Image provided by: University of Nebraska-Lincoln Libraries, Lincoln, NE
About Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918 | View Entire Issue (Oct. 4, 1912)
Nebraska Staats-Anzetger utkd J set-old »san«-· uska rTheti. mmmmm 3 sie Icsio - Von Is. M. But da Nun läßtdn mich in deinen weichen edvolle· dnnle Gne des-Ei rin, gen Sturm und Ytreit des knu nTagI erwarmen Und kühl den hei . rudel en Sinn. Und breit-est deimßejiteriidiit flammen Ums milde haust inild lggelnd mir In tiefer-, andachtsvoller— Friedens Du stille Zauberin —- geliebte Nachil Und trägst auf leigen,» silberweißen chtvnzqen Jn- Märchenkeich der Traume mich einp por, Wo Engelchöre iiße Lieder singen — Und öffne mir ittvanas goldnes Tor Dort Uliin der Liebe tote Himmels lmntnem Dort riefelt des ersåessens einget o ue — Und Frei-den« die dein Paradies ent minnen Erbliibn der Seele, Erfhlend sonnen Dn bannft das Web, du bringst das wilde Sehnen Mit sanften miittekli er Hand zur Deckst Scham und Zweifel schmerzens bittte Tränen s- Mit deinem blauen Wimdermantel Du neigst dein göttli Antlih voll set-· arme en Der müden Etdenwelt in lel'ger Macht. Und hältst nnd lind in deinen weich: n Armen, Du stille Zauberin —- geliebte Nachti Kamme-. Stizze von J. Oppen. i Krrr — Krrr — Krrr. — Der Bohrer drehte sich inirschend in die Sandsteinquader der Fassade des ele ganten Wirtshause-L in dem die jun ge Aerztin ihr Heim aufgeschlagen hatte. hermine öffnete den Fenster fliigel vom Hochoarierre und sah hinab. i Noch ein paar kräftige Schläge, und das wckße Schild mit den großen schwarzen Buchstaben sasz fest. Die heißen, weißgelben Sonnen strahlen brachen sich auf der ovalen, gleiszenden weißen Fläche. Das Schild strahlte ordentlich auf und mußte jedem Vorübergehenden auf sallen. Hermine zog langsam den Kon zurück. Im nächsten Augenblick würde der Arbeiter kommen, um fei nen Lohn in Empfang zu nehmen. Er sollte ihre kleine Neugier und Erregung nicht schauen, das Schild trug ihren Namen: Dr. Hermine horner, Kinderarzt. Sprechst. 9—10 und H. f Sie sah es im Geiste immer vor ich Zehn Jahre lang hatte dieses Schild gleichsam als Fata Morgana am Hort ont ihrer Träume geschwebt, ihren Eifer angefacht, sie vorwärts getrieben, unaufhaltsam, iiber manche Klippen, iiber schwere Hindernisse. Heute war der Traum Wahrheit ge worden, sie war am Ziel. Der Beginn eines neuen Lebens tagte, eines Lebens, das ihre ganze Kraft, ihren Mut und hohe Selbst verieugnung forderte, ein Leben, das den ganzen Menschen« ihr vollständi ges Jch verlangte. Jhr ganzes Jch —- sie seufzte Würde sich wirklich ihr Jdeal er fiilleni Würde sie restlos ausgehen in ihrem Beruf und das Glück fin den, den Frieden, das volle Ausge fiilltsein, das sie allesn als erstre benswert ansahi »Wiirde . . . .