Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, September 13, 1912, Zweiter Theil, Image 9

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    J aaaaaaaaa 3. Grund J
Nebraska
Staats-aneiger und Eifer-old
ummer 5
Ie- Tiber-ful.
—
Navelette von Paul Narauerittr.
Im Landciuer zurückgelehnh durch
Kissen gestim, die ein gräsliches
Wappen trugen, saß der alte here
Dechappes, als plötzlich über sein
schlaues Fuchsgesicht ein ängstlicher
iclusdruck glitt rind er statterte: »Die
l . . . die Pserde gehen so schnell!«
i
Mit unterdrücktem Lächeln blickte
sein Schwiegersodn Herr de Feul
seine Frau an, als er antwortete:
»Is- in, sie gehen gut«, und etwas
lauter siigte er hinzu, »die Land
straße isi auch gut.«
er Dechappes war durch den
entchiedenen Seen des iunaen Man
nes, aus dem eine unmerlliche Jrome
klang, keineswegs beruhigt, und seine
slackernden Augen verrieien Besorgs
nis. Sehr ordentlich gewaschen und
getämmt, die behandschuhten Hände
gesaltet, glich er einem alten Kinde.
Auch die Fehler eines Kindes waren
ihm eigen: Naschhastigleit und
Furcht, lnabenlpaste Eitelkeit und
Ileinliche Schwindeleien. Sein Wohl
behagen war ilm beilia, er verlangte
sehr viel Rücksicht siir sich, und
schmeichelte man ihm, erreichte man
von ihm, was man wollte. ffSeine
Tochter, ein niedlicheg Geichooichen,
besass denselben ruhigen Egoismus.
Jhr leuchtend schimmernder Teint
war wohl durch die vorzügliche mä
ßige Kost erzeugt. und die Nachlässig
keit, mit der sich die schon etwas
zur Fülle neigende, überaus elegante
Dame zurücklehnte, zeiate an, daß sie
die Bequemlichkeit liebte. Sie lä
chelte ihrem Manne zu, sie war stolz
daraus, eine Gräiin zu sein und
durch ihn in hocharistotratischen
Kreisen zu leben. herr Dechapves
hatte einst eine Zuckersiederei besessen,
und das bedeutende Vermögen, das
er dadurch gewonnen, hatte ihm ge
stattet, sich einen Schwiegersohn zu
leisten. der Kavalleriehauptmanm
Graf und vollständig ruiniert war.
»Wie herrlich ist es,« sagte Dei-r de
Zeul und sah seine Frau an. Er
war gross und stattlich. Das ener
gische Gesicht des Sportsmanns trug
einen slotten Schnurrbart. Er be
zeigte seiner Frau eine tattdolle, ach
tungsvolle Ehrerbietung, und wenn
sie ihm auch manche Entgleisung in
herzens- und peiuniüren Angelegen
heiten zu verzeihen wußte, und ihre
Fingerchen die Goldschnürchen der
Börse ohne jeden Geiz öffneten, gab
sie diese Schnürchen doch nie aus
der hand, und mit einem Lächeln
wußte sie ihres Mannes Forderun
gen zu verweigern, oder zu bewilli
gen. So hatte sie, um dem Grasen
ein Vergnügen zu machen. sich bereit
erklärt, die teure Ulmer Dogge, den
Lieblingshund des Prinzen Verscha
tow, zu laufen, und mit Wohlbeha
gen blickte sie ietzt aus den wunder
baren Hund, der vor den Pferden
herlief, zu ihnen zurückrannte, um
satt von ihnen zertreten zu werden,
an ihnen emporsprang, so daß der
Kutscher, schon ganz rot vor Wut,
seine Tiere mühsam in Zaum hielt
und der Dogge gern einen tüchtigen
Peitschenhieb derseht hätte; er wagte
es aber nicht, weil der lbund einem
der Pserdeinechte, der ihn geschla
gen, den Arm zerrissen hatte. »Der
...der...der...derhund...
macht die Pserde wild!« murmelte
here Acht-Weh
Er begann sich mit dem zuneh
menden hohen Alter vor allem zu
fürchte-: überall witterte er einen
Unsas Diebe slößten ihm eine solche
Angst ein, das; ihm in schlaslosen
Nächten der Angstschweisz ausbrach.
