Sommers-binden stehn Die Bäume wie träumende Schatten Und ftüstem im dunWlelöt, gestaltlofen e n — Lausch' Der-z —- und hörst du nicht« l Das Lied der keiftndenakekne -—-: i »Wir müssen das Glück vollbringen — Lir haben in aokdener Sonne qeglüht, Dir haben in enger Hülle Im kleinen Dunkel gemiiht: Vollendung zu schaffan —— Ngstid Reife Nu Nun schwanken im Wind die Mrne Jn Hüllen und träumen der Zukunft gn. -Wir müssen vollendend wir müssen MU U Wir sind: was da Midas-; in Ins-ZU d e Unendliche Füll-. Und -- Einfüqu Müh«n.« Sie Glorie der Untier Von F. A. Schand-Nenn Noch diesen Morgen um 7 Uhr wer er aus dem Bett gesprungen als ein nnwesentlicher Privatdozent der Kunstaeschichte nnd als ein Mensch mit schlechtem Gewissen. Denn ders UUMM der irn Zimmer nebenan ans - dem Schreibtisch lag. war bestellte Ar beit. Die Zeitlchrist zahlte gut; aber re drängte. Bestellte Arbeit drängt nier. Und er hatte im Geist das trnaßliche Honor-at überschlagen es schon mit Sorgen verteilt n noch diesen Morgen war er ein ., is gewesen« das vom Nichts lebte und siir ein Nichts arbeitete, abwobf er es eigentlich tat siie drei. Das aber reichte eben hin. um mit Lin-s stand da zu sein. Für Wäsche Mk Kleiduna langte es keineswegs. Da mußte Mutter sorgen und weiter hel sen: nicht anders als zur Studenten zeit. Und auch waschen mußte sie und ausbetsernx jahraus, jahrein· Die Wäschetiste wanderte mit dem Mond wechsel und jedesmal ital auch etwas zum Eisen daneben. Die Mutter war Kameralratswitwe, weit hinten irn Land, in der KleinstadL Und noch diesen Morgen hatte er sich mit Seuf zen über die halt-fertige Schreiberei berste-nacht die unter dem Titel be gann: »Nein Beiträge zur Jtonw grapbie der schmerzbaften Gottes mutter, insbesondere in der oderrbsis nischen Kunst, um die Wende des l:'). Jahrhunderts.« I Der leßte Sah vom vorigen Abend stand erkaltet aus dem Papier und stat und stoctte ihm in den Gedanken wie eingerostet: »Diese Manna-n verlieren, mit dem sortschreitenden Wirtiichteitssmn der Epoche, allmäh lich und fast in demselben Maße ihr-n goldenen Nimm-L als sie an Stätte des unmittelbaren Ausdrucks. sei es der Hingabe, sei es des Schinerzes. gewinnen: Es ist, als ob mit dem Nähertreten des Künstlers an di Menschennatur und an die Beobach tung des Lebens die tonventionell ums Haupt gelegte Glorie verbliche vor der tiefern Bertlänmg einer rein mensch lich beseelten, verstehenden und leiden( denden Liebe." s »-s— rein menschlich verstehendem und leidenden Liebe — und leidenden l Liebe.« Er malte Madonnen und: allerhand Männchen aus den Nandj des Papiers und rahmte sie sorgfältig i ein. Es war ein unerquickliches Quä- l len. Und er dachte mit zerstreute: Rührung: Wäre ich ein oberdeut-. scher Meister Heideserh so hätt ich nichts lange zu suchen, weder nach einer lesi benswahren Mutter Gottes unter dern i Kreuz, noch nach einer ergreisendenl Muttzr der sieben Schmerzen von der« Bewemung. Das wäre ein Typus geworden. lind er dachte an seine Mutter.i Aus der Entfernung sah er deutlich» Den matellosen Glanz un! ihren alten, ; glatt gescheitelten Kopf. Und heim-l lich erwuchs ihm ihr Bild zu dem derl Mutter aller Schmerzen. Wie lang-» hatte er sie nun nicht mehr geschenkt Und auch in diesen Ferien war eine sparsame Studienreise nötiger als der« Luxus-, in entgegengesetzter Richtung heimzusahrem so sehr er wußte, wie die alte Mutter es still erhosste. Der Arbeitsmorgen hatte gedroht, nutzlos im Triiben zu versunken. Dies alles war so gegen 10 Uhr gewesen. Um 11 Uhr kam die Post Und gleich danach las er es schwarz aus weist, daß