« Jhre ernsten Gedanken unterbrach der ? schrille Ton der elektrischen Glocke. Sie fuhr aus. War es der Arbeiter , —- der erste Patieni —- oder —- i F Ein Eises Not färbte ihre Wangen. ’ Stockenden herzschlages hörte fie, wie s- das hausmiidchen die Tilr öffnete. Jm nächsten Augenblick flog eine junge Dame durch die breit geöffneie - Flügeltiir, die das diensteifrige Mäd chen geriiuschios geteilt, irr. eleganien Trotteurtostiim, einen riesigen Dut mit wippenden Federn auf dem Kop fe, auf sie zu. »Min, willkommen im eigenen mi« Ein Tuff dunkler Rosen, in eidenoapier gehüllt, wurde achtlos auf den Schreibiisch geworfen, um heide Arme frei zu haben u einer örtlichen Umarrnnng. die e" junge erzitn etwas verwirrt erwiderte. : «Denie dir, hier im Gartenhaus t. wohnt meine Schneiderin. Ich habe zwei ellenlange Stunden eine ermit dende Unvrohe gekostet, und als ich todmiide hinaustomnie, sehe ich, wie f. dein Schild angeschlagen wird. Da hielt’s mich nicht liinger. ich mußte u dir. hin also der erste Statu ant, hof entlich folgen mir bald an dere, und vor allem Patienten.« Mia liicheltr. " Die Freundin fuhr fort: »Ich hilde mir ein, dir Glit- Fn hr en; denn, Mia, seit gestern h n ich aut.« »Ist-:- FWWJ n die glückstrahlende Freundin herzlich an. »Meinen Glückwunsch!« »Ja, ja!", lachte die Braut, »und er, der Herrlichste von allen, ist dein Lehrer, Professor Waldowz fiir mich selbstverständlich nichts Anderes als frnein einziger, geliebter Kurt. Jm Eiihrigem wir sprachen oft schon von sdir. Er schäst dich hoch, deinen Fleiß. deine Energie. Du wirst doch bei suns vertehreni Besonders, da sein serster Assistent. Doktor Isrsier, wohl »auch eine zeitlang mit dir zusammen ·rudiert hat? Er sagte wenigstens etwas davon.« Die jun e Dame hatte sich, so plauk dernd, au die Kante des großen Schreibtisches gesehn inöpste ihre Handschuhe auf nnd ließ einen blit zenden Diamantring in der Sonne funkeln. »Von ihm,« sagte sie, und hob die Hand ein wenig vor. »Wie stolz hin ich und wie glücklich!« hermine sah in das junge, strah lende Mädchengesicht, und neben die ses trat vor ihrem Geiste das Bild des ernsten Gelehrten, des Professor Waldow. Wie war es möglich, daß dieser streng arbeitende Geist, dieser tiefe, rastlose Forscher, sich an- dieses junge, leichtlehige Wesen band, das ihn ja nie, nie in seinen Tiefen be ngeism »in-n würd-ex f Die junge Braut plauderte weiter, wie es so schnell gekommen sei, gleich einem Gewitter an einem sonnenhellen rühlingstage. Er hatte sie sast an Ich gerissen, sie litt es, ohne sich selbst eigentlich iiber ihr Empfinden klar geworden zu sein. »KUrt verlangt nicht, dasz ich seine beruflichen Jn Hteressen teile, er will mir alles serns halten, was ernst und schwer ist. Jn ) f i unserem Heim sollen nicht die Seuf zer und Klagen widertönen, die er in Hseinen Arbeitsstunden hören muß. Er Lwill ausruhen, glücklich sein. Wie sroh bin ich darüber! Unsere Villa fliegt ganz abseits von dem Kinder lheim. Karbob und Jodosormgeruch sind-mir schon immer fürchterlich ge ;wesen.« Sie zog ihr seines Näschen »kraus und schnupperte. »Gott sei »Dank, hier riecht noch alles nach sti schem Laet und Firnis«, suhr sie sort, sich im Zimmer umschauend, aus die großen Glasschriinke deutend; die mit hellem Holzrahmen verziert waren. »Nun muß ich aber sort, leb« wohl, Mia! Uebrigens, du siehst samos »aus; dein schönes braunes Haar sun telt fast rötlich, wenn die Sonne daraus scheint, und so kokett und scheinbar zwangslos srisiert. O, ihr gelehrten Frauen, ihr wißt trotz al lem, was euch steht. Das schwarze Kleid —- kintt rate-, Kleine! Wie hast du zu all dem noch Zeit gesun lden während deiner Examensnöteil Doch iegt »mus; ich aber endlich ge hen, in einer halben Stunde tommt er. Ich will zwar nicht pünktlich sein« er soll nicht verwöhnt wewenz ein bißchen harren, ein bißchen Un geduld sacht die Zärtlichkeit an, und man muß sorgen, daß er in Atem bleibt. Addio, Liebste! Soll ich ihn grüßen von dir. und auch den ande ren, Doktor Försteri Er ist heut Tabend zum Tee bei uns, Nachseier des gestern improvisierten Verlo bungssoupers.