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About Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918 | View Entire Issue (Oct. 11, 1912)
W sen-. ] · Von Karl Matthies. i Wie mich das Leben liebil ! Da das Its mit ruhigen Schlägen. · Ohne Be n ei, ohne Erwägen, « Nur dem Genuß sich ergibt Olzne Angst. ohne Hast, Wie der Falle auf hohem Turm»e. Halte ich sehend über dem Sturme Menschlicher Schwächen Rast Aus dem Rauschen der Luft Ius dem Kommen, Gehn und set-stie ben, Aus dem Hoffen. Mea und Lieben Trinke ich Tn und Dust. Zur Quansseesrabem Militärhumaresle von Carl Gauchel Der Oberleutnant der Reserve Hans Bentingt lag noch im Bett. Allerdings war es schon 11 Uhr vormittags, und der sirubbelige Rot lops Musietier Pachultes hatte be reits zweimal um die Tür herum ins immer geschaut, aber der Derr berleutnant wollte nun einmal nicht wach werden. Die Kompagnie - Ordonnanz, die draußen im Burschenzinuner bereits seit einer Stunde mit den Befehlen wartete, sing schon an, sich zu är gern und sehnte sich immer ungedul diger nach den Fleischtöpsen der Ka sernentiiche zurück· Aber Pachulie, der Gute. der eben von einer dritten vergeblichen Aus schau nach den erwachten Lebensgeii siern seines Brotherrn zurückkam, meinte mit dem Ausdruck olympischer Ruhe in dem sammersprossigen Ge sicht: »Du, mähnste, der wird noch mal läbendig?« Aber das wütende Gesicht der Ordonnanz schien sein Mitleid zu wetten, denn er sehte gleich beruhiaenden Toneö hin u: »Pasz’ uss, dähn ham mer als! Und ehe die Ordonnanz nur ein Wort der Erwiderung sinden konnte, hatte der Bursche den eigenen Eß naps aus dern Spind genommen und mit Wucht aus die Erde geworfen. Gleich daraus ertönte drinnen die laute Stimme des aus süßen Träu men ausgestörtem «himmeldonnerwetter, Pachulle, Sie Arche Noah, was haben Sie denn nun da wieder vor die hunde gebracht?« Woraus der Rotlops stoischen To nes respondierte: »Es ist nisch, herr Oberleitnant, nur mähn Picknaps is laputt.« Gleichzeitig süllte er eine riesige Kanne mit Wasser und verschwand im Schhszimmer. um bei seinem perrn und Gebieter mit tundiger Oand Zosendienste zu leisten. — — hans Bentingl stand in bequemen Vausschuhem die graue Litewla bis aus den obersten Knops gesssnet, am Fenster und schaute vergnügt herab aus die sonntäglich gepudten Bür gerstöchter. Jn diese delle siel Pochulre rnrr seinem «’S Besäblsbuch, Herr Ober leitnant«, herein. » Beniingt musterte seinen Schild lnapden mit ernsten Augen; dann schüttelte er traurig den Kopf: »Pa chulte, Mensch. gönnen Sie mir denn nicht einen einzigen, ungetrüb ten Augenblicks« Aber der Rotlops war unerbitt lich: »Ja Besiibl, Herr Oberleitnant, aber die Ordonnanz wartet«. Damit schlug er die ledtbeschriebene Seite des dicken Buches aus. Sich ins Undermeidliche siigend, sette sich der Oberleutnant an den Frühstückstisch und las. Aber als er gelesen hatte, wars ibm, als solle die Welt untergehen; grau in grau erschien ian der eben noch so son nige Tag, sein ganzer stolzer Man nesmut glich einer getnictten Lilie, und wenig sehlte und er hätte Pa chulte zurn Herrn Stabsarzt geschickt und um dessen Besuch bitten lassen. Er las noch einmal, aufmerksa rner als vorhin den Bataillonsbesebl durch, aber es blieb dabei, er hatte richtig gelesen. Schwarz aus weiß stand da in woblgeschriebenen schö nen Buchstaben: »Montag nachmittag drei einhalb Uhr Felddienstiibung zwischen Ober leutnant Waldhusen und Oberleut nant der Reserve Bentingt. Ober leutnant Waldbusen tritt als Konr pagniesiibrer bei der dritten, Ober leuinant d. Res. Bentingt desglei chen bei der vierten Kompagnie ein Die beiden Herren haben sich beritten zu machen. Die Ausgaben geben den beiden herren morgen verschlossen su. p. p.