Ein Anarchistenattentat untergrub
seine Gesundheit siir lange Zett. Nie
bestieg er ohne Furcht einen Wagen,
das Knistern der Flammen im Ka
min oersehte ihn in Unruhe, und mit
lranthastem Interesse solgte er einer
Jagd, uin bei jedem Schusse erschreckt
susainmenzusahren.
»Es-— s-s-s« z« «
ff
P
St
here de Feul gerubte auf die Be
merkung feines Schwiegervaters nicht
g: antworten, aber als er fab, daf;
s Gesicht feiner Frau plöilich etnen
öngftltchen Ausdruck annahm, drehte»
er M herum, und schon zeige thmz
auch das wütende Gebell rqggs,;
daß etwas Besonderes vorging. f
Der Kutscher, der einen Unfall;
befürchtete, lieh dte Pferde langfasi
mer geben. L
«Dragg!« rief herr de Fee-L aber;
die Do ge thi- nicht. Tka nun-!
ger s chttgangen blieb fie wild.
Wenn der Dund wochentang baten-!
los geweer war, richtete er plöhtich;
ein Brust-ad in den sahn-knallen W
Befonders aber hatte er gegen zer
lumpt ausfehende Leute etne Abnei
gang.
»Drogg!« wiederholte der Graf mit
« Dmnerfttmme, und aus Leibesträ -
ten fchreiend fügte er hinzu: »Im t
den Stock, ntcht den Stock, fonft
fspringt er Ihnen an die Kehlel
iDragg, hindert« »
I Der Kutscher hielt fest, alle was!
lren unruhig geworden. Ein alter
Bettler war beim Raben des Wa
gens ausgestanden und hatte die Wut
Ider Dogge entflammt. Mit gesletsch
iten Zähner den Körper zum Sprun
Ige gekrümmt. drückte das Tier seinen
Wunsch nach einer Messelei durch
»siirchterliches Geheul aus. Es war
höchste Zeit, daß herr de Feul mit
erhobenem Stock aus dem Wagen
sprang und aus den Bettler zueilte.
Dieser, ein alter Mann, von dem
Staub der Landstraße ganz weiß
aussehend, stand mit leichenblassem
Gesicht da und versuchte durch Unti
sche Bewegungen, die er mit seinem
Stock aussiihrte, sich zu verteidigen.
Er stotterte einige Worte, die nie
mand verstand, und in einer mecha
nischen Bewegung zitterte der Bart
aus seiner Brust. Dragg fühlte,
daß man ihm seine Beute entreißen
würde, er spürte schon die Spitze
des Stockes von Herrn de Feul und
sprang dem Bettler an die Gurgel.
Der Graf riß das Tier am Hals
riemen zuriick und ries:
»Jvlsph, Joseph!«
Aber der Kutscher fürchtete, daß
seine stampfenden, entnervten Pferde
ihm durchgehen würden, wenn er
vom Bock herabstieg. Er verlor den
Kopf und sprang nicht gleich hinzu.
Unterdessen war Dragg unempfind
lich gegen die Schläge mit dem eisen
beschlagenen Stock, die sein herr ihm
verseste, und er umschloß den Bett
ler mit seinen Pfoten und biß ihn
mit aller Kraft. Die Augen vor
Entsehen ausgerissen, wagte der
Mann nicht zu atmen und fein Ge
sicht driickte tötliche Angst aus. Keu
chend, durch das Schreien seiner
Frau und das Kreischen seines
Schwiegervaterg fassungslos gewor
den, schitttelte herr de Feul den
Hund in höchster Wut, er hörte hin
ter sich die schnaubenden Pferde, die
der Kutscher nur noch mit größter
Anstrengun halten konnte.
»Dmgg! brüllte er, und dieser
Schrei machte dem Bettler die Ge
fahr klar, und vor Angst verdrehte
er die Augen« sodaß man nur das
Weiße sah. Feul hielt ihn siir tot;
Ivon Raserei gepackt, erinnerte er sich,
fdafs sein Stock mit einem Stilett ver
sehen war, er zog es heraus und fiach
wieder und immer wieder aus die
Dogge los. Das fürchterliche Ge
»briill des Tieres verwirrte ihn
vollends, sinnlos schlug er auf den
hund, dessen Blut auf den bewe
gungslosen Bettler niederrann. Auf
den Lärm folgte entsetzliche Stille.