« Mia antwortete: »Förster sehe ich morgen, ich sehe ihn sast alle Tage, da ist ein Gruß wohl unnilw »Ja, ja," entgegnete die Freundin, indem sie die handschuhe rasch über die zart gerundeten Arme streifte, Lihr verkehrt ja so kameradschastlich, sda macht schließlich ein Gruß kaum einen Eindruck. Merkwürdig, daß sdie Kollegen euch so ganz ernst neh men, so ganz als Gleichgesinnte be trachten. Ob das jede von euch wünscht?« «Zweisellos,« meinte die Aerztin Iernst, »das ist doch angestrebt worden sin heißen Kämpfen, und endlich im lallgemeinen wohl erreicht. Der Steg khat viel Arbeit, viel Ovser getostet·« i Die junge Braut hob die hand ",,Jch zweisle, ob ihr alle so ernst ge nommen werden wollt, oder geht mit dein ersten Sezierversuch euer Frauen empsinden in die Brliche und lähmt er etwa den Muskel, den man herz nennti« Sie lachte. Die wihige Be merkung schien sie selbst am meisten Q zu amiisieren. I permine geleitete die Freundin bis zur Titr und legtere sagte: »Komm doch noch vor dem ossiziellen Ein - sang zu uns aus ein Plauderstitn · chen. Kurt wird sich seeuen, doch ch simeeln ist nicht. Leb wohl, chai, vel Glück zur Arbeit!« Und lustig »Au; in den Kam s, Torero« oor sich inteiilkernd, sog sie die zstusen hinunter, winkte einem an der Ecke stehenden Auto und war sehr Ibald im raschen Gefährt verschwun den« , kminc haa- sich m vm Schreib tis uhl gesegt, enthüllte langsam die osen aus dem Seidenpapier und state leise vor sich hin: »Ob sie wohl Ja wünschen, ernst genommen zu werdens-« Ein heißer Rot stieg ihrs in die Wangen. Ernst genommen wohl alle im Beruf, doch im Lebens Sie stand aus, füllte eine Vase mit. Wasser und stellte die Rosen hineinJ Der süße Dust umiosie sie, sie schloß, ermüdet die Augen und träumte,t träumte noch einmal in die Vergan-l genheit, in jene Zeit, da sie täglichI mit ihren Kollegen und Kameraden, mit Dr. Förster besonders, gearbeitet. Sie waren unzertrennlich, halfen einander, forderten sich gegenseitig.i Förster hatte schon Leit einem Jahres die Assistentenstelle ei Weilde anss genommen. Seine Mittel erlaubten es ihm nicht, die Dozentenlausbahni einzuschlagen. Er hatte mit siebet haster Eile sich nach einer Brotstelle umgesehen. Was ihn nur dazu ver mocht hattet Seine Verhältnisse kannte sie wenig, sie schienen ihr ein fach, doch geordnet. Persönliches wurde eigentlich nie zwischen ihnen« erörtert, und heute, zum ersten Male,l dachte sie ernster darüber nach. Das Geplauder irer jungen Freundin hatte sie aus ganz andere Bahnen ge slenkt. Wie verschieden ihrer beider »Lebenöwege und Schicksale sich ge Tstalteten, wie verschieden das aussah, iwas sie als Gliick beide betrachteten. im.es »Ou- quue nur stets- qugc teuern Ilustige Mädchen voraus, daß sie her zen gewann, um die