er aus den ordent lichen Lehrstuhl siir Kunstgeschichte anl seiner heimatsuniversitiit berufen! Wac Gewuszt hatte er wohl, daß er an letzter, nahezu unsichtbarer Stelle vor geschlagen war. Aber er hatte natür lich d rüber gelacht. Nun hatten die große Lichter der Reihe nach abge lehnt. Und unter den kleinen war ihm der unerwartete Vorzug ge e ben worden. Nie ««tte er dies iir möglich gehalten. der nun warrz Mutter, Mutter! Nun war ek-1 , . so. ( ·- - si Den Tag daraus ließ er sich unter! der sestlich erregten Musik der Achsesr und Räder vom Schnellzug der Hei mai entgegentragen. Feierlicher als sonst wiegten sich Felder und Wälder am ossenen Fenster vorüber. Alle Dinge und Vorgänge der Fahrt er schienen ihm heut wie gehoben und eifrig beflissen. Und selbst die sliih« tige Vorstellung eines Eisenbahnuni glücks, wie sie gern unterm Sinnen den Reisenden mit behaglichem Gras seln befällt, erschien ihm in heimlich erhöhtem Reiz: Ein Privatdozent der Kunstgeschichte mehr oder weniger aus der Welt, welchen Unterschied will das machen-s Aber wenn nun ein Un glück geschah, so drohte Gefahr, daß plötzlich ein össenilicher Lehrstuhl ver waist siandk Welche Verantwortung siir den Staat und siir den berußten Mann aus der Maschine da vorn, — der nichts von alledem ahnte. Auch Mutter würde das ganz und gar nicht verstehen können. Und ein Gott, grausam genug, um fo aufs außerfte zu prüfen lief hier Gefahr. die beften Seelen zu verlieren. An Prüfungen war ja wahrlich lein Mangel gewesen. Und gewiß hatte Mutter Zeit ihres Lebens an Gott vertrauen genug bewiesen, ihr schwe res Witwentuni tapfer getragen und Glauben gehalten. Nun war ek immerhin Zeit zum Entgelt. lind ee war da. Die Gedanken fammelten sich dich ter um die Gestalt der Mutter. Von ihr aus fiel alles Licht auf die Erin nerungen feiner Kindheit. Sie war feiner Jugend gewesen, was der Goldgrund den treuherzigen Bildern der alten Meister. Und sie, die arme Witwe, hatte gegen Vormund und Verwandte feine Partei genommen, als er, ftalt pflichfchuldig rechtfchaf fenetn Staatsexamen brotlofen Küns ften nachjagte. »Was Les Jungen Beruf ist« muß sich aus ihm selber bestimmen. Ich hab ihn nicht zu meinen Zwecken geboren«, fagte sie und blieb dabei. Und eigentlich hatte ihm nichts anderes folchen Mut gege ben, das Aussichtslofefte zu wählen, und solchen Eiger.sinn, dabei zu behar ren, als ihr vertrauendes Sichbefchei den« Noch vor kurzem hatte er einen bei zahlten Assisientenpollen außerhalb der Universität abgelehnt; blindling5, mit derselben erbittert-n Gleichgültig keil, mit der man einen überlegen-n Gegenspieler unnötige Vorteile gewin nen sieht. Jetzt aber konnte er'Er fiillung geben und war quiit. Nun it llie die Mutter an ihm erleben, daß Dankbarkeit, Ehrfurcht und Demut das Allerlöiilichste sind nm Leben, darum« weil sie das rein llekeriliissige. dirs einzig vollkommen Geschenlie sind. Er empfand dies so tief, daß es ihm schien, als erschöpie sich in solchen-. Schenken das Wesen aller Religion Und er nahm sich vor, gegen seine Mutter gleichsam ein neues Leben an ufangen und sie von nun an ur spriinglich und fromm zu ehren als eine der wahren Heiligen. . Eine Stunde danach, in der Abend- ’ dänimerung. faß er Hand in Handf mit der Mutter auf dem ehrtviirdigenj Lederfofa. Er ftreichelte die non deri Arbeit ein wenig verbogenen, fein-» gliedrigen Finger der alten Frau nnd; dachte bei sich, wie sie jenes felven.f aufregenden Ausdrucks fähig feinj mußten, welcher die langen und fett-· fam gefchtveiften Hände auf Grüne-f maldfchen Gemälden auszeichnet. Und« er berührte