Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, October 18, 1912, Zweiter Theil, Image 9

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    Nebraska
Staats- Anzetger und J set-old
7 III-tax
Der tote Its-.
Erzählung von Fr. O. sühne.
Denryf Brown schritt mit sehe
nachdenklicher Miene die Portugal
Street in London hinaus, seiner
Wohnun zu. Dort angelommen,.
ließ er sich in seinen Lehnstuhl sal
len, stiitte den Kopf in die Hand
und blickte unverwandt vor sich nie
der.
So saß er eine ganze Viertelstun
de lang da. Endlich sng er an, vor
sich hin zu nicken, und seine Gedan
len begannen sich zu ordnen. »Die
lehten Erlundigungen', murmelte er
bedächtig, .lonnten lein günstigeres
Ergebnis hoben. Bei der nötigen
Umstcht wird sich alles programm
tniiszig abspielen. Wie man sich in
seinem Alter doch noch entwickeltt
Die ganzen langen Jahre Wintelads
volat und Raterteiler für einen
Schillin , jetzt aus einmal im Be
grisse« selbst als Unternehmer aus
utreten. Und in was fiir einer
gelegenheit! Es liegt ganz bei
mir, ob ich mich mit fünitausend
Psund begniigen, oder ob ich zehn
tausend oder zwanzigtausend ein
imsen will. Am besten wird es
ein, ich wähle die goldene Mittel
strasze —- zehntauiend Pfund. Die
reichen mit dem bereits Zusammen
gesparten nolltommen hin, um mei
nen so lange heimlich und sehnsiichi
tig geniihrten Wunsch. mich von mei
ner bisherigen Umgebung unbemerkt
in ein gewisses kleines Haus in
Bentnor aus der nsel Wight zu
rückzuziehen und achtz, gar nichts
mehr zu tun, zur Ausführung brin
gen zu können. Wen werde ch mir
aber zur hilse wählen? Ich denke,
meine tresslichen Freunde Jim und
Bob werden sich wohl sam besten
dazu eignen.
Er versank wieder in tieses Sin
nen. Dann stand er plöglich auf,
lies die Treppe hinab zu der im
Er schoß befindlichen Bierwirti
schat und erbat sich dont Wirt den
Schiiissel zur Telephonzellr.
—
Um gleichen Abend empfing hean
Vrawn wet sesuchen
»Da seid Ihr ja! Nehmt Plast«
sagte er, aus zwei Stuhle deutend
»Was wünschen Sie von unb, Mi
ster Brown?« sragte Bad Pertins,
sen dünenhaster rathaariger Jeliins
r.
»Wer wird denn gleich so mit der
Tür ins hanc sallen,« brummte der
Hausherr.
»Sie wissen, ich liebe keine Unr
schweise.« —
»Was ich, Freund Bad —- weiß
ich. Zuvsrderst muß ich aber etwas
von Freund Jinr in Erfahrung
bringen. — Wie wäre es«, wandte
er ch an diesen, »wenn Sie egen
ent prechende Vergütung in, Zagen
wir zwei Monaten, einmal ein biß
chen sterben wallten2«
schnitt eine Grimasse. »Wie
met ten Sie. Mister Browni Jch
soll sterbens«
»Gewiß —- derscheidejr. den Geist
ausbauchetn Begretten Sie dass«
»O ganz gut«, lachte Zim. »Kann
aber otsengesianden, dern Gedanken
weni Geschmack abgewinnen.«
« n Sie den Geist ausgehaucht
den werden. Freund Jtnr«, subr
rawn ern hast fort. »werden Sie
dann wab cheinlich seziert, nach al
len Regeln der Kunst anatomisch
gäschnitten werden. Daraus wer
Jdre Ueberbleibsel in einen schö
nen Sarg gebettet und, wie das so
der Laus der Dinge ist, richtig und
begraben werden.«
wischte sich mit dein Hand
r en iider die Stirn. »Mister
Brann, Sie treiben heute den Spaß
ein bißchen weit.