andere vielleicht ein Lebelang vergeblich ringeni Wa sren es nur solche Frauen, die geliebt, Jdie begehrt wurdens Und dann sie Ilen ihr die Worte ein, die das junge ’Mädchen so gedankenlos vor sich hin ;:gesprochen Der allzu kameradschaft liche Verkehr schließt wohl die Mög lichieit aus, wenigstens häufig, daß Idie Gleichstrebenden, die Gleichschas senden keinen anderen Gedanken ken Inen, keinem anderen Raum geben, als Idem sich gegenseitig zu fordern, einemI Ziele entgegenzuarbeiten. Wer machte sich da Gedanken, wie es in dem Herzen der einzelnen aussah! Da :mochte wohl manches gute Empfin-! ’den unterdrückt werden, totgerungen,! ehe es noch zum Leben erwacht war I Hermine ging festen Schrittes durch Iden kleinen Raum. Sie bekannte« es; vor sich selbst, auch sie hatte ihren Kameraden einmal mit anderen Au-J Igen angesehen anderes begehrt, als« jseine Freundschaft, seine hilfr. Jhr Herz hatte bang geklopft, wenn sie Iihn erwartet, und hatte ausgejubelt, zwenn er endlich zu ihr eingetreten »Aber nach und nach hatte sie sich be- I Iherrschen gelernt, und ihr Empfinden »mehr und mehr zurückgedrängt; denn IFörster war ihr Freund geworden,I Iihr ehrlicher Freund, nichts weiter. so sollte, so mußte es bleiben.I IFiir die Sechsundzwanzigjährige war der Lenz abgebliiht —, wozu sichI Inoch mit lächerlichen Phantasien undI Hoffnungen plagenil Sie nahm ein Buch aus dem Bücherschrank und ver-I Itieste sich in die ernste Lektiire, und, lbald war sie ganz in Anspruch ge Inommen von ihren Studien. Sie sah und hörte nichts von der Aussen welt, der Lärm der Straße verklang ungehört ..... « Während Hermine so, in ihre Lei-; tiire eingesponnen, am Schreibtisch saß, ging Dr. Färster mit seinem ssiollegen am Hause vorüber; beide Herren blieben einen Augenblick ste hen und lasen aufmertsam dasSchild »Also hier hast du die vollendete Tatsache« begann Dr. Förster; Jetzt hat Hermine den Schlußstein zu dem Bau gefügt, den ich mit habe aus- « richten helfen. Tor, der ich war, sieI nicht früher siir mich zu gewinnen! IWir haben uns trotz aller Freund schaft, trog der Berussgemeinschast auseinander gelebt, sind nichts einan der geworden, als zwei gute Kanten-I den. Es ist zum Verzweifeln! Jch kann ohne sie nicht leben, und im-. mer, wenn ich vor ihr stehe und zu ihr reden will, hemmt mich der Blick ihrer klaren Augen, die so kalt und ruhig in die Welt schauen, und wir vertiesen uns immer von neuem in ernste Unterhaltungen, die wohl sehr interessant und fördernd sind, doch uns, wenigstens mich, um keinenI Schritt vorwärts bringen. Das geht nun schon jahrelang und zehrt mich aus. Wenn ich sie so vor mir sihen sehe, möchte ich am liebsten sie in meine Arme nehmen, ihr weiches braunes Haar sireicheln und kiissen —I kiissen. Ach, verwünscht, daß gerade; Doltor Vermine Dorner meine stol-l legin i l« Der reund lächelte: »Du fängst die Ges ichte verkehrt an. Wirb um sie, wie man um jedes andere Mäd-· chm wirst rass- ne bei ihm Achill-g- I serse, die sie ebensogut hat, wie alle anderen EvastiichterK ’ und vie war-Z« I i I IDie Eitelkeit.« Fbrster fuhr aus: »Derrnine ist an ders als alle anderen, Dermine ist-" «Ebenso ein Mädchen, wie dte Braut unseres Meisters die erobert sein will, erobert um jeden Preis.u Dr. Förster fuhr aus: »Ich habe kein Talent zu solchen Dingen!