Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, September 20, 1912, Zweiter Theil, Image 11

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    Die indem Usserlegnig ever
Inst-sit I
Von Dr. A. Zipperlem
»,«... »
Vor noch nicht vielen Jahren betrach
tete der Mensch- als haupt der Schöpf
ung, die seelischen Eigenschaften der
Thiere als bloßen Instinkt, der die
Thiere zu gewissen Handlungen
t r e i b t, während die jetzige Zeit den
selben wirlliche Ueberlegung, Berech
nung ihrer handlungem ja Verstand
nicht abspricht. Daß dieses von alle n
Thieren nicht gleichmäßig gilt, thut der
Sache keinen Eintrag, giebt es jaMen
schen genug, die sich nicht über die
Sorge ums tägliche Brod erheben tön
nen und wie mancher Mensch bleibt in
seinen Kaltulationem wenn ek über
haupt berechnet, hinter dem so tief un
terckihm stehenden verachteten Thier zu
ru .
Die Schlauheit des Fuchseö ist
spriichivörtlich, dein Elephanten wird
em hoher Grad von Intelligenz zuge
standen und dem Hunde, dem treuen
Begleiter des Menschen, hat dieser von
jeher einen gewissen Grad von Ueberlei
gung nicht absprechen können. Daß es
auch unter den Thieren, wie den Men
schen, einzelne giebt, die sich durch be
sonders scharfen Verstand auszeichnen,
wird wohl nicht leicht bestritten werden.
Wir wählen zu unferer heutigen Slizze
ein Rabenvaar. das sich einst imFranli
surter zoologischen Garten angesiedelt
Butte, wo es sich von den übrig geblie
enen Futterreften arm aber ehrlich
ernährte und von dem Personal und
den Besuchern des Gartenö gerne gese
en wurde, weil sie als wilde Vögel sich
o zutraulich bewiesen. Als aber im
riihjahr die Enten und andere Was
serviigel zu legen anfingen. da sah man
oft, wie die Raben sich die frisch geleg
ten Eier zu Gemüthe führten, wie sie
mit Geduld warteten, bis die briitende
Ente das Nest zeitweilig verließ,
worauf sie sich iiber die Eier bewach
ten oder wie sie solche unter dem brü
tenden Vogel heraus-holten und auf
fraßen.
Nicht blos die Enten wurden heimge
sucht, auch die stattlicheren Gänse muß
ter: ihren Tribut bezahlen, ja die Frech
heit ging so weit, daß sie unter einer
brütenden Schwamm die sonderbarer
weise sich ganz passiv verhielt,«die Eier
her-vorhalten und mit kräftigem Schna
belhieb öffnend, verspeisten.
War das unge im Ei schon einiger
maßen entwickelt, so machte es den
schwarzen Räubern teinen Unterschied,
stahlen sie doch ost taum aus dem Ei
getrochene Junge von der Mutter weg,
um sie zu verzehren. So wurde denn
den Raben der Krieg erklärt und mit
der Zerstiirung ihres Restes, das aus
einer hohen Utme war« die Eröffnung
der Feindfeligteiten eingeleitet. Natür
lich war ihr Widerstand hier wirkungs
los, wenn sie auch mit lautem Geschrei
hin- und herflogen, so tannten sie doch
dr; Kraft ihres Gegnero genau und er
gaben sich ins Unvermeidliche. Die we
nigen Tage, welche sie nicht in dem
Garten sich zeigten, beniiyten sie, um in
einem entfernteren Privatgarten sich
anzusiedeln und dort ein neues Nest zu
bauen.