und hielt sie mit inner-. licher Erfchroctenhett und wie Kofts barteiten Dazu mußte er erzählen, erzählen Er tat es mit einer Art von Inbrunst und felbftloferAusführlichieii, darüber die Mutter sich unermüdlich freute. während es ihn im Grund lang weilte und ihm läftig fiel. Aber er fühlte eg gleich einer flüchtigen Erinnerung, wie Andacht und Er-« bauung fiir ihn alle eit mit einem gewissen Maße von angeweile ver knüpft gewesen waren. Und fo er kannte er arn Nebengefchmack die rechte Mifchung. CI kam Nachteffenizeit Die Mut ter mußte in die Küche. Diefe dem Mädchen zu überlassen, konnte fie sich auch heute nicht entfchließen Er haßte diefen Ort der vorbereitenden hats tierung, das Geräusch und den Ge ruch der aufgechlagenen Eier, des noch rohen Fle ches und des gekliip per-ten Feige-. Ader er folgte ihr in die Küche, von ihren Fragen willig nachgezogen, ging im engen Raum auf und ad« überwand mancherlei und grzählte weiter, aufgeriiumt und dani ar. s Der Mutter entglitt ein Gerät. Er bückte sich rafcher als die Magd und reichte ihr ei dar. Das Ding klebte am Grif von etwas Fett; ihm ein nnfagbar widertvdrtiges Gefühl. Doch ,er bezwang sich gern, nun fast schon« in Gier, sich im Unmerllichen zu ku steien. Er folgte aufmerksam den tin ßern Vorgängen, half hier der Mutter zu einer Verrichtung und tam ihr dort zuvor mit einer Handreichung, hob auf und setzte zur Seite und be richtete dazu von hundert belanglosen Wichtigkeitem gab Nachricht von der Gefelligleit und von den Preisen der Lebensmittel in der Stadt; legte Re chenschaft ob über Winterstriimpfeund Sommeranzüge. Nicht ohne wachsende Anstrengung. die beim Abendeffen noch fühlbar-r wurde. Denn die Mutter-, vorläufig befriedigt, hatte aufgehört, zu fragen Sie war nun vollan beschäftigt, dar über zu wachen, dasz ihm nichts fehle. Er spürte das mit der gewohnten Be haglichleit und dankte durch freundli ches Wesen. Aber er duldete durch aus nicht« daß sie ihn bediente. Er lam ihr zuvor, bei Salz, Zucker und Butterbrot und erspähte überdies, wo immer er der- alten Frau mit Auf merisamteiten beikommen konnte: Ueberall blieb er so mit Dienen im Vorteil. Die Mutter wurde allmäh lich ratlos und ihre unermüdlichm Hände verschiichterten sich. Mitunter traf ihn, von der Seite her, ein Blick der Mutter, eigentümlich und scheu. Und so oft er diesem Blick begegnete, schien er ihm rührend aus-· irgendeinem Grunde; aber auch son derbar fremd. Darüber geriet feine Gesprächigteit vollends ins Starken und kam nur noch wie mit zögernden Wellen und ruckweise. Die Mutter erhob sich leise, ängst lich, ihn zu stören-, aber mit einer neuen Zärtlichkeit im Blick. Er schaute auf: »Wohin, Mutter?« »Es ist 9 Uhr. Um diese Zeit hast du noch immer gern ein Glas Wein getrunken« »Das ist wahr. Danke schön; aber bleib nur!« Damit hatte er ihr den Schlüssel entwunden. den Krug ergrif fen und war zur Tür hinaus-. Drinnen seufzte die Mutter und schaute unzufrieden vor sich hin. Sie fühlte sich mit einem Male beiseite ge setzt, nuhloT ja beinahe entrechtet. Sollte ihm die Sorge fiir ihn zu viel sein? Nie war sie von ihrem Kind auf solche Weise gehindert worden. Sie saß, die berschriiniten Hände im Schoß, starrte vor sich hin, und die nervöfen Finger strichen leise, unauf börlich gleichmäßig eine Kleiderfalte überm Knie. Inzwischen stolperte der Professor die steile, feuchte Kellertreppe hinab und war nahe daran, sich zu ärgern. Zunächst hatte er zufälligerweise über haupt keinen Durst und somit gar kee ne Lust auf ein Glas Wein. Abe die Mutter hing an alten Gewohn heiten. Und dann