»Sie-Maus nicht, nretn Lieber. Sie
wissen, in Geschäftssachen —- und
es handelt sich hier um eine sehr
große Geschäfts acht —- ist mir alles
voller crn . te mögen das daran
erkennen, h ich deren ftir hre
Dienste volle zwe hundert P und
Sterling bieter «
sod, der sieh vor Lan-en meet was
zeu wollte-Tief dazwischen: »Bei
oder nach dem Tode zahldakW
»Noch dem Tode natiirltch,« ant
wortete Bkown trocken. »Ob« ge
nauer gesagt, acht Tage nach dem
« Begkäduiffe. Und Ihnen, Freund
- Hof-. dtete ich, wenn Sie bei der
ganzen tief traurigen Geschichte hel
fen wellen. ebenfalls zweihundert
fund.
»kaßaetig —- gtofzaeti !« freute
sich Bod. »Wenn Jtms ld aber
etft nach dessen Begeäbntsse fällig
werden foll, was hat er dann da
vonf« -
»Oh, er wird schon verstehen, fsich
damit das Leben fchsu zu machea."
»Ja feinem Grabe unten. see
fchnitten und zeer t!«
»Stifer wtt dte e fletne Reden
« facht vorläufig unersetett«« sagte
Browm »Ich sehe ja, Freund Jirn
ist mit meinem Vor-schlage durchaus
eindersinnden.«
Jirn, der sich wieder mit dem
bandriicken iiber die Stirn wischte,
wehrte mit der anderen Band ab
f «Doch — doch« versicherte Brote-m
»Sie wollen es mir bloß nicht zuge
sieben, bester Freund«
l Bob meinte zwischen sortgesehiem
;Lachen: »Wenn es sich silr mich nur
darum handelt bei dem Begräbnisse
unseres guten Jirn zu helfen, Mister
Zion-n. so bin ich von vornherein
und unbeseben gern dazu bereit, mir
sdie ebotenen zweihundert Pfund zu
enen.«
:Bist ein braver Kamerad!« groll
Irte Jirn.
Still, du Seitiond. spirant!« er
swtderte Bod, der sich die Lachtriinen
aus den Äugen wischte »Sonsi
lause ich aus der Stelle Fort, bole
die Aerzte herbei, die dich chon jeyt
lunsig erecht anatomisch zerkegen, und
ieinertg Sarg, in dem du dann ohne
.Also —- dieser Teil unserer An
gelegenheit hätte von eurer Seite vol
ile Zustimmung gesunden,« ließ sich
FBrown wieder vernehmen. »Jetzt
’leime ein weiterer Teil an die Reihe.
Osten Sie genau zu lieber Bob.'·
»Ich bin anz Ob ri«
»Hm — Fin, 'schickte Brotvn geist
doil voraus. »Es ist einige Wochen
,ber, da sab ich bei Gelegenheit eines
jSpazierganges in einer Seitensiraße
von zwei Männern eine Kiste obne
Ibesondere Kennzeichen aus einem
Hause tragen un aus ganz gen-Ihn
liches Straßensubrweri derladen.
fMiinney Frauen und Kinder batten
ksich angesammelt und gassten die Kiste
i,,an als ob sie ein Wundertier sei.