Als sie damit fertig waren, stellten sie
sich auch wieder in ihrem alten Revier
ein und beim Ta sgrauen schon konnte
man sie in der ähe des Ententeiches
rumspetuiiren sehen, um ihr Früh
iick von frischgeiegten Eiern einzuneh
men. Versuche sie durch Schreien und
Werfen mit Steinen zuverfcheuchem
blieben wirkungslos; blos wenn man
die Flinte holte-und sie auch nur ein
tleines Stück des braunen Laufes er
blickten,brachten rascheFliigelschliige sie
bald außer Schthe. War einer der
Arbeiter gerade mit einer harte oder ei
ner Stange im Garten in ihrer Nähe
beschäftigt, sogeigten sie keinerlei Scheu,
so sogar wenn man die hacke wie ein
Gewehr in Anschlag brachte und auf sie
richtete, so störte es die Diebe nicht im
mindesten. Sie erkannten im Augen
blick, ob der Direktor des Gartens- einen
Schirm oder Stock trug, oder ob er viel
leicht unter seinem Gummimantel die
versteckte Fiinte hatte. Ein Warnungs
ruf —- und weg waren sie beide. sich auf
tie höchsten Steinen der Bäume, aber
außer Schuhweite sehend. Nun mußte
List gegen List gesetzt werden, und da
man bemerkt hatte, daß die Vögel mit
Tagesgrauen von der N o r d seiie des
Gartenö angefiogen kamen, so postirte
sich Morgens vor zwei Uhr der Direk
tor mit feiner Fiinte in ein häuschem
welches die Lamas beherbergte und war
tete, seines Erfolges sicher, auf die Vö- -
gel. Gegen S ii d e n hatte er das Teich
user, wo sie sich gewöhnlich niederließen
nnd ihre gestohlenen Eier verzehrten,
vor sich, und konnte dasselbe mit seiner
Schrotflinte besieeichen. Eine kleine
Spalte, gerade groß genug, um den
Ilinienlauf durchsiecken zu können,
wurde an der Thüre ossen gelassen und
so stand der Schütze eine ganze Stunde
regungslos aus dem Anstand· Endlich
verkündete ein sernes Krächzen das
herankommen der Raben. Alsbald
kam denn auch der Vogel in Sicht, aber
nicht vorn Norden her, wie gewöhnlich,
ondern vom Süden, und setzte sich au
erhaib Schußweite aus den höchsten
Gipsei einer Pappel, wobei er wieder
boit seinen Ruf erschallen ließ, um
weithin zu melden, daß die Gegend nicht
cher sei. Er mußte jedenfalls das Ver
eek sdei nach seinem Leben trachtenden
SchiiIen gewithrt haben, denn die am
.N)
-
Y-,
Ufer einzeln herumgelegien Enteneier
ließen ihn nicht in die Versuchung fal
len, diefelben zum Frühftiick zu mähien.
Ais der Schütze die Unmöglichkeit ein
sah, den Vogel auf diese Weise zu über
1 liften, trat er aus dem Versteck heraus
»und fand den anderen Raben 25
Schritte entfernt ganz behaglich auf dem
- Gitter sitzen; derselbe flog auch nicht
k weg,trohdem er dieFlinie sehen mußte,
aber der Schütze konnte diese nicht ge
. brauchen, da gleich hinter den Raben
f Heerde Moufflons grafte, die in
» der Schußlinie war. Kaum wa
» ren aber einige Schritte gemacht,
welche die Schafe aus de
Schuleinie brachten, so beeilte sich der
Vogel, um sich aus dem gefährlichen
Bereich der Flinte zu bringen. Da man
mit der Schußwaffe keinen Erfolg er
zielen konnte und die Räubereien täg
. lich fortgese i wurden, so suchte man
sich der Zerftiirer durch Gift zu ent
« ledigen. Um des Erfolges sicher zu »
H sein« ging man dabei ganz shfiematisch Ä
; zu Werte. Durch ein in ein Entenei s
» gebohrtes kleines Loch wurde mittelst i
! einer Spritze ein Theil des Inhalts
k entleeri und der fehlende Raum durch f
« eingesprihtes Wasser wieder ausgefüllt, »
I das Loch mit Wachs verschlossen uns
s das Ei auf einen selten begangenen ’
Weg in der Nähe des Teichs gelegt. ;
Das scharfe Auge des Raben entdeckte »
auch ald das verlorene Ei, er öffnete
; dasselbe mit einem kräftigen Schnabel- -
« hieb und liefz sich den Inhalt, tro dem
I er mit Wasser verdiinnt war, irefflich
f schmecken-. Am nächsten Tage wurde
I
I
i
ein in ähnlicher Weise präparirtes Ei
hingelegt, das aber statt Wasser-mit
einer Strychntn - Lesung aufgefuut
war. Der Vogel stellte sich auch wie
der ein, öffnete das Ei, —- tiandte sich
und hüpfte vergniigt davon, ohne es
weiter zu beachten. Man suchte die
Vögel durch unvergiftete Eier zu lö
wurden, die vergifteten, auch wenn
mit einer zierlichen Drehung sofort weg -
dern, die auch regelmäßig verzehrt«
wenn man keine Lösung, sondern
iStrychnin in Substanz einbrachte,;
wurden, nachdem sie mit dem Schnabel
geöffnet worden, unbea tet gelassen.