hatte er, reisemii de, wie er war, wohl und warm ge sessen und war da in einem behagli chen Gedankenzuge unsanft unterer brochen werden. Jetzt biickte und triimrnte er sich in dem dunkeln und kalten Gewölbe, stieß sich an Latten gestellen und fiel fast über einen übe queren Kohlenhaufem gänzlich iijt nichts und zu seiner größten Unbe auemlichleit. Als Mutter und Sohn wieder im Zimmer oben und beim Wein saßen schien die Unlusi zwar leicht über wunden, aber die vorige Stimmuna doch wie ein gesprungenes Glas zu sein: im ganzen noch-da, aber im Jn nersten beschädigt. o i si Ani nächsten Morgen erwachte der Prosessor mit ziemlich schlechter Lan ne. Er fühlte mißbehaglich, daß « gestern aus irgendeine Weise nist-: ganz recht getan hatte. Wann-« nicht? . Seine Berstitnrnung nahm zu. De Sache war doch einsach so, daß dxiz ganze dell zulejt immerhin nur in der Entfernung Farbe und Glani besaß: Eben wie ein schönes, alte-J Bild; entfernt durch Zeit und stoff liches Interesse. Ob die schmerzhaft-. Gottesmutter irn lebendigen Umganq etwa stets erträglich siir ihren Sohn gewesen wart Aus den Vesperbild-ern den Toten im Arm, ist sie stets a::i. schönsten. Weil da Entfernung ist zwischen ihnen. Er grübelte sich un versehens aus solchen Vorstellungen heraus zu einem Trotz hindurch, der mit dem Waschen tm lalten Wasser wuchs. So lam er eine Viertelstunde dar aus in die Wohnstube hinüber, tvo schon die Mutter emsig bei der Arble ; saß: Bohnensiir den Mittag einzus» schneiden. Er bot ihr lässiger den Gittenmok gengrusz alö er ihr Gute Nacht gesagt hatte und sehte sich an der-. Tisch· Sie aber räuknte eisrig ihr Gerät beiseite und eilte hinan-, hurtiger als sonst und beinahe ängstlich. Er hörte sie in der Küche hantieren Der Amts verrtlndiger lag neben der Tasse wie ehemals Er nahm die Zeitun und las sue Kriihwtnleleien Zdei Blätt ,chens, aller örtlichen Beziehungen ent wöhnt, und dennoch von ehemals s -« tanntem umtlungen, mit dem Gruß . Jer Kindheitserinnerungem l Die Mutter tam und schleppte sich mit dem Kaseebrett, aus dem es von frischen, guten Dingen dampste. Sie schob ihm die draußen gefüllte Tasse zu; sie schnitt ihm die Bestehen und schälte dem verwöhnten Kinde das Ei an, wie es ihr Pascha liebte. Und er ließ sie gewähren, gegen alle seine Vorsiihr. Als er seinen Kassee ausgetrunken hatte, mahnte noch einmal die in nere Stimme. Warum stand er nicht aus, sich zur zweiten Tasse selbst zu bedienen? Er las jetzt das Lolale. Die Mutter saß iiber die Schüssel in ihrem Schoß gebeugt nnd war so emsig in ihrem hondwert, daß sie fein Zögern nicht merkte. Er aber fühlte sich be haglich beim Anblick dieser heharrl": eben Arbeitsamleit, Sie niemals still stand und Abschied, Wiedersehen und abermals Trennung überdauerte wie zder stete Herzschlag Dott, im Näh stvrlz lagen schon gehäuft Wäsche und iCästriimpse bereit, die ihm gehörten ,und die Mutter in Angriis nehmen wollte, sobald es die Stunde erlaubte. sWag hats es, dagegen sich zu weh ren und wem sollte die Weigerung dienen? Er siihlte deutlich wie er zurücksank in das gewohnte Verhält nis des selbstverständlich Empfangen den. Und als jetzt die Mutter plöylich aufsah und, wie ertapvt über einem tadelhaften Versäumnis-, emporfuhr; ihr handwerk, obwohl sie Umstände hatte, flugs unterbrach und mit sei ner leeren Tasse für ihn in die Küche lief: da spukte er hinter ihr drein, daß es ihm nicht gelingen wollte, im Gro ßen nicht, und noch viel weniger im Kleinen, die heilige Trägerin mütter licher Schmerzen in ihr so zu ehren. wie er sich’s vorgenommen hatte. Da gab er jeden