Dragg riichelte. Die Pferde hatten
sich beruhigt. Joseph war hinzu
geeilt und stand dumm mit offenem
fMunde da. Jm Wagen lag Frau
de Feul hinten über, leichenblasz,
einer Ohnmacht nahe, Mund und
sAugen weit geöffnet. Fast violett,
smiLsiarren Blicken, schien Herr De
schapNö von einem Schlaganfall be
strofsen. Herr de Feul betrachtete
lsein rotes Stilett, er wußte nicht,
iwie er es reinigen sollte und hielt
les Joseph hin, der ein Bündel Gras
sherausrifz und die Klinge damit rieb.
Der alte Bettler hatte die Augen
wieder geöffnet und betrachtete, ohne
Isich zu bewegen, die Szene. Jn die
ssem Augenblick ging ein legtes Zul
;len durch den Körper der Dogge,
jihre sich heftig bewegenden Manten
Twurden platt: sie war tot. Bei die
sem Anblick wurde here de Feul
von Wut gepackt und begann den
Bettler mit Schmähungen zu iibers
häufen
»Sie Lumpenterl, mit Ihrem
Stock haben Sie den Hund gereizt!
Wie? Nein? Ich habe es doch felhft
gefehent Sie widerlicher Lump! Ich
werde Ihnen die Polizei auf den
halt fchickenl Einen folchen Hund,
der hundertmal mehr wert war, als
Ihr Leben, mußte ich Ihretwegen
totfchlageni Dämlicher Tausenichts!«
Seine maßlofe Anfgeregtheit wur
de dadurch abgeleitet, daß er unter
dem offenen demd des Bettlers Blut
aus einer giiicklicherweife nicht tiefen
halswunde herahtropfen fah.
»Sie haben Glück, daß er Sie
nicht mit harrt und haaren ver
fchlungen hat«, rief er «hat man je
fo etwas sefeheni Mit einem Eifer
hätte er Sie elende Kreatur ver
fchlueli. Tut Ihnen etwas weht
Sind Sie taubi Ich frage Sie,
ob Ihnen etwas weh tuti«
Der Alte schwankte zwifchen dem
Wunfch, sich u beklagen, und der
Furcht, ange chnanzt zu werden
Man hatte von der Polizei gespro
chen und das dehagte ihm nicht. Ie
doch traf ihn hier keine Schuld. Der
Bund war über ihn hergefallen, er
hatte ihn wirklich nicht gereist. »
Fenl kehrte an den Wagen zuriick
und tlagte: «
l
»Wegen eines solchen Kerls mußte
man den Hund verlieren.
here Deschappes konnte nicht einen
Ton hervorbringen.
Frau de Fenl, praktisch, auch mit
leidig, die nur von dem Abgeordne
tenmandat ihres Mannes träumte,
sah alle Hindernisse voraus, welche
durch die Bosheit der Weinhändler,
der wählenden Arbeiter und Bauern
entstehen konnten und murmelte:
»Der arme Mann scheint verleßt
zu sein, wir müssen ihn mit in's
Schloß nehmen und bei uns pflegen.
»Das sehlte auch noch,« rief der
Gras entrüstet.
»Dort-! Glaube mir«, sagte sie.
»Das ist in Deinem«, sie verbesserte
sich, »noch mehr in unserem Interesse,
als in dem seinen.«
Sie siigte noch einige überzeugende
und entscheidende Worte hinzu, de
nen Derr Dechappes durch ein Kaps
nicken zustimmtr. Aber der Gras
slonnte sich nicht darüber trösten,
seine Dogge einem solchen Taugei
nichts, einem solchen »Bettelsack« ge
Iopsert zu haben.