« »So lnsz uns doch einmal«, sprach ein Freund weiter, »die List ins ressen führen, schreibe idr einen liebegliihenden Brtes —, so wirst dul am ehesten sie kennen lernen. Dann wird es dir leichter werden, deine Wer-bang anzubringen.« « »Das kann ich nicht!« l Der Freund zuckte die Achseln: »Stell doch mal diesen wissenschaft lichen Versuch an. Jch garantiere dar, daß, wenn sie morgen den Lie besbties und die Aussorderung zu einem Rendezvouö in Händen hat, du in vier Wochen glücklicher Bräuti gam bist's »Du bist srivol,« sagte Förster är geräch »Jm übrigen«, entgegnete der andere, »werde ich der Briesschretber sein; du sollst nichts zu tun haben, old an der Rendezvousstelle dich ein g: finden. Das übrige ergibt sich nn von selbst.« Die Unterhaltung hatte vor der Haustür hermtnes stattgefunden. Bester lüstete den Dut, es schien ihm i den Ratschlägen seines Freundes etwas schwül geworden zu sein. »Or- wik jezt noch hinaufgehen?«, meinte der Kollege. »Nein, ich kann sie jetzt nicht se n-« — Die Freunde verabschiedeten sich. rmine spähte lange die Straße nauf und hinab. Dr. Förster hatte - .versprochen, zu kommen. Sein aus hätte es ihm sagen müssen, daß sihn als ersten in ihrem neuenf gest-I erwarten würde. Sein Herzif ie zuckte ungeduldig mit den Ach-, sein. Was für sentimentale Regun-; gen sie mit einem Male hattet Die» kleine Professorsbraut war schuld daran, die ihr junges Liebesgliick inf so ; kräftigen Farben aufgetragenf Unter Kameraden war man schließ-! lich ganz ungebunden. Gewiß hattet er heute eine Abhaltung, morgen, würde er gewiß erscheinen, oder einen; anderen Tag. Jm übrigen hatten sie ja morgen zusammen im Kranken hanse zu tun. Hermine wußte fo visit vernünftige Gründe, um sein Nichterscheinen zu erklären, aber un gewollt entfloh ein Seufzer der ge preßten Brust, und sic sah noch lange, lange die Straße hinab, bis die Dämmerung alles in Dunkel hüllte und die ersten elektrischen Lampen aufflammten. Dann schloß sie das Fenster, zündete ihren kleinen Tec lessel an und hörte träumend den tin-J genden Wassern zu, die ihr allerlei närrisches Zeug von vergangenen Ta-i gen, von frohen und ernsten Stundenj vorplauderten. ! Arn anderen Morgen fand die jun-; ge Aerztin unter verschiedenen Brief-i fachen ein Schreiben, elegant kuver tieri, zart duftend, in feinstem Bitt tenpapier. Erstaunt öffnete sie, sah lange die ausdrucksvolle und kühne Handschrift an und begann zu lesen. Sie las, las noch einmal und schüttelte verwundert den Kopf. Ein heißes Rot stieg in ihre Wangen. Dann warf sie, über sich selbst zor nig. den Brief auf den Schreibtisch, das Kuvert flog in den breiten Pa vierkorb. Sie vollendete in Ruhe die Lektiire der Korrespondenzen, schickte sich an, das Notwendigste zu erledigen; denn die Sprechstunde war vorläufig eine Stunde ungestörtester Einsamkeit fiir sie, die Klingel blieb ungezogen. Eine Stunde mochte ver gangen sein, als Hermine mit ihrer Arbeit fertig geworden. Sie ordnete ihre Briefschaften, und der auffallend große Bogen, von dem ein feiner Duft ausströmte, kam ihr wieder zwi schen die Finger. Sie las und sann, um ihn wieder ungeduldig