kDesbalb stagte ich, was denn die
EKiste enthalte-? Eine Frau antwor
trie: hAch da ist ein Toter drin, den
»seine Angehörigen der Anaiomie des
sunioersity College in Gower Street
siiberlassen haben. Sie fahren dabei
Enichi schlecht, denn sie ersparen nicht
fnur die Begräbnisiosiem sondern er
Ibalten obendrein noch bar Geld ber
ant
Jch Vvkchtt auf —
»Das ist aber doch etwas anz
MitiigiichesP unterbrach ihn Bo ·
I »Ganz recht. Dieser alltägltche
Vorgang hat mich aber aus einen
sGedanten gebracht, den ich nicht wie
;der loetperden konnte Jch habe mich
jdeshalb bei jeder geeigneten Gelegen
heit unaussälliger Eriundungen iiber
seine Ausführbarkeit besleißigt, solche
nach einer gewissen Richtung hin auch
schon tm Stillen eingeleitet. Und
Idabei ist fix und sertig ein prächtiger
kPlnn zustande delomrnen.«
s «Da bin ich aber doch neugierig, was
: heraustommti«
»Unterbrechen Sie mich nicht im
Emer, lieber Boh! —- Jn London taust
;neirnlich nicht nur die Anatomie des
University College in Gower Street
Ebeständig Verstorbene zu Studien
zwecken aus sondern auch die der
Medical Schooi aus dern Albert Em
’bantment und die des Rings College
Ham Strand, weiter machen darin ab
jund zu die Medical Exainination
Dall an der Temple Station und
noch ein oder zwei andere Stellen
IErtoerbungem und fernerhin decken
hier in der Hauptstadt auch die sämt
Elichen Anatornien der Universitsten
dertstrobinz, vor allem Oxford, ihren
hauptsächlichsten Vedars
Es bestehen siir die Vermittelung
der Läuse eigene hehördlich geneh
migte Ugeniurem daneben aber auch
Ieinige nicht genehmigte. Ledtere
Elönnen sich dadurch behaupten, daß
sie in Erfahrung zu bringen wissen,
was der und jener Anatomie zurzeit
besonders wünschenswert ist danach
ihre Angebote einrichten und so im
jmer wieder Austriige erhalten.
-Manchmal ist den Anatomien näm
Ilich an Leichen von einem ganz be
istimmten Alter gelegen, manchmal an
Esoichen, die on einer ganz bestimm
iten Krankheit gestorben sind, oder
san solchen, die plöhlich toie am
Eherzschlag verschieden sin·d.» Han
idelt es sich um an einer bestimmten
silrantdeit oder an bestimmter Ur
llas-he Verstorbene, so laufen dte Be
steller wenig Gefahr —- bet tn einem
bestimmten Alter Verstorbenen-liber
hanpt tetne —- etroai anderes, als sie
Wünschen, von den geschäftsttichtigen
jAgentuken etngeltefert u bekommen,
idenn dte Angaben auf den Toten
jschelnem dle ja von den amtlichen
»Letchendeschauern ausgeferttgt wer
Iden, und auf Grund derer dte Kauf
abschliisse erfolgen, bteten ihnen et
lnen guten Rückhalt
»Ich habe mtr erzählen lassen, daß
nie Welche-ten welche thre Sache fo
ldteso hölllsch genau nehmen« das
Inoch in womöglich erhöhtetern Maße
tun, wenn sie etwas davon hören,
daß der betreffende Verstorbene nach
etner Anatomte verbracht werden
foll. Ganz erklärlich, denn sie wol
len Ich m them Kollegen dort ntcht
mit falschen Feststellungen auf den
Scheinen, von denen ste wissen, daß
sie vorgelegt und mit eingeliesert
werden mit-»i, blamieren.«
; »Das ist mir« alles nichts Neuei,«
hrummte Vol-.
J Brown aber fuhr unbeirrt fort:
J»Was mich betrifft, liegt mir daran,
einen Verstorbenen zu erhalten, der
etwa das Alter unseres Jim hat.
Auf ein paar Jahre ab oder zu und
au Aehnlichkeit tommt’s nicht an,
au lehtere zumal nicht, nur aus die
Todesursache und zwei Nebenum
stände: herzfchlag muß von dem
amtlichen Leichenbeschauer sicher est
gestellt sein, da wir nach einem a
ragraphen gewisser Statuten mit ei
ner Seition der Leiche rechnen mits
sen, der Entschlafene muß davon
friedlich in seinem Bette überrascht
worden sein, und er muß tunlichst
aus einer Umgebung stammen, wo,
wenn er einmal fortgeschafft ist, kein
Hahn mehr nach ihm lräht. Jch
»meine, es sollte einem geschickten,
;umstchtigen Manne nicht schwer fal
ilen, sich einen Verstorbenen, wie ich
Jihn brauche, noch var der Leichen
ischau zu sichern —- vorher deswegen,
damit er dem Leichendeschauer etwas
lvon der Bestimmung der Leiche hil
’ren läßt, und dieser somit seine
sSachse außerordentlich genau nimmt.