I «Laß mich nur machen,« sagte Frau
)de FeuL
L Nicht ohne Mühe gelang es ihr,
»den Bettler zu beftimmen, auf den
EBock zu steigen, während Joseph und
»der Graf die Dogge unter einem
Hhaufen von"Aesten abseits versteck
»ten, um sie später in einer Karte ab
.holen zu lassen. Die Pferde eilten
Heßt auf der sonnigen Landstraße
schnell dem Schlosse zu
Zrau de Feul ließ den Vagabuni
den pflegen, und das Gerücht ver
breitete sich in der Gegend, daß es
Herrn de Feul nur mit Lebensge
fahr gelungen wäre, den Alten der
wütenden Dogge zu entreißen. Er
hätte einen entseßlichen Kampf mit
dem Bund gehabt und, um sich zu
»verteidigen, ihn mit feinem Stock
ldurchbohrt Neporter kamen zu dem
Grafen, um ihn zu intervietoen. Man
mochte einen Helden aus ihm. Der
Bettler, der die Küche des Schlosses
genoß. wurde fett und glänzend. Er
trug seinen Teil zu der Legende bei,
indem er durch sein vorzügliches Aus
sehen den Großmut der Feulg be
kundete. Das brachte dem Grasen
hundert Stimmen Mehrheit bei der
Wahl ein, und er trug den Sieg
Tiiber seinen Gegner davon, der sich
jdamit ruiniert hatte, allen seinen
jAnhängern umsonst Antipyrintapseln
zu geben.
I Dragg bekam ein herrliches Denk
smnl im gräflichen Part, und herr
»Dechappes unternahm nie toieder ei
nen Wagenausfiug
ft
f
, folge-hinde.
Der Schiffsleutnant Fiala beobach
tete auf einer Forschungsretfe im Po
largebiete unter seinen Hunden eine
sArt Selbstregierung ohne jede Beein
Hflussung durch die Wärter der Tiere.
Diese gehörten zur Esiimorasse und
zwaren dressiert, in Einzelabteilungen
zu arbeiten. Troßdem handelten sie
bei gewissen Gelegenheiten alle ge
meinschaftlich und scheinbar nach Ge
setzen, die das allgemeine Beste zu
sichern bestimmt waren. Sie iannten
sit-nich reine andere Straf-, ou den
Tot-.
Jn der Zeit der Dunkelheit verlor
Fiala acht hunde. Die wertvollen
Tiere waren von ihren Genossen ge
tötet worden; die anderen fiinf wa
ren auf das junge Eis entfloben und
da entweder umgekommen, oder fern
vom Lagerplas von der übrigen Meu
te umgebracht worden. Jeder hund
hatte iibrigens einen Namen, auf den
er hörte. Merkwürdig erschien es,
daß es, wenn einer die übrigen ge
reizt hatte, nur ein Mittel gab, ihn
vor der Wut der anderen zu fchiigenH
man brauchte ibn nur an eine Kette;
zu legen, dann ließen tbn seine Feindes
ungeschoren. Leider waren die Hun-«
de, die sich die Feindschaft ihrer Ge
nossen zuzo en, meist die größten und
kräftigsten iere, die Bucldo gen und
die Poren Sie machten a r einen
Unterschied beziiglich der Schwere von
erlittenen Berleiungem iala beobach
tete, daß e einen den opf oder den
Leib tre enden Biß leicht der-gaben,
eine Verlepung der· Beine ließen sie
dagegen nicht ungestraft und töteten
den Angreifer meist auf der Stelle,
und zu dieser Exelution vereinigten
sich alle Zugehörigen ihrer Rasse
Id
— R o t sch r e i. Bummler: »Es-iß
lichi Es wird immer elender mit der
vielberiihmten Fürsorge fiir die Ar
beitslosen. Nächstens kommt es noch
foweii, daß jeder arbeiten muß, der
nicht verhungern will.«
—O w e bt »Ueber die Witze in Jhs
rem neuen Schwanl habe ich mich
halbtoigelachi —- vor 20 Jahren.«
Irr Yetertm
F Von L. v. Vogelsberg.
F
Es war nicht zu verkennen daß
Jakob Porsch nicht zu den besonders
geachteten Bürgern seiner Vaterstadt
gehörte. Von den dreitausend Ein
wohnern betrachtete ihn mindestens
dte Hälfte als Lumpen. Das war
sehr unrecht, denn Jakob Porsch hatte
Fvon allen Siebziger - Vetetanen die
Fnceisten Schlachten mit gesochten lind
dieser letztere Umstand war es auch,
fder ihm die ungeheuchelte und unge
teilte Sympathie der männlichen Ju
Igend verschasste
Der Jakob Porsch war eine ehrli
che Haut, durch und durch. Aber seit
dem seine Frau von ihm gegangen
war, hielt er’s mit dem Schnaps.
Man nannte ihn deshab einen Säu
ser, weil man bei solch primitivem
Charakter leine tieseren Seelenregun
gen erwartete. Daß er seinen ein
zigen Sohn trotzdem zu einem tüchti
gen Menschen erzogen hatte, siel dabei
knicht weiter ins Gewicht.