I Ebenso ging es mit z leischstiickchen,
, aus denen mit dem Federmesser ein
: ileines Stückchen ausgeschnitten wur
i de, um in die entstandene Höhlung et
T was Gift zu bringen und dann diesel
’ be wieder mit einem Fleischpfropf zu
H verschließen. Andere, nicht präparirte
Stücke wurden verzehrt, die vergifteten
blieben liegen. Um zu prüfen, ob viel
leicht der Geruchsinn die Thiere leite,
wurden ftintende Fische gewählt; die
vergifteten wurden nicht angeriihrt, die
anderen mit Behagen Lerzehrt. War
es der Geruchssinn, durch den das Gift
entdeckt wurde, so konnte derselbe...
doch durch das Fifcharoma nicht irre
geleitet werden. Nur einmal wurde ei
ne Kröhe gefangen und zwar in einem
kleinen Tellereisen, auf welchem ein Ei
kunstvoll befestigt war. Das Teller
eisen wurde in hohes Gras gestellt und
noch extra mit Halrnen dicht bedeckt, so
daß nur das Ei zu sehen war. Veim
Versuche, dieses zu öffnen, schlug die
alle zu und hielt die Krähe am
chnabel fest, aber niemals gelang es,
eine zweite zu fan en, wenn- auch die
Fallen noch so vor chtig gestellt wur
den. Endlich gab man es auf, die in
telligenten Vögel zu überlisten und
suchte nur ihre Räubereien nach Mög
lichkeit zu beschränken.
Daß im obigen Falle etwas mehr
als Jnstinkt die Vögel geleitet hat,
goird jeder intelligente Mensch zuge
en.
————-—O- --
You einem bis iitier die Ohren
Yetlietiten nnd seinen
Bitt-um«
Von hermann Henermans,
jr. (Amfterdam).
l
Ein junger Koloniaiwarenhiindler.
Möglich auch. daß er Schlächter war ;
jedenfalls ist zum Verständniß seiner
Abenteuer die Kenntniß seiner gesell
schaftlichen Stellung nicht absolut er
sorderlich. Sicher ist, daß er den
größten Theil des Tages hinter einein
Ladentisch zubrchtr.
Er war Wittwer. Wie sich das mit
seiner Jugend reimt, wüßte ich aller
dings nicht zu erklären. Jch vermuthe
aber, daß er sich sehr srüh verheirathet
Sind bald daraus seine Frau verloren
at·
Also : er war ein jugendlicher Kaus
mann, Wittwer und verliebt. Bis
über die Ohren verliebt in eine junge
Dame, die fast täglich Eintiiuse bei ihm
machte und jedesmal baar bezahlte.
Das hatte seine Ausmerlsamteit er
weckt. Sie band ieine Bären aus, ver
langte teinen Aufschub, bat nicht um
Kredit, hatte teine Kontobuchr sie be
zahlte sofort.
Außerdem hatte sie ein reizendes
Stumpsniigchem einen sehr hübschen
Mund und ein paar Hündchen« die. . . .
Kurzurm er verliebte sich, wog ihr
llber das Gewicht zu und ließ sie über
mäßig große Stücke Käse probiren.
Eines Tages blieb sie fort.
Es war etwas geschehen. Vielleicht
mit der Butter. Vielleicht mit dem Ge
wicht.
Sie blieb sori.
Sie war entweder trank, oder sie
tauste bei einem Anderen.
H Da begann er Eriundigungen ein
s fuziehem Erst bei den Dienstmädchen
i n der Nachbarschaft; die konnten sie
i nicht, sie wohnte noch nicht lange in der
Straße. Dann bei dem Dienstmann.
der tannte sie wohl, der hatte ihr Mal
ein Packet fortgetragen, weiter mußte
er auch nichts.
Eine Woche lang blieb sie fort, dann
holte sie ein halbes Pfund Küchensalz
nnd dann — himmeltreuzdonnerweti
ter —- dann sah man sie wieder nicht.
An einem Sonntag entdeckte er ihren
Familiennamem Sie wohnte am Ende
der Straße — ihr Vater war Thierarzt
—sehr nette Leute —- von guter Her
knnst — und Geld obendrein. Sie saß
var dem Fenster in einer blauen Blouse
hinter rothen Geranien und gelbseide
nen Bot-hängen
Sie lachte. Sie lächelte. Sie grüßte.
Er fühlte die Steine nicht« obschon
die Straße sel-: schlecht gepflastert war,
lief wie im Traum, wartete viele Tage,
viele Wochen. Sie blieb sort.
Er trauerte. Ansehen konnte man es
ihm nicht; sein rothwangiges, leuchten
des Antlitz glänzte und leuchtete bei
der Wiegeschale, lustig sprach er mit den
Dienstmädchen und mit den Kunden, in
bester Stimmung schnitt er Wurst und
Schinten aus.