« Eigenmch hatte er-- Ia iangn ge ahnt. Es mußte ja doch totsicher einmal kommen, aber heute hatte er daran ja doch nicht gedacht. Beritten zu machen! Da hatte er’s « na, das konnte ja lieblich wer den. Heiliger Brahmabutrai Er entsann sich, einmal — vor drei oder vier Jahren einen Nein-nier richt mitgemacht zu haben — mein Gott ja, in der Reitbahn wars ja so weit ganz leidlich gegangen, aber erstens gings morgen auf einem will-fremden Gaul draußen im Ge lände ein bischen anders nnd zwei tens —- die gemittlichen Statabende in feinem lleinen Kreicstiidtchen hat ten sich bitter gerächt —- leit damals hatte er zirta 20 Kilogramm zuge non-men. · Ganz traurig stand der arme Oberlentnant d. Rel. vor dem gro «Ien Spiegel und nieste feinem wohl W genährten, rosigen Konterfei ernst-i hast du« ; «.hiinschen. morgen gehst um die Wurscht. Besienfalls brichsi Du nur ’den Hauf - Prüfend durchging er jeßt den» Garderobefchrani. F Heiliger Bimbam! Er mußte doch fnoch eine Reithose haben. Und nun ,entfann er sich dunkel. Die hing lwohlverwahrt in Wesierburg in fei nem Junggesellenquartier bei der Zi vilgarderobe. » Dem armen Amtsrichter in Uni lforrn lief der lalte Schweiß von dem iforgengequiilten Haupt. Draußen pfiff Pachulle in schmei zenden Tönen ein paar Tatte, die er von der Tochter ihres Quartiergebers wohl oft genug gehört hatte: »Ach, wär' ich geblieben auf meiner Heide, So wüßte ich nichts von alle dein Leide." Wütend riß Bentingl vie Tür auf: «Ruhe, Sie alter Botolude!« Krachend fiel die Tür ins Schloß und der verzweifelte Oberleutnant ins altersfchwacke Kanapee. «Schickfal, nimm Deinen Lauf!« i i i Am anderen Tage ließ sich die Chose besser an, als bang Bentingl es sich in feinen diifteren Gedanken hatte träumen lassen. Waldhufen, fein Gegner auf dem Felde der Ehre, hatte ihm, do beide so ungefähr gleicher Statut waren, großmütig die lederne Unaussprech liche gepumpi, und Leutnant v. Ax ner, der BataillonS-Adjutant hatte in iameradfchaftlicher Weife fiir eine »Gefecht5iuh«, wie er die« iammfrow me, hochbeinige Schimmelftute etwas defpeltierlich benarnfete, gesorgt. Dann ging die Geschichte los. Nach dem guten Anfang hatte Hans Ben tingt wieder Mut gefaßt, die Stute schien auch heute ihren guten, duld famen Tag zu haben, ja, als auf dem Marfche sum Rendezvouövlaße der Herr Oberst mit feinem Stabe an der Kompagnie vorbeisprengte, raffte das edle Tier auf ein schüch tern verabfolgies Sporngeben sich so gar dazu auf, die vorfchriftsmiißigen Galoppspriinge zu machen, als der Oberleutnant zur Meldung an den herrn Oberst beranritt. Aber Gott fei Dant, die Uebung war jeßt zu Ende, vor allem, sie war in jeder Weife sur voilfien Zufrie denheit veriaufen, und die Truppen schickten sich an, den fchon vorausge rittenen Stöben zu folgen und in die JQuartiere einzuriicken Oberleutnant Bentingk atmete aus« Jett kam der Augenblick der Erlä sung. Das Kommando wurde schleu nigst dem ältesten Leutnant der Kompagnie übergeben, und dann