sDem in Rede stehenden geschickten,
umsichtigen Manne kann mit der ins
Auge gefaßten Beschaffung verschie
dene Wochen, wenn es sein muß, so
gar Monate Zeit gelassen werden«
Bol- fing an zu begreifen. »Referi
geschickten, umsichtigen Mann soll
wohl ich abgebeni«
»Ich halte Sie in der Tat fiir
Een«richtigen Mann dazu, mein Lie
er.
«Ztvar ein wenig gruselig. Misier
Brown. Aber um den Preis machen
wtr’s. Diese ganze geheimnisvolle
Geschichte nimmt mich überhaupt, Je
länger ich sie bedenke, immer me r
siir sich ein."
« lin, mein Lieber. Doch weiter.
Die esörderung von Anntomieleii
then findet, wie bekannt, allgemein
in gewöhnlichen Kisten. die nur mit
Blech ausgeschlagen sind, statt. So
gar die Eisenbahn, die doch sonst siir
Leichen Metallsarg, in Holzsarg ein
geschlossen, Begleiter, behördlichen
Leichenpasz, Vorausbezahlung einer
hohen Sondersracht und dergleichen
sordert, befördert Anatomieleichen in
solchen Kisten aus einsachen Fracht
bries zu billigem Satz und ohne auf
Vorausbezahlun zu bestehen. Jch
habe gehört, da das auch aus dem
ganzen Kontinent so gehandhabt wird.
Eigentümlich, doch wir wollen uns
darüber nicht weiter nusregen. Je
densalls sollte es unter Beriicksichti
gnn dieser Umstände meinem ge
schi ten, umsichtigen Manne, also
Ihnen, Freund Bod, unterstützt von
einem zweiten geschickten. umsichtigen
Manne, den Freund Jim spielen
wird, nicht schwer sollen, den an
geblich für eine auswärtige Anatomie
bestimmten Verstorbenen nicht aus
einen Bahnhof, sondern stillschwei
gend anderswohin zu verbringen
Und zwar möglichst bald nach der
Leichenschau. Damit wäre alles ge
wonnen."
»Mister Brown, die Geschichte wirkt
llappen, sage ich,« beteuerte Beb.
»Und Freund Jim hilft seinen eige
nen gestorbenen Leib mit besördern!«
sagte Vrown »Und besucht später
nach herzenslust sein eigenes Grab.«
Bob sing an wieder unbändig zu
lachen. »Unvergleichitch samoser Ge
hanle.«
- »Was wir vorhaben«, suhr Brown
sori, Läßt sich, wie schon angedeutet,
aber nicht von heute aus morgen
durchführen. Wir brauchen vielleicht
zwei, unter Umständen drei Monate
dazu, auch einen anderen Schaut-lag
ais meine liebe Portugalstreet hier.
Kost und Uuntertunst, wie ihr es in
eurem Leben noch nicht gehabt habt,
swerdet ihr während der ganzen Zwi
schenzeit in der Wohnstätte, nach wel
cher ich verziehe, umsonst erhalten«
»Bravo!« ries Bod. »Es lommt
ja immer bessert«
«Ausgezeichnet«, belrästigt der jetzt
auch schmunzelnde Jim.