Aber er trauerte troß alledem; er
sing Grillen. Er blickte in einem sort
aus die Straße hinaus. Vergebens. Sie
kam nicht, sie mit dem Stumpsnäschen,
dem Mündchen, den Händchem . . .
Dann bekam er eine Eingebung.
Er hatte nach zehn Uhr noch ein we
nig srische Lust geschöpft.
Bei ihr, hinter den gelbseidenen Vor
hängen, brannte Licht. Die Schatten der
Geranien spielten aus den Gardinen.
Eilhl und zu sah man eine Schattengee
ta t.
An der Thiir war ein weißes Schild
mit setten Letterm
A. B a r t h
Thierarzt.
Plötzlich wu e er’s. Er gab’s nicht
auf; Verliebte d schlau. Die wissen
sich immer zu helfen. Er lächelte. Gleich
am nä sten Tage setzte er die Sache in’s
Wert. iesz den Lehrling allein im La
den, ging auf den Marti, taufte zwei
lebende Zähnen Vorsichtig tru er sie
an den lü eln, als er eine Stunde
später nach ause tam.
Der Lehrling lachte. Entweder woll
te der Prinzipal sichhiihner halten, oder
der Prinzipal war betrunken. Er
neigte mehr zu der letzteren Ansicht,
denn einen hof hinter dem Hause gabs
nicht und — wahrhaftig er steckte sie in
den Keller in eine alte Seifenliste.
»Wollen Sie sich eine hühnerzucht
anlegen, Herr Prinzipal?'«
»Ach, geh’ zum Teufel, und steck
deine Nase nicht in Alles.«
Der jugendliche Chef flittert die
Hühner an diesem Tage dreimal. Er
sprach fast gar nicht, war entsetzlich
zerstreut.
Am nächsten Morgen war er ganz
komisch. .
Der kleine Lehrling helauerte ihn
verwundert, verblüfft. Um zwei Uhr »
warf sich der Ehef in sonntäglichenl
Wichs, zog sich seinen Kammgarnrock, !
seinen Stehtragen, seine rothgetupftc »
Kravatte, seine Stiefel an; der Chef I
tämmte und dürstete sich das haar spie- i
gelglatt —- der Chef hatte sich extra ra- i
siren lassen (sonst nur einmal in der
Woche) — dann tauchte er in den Kel- f
ler, dann hörte man die tihner schreien :
und äackern — dann sa man ihn auf s
die traße gehen, in jeder Hand ein J
noch immer angstvoll gackerndeg Huhm ’
Der Chef war verrückt —- oder der Chef .
war verliebt. So tlug war der tleine
Lehrling auch noch. —- -— —
Bei Nummer 198 klopfte das,, erz
des jugendlichen Verliebten zum er
springen. Er befand sich in einer
außerordentlich schwierigen La e. Wie
sollte er tlingeln? Wie sie begr ßen?
Muthig nahm er die beiden hilhner
in eine band — was sein Unglück wer
den sollte —- zog die Glocke.
OO
Sie öffnete sechst.
»Ist der Herr Doktor zu Hause?«
fragte er zögernd, mit einem nichts
sagenden Lächeln.
,,Wollen Sie den Doktor sprechen?«
sagte sie freundlich. -
»Zawohl, zu dienen.«
» ann müsien Sie sich ein viertel
Stündchen gedulden.«
»Oh gewiß, selbstverständlich, mit
Vergnügen,« sagte er, die Hühner in
der einen, den thut in der anderen
Hand.
Sie führte ihn ins Zimmer und
schloß die Thür. -
Nerdös, verlegen saß er da, mit den
hühnern auf dem Schooß und hörte,
tvie sie über den Flur ging· Was für
ein Engel! Was für Augen! Auf
dem Kaminsims stand ihr Porträt.
Vorsichtig, auf den Zehen, ging er da
hin, die Hühner mit feiner ganzen
Kraft festhaltend, und sah sich das
Bild mit komischer Verliebtheit an.
Dann schnüffelte er weiter. Es
war ein hübsch eingerichtetes Zimmer.
Man lonnte sehen, daß es ihnen sehr
gut ging. Auf dem Kaminsims eine
prachtvolle Garniiur aus Delfter Vor
zellan, am Fenter ein Tischchen mit
kostbaren iapani chen Vasen — mitten
an der Wand ein großes Buffet mit
Büschem Rippfiguren, Karaffem alles
Delfter. »Eine nette Liebhaberei. und
them-. na, und ob, was da tand, das
ist ein gutes Stück Geld toer h.«
Wii rend unser jugendlicher Kauf
mann ch wieder hinsestr. begann er zu
überlegen, toas er dem Vater sagen
sollte. Der Plan tpar klar und vor
refflich. u einem Thierarzt kommt
man natür rh mit Thieren. Es wür
de also alles nach Wunsch gehen, wenn
X
er ihn wegen der hübner lonsultirte.