wegzuwer fen. Dann nahm sie ihn, kurz bevor sie ausging, von neuem auf, vertiefte sich in die Handschrift, nahm das Ku vert aus dem Papierkorb, suchte nach dem Posistempel und studierte die kühn geschwungenen Schriftzeichen, die etwas besonders Charakteristisches an sich hatten. Der Brief selbst war erfüllt von zarten Duldigungem von tiefem Ver ftehmen. Der Schreiber mußte sie kennen, mußte ihr nahe sein, schien vollkommen mit ihrem geistigen Ent wicklungsgang vertraut und näherte sich ihr ncht als Kamerad, sondern als huldigender Bewerber, auf den ihre Persönlichkeit, das Weib in ihr, Eindruck gemacht hatte. Widerwillig schloß sie den Bogen in ihren Schreib tisch ein und begab sich in das Kin derheim. Zum ersten Male schien sie ihrem Kollegen Dr. Förfter ein wenig zer streut und ver-sonnen« reizbar. Als er ihr seinen Besuch für den Nach mittag in Aussicht stellte, blieb er kühl nnd gleichgültig, nur bei den Beratungen über ihre gemeinsamen kleinen Patienten gewann sie ihr alte Beherrschung wieder. Selbstverständlich hatte Hermine - «.——«--— —--’- A- -—- — auf den Brief nicht geantwortet und längst in Stunden anregender Unter haltung mit Förster am Nachmittag die lleine Episode vergessen. Jedoch am Abend tam ihr der Brief erneut ins Gedächtnis, sie sann und grübelte um ihn unwillig über sich selbst in kleine Fetzen zu zerreißen und end lich dem Papiertorb zu übergeben. Damit schien für sie die Sache abge tan. — Nach einigen Tagen wiederholte sich die eben geschilderte Tatsache. Her mine hielt einen Brief in Händen, der noch eindringlicher, noch huldi gender gehalten war und mit der in ständigen Bitte schloß, dem Schrei ber Gelegenheit zu geben, sie zu se hen und zu sprechen. Der Brief löste genau dasselbe unangenehme Emp sinden aug, wie der vorhergehende, aber ihre Erregung steigerte sich, zu mal da Förstet sich scheinbar von ihr zurückzog und viel in Gesellschaft des jungen Brautpaares war, dessen El tern ein gastlicheg Haus führten, und dessen jüngere Schwestern den hüb schen, slotten Kollegen des neuen Schwagers auszeichnetem Fasi regelmäßig traf ein solcher Brief in der Woche ein; diese Schrei ben begannen Hermine immer mehr und mehr aufzuregen. Unwillkürlich wich sie, nachdem sie wieder einen sol chen Brief erhalten, ihrem Kamera den Förster aus. Sie sahen sich jeßt nur, wenn sie in ihrem Beruf beschäf tigt waren. Hermine stellte bitteren Herzens fest, daß sich Förster in den leßten vierzehn Tagen nicht mehr zu einem Plauderstiindchen hatte sehen lassen. Zu gleicher Zeit erzählte ihr einer seiner Freunde, Kollege von der anderen Fakultät, daß Färfter sehr beliebt im Hause der künftigen Schwiegereltern des Professor Wal dow geworden sei und etwas wie eine künftige Verlobung in der Luft liege. Hermine hatte schlaflose Nächte und trug sich mit dem ernsten Gedanken, das Zusammenarbeiten mit Förster in dem Kinder-heim aufzugeben und in einen anderen Stadtteil zu ziehen; denn sie glaubte, nicht fähig zu sein, ihm unbefangen gegenüberzuireten, nachdem er sich für eine der Schwe siern ihrer jungen Freundin entschie den. Das alles drückte sie nieder. Auf ihrem Gesicht zeigten sich deut liche Spuren seelischen Leidens-. Färsters Freund beobachtete siei und machte seinen Kollegen daraqu aufmerksam. »Der Versuch gelingt,«z lachte er siegesbewußt; »die Kleinej wehrt sich wohl hartnäckig, aber wir kommen doch zum Ziel.