Groß-London nimmt deshalb einen
so gewaltigen Flächeaner ein, weil
jeder Engländer am liebsten in einem
Hause sitt sich allein wohnt. Jn der
inneren Stadt kann von diesem Be
streben, von einzelnen Stadtgegenden
abgesehen, natürlich nicht viel bemerkt
werden, um so mehr tritt es aber in
dem weiten Kkanze der Vororte in
Erscheinung Viele derselben beste
een ausnahmslos aus Einsamiliens
äusem Dabei liimntert si? ein
Engl« der, insbesondere der ondo
net, n t um seine Nachbarn, und es
ist durchaus nichts Seltenes, daß Fa
milien, die ahrele , Haus an haus
wohnen, si nicht - mal dem Ra
tnen nach kennen. -
—
So besteht auch der idyllische Vor
ort Richrnond hauptsächlich aus Ein
familienbäusern. Zumal an der
Themse entlang reibt sich eines an
das andere. ;
Eines von diesen das etwas ab-«
gelegen und längere Zeit nicht be-«
wohnt gewesen war, wurde jetzt wie
der bezogen. Mieter war ein ge
wisser Henry Browm Er kenn nicht
allein. Mitbewobner seines häusij
chens waren ein gewisser Jim Harry
Baker und ein Diener namens Bob
Seddenbanm
Ei e Woche nach dem Einzuge
sprncäl ein Herr bei Mister Brown
vor. Er war Plnninspeltor einer
großen amerikanischen Lebensversiche
rungsgesellschast, die in London eine
Zweigniederlassung unterhält.
»Mein Herr-", begann der Versiche
rungsmann seinen Spruch, »wir ha
ben zu unserer großen Freude Ihre
Karte erhalten, mit der Sie den ge
legentlichen Besuch eines unserer Be
amten wünschen.« ,
Brown zog seinen Kops ein. »Ja
richtig,« meinte er. »Nur schade,
saß Sie sich umsonst herbemiiht ha
en.«
»Umsonst, Mister Browanst uns
eine Konkurrenz zuvorgekommen?«
»Nein. Das nicht gerade.«
»Nicht? Das ist rnir angenehm zu
hören! Gestatten Sie mir, bricht-ruht
ter Mister Browry die Frage: Sie
beabsichtigen, Jbr Leben zu ver
sicher-ni«
« »Eigentlich wollte ichs. Aber ich
Habe ed mir wieder anders überlegt. »F
i »Hochverebrier Mistet Brown, das
Thal-en Sie nicht getan. Geben Sie
einen einzigen Augenblick ernstlich mit
sich zu Rate, und Sie werden mir
beipslichtenf I
»Mir sind so viele Bedenken auf-!
gestiegen, daß —«
»Aber ich bitte Sie, hochberehrter
Mister Brote-m wie können Jhnen ins
einem Falle, in dein es sich darum
Zank-eit, die Zukunft Jhrer ganzen.
amilie siir eine Zeit, ba man nichts
mehr siir sie schassen und sorgen kann,
in jeder Weise gesichert zu wissen, Be
denken aufsteigen?« "
« »Ich habe ja gar keine Familie.«
Der Versicherungsbeamte war eine
Seiunde verblüfft. »Aber Sie hat
ten boch die Absicht, eine Versicherung
einzugehen!« wars er dann ein. »Doch
dann sicher zugunsten eines Verwand
ten? Habe ich nicht recht?«
«Verwandt ist mir der, welchen ich
im Sinne hatte, eigentlich nicht.
Wenn er auch zurzeit Mitbewohner
meines Hauses ist. hm——tn· Ja-—a.
Jch halte ihn wie meinen Sohn. —
Warum soll ich es verschweigen? Vor
kurzem hat er mich bei Gelegenheit
eines Bootgunsailes vor dem Ertrins
ten bewahrt. Aus Dankbarkeit —«
«Beschlossen Sie, zu seinen Guns
sten eine Versicherung einzugehen.s
Welch edle Absicht! Mister BrownH
Fie. werben sie zur Tat werden las-1
en.« ,
»Ich habe noch Bedenken-" I
»Aber wieso denn?« fragte er-«
staunt der Beamte.