schlug sich der Sieger aus seiner Schimmelstute schleunigst seitwärts in die Büsche. Jrgendwo in der Nähe mußte nach Auskunft der Karte ein ländliches Wirtshaus im Walde liegen, und es verlangte ihn nach einem guten Glase Bier und —- Lust. Die Unisorm drückte gar zu sehr. Da leuchtete auch schon zwischen dem dunklen Grün der Bäume das vielversprechende Schild der Wald schänle hervor, und erleichtert atmete Bentingk aus. — Der Oberleutnant hatte lich reich liche Rast gegännt, und als er unge fähr eine Stunde später im ersten Dämmern des Abends sachte im Schritt über die stille Chaussee heim wärts ritt, war sein etwas schwerge wordenes Haupt voll der anmutigsten Träume. Und sonderbarer Weise gingen seine Gedanken immer wieder den selben Weg, führten ihm immer wie der daö Bild der bildhiibschen jun gen Frau vor Augen, die in ihrer jugendlichen Frische und mit ihrem entzückenden Charme es ihm vor kur zem beim Gartenseste des Ossizier korvs angetan hatte. Seit er erst ersahren hatte, dasz sie Witwe und in jeder Weise unabhängig sei, konnten seine Gedanken nicht mehr von ihr loskommen. Auch das edle Roß war« ties in Gedanken. Jn rosigem Lichte erschie nen ihm die realen Freuden des hei matlichen Stalles dem es jth so ge miitlich, ganz nach seinem Gusto, zu trotten durfte. Und in diese zufriedenen Träume zweier glücklichen Seelen hinein schrillte geltend plödlich das Signal einer Hupe, ein mächtiges Schnauer .aus nächster Nähe ertönte, zwei un heimlich große Augen rasten heran, vorbei und waren gleich darauf ver schwanden Jst es erstaunlich, daß die Träu mer fürchterlich erschraken? Daß zwei Sporen geradezu mörderlich in die Flanien der edlen Gefechtsluh dran gen? Daß das also mißhandeln Tier vorn und hinten austeilte, einen gewaltigen Satz machte und dann heimwäris rasse? Als hans Bentingl wieder Herr seiner fünf Sinne wurde, saß er auf recht in einem Chausseegraben, mit schmer enden Gliedern nnd mit weit tlassen n Neithosen Von der viel geriihmten irengeduldigen Schimmel ftute leine Spur. Daiitr leuchtete-i in der Ferne freundlich die Lichter der Garnison »Das siest ist ab, natürlich« und meinen Degen hnks doch mitgenom men, so’n niederträchtiges Mehl« marmelte er resigniert, während er gewissenhaft seine einzelnen Glied maßen ahtastete und ihre Vollziih ligteit feststellte. f »Gott sei Dant, edlere Teile schei nen ja nicht derleht, aber das Lös chen, na, ich danke.« Er hatte sich aufgelrohhelt und der fuchte unter den undentlichsten Kör perverrenlungen die Größe des Scha dens festzustellen. Sehen konnte er nun zwar nichts, aber was er fühlte, mochte ihn gerader trostlos. Bis ihm dann einsiel, daß er vorsorgli cher Weise ein paar Sicherheitan deln eingesteckt hatte· Diese zog er nun mit schmutzigen Händen hervor Fund reparierte mit ihnen so gut oder LVielmehr so schlecht es gehen wollte, »den Schaden. ! Dann überlegte er, so, in diesem sAuszugh über und über mit dem sSchmutz des Grabens bedeckt, ohne jDegem konnte er unmöglich nach phausu das einsachste war«noch, er wartete, bis ein Fuhrwerk oder sonst was des Weges kam, dann würde sich schon Rat schassen lassen. Und schon zeigte sich in der Ferne auch ein schwankendes Lichtlein, das rasch und geräuschlos näher kam. Aber als er dann in dem Licht kreis der Azethlenlaterne stand und die einsame Radlerin ertannte, hätte er sich am