Seinen Schnaps genoß der Ja
kob wie ein wahrhafter Lebensküsrst
let. Er betrank sich nie. Der Ge
nuß siihrte ihn immer nur bis zu der
Grenze, an der des Lebens Ernst
und trunkene Fröhlichkeit sich scheiden.
Dieser Zustand gab ihm den Charak
ter eines maßvoll heiteren Menschen,
der nie zu Exzessen neigte, aber auch
kein Schwarzseher war.
Diese lange, hagere und dennoch
breitschulterige Gestalt mit den ein
geknickten Knien und dem wilden
schwarzen Bart war der Abgott der
Buben. Er hatte sie lieb und sie ihn;
und in ihren jungen heißen Herzen
war der Jakob ein Besonderer, einer,
dem man Dank schuldete, denn er
hatte mitgesochten am Neubau ihres
großen schönen Vaterlandes.
Den Jakob belästigten die Erinne
rungen an die große Zeit nur selten.
Aber wenn sie kamen, dann packten
sie-ihn. Dann saß er still irgendwo
in einer Ecke, und in seinen guten
schwarzen Augen glomm ein Weh, daß
die Bubenschar wie in tiesem Respekt
scheu vor ihm wich. Kein Wort sprach
er, nie schimpste er; aber um seinen
Mund lies es wie ein schwerer Jam
mer.
Er tat der Arbeit nicht weh, der
Jakob Vorsch; aber er tat seine
Pflicht. Als Vorarbeiter der stiidti
schen Taglöhner hatte er ab und zu
eine Art KommandogewalL Das
war, wenn er vormittag die Hand
werksburschen, die ihr Essen abarbei
teien, hinaupsiihrte aus ihre Arbeits
pläßr. Dann wurden dem Jakob die
eingetnickten Beine stramm; er mu
sterte seine Söldner mit Feldherrn
sblich ließ sie Vordermann nehmen,
sBesen und Schtpben wurden geschul
;tert und mit festem Tritt zog die
l,,stiidtische Garde« vor das Tor. Da
Jdraußen ging’g dann zu wie aus dem
Grerzierplatz; der Jakob schliss seine
Kohorte mit Grissen und Manövern
wie der beste Unterossizier. Zum
Schluß tat er dann den obligaten rie
sen Zug aus der Flasche, suhr mit
dem andriicken über den wilden Bart
nnd agte schmunzelnd: »So war’s
Siebzig!«
Dann kam der stolzeste Tag in Ja
kob Porschs Leben. Der Krieger-ver
ein hatte die Schlachtenspangen er
halten, und «, Jakob Vorsch, hatte
die meiste . So breit wie eine
Hand lagen sie aus seiner Brust ne
ben den Kriegsdenkmiinzen Sie
wanderten sich alle, namentlich die
Honoratiorensöhnchem die damals mit
ihm ausgerückt waren: der Stadt
lump, der Jakob, war ihnen über;
vierzehn Schlachten ohne die Gesechte.
Der Jakob aber reckte den ausgema
gelten Körper hoch und marschierte
mit zur Kirche. Und nachher, unter
den Klängen des Pariser Einzugs
marsches, mit zum Festessen· «
Er aß nicht viel und trank nicht
viel. hie und da steckte ihm einer in
der Weinlaune eine Mart zu. Die!
nahm er, ohne viel zu danken. Der
one Amtegerichtgkat schob ihm sp-!
gar einen Taler in die hand und
meinte: »Lassen Sie sich’s dienenJ
Vorsch, aber nicht siir Schnaps, ja?«j
Der Jakob schüttelte nur still denn
Kaps: »Wenn meine Frau noch das
wär', herr Amtsrichter ...«« «
Dann ging er; der Trubel machte(
ihn wirr im Kopf. Die Spangenl
aber bat er nie mehr getragen. Die!
gingen bald zum Gelbgieszer und die
empfangenen Groschen zum Schwing
bandler. Der Jakob war ja längst
nicht mehr eitel.