»Nun, der Betreffende könnte sei
nem Alter nach in der That mein
Sohn sein. Er ist also sehr viel Hin-z
ger, als ich. Gewiß. Aber wer biirgt
mir dafür, daß ihm nicht eines Ta-;
ges ein unerwarteies Ungliick zu-.
stößt, wie mir beinahe ein solches
zugestoßen wäret Und die teure Ver-i
sicher ngöpriirnie wäre dann bereits
so un so oft bezahlti Jch aber hätteI
die Summen fiir nichts und wieder;
nichts aufgewendet? Oh, ich bin seit,
dein Bootsunsalle sehr ängstlich ge-;
worden« :
»Die Summen wären nicht verlo
ren, hochberehrter Mistet Brown«,«
fiel der Versicherungsmann mit ver-«
stäriter Stimme ein. »Einen frühe-,
ren Todesfall des Betreffenden als
Ihren eigenen lassen wir bei der Abis
fassung unserer Police — einer Geiz
genseitigleitspolice —- einsach nicht
außer acht. Jch schlage vor« wir set-i
gen folgendes fest: Stirbt jener vor«
Ihnen, hat die Bersicherungssumme,
ungeschmälert an Sie zu fallen. Nur
wenn Sie selbst vor jenem sterben,I
hat er Anspruch daraus. Da Sie,
wie Sie bemerkten, der wesentlichI
Aeltere sind, wird sich die jährlichez
Prämiensumme dieser Gegenseitig
tritt-Versicherung nur ganz wenig
gegenüber der von Jhnen vorher ins
Auge gefaßten einseitigen Versicherung
erhöhen. Was sagen Sie hierzu,
hochberehrtet Mister Browni«
»Diese Lösung will mir schon besser
gefallen. Ja—a. Aber ich will von
einem Abschluß doch lieber noch ab
sehen, denn —- hm —- hm.« ,
»Was haben Sie denn noch einzu
wenden?«
»Der Gedanke ist mir eben erst ge-l
kommen. Zu einem Arzt laufen in
meinem Alter, und sich von oben bis
unten und von vorn und hinten un
tersuchen lassen —«
Der Bersichernngsmann sprang 4
vom Stuhl aus. »Aber bester, hoch-«
verehrter Mister Brotvn, wissen Sie
denn nicht« daß wir amerikanischen
Lebensversicherungggesellschasten im
Gegensaße zu den europäischen aus
ärztliche Zeugnisse verzichten? Wir
verlangen allein Vorlage von Ge
burts- und Wohnungsmeldescheinen
der in Versicherung zu nehmenden
Personen.«
Broton Tviegte sinnend den Kopf.
»Sie verstehen in der Tat Jhr Ge
schäft. Was könnte ich da noch ein
wenden?«
»Nichts sollen und können Sie
mehr einwenden, bester, hochberehrter
Mister Brown. Bitte, schreiben Sie
unter dieses Formular hier Ihren
werten Namen. Ueber die Höhe der
Versicherungssnmme werden wir dann
schnell einig werden«
Broton zögerte immer noch. Aber
der Versicherungsmann ließ nicht eher
locker, als bis er die ersehnte Unter
schrift erobert hatte. Nun legte er
sich wegen der Höhe der Versicherung
ins Zeug. Er schlug achtiuusend
Pfund vor. Brown wollte nur vier
tausend. Schließlich lam man mit
sünstausend Pfund unter einen Hut.
Der junge Mann, für den der edle
Mister Brown die hohe Versicherung
eingegangen war, sein Lebensretter
und derzeitiger Mitbewohner, Jim
Harrh Vater, ließ sich tagsüber in
dem das Haus umgebenden Garten
immer nur für kurze Zeit und halb
vermummt erblicken. Vielleicht hatte
er sich bei dem gefährlichen Heraus
fischen seines Gönner-s aus dem Was
ser eine Eriältung zugezogen, die er
nicht beachtet, und die sich deshalb mit
der Zeit verschlimmert hatte, vielleicht
gar zu einem schleichenden Leiden
ansgeartet wart- Es mußte in ver
Tat so etwas sein.
Diese Annahme stimmte aber wie
der damit nicht überein, daß er
manchmal nach Eintritt der Dunkel
heit in Begleitung des Dieners in
einem Boote die Themse nach London
hinabsuhr und regelmäßig erst knapp
vor Tagesanbruch, sichtlich recht gut
ausgelegt, aus demselben Wege wieder
eintraf.