liebsten in den tiesinner sien Erdboden verkrochen, denn sein Gegenüber war niemand anders, als Frau Bernhardi. die süße Königin seiner Träume. Uebrigens war sie ebenso sehr er schrocken und verlegen, wie er, und als er mit dem schlecht gelungenen Versuch, scherzhast zu sein, ihr sein Abenteuer erzählt hatte, da blinkte in ihren Augen etwas, was Mitge siihl, aber ebensogut noch etwas schö neres sein konnte. Erst als er ihr lehhast beteuerte, daß er sich gar nicht verlth habe und keinerlei Schmerzen verspüre, war sie beru higt und sand sogar ein ganz rei zendes Schelmenlachen, in welches er hell miteinstimmte. Dann aber wieder ernster wer dend, meinte sie: »Nun aber eine Frage, Herr Oberleutnant, was san aen wir seht an. wie bekomme ich Sie nach Hause, soll ich Ihnen mei nen Wagen herausschicken?« Lebhast wehrte er ab: »Nein, mei ne Gnädigste, unter keinen Umstän den dulde ich das, aber« —- mit einem unsicheren Zögern suhr er sort — »wenn Sie wirklich etwas sttr mich tun wollen, so schicken Sie, bitte, den ersten besten Soldaten» den Sie in der Stadt antressen, zu mei nem Burschen, er soll mir mit dem Umhange und mit dem Degen hier aus der Chaussee entgegentommen. Wollen Sie das wohl tuns« Sie sasz schon wieder aus dem Na de und wintte mit der Hand zurück. »Wird gemacht, Herr Bentingi« und sauste davon. Geriihrt und beglückt sah er ihr nach, dann setzte auch er in süße Gedanken verstrickt, langsam seinen Weg sort, der Stadt zu. Noch nicht ganz zwanzig Minuten waren seit ihrer Trennung ver-gan gen, da leuchtete von der Stadt her lomrnend wieder eine Faheradlaterne aus« und ehe der Berdutzte sich zu sassen vermochte, stand das holde Weib auch schon lachend vor ihm und hielt ihm den gewünschten Umhang hin an der Lenistange blitzte der Korb des Degens. «Jhte Anweisung hatte einen Felt ler, Herr Dberleutnant," lachte die schöne Frau übermütig, »sie war zu umständlich, darum habe ich mir er laubt, sie entsprechend zu korrigie ten-« Dann, mit einem bang fraaeudeu Blick in das Gesicht des Ueberrasch ten, feßte sie errötend hinzu: »Oder hätte ich das nicht tun dürfen? War es irnfchicklich?« Der Menschenlenner war in Hang Bentingl erwacht, und so haschte er nach ihrer Hand und sagte als ein zig richtiae Antwort nur ein einziges Worts «Erila!« - Aber in diesem einzigen Wort musz wohl eine ganze Welt ungefprochener Worte gelean haben, ·denn in dem nächsten Augenblicke hing Erita Bernhardi an seinem Halse und barg das rosig überflutete Gesicht an sei ner Schulter. Arm in Arm wanderten sie dann zusammen der Stadt zu; mit der freien Linien lenlte Hans das Rad. Was sie alles sich erzählt haben, hat lein Dritter erfahren, aber etwas sehr wichtiges muß es gewesen sein, denn wenige Tage später flatterte die Verlobungsanzeige des jungen Paares in die Winde. Als Major v. Schulz, ein veran cherter Junggeselle, dann am Be suchstage den Jungverlobten seine Aufwartung machte, meinte er mit einem Seitenblick auf- die stattliche Braut fchmunzelnd zu dem Bräuti gam: .,,Sie Bentingl, um den Preis feg ich mich auch mal unfreiwillig einen Chaufseegrabetw M —Wiemanfpticht. »Blei de im Lande und nähte Dich redlich,« dachte die Mode, da kroch sie noch tiefer in den Mise hinein. sie Zimmer-nacht Zlizze von Leiielotte Winseld· Noch lag bronzefarbener Abend fchein auf den oberen Fenstern der Häuser, und die wie