Lange bieht der Veteranennimbus
sreilich ni t vor. Wenn der Jakob
auch dama s sein Leben in die Schan
ze geschlagen hatte, so war das doch
schon lange her. Dazu war seine so
ziale Stellung nicht derart, daß man
ihn hätte weiter beachten können, und
»Hu den Veranstaltungen des Krieger
jvereins kam er auch nicht« An die
sen Sonntagen trieb er sich lieber
draußen im Freien herum, hatte ei
nen Trupp Jungen hinter sich, denen
-er Weiden- und Graspfeisen schnitt
und, wenn er sehr heiter war, das
eine oder andere aus dem eisernen
Jahr erzählte. Ohne jede Tendenz,
»die sich gegen das neue Reich und
seine Machthaber etwa gerichtet häute.
Nur die Franzosen konnte er nicht lei
den, sie waren ihm als Gegner nicht
ehrlich genug gewesen damals
,»Lumpen sind sie alle miteinander!«
tonsiatierte er. Und dann gab er
seine ausgeschnappten französischen
jBrocken Zum Besten Sonderhar im
;.Accent Und als man ihn korrigie
Iren wollte, fuhr er aus: »Halt’s
,Maul. Bub’! Jch war mit dabei
und muß es wissen!«
s Diese sommerlichen Gänge durch
sWald und Feld bildeten gewisserma
sßen den Lebensborn des Jakob
Vorsch, aus dem er immer von neu
em schöpfte. Wenn er in seinem sau
beren, billigen Anzug so durch die
wachsende Staat ging, dann schien er
vollkommen wunschlos zu sein. Es
schien so, denn niemals hatte er ei
nen neidischen Ausspruch getan oder
den Wunsch nach eigenem Besiß ge
äußert. Es freute ihn, wenn’s an
deren gut ging.
Bis eines Tages ein Vorgang die
Grundsesten seiner Lebensanschauung
erschüttern zu wollen schien. Den Ve
teranen, den bedürstigen natürlich,
sollte eine Ehrengabe von ein paar
Mart bewilligt werden, soferne sie
das Leben eines anständigen Bürgers
geführt hätten. Der Jakob fiel nicht?
unter diese Kategorie; er galt offiziellH
als Trunkenhold, trotzdem ihn nochs
niemals jemand aus der Straße hatte
liegen sehen. Man wies auf die vier
zehn Schlachten hin; es half nichts,
der Jatob Porsch war ein Säufer,
der die Chrengabe doch nur in
Schnaps anlegen würde. Das müßte
im Jnteresse der öffentlichen Ordnung
retmieden werden.
Der Beteran Porsch erfuhr erst viel
später von dem, was ihm entgangen
war. Zwei Jungen, denen er gerade
eine Weidenpseife zurechttlopste, mach-H
ten ihm die schwerwiegende Mittei-»
lang. Er blieb ganz ruhig dabei
und hämmerte bedachtfam weiter aqu
der grünen Rinde. Dann schnitt er;
die Kerben in das Holz und gab dies
fertige Arbeit an den einen der BU«
ben: »So ...·«. Und dann strich er
sich mit der hand über die Stirn
und schob die Mütze zurück: »Ko
Egsgs wie’s manchmal zugeht in der
e ...«
Das war sein einziger, gewisserma
ßen osfizieller Protest.
Seit diesem Tage aber siel Jakob
Porsch ab. Sein täppisch heiteres
Temperament schlug in schweren Ernst
um. Ganz allmählich zwar, denn er
wollte den Stimmungswechsel nicht
merken lassen. Aber er machte ietzt
öfter und länger Pausen, um traurigi
in irgend eine nebelhaste Ferne zu?
starren. Ab und zu iranl er auch;
mehr, aber er hielt Maß. Man sah
sihm an, daß etwas in ihm sraß.
Einen Einfluß aus die Betätigung»
lseiner Kindersreundschast hatte das
alles freilich nicht« Nach wie vor fan
den in dem Geräteschuppen die
sreundschastlichen Versammlungen
statt, in denen Jakob Porsch den
Spott und die Reckereien der Rangen
über sich ergehen ließ. Nie wurde er
grob, nie anziiglich. Er liebte die
Kinder, und es machte ihm keinen Un
terschied, welchen sozialen Rang ihre
Angehörigen einnahmen. Seine Gut
mütigleit kannte nur eine Grenze
das war, wenn ein Drehorgelspieler
lam und einen Armeemarsch spielte.