Widerstand auf, fühlte sich im Jnnersten schuldig und streckte sich-rückwärts in seinem Stuhl. Sie aber bediente ihn. Heimlich kniff er nach einer Weile das Zeitungsbloti. darinnen zu lesen er Ich den Anschein gab, beiseite und beobachtete sie. Und er sah, wie sie, ,ganz anders als am vergangenen IAbend vom Glück des Sorgens still -zu leuchten anfing. T Nun saß sie wieder über ihre tZchnittbohnen gebückt: Gar keine Dame, die einen ordentlichen Profes sor der Runstgeschichte zum Sohne ; bat; und auch gar keine hold und fei: erlich abgeriictte Heiligengestalt. Aber ein Lächeln, ihr selbst unbewußt, er neuerte nun auf den Zügen des grei sen Gesichts die erstaunliche und fast schreckhast lebendige Aehnlichkeit des Ausdruckes mit dem der verehrungs würdigen Frauen auf den Tafeln der alten Meister. Er zwang sich, zu fragen: »Worii: ler sreust du dich, Mutter?« Sie sah auf und schien ihn nicht Zu verstehen: »Ich, freu ich mich denn?« »Du sahst mir so aus.« Die Mutter zögerte: »Es kann ja fein. Dann bist du schuld daran.« »Ich schuld?« Sie streckte ihm, ein wenig scheu, über den Tisch weg die Hand entge gen: »Mir ist, als seist du heute viel netter zu mir als gestern." » ch —?« » u warst gestern so sremd.« Er streichelte die getrümtnten Fin ger und antwortete nicht. i E Am späten Nachmittag saf; der Professor nachdenklich über dem letzten Blatte seiner ,,neuen Beiträge«, zöger te noch mit angesetzter Feder, und schrieb dann entschlossen: »— Es mag solcherweise bemer kenswert scheinen, daf; die stumme Sprache der Malerei sich schon vor Jahrhunderten insgeheim zu einec Höhe der Auffassung zu erheben wag te, fiir welche selbst heute unsere sprachlichen Begriffe noch lange nicht tühn genug sind. Denn durch nichts sind wir ja so sehr der Plumpheit aller Dogmen verhaftet, wie durch die Worte. Die Wahrheit aber ist: Eine Mutter, die vor ihrem Sohn im zeremoniellen Glanz ihrer Ver dienste und Würden strahlt, stört mit so naiver Lautheit den Auftlnng un serer schönsten Gefühle. Das gilt fiir den Gott wie für den Menschen. Es entspricht daher einem reifern und tiefern Empfinden, die Heiligkeit gött licher Mutterfchaft unter Verzicht auf den hertömmtlichen Nimbus auszu drücken. Der dargestellte Ausdruck ihres Miterleidens aller Sohnesschicks sale genügt durchaus dem ehrfurchts vollen Berftehen. Denn diese still-, wahrhaft ewige Glorie trägt teine Mutter anders als durch Kindes schuld.« Und mit diesen Worten schloß er seinen Auffas. Der Anstaustlh Von Julius Knops. Mit der entfesselten Witdheit eines Tobsiichtigen rannte Heinz Erich Walter in seiner Manfarde umher. sEr durchlief die schmale Stube erst Ider Länge nach, dann nahm er im Sturm die Breitfeite und stieß dabei mit dem ungepflegten Lockenkapf ge gen die Wand. Aber er fühlte es nicht, denn zum ersten war sein ed les Haupt massiv wie der Schädel eines Nilpferdesz und zum zweiten war der Schmerz nicht heftig genug, Ium mit einem weitaus größeren lon kurrieren zu können. Denn Heinz Erich Walter litt an dem fatalsten, gräßlichsten Schmerz, der den tulti svierten Mitteleuropäer heimsuchen tann — ihn plagte das Zabnweh. Heinz Erich Walter hätte die Wände hinaufllettern mögen, wenn das nicht zu schwierig gewesen wäre So blieb ihm denn nichts anderes übrig, um feine Schmerzen ausrasen zu lassen, als im Zimmer umberzu sausen, immer gleichmäßig, iechsmal der Länge, einmal der Breite nach. Bei diesem Zustand physischen Ue berfchmerzes wiirde jeder Normal menfch anstatt durchs Zimmer zum Rabnarzt aelaufen sein. Auch Heinz Erich Weiter war ein Normalniensch und trat trotidem