Niemand aber siel ditser Wider
spruch in seinem Verhalten besonders
auf, da die Nachbarn die neuen Be
wohner ebenso wenig beachteten, wie
sie siir sich in Anspruch nahmen, von
ihnen beachtet zu werden.
Naher drei Monate gingen so ing
Land, und an den Abenden wurde es
schon zeitig dunkel. Bod, der Diener
Brotvns, hatte jetzt immer sehr viel
in London zu besorgen. Fast jeden
Tag fuhr er um die Mittagstunde
mit der Bahn dahin und wurde merk
würdigerweise stets am Abend von
Jim Harry Baker an einer unbeleuch
teten Anlegestelle bei Vauxhall Bridge
mit dem Boot, das der bedauern-Z
werte krante Mann eigenhändig nnd
ganz allein nach Einbeuch der Däm
merung bis hierher gerudert hatte, er
wartet. Drei, vier Stunden lang
wartete der arme Herr ost, ohne je
Eines Tages war es wieder so.
Ein besonderer Umstand war heute
nur, daß eine ziemlich große Kiste
mit im Boote verstaut wurde, und
man sich start in die Riemen legen
mußte, um so schnell als möglich Rich
mond zu erreichen. Dort wurde die
Kiste in aller Stille ins Haus ge
schafft
Nach Verlauf einer Stunde bestie
gen Jim Harry Baker und Bod, der
Diener, wieder das Boot. Es ver
schwand bald in der Dunkelheit, die
über dem Wasser lagerte.
Nach einer weiteren kleinen Stunde
tauchte es neuerdings auf, es befand
sich aber nur noch der Diener in ihm·
Er sprang ans Land, eilte ins Haus,
hatte ein iurzeö Zwiegespräch mit
seinem Herrn, worauf er das Haus
nach der Straßenseite zu wieder ver
ließ. Nach etwa einer halben Stunde
kehrte er mit einem Richmonder Arzt
zurück.
Brown trat diesem in heller Ber
zweiflung entgegen. Kommen Sie
endlich, Herr Doktor?« fragte er.
»Er liegt schon in Erstarrung, mein
armer Freund. Eilen Sie, Herr
Doktor, bieten Sie alles auf, ihn
vor dem Tode zu bewahren! Reiten
Sie ihn! Jch will Sie siirstlich da
fiir belohnen!«
Der Arzt konnte aber nur den be
reits eingetretenen Tod dessen, den er
retten sollte, feststellen. Er wiegte
bedenklich den Kopf. Offenbar han
delte es sich um einen Herzschlag. Al
ler Wahrscheinlichkeit nach war es
wenigstens so. Aber die Katastrophe
mußte schon vor fünf, sechs, vielleicht
sogar schon vor sieben Stunden ein
getreten sein. Er drückte sein Be
fremden darüber aus.
Brown war ganz fassungglos und
schluchzte zum Erbarmen.
Der Diener war gefaßter und er
klärte: «Mifter Baker fühlte sich matt
«
fund abgeschlagen und begab sich schon
fzwischen vier und fünf Uhr zu Bett.
sEr befahl mir, ihn nicht zu stören;
ser wolle ilingeln, wenn er mich be
;nöiige. Nach neun Uhr lauschte ich
san der Tür, da er noch kein Abend
jbrot verlangt hatte, und es dazu doch
freichlich Zeit war. Es regte sich
Jnichts im Zimmer. Jch benachrich
Iiigte meinen Herrn, wir öffneten die
sWre und fanden den Armen erstarrt
im Bette —«
»Ich kann mich noch gar nicht da
smit abfinden,« jammerte Brown, »daß
Jmein armer Freund so schnell von
binnen gegangen sein soll. Jst es
sdenn wirklich wahr, Herr Doktor?«
« »Leider.«
. »Und um einen Herzschlag handelt
:es sich, sagten Sie?«
i »Noch den Anzeichen zu urteilen,
iwird es so sein.«
Am anderen Tage nahm der amt
liche Leichenbeschauer ebenfalls herz
schlag als Todesurfache an. Den
noch stellte die Lebens-versicherungs
gesellschaft, welche Brown tron seiner
Seelenfchmerzen sogleich von dem To
des-falle zu unterrichten nicht vergessen
hatte, das Ansuchen, ihr die Leiche
zwecks einer Seltion zu überlassen.