Das eine war erliiltet, das andere leg
te nicht mehr. Und wenn er dann wö
s chentlich ein paar Mal mit den Patien
ten herkam, so hatte er eine prächtige
Gelegenheit, um mit dem Vater u n d
mit der Tochter bekannt zu werden.
Siewar ja ein reizendes Wesen!
Noch einmal stand er auf, bewunder
te das Bild, das Stumpfniischem das
f Mündchen und . . . . stieß plötzlich einen
derben Fluch aus.
Hatte die Liebe seine Finger entwis
s tet, oder hatten die Hühner sich gewalt
sam losgerissens Er wußte es nicht«-.
aber sicher war, daß sie frei und unge
hindert über den Boden flatterten und
daß das Eine zufrieden und wohlgefäl
lig hinter dem Ofenschirm gackertr.
Wie ein Rasender bückte sich unser
jugendlicher Freund, aber mit Hühnern
ist keineswegs zu spassen.
Die beiden Flüchtlinge schienen ihre ;
- Freiheit nach Kräften vertheidigen zu ;
wollen.
Das rothe Huhn schoß unter das So
pba, das schwarze flog mit wüthendem
Geschrei iiber den Tisch, an der auf dem
Busfet stehenden Lampe vorbei. Eine
sehr hübsche Delfter Vase fiel zu Bo
den ——— tnackl —- in Scherben.
Es gab eine kurze, aber wilde Jagd. l
Der rothe Ausreißer tam unter dem .
Sapha hervor, schmiß die japanischen
Vasen vom Tischchen am Fenster, stürz
te stch treischend auf den Kaminsims, .
wars eine Vase herunter — während I
das schwarze über den Boden ren
nend, ab und zu mit einem Ruck flie- I
gend oder springend, eine furchtbare i
Verwüstung auf dem Buffet anrichtete.
Jn einem einzigen Augenblick war
der Boden mit Scherben übersiiet, lag
der jugendliche Verliebte in einer Ecke,
wo er auf Tod und Leben mit dem Ro
then kämpfte, den er endlich gefaßt hat
te und — da öffnete sich die Thür . . .
Der Vater und s ie!
Alles Uebrige ist selbstverständlich.
Unser Held brachte seine Entschuldi
gungen vor, bot Schadenerfatz an —
der Thierarzt wies ihm entrüstet die
Thür.
Aber das Aergste kam noch.
Draußen hörte er, wie der Doktor
wüthend ausrief:
..... »Ich könnte wahrhaftig mei
nen, ich hött’ ’ne Gans geheirathet Hät
l test du den Kerl nicht draußen warten
l lassen können?.
i
s
Per Beginn einer Jmtrierr.
..—. ———..-—...
Von J.Bettelheim·
Der Würfel war gefallen!
» Jch hatte einen Engagementheri
« trag in der Tasche, auf dem deutlich zu
lesen stand, daß ich bei Nichteintreffen
eine Konventionalstrafe von fünfhun
dert Gulden zu entrichten hätte.
Wie ich mir vorkam, nachdem ich die
kes Pokument in die Brusttafche gescho
en.
Achtzehn Jahre alt, von der glühend
sten Begeisterung für die Bühne beseelt,
erfüllt von dem Drange, in kürzester
Frist die hohen der Schauspieltunst zu
erklimmen, mir einen Platz unter den
Berühmtheiten der Theaterwelt zu er
obern, stieg ich die dunkle Wendeltrep
pe hinab, die von der Behausung des
Theater-Agenten auf dieStraße führte,
wühlte in den mir tief in den Nacken
fallenden Haaren, um ihnen einen ge
nialeren Strich zu geben, schlug den
Zipfel des rothgefütterten Mantels,
den ich mir zum Entseßen meiner El
tern hatte anfertigen lassen, so geschickt
über eine Schulter, daß ein Stückchen
der Jnnenseite sichtbar blieb, und ging
erhobenen hauptes vor das Stadtthor·
Beruhigt darüber, daß mich nun Nie
mand, der mir begegnete, für den La
dengehilfen halten würde, der ich noch
vor acht Tagen gewesen, beschäftigten
sich meine Gedanken mit der Zukunft.