« » Förster schüttelte den Kopf: ,,JchZ bitte dich, mache mit deinen faulenj Späßen ein Ende und belästige Her-i mine nicht« Jch bedauere es schon unendlich, mich dir anvertraut zuE haben.« i Der Freund lachte: »Als ob es" dessen je bedurft hätte! Deine Nei gung hast du nie verbergen können, nur eine schien davon nichts gemerkt zu haben, und das war Herminr. Ebenso wie ich meine Hand dafürx ins Feuer legen lönnte, daß du in« ihrem Herzen den ersten Plaß ein nimmst. Aber ich wiederhole dir noch einmal: Frauen wollen erobert sein.« Jn der letzten Woche hatte Her n.ine wieder einen jener Briefe emp fangen, die immer werdender, im mer flehentlicher um eine Unterredung baten. Sie mußte sich schließlich sa-. gen, daß ein Mann, der so stetig um ein Mädchen warb, iein gewöhn licher sein konnte, daß sein Empfin-« den ein ernstes und ein tiefes war. Außerdem schien er ihren Kreisen nicht fremd zu sein, schien sie genau zu kennen. Sein Stil war elegant und knapp, seine Ausdrucksweise au ßerordentlich gewählt, ohne phrasen haft zu klingen. Er schrieb ihr zum Schluß: »Ich erwarte keine Antwort von Ihnen, ich werde Mittwoch um die Stunde an der Stelle, die ich Jhnen bezeichnet habe, Jhrer harren, und hoffe, daß Sie endlich meinen Bitten Gewähr schenken werden. An demselben Tage, an dem Her mine diesen Brief erhielt, hörte sie im Heim, daß man täglich Dr. För sters Verlobung erwarte. Ein wil der Troß, eine Bitterkeit stiegen in ihr auf. So wenig wert schien sie ihm, sie, mit der er Jahre hindurch sein Bestes und Edelstes geteilt. Sie wollte ihm zeigen, daß sie nicht die jenige war, welche sich beiseite dritt-I ken ließ. Sie wollte ihm zeigen, daß auch sie begehrt wurde, oaß sie auch zu jenen Frauen gehörte, die geliebt werden. Dennoch konnte sich Hermine zu dem bewußten Gang nur schwer ent schließen. Berufliche Arbeiten, Sit zungen und Vorträge hatten bereits tm Frühherbst begonnen und nahmen ihre Zeit vollständig in Anspruch. Am Mittwoch ging sie langsam dem bezeichneten Ziel entgegen, mit klop sendem rzen und zägernden Schrit ten. S e mochte ungefähr die grö ßere hölste des Parkweges zurück gelegt haben, als sie von weitem Dr. Försters hohe Gestalt, in dunklen Lodenmantel gehüllt, ihr entgegen kommen sah. Jhr Herzschlag be gann zu stocken. Am liebsten wäre sie zurückgegangen, aber ihre sonst so flinken Füße versagten den Dienst. Mit übermenschlicher Kraft schritt sie ihm scheinbar achtlos entgegen. Er hatte sie schon von weitem bemerkt, hatte ihr Zögern gesehen. Eine helle Röte der Freude verklärte sein Ge sicht, doch zwang er sich zur Ruhe. Schon von weitem grüßte er sie-ehr erbietig und trat dann rasch aus sie zu und bot ihr einen herzlichen »Gu ten Abend«. Er sragte «sie, wohin ihr Weg führe und amiisierte sich im stillen, wie ihr die Röte in die Wan gen stieg, um dann wieder einer fahlen Blässe zu weichen. Wie schwer es ihr doch wurde, unbefangen sich zu geben! Ein heißes Empfinden stieg in ihm aus. Am liebsten hätte er ihre beiden Hände genommen, sie an sich gezogen und ihr den