blanles Messing schimmernden Wollen am Weithimmel machten noch leine Miene, sich hinter dem Putpurstreifen an der Erdgrenze zu verstecken. Lächelnd begann die Sommernacht ihr unendlich fein ersonnener Spiel mit Blumensehnsncht und Menschen herzen. — Jm Pensionat der verwitweten Frau Obersteuerlontrolleur Pielide waren alle Fenster weit geöffnet Frei lich. Frau Pielicke selbst fühlte sich am wohlsten in einem Valuum. Ihr Al loven hatte nur ein sogenanntes Och senauae hoch oben in der Wand zum Lüften. Aber die anderen: ihre glattgeschei telten Töchter, der mit Siebenmeilen ftiefeln auf seinen ,,Oberleorrer«los gehende Sohn, der möblierte herr Doktor und das möblierte Fräulein, tranken in vollen Zügen den zaubert schen Atem der Sommernacht. Schon begann das süße Gift zu wirken· Unter den glatten Scheiteln der haustizchter rumorten aufsäfsige Gedanken, mit denen sich die beiden jede insgeheim — auf ihren heißen Kissen herumbalgten. Der Sohn des Hauses schmiedete mit-wild geschwun ’genem Feder-haltet Veise am Schreib »tisch. Doktor Lorenz lehnte am offe znen Fenster und dachte an das lieb liche Lockenmädel, das —— o Wonne fund Pein zugleich — mit ihm auf demselben Hausgang wohnte. Das liichelnde Mädle aber stand in hut und Handschuhen in der Nähe ihrer Tür. Wie sollte sie es nur anfangen ohne die .ehr moralische Frau Pielicke in Harnisch zu bringen — auf ein halbes Stündchen aus dem Hause zu schlüpfenZ Sie hielt es einfach nicht aus in den stickigen vier Wänden. Da kamen leise Schritte den Gang herauf. Der Schleicher ging offenbar auf Strümpfen. Vor Lisas Zimmer machten die Schritte halt. Ein Brief chen wurde durch die untere Türspalte geschoben. Dann entfernte sich das sachte Tappen. Lifa hob den Brief auf, öffnete ihn. Verse —! Erstaunt las sie die mu fterhast geschriebenen, sorgfältig aus gefeilten Jamben. War der Doktor mit den hübschen, dunklen Augen der Uebeltiiterk — Lisaz Wangen be deckten sich mit zartem Karmin. Da entdeckte sie noch eine gekritss zelte Zeile am Rande des Bogens: »Um halb zehn an der Ecke der Pro menade —" »Frechmops,« dachte Lifa und warf den Kopf in den Nacken. »Nun ge rade nicht.« Sie feste sich auf das Sofa, der Uhr gegenüber· Schon ein Viertel zehn! —- Die kleine Lampe brannte trübe. Es war, als schiele die gelbe Flamme mißmutig zum Fenster hin. Wie ein wundervoll - tiefblauer Vorhang breitete sich der Himmel um das offene Fensterrechteck. —— Die Entreetiir wurde leise ausgeschlossen Lisa blies entschlossen die Lampe aus-. »Was ist denn dabei?« dachte sie, um sich Mut zu machen. Sie hatte die Klinke schon in der Hand, da kamen wieder tastende Schritte den Korridor herauf. Dies mal gingen sie an Lisatz Zimmer vor bei. Ein Weilchen blieb alles still. Tann klappte von neuem die Woh nungstiir. s uifa ging hinaus-. Der promoor lag in ödem Schweigen, nur hinter der Tür der Haustöchter war ein Rascheln und Flüstern. Auf der Straße nahm die Nacht Lisa in die weichen Arme. Wie im Rausche schritt sie dahin. Lisa fühlte plötzlich Schwingen in sich, die sie über Furcht und Alltags kleinlichkeit hinwegtrugen. So süß dusteten die Lindenblüten, das Was ser des Kanals schimmerte zu ihr her über wie ein feuchtdunlles, lächeln des Auge. Da waren ihre Gedan ken wieder bei Doktor Lorenz. Ob er drüben auf sie wartete? Lustige Stimmen füllten die Kur-s Ipromenadr. Ein Feuerwerl von ver liebten Blicken blitzte allenthalben. An der Ecke stand eine dunkle Ge stalt neben Lisa. Sie erschrock. Der promadisierte Kopf des jungen Pie licke neigte sich vor ihr. Dem hätte sie nimmer eine solche Uebeltat zuge traut. »Gut-km die-m ---— nütze den Tag sagt der alte Horaz,« sprach der lan ge, junge Mann salbungsvoll »Aber wir haben ja Nacht, Herr Pielicke," unterbrach ihn das Mädchen schlemisch »gleich wird’s zehn Uhr e n.