Meine Eltern sahen wohl mit Be
trübniß, daß ich mich für eine Lauf
bahn vorbereite, für welche sie nicht die
geringste Sympathie besaßen, hofften
aber immer, mich rechtzeitig meinem
mir vom Vater bestimmten kaufmänni
schen Berufe wieder zuführen zu kön
nen.
Jhnen verschwieg ich den Konstati
abschluß. Zwei oder drei Tage vor Be
ginn der Theater-Saison in der Stadt
Steht — nun ist s ja heraus, ivo ich
meine ersten Lorbeeren erwerben sollte
—- packte ich heimlich ein kleines Misset
chen mit dem Allernothwendigsten (ein
Dolch und ein Taschen-Terzerol durs
ten dabei nicht sehten), schlich früh
Morgens aus dem elterlichen Hause
und eilte zu dem kleinen Donaudam
pser, der mich meinem Bestimmungs
ort zuführen sollte.
Als einige Stunden später die gelbe
Kutsche über das holperige Pslasier des
Städtchens rasselte, dessen Bewohner
zu Zeugen meiner ersten Triumphe be
stimmt warn, blickte ich aus die äu
ser, deren Fenster sich hinter grunen
alousien befanden, welche der frühen
tunde wegen noch geschlossen waren.
»Wenn hr ahntet, welch’ eine küns
tige Celebritiit soeben bei Euch einzieht,
wie würdet Jhr die Jalousien aufrei
ben, um meiner ansichtig zu werden!«
dachte ich bei mir Man iann daraus
ersehen, wie sehr mein Selbstgesühl,
das Vertrauen u meinem Können mei
ne Bru ersüll en.
ziog eine ileine, weißgetünchte
Stube; ene swerghas ste, mit einem
Kro se behaftete Magd brachte mir
Waspchwasser und redete mich in einer
Sprache an, die ich nur mühsam ver
stehen konnte; es war der Dialeit der
oberiisterreichischen Gebirgsbewohner.
Zwischen jedem Worte war der ächzen
de Ton und das Kettchen der An
strengung vernehrnbar.
Am selben Vormittage stellte ich mich
dem Herrn Direktor des dortigen Thea
ters vor. Der saß aus einem alter
thümlichen Sorgenstuhl, hielt einen
Stock zwischen den Beinen, auf den er
beide Hände stiitzte, und musterte mich
von oben bis unten, ohne ein Wort ver
lauten zu lassen. Jch hielt es also stir
geboten, die Unterredung allein fortzu
sehen, erzählte ihm von meiner Lust
zum Theater-, von den Vorstudien, die
ich gemacht, und richtete die Bitte an
ihn, mein Talent schleunigst in das
richtige Licht zu stellen. Er zwinierte
mit den Augen, so daß die darunter be
findlichen Thränensäcke stärker hervor
traten, nahm sein Sammettäppchen ab,
setzte aus den vollständig kahlen Kon
eine Perücke, erhob sich mittelst des
Stockes, humpelte zu einer am anderen
Ende der Stube befindlichen Holziiste,
aus der sich eine Menge Bücher und
Manuskripte befand und reichte mir
meine »erste Rolle«. Mit den Worten:
»Murgen sruh um a neine is Prob’«,
äntfließ mich der wortiarge Bühnen
,·c .
Jch hatte ihn mir anders vorgestrurz
aber über den Unterschied zwischen sei
ner Persönlichkeit und der des Direk
tors Heinrich Laube, dem ich vor mei
ner Abreise von Wien vorgestellt zu
werden die Ehre hatte, Vergleiche anzu
stellen, dazu war jetzt nicht der geeig
nete Augenblick. Mein ganzes Inte
resse richtete sich auf die mir zugetheilte
Rolle, in der ich mir vornahm, den
Steyrern sofort zu zeigen. wen sie vor
sich haben.
Zu Hause angelangt, zog ich sie her
vor und las auf dem Titelblatte:
,,Elias Regenwurm oder die Verlobung
auf der Parforcejagd, Posse in zwei
Alten von Friederich Hopp.« Darun
ter: »Ein Gauner : Herr N. N.«, . . . .
mein ehrlicher Name.
Also nicht der Genius eines Schiller
oder eines Goethe sollte meinen Eintritt
in den Tempel Thaliens umschweben.
Jn einer damals von mir tief verachte
ten Kunstgattung, in einer österreichi
schen Posse sollte das Debiit eines
Künstlers stattfinden, der bisher nur
das Burgtheater besucht hatte und auch
dort nur das llassische Repertoir seiner
Beachtung werth fand.
Jch schlug das erste Blatt um, mir
gähnte eine weiße Seite entgegen, auf
der sich außer dem unterstrichenenStich
worte nur der turze Satz befand :
,,Geld her, oder das Leben !'«
Das war meine erste Rolle !