ganzen tö richten Scherz gebeichtet. Aber er durste nicht, noch war er nicht am Ziel. Schweigend gingen sie durch die stillen Wege des Tiergartens. An ihrem Hause angelangt, bat Dr. För ster um eine Tasse Tec. Der kiihle Abend machte sich schon geltend, und außerdem hätte er ihr etwas zu beich ten. Sie sand keine Worte-der Er widernng, nur eine einladende Hand bewegung deutete ihm an, daß .r will kommen war. Herinrne war erfüllt von Bitter keit. Jeht würde «s kommen, das Gesürchtete; jetzt würde er ihr sa gen, daß er das Herz des kleinen Mädchens gewonnen hätte, und da mit würde für sie die große Ein samkeit beginnen, die innere und der Kampf, diese nach außen hin zu ver bergen und scheinbar zufrieden und ausgefüllt unter den Berufsgenossen in der Welt weiterzuarbeiten. Dr. Förster beobachtete sie, wie sie mit zitternden Händen das kleine Lümpchen unter dem Kessel entzün dete, wie sie die grün verhangene Studierlampe auf den Tisch setzte und sich tief in die Polster ihres Klubsessels, des Paradestücks ihrer Einrichtung, schmiegte, um so, voll ständig in wohltätiges Dunkel ge hüllt, seiner Beichte zu lauschen. Der Teekesfel sang, das Wasser sprudelte über, feine Dampfbläschen zischten aus dem glänzenden Nickel tablett auf und verdunsteten langsam; und immer sah sie erwartend zu ihm hin, und immer schien er nicht die rechten Worte zu finden, um ihr sein Herzensgeheimnis anzuvertrauen. Da kam es wie Mitleid über sie. Jhre alte Willenskraft erwachte. Sie wollte zeigen, daß Frauen stark sein können, und so richtete sie sich ein we nig auf und sagte laut: »Nun, Herr Kollege, wird es Jhnen so schwer, zu einer alten Freundin Vertrauen zu haben? Soll ich’s Jhnen leicht machen? Hier meine Hand und mei nen Glückwnnsch, denn ich glaube...« Dr. Förster hatte ihre beiden Hände ergriffen und sie festgehalten: »Sie wünschen mir Glück, ehe ich gebeichtet habe? Sind Sie Hellseherin gewor den? Aber ich nehme den Glückwunsch an.« Jhre Hände zuckten in den feinen. Nun kroch es doch etwas kalt ihr ans Herz, und ihre Lippen bebten. Aber er faßte fester ihre Hände und glitt auf dem Teppich zu ihr nieder: »Jn meinen Händen halte ich mein Glück, Hermine, du hast mir beide gegeben, ich lasse sie nicht mehr.« Sie war anfgesprungen, und auch er erhob sich. Ecinen Augenblick standen sie sich beide gegenüber. »Wir sind treue Kameraden seit Jahren, sollte es uns da so schwer fallen, gemein sam durchs Leben zu geben? Hast du denn nie geahnt, daß ich dich lieb habe, lieb gehabt von der ersten Stun de unseres Zusammenseins?« Sie konnte ihm nicht antworten. Doch er schien auch auf tein Wort zu warten, er zog sie an sich, und beide versanken in eine Welt von Glück und Seligkeit. —- Gut gesagt. »Was, hat der Kranzler wirklich die alte, reiche zänlische Müller geheiratet?« »Ja, er genießt augenblicklich seine — Zitterwochenl« —- Kondensierter Aus druck. A. »K’o«nnen Sie mir den Zahnarzt L. empfehlen?« B. »Gewiß, das ist ja der Vor sißende des Vereins der Zahnärzte.'« A«- »Aha, also der Präsidentist.’· — Ver chnappt. Vater: »Frtß, ich be Dich gestern nachts einen betrun nen Kollegen nach seh-UT Jch hoffe nicht wieder tust —- es guten Eindruck!« I war ja nur ausnahms aus Revanchet«