« Er schaute sie verblüfft an und rang nach Worte-. Seine Miene er starrte aber zu völliger Rotlosigkeit, als Lisa plöhlich an ihm vorbei einem anderen die Hand reichte —- Doktor Lorenzl »Ich danke Ihnen, daß Sie gekom men sind, Fräulein Lisa,« sagte des Doktors warme, marlige Stimme. »Ist es nicht eine Sünde, diesen ein zig schönen Abend im Zimmer zu verbringeni« »Etgentlich hätte ich nicht kommen dürfen,« lachte Lisa. »Ist-re Verse haben es nicht verdient.« »Verse —--? Jch bin unbescholten,' beteuerte der Doktor. »Ich habe den Schatten des Jtaros bisher nur per Flugmaschine herausbeschworen.« Der junge Pielicke legte seine leicht zitternde Hand auf des Doktors Arm. »Die Sachlage wird sich gleich klä ren, wenn Sie hören, daß ich der Urheber der Verse bin,« —— er wars sich in die Brust —- ,,ich bitte Sie also, die mir von Fräulein Lisa ge währte Zusammenkunst nicht länger zu stören.« »Nanu ---?" machte der Doktor und sah erstaunt aus Lisa· Jn ihrem Gesichtchen, das im Schein der blauen Sternennacht be rückender denn je aussah, prägte sich eine so drollige Entriistung aus, daß er laut auslachen mußte. »Mit wem Fräulein Lisa den Abend verplaudern will, hat sie doch in erster Linie selbst zu entscheiden,« sagte er dann in beschwichtigendern Ton. Das steisleinene Gesicht des an gehenden Oberlehrer tötete sich gar zu surchterregend. »Aber sehr!« rief Lisa mit bliyem den Augen. »Sie sehen doch, Herr Pielicke, daß Herr Doktor Lorenz hier aus mich gewartet hat. Wie kann ich da Jhnen ein Rendezvous gewährt haben?« »Aber Sie haben doch meine Verse ethalten,« stotterte der arme Herr Pie lickr. Auf einmal verzerrte sich sein Ge sicht. Die anderen folgten der Rich tung seiner erschreckten Blicke. Aus der bunten Reihe der Promenierenden hatten sich zwei schwarze Gestalten ge löst und standen nun - — wie zu Salz säulen erstarrt -«— vor der Gruppe. «Geschwister Pielicle,« mnrmelte der Dottor, sich das Lachen verbei ßend »ich glaube, da hab’ ich was Schönes angerichtet« t Er bengte sich vor den hageren sJungfrauen. »Wollen Sie auch den zherrlichen Abend genießen, meine Da imeni —- Dann schlage ich vor: wir, ’die wir uns hier alle durch Zufall« I— er räusperte sich —s- »zusammenge sfunden haben, gehen in den gemiitlis schen Biergarten hier am Wasset.« I Er bot Lisa den Arm. Sie legte lmit fpißbiibischem Lächeln die hand -hinein. — Die beiden Schwestern. Ideren Gesichter unter der schwarzen ,Hutkrempe noch länger als gewöhnlich erschienen, machten eine wütend - ab-« wehrende Bewegung. » »Wir müssen danken,« sagte die Aelteste spitz. »Wir haben nur ge «hört, daß unser Bruder noch spät Idas Haus verließ, und sorgten uns um ihn. Nun, Albert —« ihre blas «sen Augen bohrten sich in die des zu lsaninrentniclenden Oberlehrers in spe — »wir kommen wohl gerade zurecht, Dich vor einer Gefahr zu bewahren· fDie feuchte Lust am Wasser könnte sDir schaden« i »Die schöne Sommernacht — stammelte Albert. « »Ob Sommer oder nicht,« unter ibrach ihn die Aelteste streng, »die JNacht gehört dem Schlafe. Unsere igute Mutter wird uns Dank wissen idaß wir Dich rechtzeitig eingesangen.