Ein Gefühl tiefster Erniedrigung be
mächtigte sich meiner. Jch fant auf
einen Stuhl und stierte wie ein vom
Schlage Getroffener vor mich hin.
Endlich faßte ich mich. »Ich werde
Euch auch in dieser Rolle zeigen, wen
Jhr vor Euch habt l« rief ich aus, in
dem ich die geballte Hand nach der Ge
gend streckte, wo ich des Direktor-s Woh
nung vermuthete.
Und ich begann in einem Ausbruche
von Wuth und Zorn den Saß, Geld
her, oder das Leben t« in verschiedenen
Tonarten und mit aller Lungentraft
zu variiren.
Da öffnete sich meine Zimmerthiir
ein wenig, die Augen der gnomenhaften
Dienstmagd glotzten mir entgegen, ich
sah, wie sie ein Kreuz schlug. und da
voneilte, ich verschloß die Thür und
setzte meine Uebung fort. Als ich dann
aber einen Blick zum Fenster hinaus
warf, stand sie auf der Straße, umringt
von einem sich um sie drängenden Men
schenhaufen. Als die Menge meiner
ansichtig wurde, drang der vielstimmige
Ruf : Dos is er ! Dos is er !« zu mir
empor. ·
Der Groll in meinem Jnnern ver
stummte, legte ich mir doch die Stra
ßenszene als eine erste Ovation aus, die
man dem noch unbekannten Künstler
entgegenbrachte. Es gefiel mir sogar,
mich einige Augenblicke von dem Volke
unten betrachten zu lassen, doch zog ich
mich rasch zurück, als ich ein respettwi
driges Lachen vernahm und bemerkte,
daß einer der barfiiszigen Straßenjun
gen sich herausnahm, mir eine Nase zu
drehen.
Und in eine so untultivirte Stadt
music mich das Schicksal verschla
gen. —
Jch tam zur ersten Probe. Die
Sache ging gut von Statten. Jch hatte
erst im zweiten Akte zu thun. Aus
mein Stichwort stürzte ich hervor, faßte
den Elias Regenwurtn am Kragen und
brüllte mein: ,,Geld her, oder das Le
ben!« Dann suchte ich in den Blicken
des Direktors zu lesen, ob er noch nicht
den Mißgriff erkenne, den er durch die
Zutheilung eines so armseligen Völl
chens an mir begangen. Der aber saß
über seinen Stock gebeugt und würdigte
mich keines Aufblickes. Jn meinem
Aerger iiber diese Nichtbeachtung setzte
ich mich grollend in einen Winlel des
Antleidezimmers.
Da trat ein alter Schauspieler auf
mich zu.
Sie sind ein Anfänger?« fragte er
mi ; ich ärgerte mich darüber, daß er
mir das angemerlt.
»Warum fragen Sie?« erwiderte ich
scharf. · «
»Wenn Sie wollen, will ich anen
Unterricht ertheilen.«
Ich sah mir den Mann genauer an.
Er entsprach dem Bilde, das ich mir
von einem verlommenen Dorf-Komö
diantin machte. Eine hogarth’sche Fi
gur, die in einem geflickten Rock, tn
schmutzigen Naniingbeinkleidern, in
Schuhen, ans welchen die Strllm e
hervorlugtem steckte, stand vor mir. r
nahm aus einer holzdose eine Prisei
und holte einen blauen Lappen hetvors
in den sich seine Nase versenttr.
»Ich habe Unterricht bei dem Hos
schauspieler Förter in Wien genossen,«
warf ich ihm in’s Gesicht.
s Er sah mich mitleidig lächelnd na.
f »Was Der schon davon versteht!«
meinte er; »weil er das Glück hatte, ins
l die Burg zu kommen, glaubenSie, jun
I ger Herr, der wäre was Besonderes.
Jch sage Ihnen, die größten Talente,
die gehen in der Provinz zu Grunde.«
Er stellte sich in theatralische Atti
tiide vor mich hin, schob die Rechte
s zwischen Weste unv Hemd, wars den
Kopf zurück und setzte fort:
,,Vielleicht werden Sie mich hier
- einmal als »Hamlet« sehen, junger
· Mann, dann werden Sie einen Be
« griff davon bekommen, wie diese Rolle
s aufzufassen ist, und wen Sie über
« haupt vor sich haben.«
i Jch empfand nun wirklich etwas
Respekt vor dem Manne und stellte ihm
in Aussicht, ihn nach meinem Debiit in
z seiner Wohnung aufzusuchen.
z »Da werden Sie etwas sehen an
t
i Kränzen und Krititen!« versprach er
» mir. Er werde mir auch erzählen, auf
» welche Weise er um ein Gaitspiel am
s Berliner Schauspiele gekommen.
s Der Abend der Vorstellung war ge
, kommen. Jch saß, der Erste, in der
i Garderobe, um mir eine passende
Z Maske in aller Ruhe schminken zu kön-.