nicht den erlösenden Gang zur Bohrmafchine an, nicht aus gemeiner Anast, wie andere Zeit genössifche Feialinae, die der Wea zum Zahnarzt gleichbedeutend mit dem Weae zum Schafott dünkt. Nein, Heini Erich Walter war kein Mann der blassen Furcht Der Zabnarzt war ihm unerreichbar aus vetuniäs rem Unvermöaen Sein Portemoni ;naie war leer wie Erde vor der I Schöpfung. Heinz Erich Walter war ein jun-I ger. unbekannter Dichter, und als solcher hatte er natürlich kein Geld Er erteilte mathematische nnd la teinische Leltionen und schlug sich notdiirstia durch.' Seine dichterischen Erzeugnisse verglich er verzweifelt mit den Brieftanbent stets kamen sie an den Ort zurück, von dem sie los gelassen waren Noch immer lief Heini Erich Wal ter ruhelos umher. Die Schmerzen steiaerien sich gran sam: wenn das so sortaina, trieben Isie ihn ins Delirium Und dann. so ialtnlierie er, würde er doch noch ,die Wände binaustliittern, dabei ab sstiirzen und sich entweder das Genick )oder die Beine brechen. Das letztere würde natürlich das Fatalere sein. Plötzlich fielen seine unstiiten Blicke ans ein dicles Bündel. Sein letzter Roman, sür den sich trot; aller seiner lVemiibnnaen noch tekn Verleaer ljaite isinden lassen. Auch bente wieder war das Manuslript mit dem üblichen be idanernden Bealeitschreiken zurückge kommen Der Roman - - ein Gedanke Hblitzte aus« Dieser Roman mußte sibn von den Zabnschinerzen befreien. Ioder es aab keine Gerechtigkeit mehr i ans Erden. s lir nahm das Manuskript unter lden Arm, stülpte seinen Schlappbut saus, der eine interessant-undesinier bare, dunkle Farbe zeigte. Einst iwar er deklarau gewesen« Dann flog IHeinz Walter die Treppe hinunter. s Aus der Straße ainq er langsa mer. seine Blicke schweisten spähend umher. Vor einem großen Hause iblieb er stehen. Ueber sein schmerz Iverioaeneä veranollenes Dichterantlitz ’buschte ein slüchtiges Lächeln der Be isriediguna und der Hoffnttna. Hier in diesem Hause wohnte, den er suchte. Am Eingana ein großes-, wei ßes Schild: ,,Müller, Zahnarzt, Sprechstunde von 9-——5 Uhr. Entschlossen stieg Heinz Erich Wal ter die Treppe hinaus und tlingelte bei dem ersehnten Zahnschmerzbesreier an. Herr Müller schien sich leiner großen Praxis zu erfreuen, denn der Dichter wurde sofort in das Allerhei ligste geführt, in dem der Operations stubl und die elettrische Bohrrnaschine nnheilvol dräuten. Herr Müller begrüßte den will toniinenen Patienten mit erlesener Höflichkeit, und Heinz Erich Walter das dickbäuchige Manuskript trainpfhaft sesthaitend —-— ließ sich auf dem Marterstuh1 nieder. Der Arzt untersuchte und machte ein bedenkliches Gesicht. »Herr Wal ter«, sagte er endlich, »Jhre Zähne sind total kuriös, sie bedürfen einer einqehenben Reparatur. Zwei trante Zähne, die Jhnen die Schmerzen be reiten, müssen gezogen und neun Zähne ploinbiert werden, dazu kommt bei zwei anderen eine schwierige Wur zelbehandlung. Machen Sie sich ans eine langwierige Prozedur gesaßt.« »Herr Doktor«, iviintnerte Heinz Etich Walter, sich in grimmen Schmerzen windend, »ich bin auf al tes gefaßt. Ich wünschte» Sie wären es anch.« Der Zahnarzt stutzte. »Wie mei nen Sie?« »Die Sache ist nämlich die: ich habe kein Geld und wollte Sie bit ten, als Bezahlung an Stelle des schnöden Mammons diesen Roman zu nehmen« Herr Müller sah seinen Patienten entseg an. Sollte er vor Schmerz den erstand verloren haben? Aber ehe er diesen furchtbaren Gedanken weiter folgen konnte, hatte sich Heinz Erich Walter erhoben und ihm mit einer Verbeugung sein Manuskript überreicht. »Die Giftschlange’, Ro man in vier Banden ein Werk, das seine große Zukuns hat. Sie sehen Herr Doktor, ich habe Vertrauen« zahle Jhnen das Honorar prännme-— raner Doch nun befreien Sie mich auch schleunigst von meinen Schmet zen, oder ich werde tobsiichtig.