Da sie nach ihren Statuten, plötzliche
Todesfälle betreffend, dazu berechtigt
war, konnte Brown sich nicht weigern.
Die Settion erfolgte auch. Die
angenommene Todezurfache, also
Herzschlag fand ihre -volle Bestäti
gung. hne weitere Beanftandung
wies darauf die Lebensversicherungs
gesellschaft Brown die vereinbarten
fünstausend Pfund Sterling an.
Begraben wurde der arme Jim
Baker auf dem Friedhofe von Rich
mond. Brown ließ, bevor er nach
Ventnor aus Wight überedelte, noch
das Grab schön einsassen und einen
prächtigen Stein mit der Jnschrist
errichten: »Hier ruht mein bester
Freund, mein unvergeßlicher Jim
Bater.« -
Aufsallend war jedoch die Tat
sache, daß späterhin öfters Jim Baker
in der Dämmerung sein eigenes Grab
aufsuchte und traumverloren vor sich
hin nickend murmelte: »Ich werde
sicher noch hundert Jahre alt. Denn
die Totgefagten leben ja bekanntlich
jam längsten.'«
ff
Ein Retnfath
Vor einem Brüsseler Gerichtshof
stand ein Diebstahlsprozeß zur Ver
handlung; nach Schluß der Beweis
aufnahtne sagte der Verteidiger des
Angeklagtem »Der Angeklagte hat
die Wohnung überhaupt nicht betre
ten; er hat nur den Arm durch ein
offenstehendes Fenster gesteckt und ein
paar wertlofe kleine Gegenstände, die
ihm gerade erreichbar waren, mitge
hen lassen. Es ist nicht gerecht, daß
die ganze Person meines Klienten
verurteilt werden soll, da ja nur sein
Arm schuldig ist.« Der Gerichtshof
fügte sich dieser Beweisführung und
sprach, indem er auf den Scherz ein
ging, ein Urteil, in welchem es hieß,
daß »der Arm zueinem Jahr Ge
fängnis verurteilt werde; dem übri
gen Körper stehe es frei, den Arm zu
begleiten.« Die Richter glaubten ihre
Sache sehr gut gemacht zu haben und
lächelten vergnügt über ihren Witz.
Wie verblüfft waren sie aber, als der
Besitzer des verurteilten Armes mit
einer Verbeugung und einem noch
maliziöseren Lächeln an den Richter
tisch herantrat und ruhig . . . seinen
Arm, einen künstlichen Arm, hinlegte!
Er hatte nur einen festgewachsenen
Arm, und seine Strafe besteht nur
darin, daß er Geld fiir einen neuen
künstlichen Arm ausgeben muß
A-—
Iressmde sum-ort.
Eine originelle Geschichte wird von
einem amerikanischen Professor er
zählt, der einen öffentlichen Vortrag
ijber Reichtum hielt und nnf den imn
giniiren Wert des Geldes nnfvielte·
Unterfeinen Hörern befand sich ein
Mann namens Sheldon, der Vater
von sieben Töchtern war.
»Wer ifi wohl der Zufriedenere,
der Glücklichere: der Mann, der Mil
lionen besitzt, oder der Mann, der sie
ben Töchter hat? Herr Sheldon,
was ift Ihre Ansicht über diesen
Punkt?«
Herr Sheldon antwortete nach kur
zem Besinnem
»Der Vater der sieben Töchter ift
sicherlich der Zufriedenere. Der Mil
lionär- mng noch fo viel haben, er
will immer mehr; der Vater von
sieben Töchtern hnt kein Verlangen
nach mehr.«
—- V a r i a n t e. Dame (i1n Ball
faal): ,,Qph, Sie haben mich auf den
Fuß getreten!«
err: »Bei-arm Gnädige — aber
insp einem Gedränge muß man fchon
ein Hühnerauge sudrücken!«
is