; nen. Aus ver Schachtel des Friseurs
, wählte ich eine Perriirte, die mit ein
; dem Charakter meiner Rolle entspre
1 chendes icheufiliches Aussehen aab.
E
l Jch fühlte eine Beklemmung, die irr
keinem Berhältniß zu meiner Rolle
stand. »Das ist Lampensieber,« er
klärte mir der Hamlet- Darsteller, »da
i gegen hilft ein guter Schluel « Er reich
» te mir eine Schnapsflasehe. Endlich
ward das Zeichen zu meinem Austritt
gegeben; ich begab mich auf die Bühne
und stellte mich hinter einen gemalten
Zaun, der auch bei der Probe an der
selben Stelle gestanden, am Abend
aber, ohne daß ich das ahnte, durch
i eine schrägstehende Leiste an den Bo
t
den befestigt war. Zähneklappernd,
, zitternd vor Angst horchte ich auf Ineiw
T Stichwort. Endlich fällt es, ich stürzte
hervor, an der unseligen Leisie blieb
mein Fuß hängen; ich stolperte auf
die Bühne, fiel dort der Länge nach
aus den Bauch und vernahm ein howe
risches Gelächter des Publikums.
Elias Regenwurm half mir menschen
freundlichst auf die Beine, und ich er
mannte mich, faßte ihn an der Brust
nnd brüllte. —— undankbar genug!
aus Leibeskrästem ,,Geld her, oder das
Leben!«
Am nächsten Tage erhielt ich meine
Ziündigungiii . . .
Jch habe seitdem Vieles erlebt, viel
Tragischeres, habe viel größere Schick
salsschläge aushalten müssen, aber so
heiße Thränen, wie ich sie damals ver
gaß, als ich den Kündigungsbries in
Händen hielt und mir nichts übrig
blieb, als nach Hause zurückzukehren,
beschämt, vernichtet, so heiße, so
schmerzvolle Thränen habe ich nie wie
der vergessen.
————— ———0.——-———
F at a l !
Junger Dichter izum Theater-Di
rettor): »Hat Jhr Prüfungs-Kommit
tee mein dreiattiges Lustspiel schon
einer Durchsicht unterzogen?«
s Direktor: »Jawohl, alle drei Her
T ren, welche das Kommittee bilden, ha
t ben Jhr Stück gelesen und sich zu sei
L nen Gunsten ausgesprochen.«
» Dichter (sreudig bewegt): »Ah, und
wann darf ich da die Ausführung er
warten?«
i Direktor: »Hm —— die Sache hat ei
Y nen kleinen Haken; jeder der drei Her
ren besteht nämlich darauf, daß ein Att
gestrichen werden niüsse« —
Dichter: »Nun, schließlich würde ich«
wohl darein willigen, wenn auch na
türlich mit« —
Direktor: «Dumm dabei ist nur, daß
jeder der drei Herren einen anderen
» Att zu streichen wünscht.«
,
l
i
i
I
Guter Rath.
Dichter: »Können Sie mir keinen
Rath geben, Herr Doktor, auf welche
Weise ich meinen neuen Roman zu ei
nem recht natürlichen Abschluß brin
gen kann?«
Kritikm »Lassen Sie die darin
vorkommenden Personen einfach ans
Gedanken-Armuth sterben, das ist das
Natürlichste!«
Berechnung. (
Wirth (in der Küche): »Nami? sechs
Stangen Büchsenspargel auf einen
Teller?«
Köchin: ,,Soviel geben wir doch
immer wenn Kote-lette mit Spargel
bestellt wird!«
Wirth: »Ja, im Winter, aber im
Frühling geben wir bloß vier Stan
gen, damit die Gäste glauben, ’s ists
srischerl« «
Wie die Alten sangen.
Assessor: »O, Fräulein Else, werden
Sie die Meine, Sie sind mir das Kost
barste aus dieser Weltt«
Fräulein Else: »Bitte, sprechen Sie
mit Mamal«
Assessor (zu der kleinen Schrot-stere
»Und Du, Lieschen, Du bist doch me n
Liebchen, nicht wahrs« ,
Lieschen: »Auch mit —- —— Was-ins
sprechens«