« »Aber« —- meinte Herr Müller un fchliissig. ,,Kein Aber!« fiel Heinz Erich Walter ein, um mit dem Zungen scblag der Verzweiflung fortzufahrem »Sie finden das Honorar wahrschein lich zu hoch machen Sie sich da rum ieine Gewissensbisse. Bedenken Sie, die Zahnschmerzen würden mich zum Selbstmord treiben; ich würde mich also ins Jenseits befördern, und im Jenseits gibt es keine Abnehmer fiir Romane. Jm übrigen, man pre digt ja heutzutage Rückkehr zur Ur spriinglichkeit. Nun wohl, der Ur sprung des Handels war der Tausch bandel, kehren wir zu ihm zurück. Gegen meinen Roman tausche ich ein gesundes Gebiß ein." Der Zahnarzt Miller überlegte Was der verrückte Dichter da vor schlug — natürlich, es war einiger maßen ungewöhnlich Immerhin Patienten fanden sich nur spärlich ein -- also Zeit genug hatte er, um den Mann zu behandeln. Und das Manuskript, das war so hübsch dick und schwer. Das eine war also si cher: es war ein gewichtiger Roman Und »Die Giftschlange« —- welch ein verlockender, sensationeller Titel! »Nun wohl«, entschied er sich end lich, »ich willige ein. Ich behandle Jhre Zähne, und Sie bezahlen mit Jhrem Roman.« So schlug Heinz Erich Walter zwei Fliegen mit einer Klappe: er wurde seine Zahnschmerzen los und seinen Roman dazu. Aber wenn der Zahnarzt Miiller gedacht hatte, mit dem Roman ein gutes Geschäft zu machen, so sah er sich in dieser Hoff nung schmählich getäuscht. Den Zahn mußte er sich ziehen lassen. Der gefälcchte Sonstige-. Charles Wilson, ein Geistlia:... der längere Zeit im australischen Busch tätig war, erzählt folgendes drollige Erlebnis: Jn einer ganz tleinen Kolonie las er in der küm merlichen Hiitte eines Händlers eine Tafel mit der Anfschrist: »Jri on Parle sranszai5.« Er ging hinein, begrüßte die antvesende Frau auf Französisch und fragte sie dann, ob wohl sie nicht geantwortet hatte. auch auf Französisch nach ihrem Besinden. Frau John Sinith schrieb immer noch und sah den sranzösisch spre chenden Geistlichen erstaunt an. Nun fragte er sie auf Englisch, ob es dann wohl Herr John Smith sei. der hier sranzösisch spräche, und da sie immer noch nicht wußte, was er eigentlich von ihr wollte. sagte er, es stände doch an der Wand, daß man hier fran zösisch spräche. Frau John Smith aber wußte davon lein Sterbens wörtcher und war sehr erstaunt, als der Geistliche ihr mitteilte, dies be sage die Inschrift an der Wand. Sie bestritt das und behauptete vielmehr, dort stände, allerdings atuf lateinisch: »Der Herr ist mein Hirte«. Mit die ser Uebersetzung nämlich hatte ein herumziehendcr Hausierer dem Ehe paar John Smith die Papptasel v r taust. Als der Schullehrer der klei nen Ortschast die Uebersetzung des Geistlichen bestätigte, geriet Frau John Smith begreiflicherweise ein wenig aus dem Häuschen und ver-. sprach, ihr Mann werde schon dafür sorgen, daß der Hausierer das Fran zösischsprechen erlerne. Mädchentreue. «Und es kam dir Abschiedsstunde Und Du schrittest mir zur Seite, Gabst mir, ewge Treue schwörend, Bis zum Abteil das Geleite. Gain den letzten Kuß tnir schmähend Drijckteft zitternd meine Hände, Und der nächste stand schon wartend An des Bahnhofg andrem Ende. O w e-h! Mamat ,,Einen Liebes - Vriesstellek muß ich unter Deinen Büchern finden —-— es ist un erhört! Wo hast Du den her? " Lotte: »Der lag auf dem Boden in der Kiste, in der Deine Bücher aus der Pensionatszeit liegen-«