« E Die Mutter —! Es bedurfte nur tdieser Reminiszenz, um Alberts et lwa noch revolutionierende Gedanken .lirre zu kriegen. Stumm und et »was vorniibergeneigt folgte er seinem ledigen Schwesternpaar. ; »Was trieb denn die hierher?« ssiagte Lisa wundernd, als der Men schenstrom die drei Pielickes ver Ischluckt. »Sie sahen aus« als hätten Isie schon im Bett gelegen nnd wären nur schnell wieder in die ganz zschief sitzenden —- Kleider gefahren.'« »Ist Jhr Zimmer eigentlich die erste ,oder die zweite Tür rechts?« fragte set, als er wieder normal zu atmen Evermochtr. »Die erste ——-« antwortete Lisa im ;nrer ersiaunter. — l »Dann —-— hin —« der Doktor imachte ein seltsam vergnügtes Ge -sicht ——-— ,,werden wir beide wohl am IMonatgersten auf Flügeln der Kün jdigung aus dem Hause der verwit iweten Obersteuerlontrolleur flie gen.«-— « i Des Doktors Ahnung erfüllte jsich zum Teil. Frau Pielicke ließ zfchon am nächsten Tage Fräulein Li ifa Werner in das Wohnzimmer bit Iten und beschwor fie feierlichft, doch isja nicht wieder — wie geftern --— bis thvölf Uhr herunrzufchwärmen Die ISoInmernacht berge zuviel Gefahren für ein junges Mädchen. Als ihr Lifa darauf mit ungeahnter Courage erklärte, daß sie gegen derlei Gefah ren gefeit fei, bedauerte die Frau Obersteuerlontrolleur unendlich, unter diesen Umständen auf das Vergnügen, Fräulein Lifa unter ihrem Dache zu wissen, verzichten zu müssen. Lisa Werner ,,zog" nach am fel ben Abend. Herr Doktor Lorenz aber erfreute sich mehr denn je der Gunst seiner Wirtin. Wo sie nur konnte, zeigte sie ihm ihr greinendes Lächeln, überhäuf te ihn mit Freundlichkeitem Der Doktor ließ sich widerstandlos ver hätfcheln. Nur wenn ihm — merk würdig oft —- das essigfaure Ge ficht der glattgefcheitelten Aelteften auf der Treppe und tm Gange entgegen feixte, wappnete er sich mit kalter Höflichkeit Die beiden Schwestern befehdeten einander fett jenem Abend. Jede .glaubie nämlich von sich: sie sei auf jenem Zettel, der kaschelnd durch die Türriye gekrochen, gemeini. Jnöges Iheim hoffte-i alle beide. der Doktor-, ·den doch nur das ränlesijchtige Fräu lein Lisa umgaknt und — wie ihr armer Bruder Albett —- dem Zau ber der Sommer-nacht erlegen, wiirde wieder zu einer von ihnen zurückkeh ten. Aber alles Lauschen in Stille nnd Dunkel hinein half nicht. Kein Zet iel lud sie mehr zum gemeinsamen Sonimernachisiräumen ein« Eines Tages hoben die beidm Schwestern die löstige Fehde auf und feierten — etwas resigniert —- Ber söhnung miteinander. Das war, als der Doktor Lvrenz der hochgeschötzten Familie Pielicle seine Verlobung mii Fräulein Lisa Werner mitteilte. Am nächsten Tage »zog« auch der Doktor-. W Erfindung des Löschpsvierb Erfindungen werden vielfach durch Zufälligkeiten gemacht und dies trifft eigenartigerweise ganz besonders bei den größten, epochemachenden zu. So ,,erfand" Berthold Schwarz das Pul ver durch einen Zufall, als er Gold machen wollte, und namentlich die Chemie führte die Forscher durch un gewollte, unbeabsichtigte Reaktionen zu wichtigen Entdeckungen. Daß auch das Löschpapier einem solchen Zufall seine Existenz verdankt, dürfte nicht allgemein bekannt sein und möge deshalb hier den Lesern mitgeteilt werden. Jn einer kleinen Papierfabrik Thü ringens war der erste Meister in vielbeschäftigter Mann, der sich um alle Einzelheiten des Betriebes zu be tiimmern hatte. Er richtete die Ma schinen ein, bereitete die Masse, kurz: er erledigte alles selbst. Eines Tages war wieder scharf zu tun, und in der Hiße des Gefechts vergaß er, der flüs sigen Papiermasse den Leim zuzu setzen. Die Maschinen verarbeiteten nun den so vernachlässigten Brei, und bei der Prüfung zeigte sich zum größten Entsetzen von Chef und Meister, daß das Papier zum Schreiben absolut untauglich.war. Es fühlte sich an wie ein weiches Tuch, war leicht zer reißbar und wollig und ließ sich über haupt nicht beschreiben. Den Meister trafen die heftigsten Vorwürfe. Als der Chef in seinem Unmut eine heftige Bewegung machte, stieß er ein gestill tes Tintenfaß um« dessen Inhalt sich über einige naheliegende Bogen ergoß. Zum großen Erstaunen war die Tinte sofort ausgesogen. Der Meister, ein intelligenter Mensch, griff sofort die Jdee auf und machte dem Chef den Vorschlag, das verdorbene Papier als ,,tintenaufsau gendes« Papier zu «vertaufen, um wenigstens auf die Selbstkosten wieder zu kommen. Zunächst dachte er nur daran, das Material schadlos zu ver-« kaufen. Der Chef ging auf den Ge danken ein und im Handumdrehen waren die Ballen mit gutem Gewinn verkauft. Erst jetzt kamen beide auf den Gedanken, ein derartiges leim loses Papier systematisch herzustellen und sich einen neuen Industriezweig zunutze zu machen. Die Firma nahm durch diese Fabrikation einen unge ahnten Aufschwung und der Macht same Meister hatte seine Nachlässigkeit dadurch zu büßen, daß er nach kurzer Zeit zum Kompagno:. ernannt wurde. Auf diese Weise sind wir vom Sand faß zu dem viel reinlicheren und be quemeren Löschpapier gelangt. -" Adernlåubtfche Erntesevräuchn Die Erntezeit ist in den versch1: densten Gegendm eine Zeit des toll s:en Aberglaubens und vieler aus diesem heraus entstandenen Redens arten. Wenn eine Mutter ihr Kind warnt: »Geh nicht durch das Korn, di: wirst du hineingezogen«, so dentt sie heute wohl mehr an gefährliche Menschen, die iin Hinterhalt liegen, und doch ist diese vielgebrauchteWar »ni:n,i nichts andere-Z als der unbe ioitßte Niederschlag eines alten Aberglaubens, des Glaubens an den Roggenwolf oder den Kornwols, der ans dein Lande noch heute nicht ans gerottet ist. Wenn der Wind die Lehren in wellenförniige Bewegung versetzt, heißt es: Der Wolf geht di.1ch das Korn, der Roggenwolf jagt über das Feld oder so ähnlich; das wiederholt sich sogar in franzö sischen Landschaften: Le loup est dans les bless. Dieser Wolf spielt besonders zur Erntezeit eine bedeu tende Rolle. Wird ein Arbeiter wäh rend der Ernte traut, so sagt man: »Im Roggenwulf hät ein unnerträ gen«. Jn d letzten Garbe Hist der Wols"; die Binderin der lehten Garbe muß den Wolf herausholen Auf Rügen tust man ihr zu: »Du büst Wolf«, und, zu Hause ange langt, beißt sie die Frau und die Wirtschasterin, wofür sie dann ein tüchtiges Stück Fleisch erhält. Auch diese und andere abergläubi schen Gebräuche sind wiederum nichts anderes als der Niederschng oorzeitlicher heidni cher An chauun gen, die die mann gsachen orinen, in denen sich das Leben der Natur äußert, ersonisizierte «und Feld und Wald nit guten oder bösen Geschöp fen bevölkertr.