Dann mußte. alles um ihn herum
mäuschenstille sitzen, bis die Geschichte
zu Ende geleiert war. Gab jemand
während des Vortrages auch nur ei
nen Ton von sich, dann konnte er
äußerst ruppig werden. Und wenn
dann die Sache zu Ende war; dann
strahlten seine Augen, und die seht-Ip
pe Gestalt reckte sich: »Ja, ihr Bu
ben. damals, damals ...«
Und doch schien es, als ob der Ja
kob Porsch in seiner Teilnahmslosigi
keit noch einmal aus die Jagd nach
Etw«rb» gehen wollte. Er sin an,
sich mit der Kotbflechterei zu beschäf
tigen. So nebenher, um noch ein
paar Groschen dazu zu verdienen.
Die Gerten konnte er sich drunten am
Fluß genugsam schneiden. Dabei
wurde aber seine Stimmung womög
lich noch gedrückten »Der Porsch
wird simpel!« sagten die Honoratioren
und mieden ihn noch mehr. Dabei
wurde sein Verdienst immer schmäler.
Jn seiner Trösteinsamkeit half ihm
der Schnaps nur noch selten und
nun begann er das Leben hart und
grausam zu finden.
Da verstteg er sich dann zu dem
harten Entschluß, um die Unterstüt
zung vorstellig zu werden, die man
ihm seiner Zeit versagt hatte. Aber
man sagte ihm rund und nett sein
Säuferturn auf den Kon zu und
ließ ihn gehen.
Und der Jakob Porsch ging. Wei
den schneiden, wie er sagte. Dann
sah man ihn drei Tage lang nicht.
Am vierten gab ihn der Fluß wieder
heraus, an der tiefsten Stelle, gerade
unter der Eisenbahnbrücke. Die Hän
de waren gefaltet und das Messer
und die geschnittenen Gerten lagen am
Ufer.
Nach Ansicht der öffentlichen Met
nung lag unzweifelhaft Selbstmard
vor. Das Motiv war, sehr wahr
scheinlich, die Wut iiber die abgeschla
gene Unterstützung. Nur auf dieser
Grundlage konnte man dem Toten die
drei Salven über das Grab verwei
gern. Und darauf kam es an. Denn
der Peter Porfch war kein würdiges
Glied der oHameradschaft gewesen
und brauchte nicht mit in der Reihe
zu liegen, zusammen mit den Toten,
die teine vierzehn Schlachten mitge
tämpft hatten.
So etwas Aehnliches sagte n:an
auch dem alten Amtsgerichtsrat, der
die Untersuchung am Tatort leitete.
Der alte Herr drückte die schmalen
Lippen aufeinander und fah die Sip
pe mit einem bösen Blick an. Und
dann kam sein Trumpf, trocken und
sachlich: »Wie der Augenschein er
gibt, ist der Mann ausgeglitten und
hat den Halt verloren. Ertrunien
durch einen Unglücksfall!«
Als er gehen wollte, fliifterte ihm
einer zu, ganz entsetzt: »Aber here
Rat, der Jakob Porsch . ..«
»... Hat das Deutsche Reich mit
griinden helfen!« knurrte der alte
Herr wiitend und ging.
Die Ehrenzeichen wurden dem Ja
kob nicht nachgetragen, weil die längst
der Geldgießer hatte. Aber die drei
Salven trachten über sein Grab und
die Buben, die wie die Spahen in
langer Reihe auf der Kirchhofsmaner
saßen, freuten sich, daß man ihren
Freund in Ehren begrub. Und diese
Freude hätte dem Veteranen Jakob
Barsch wohl am meisten gefallen.
wenn er sie hätte sehen können.
, --.—- -"’-.—-——— —
ctu Schnitt-s und sei-e Folge-.
Daß Stumme durch einen plöhlis
chen Schreck die Sprache wiedererlan
gen, ist wiederholt vorgekommen. Ei
nen Fall dieser Art erzählt ein Frank
xurter aus eigener Erfahrung, wie
olgt:
Meine Schwester besuchte eine Klo
sterschule. Wegen einer Verfehlung
wurde das kränkliche schwache Kind
körperlich gestraft und es verlor in
folge der damit verbundenen Aufre
gung die Sprache und war längere
Zeit stumm. Jch war zu jener Zeit
Gymnasiast. Da Jugend bekanntlich
leine Tugend hat und ich ganz sicher
eine Ausnahme von dieser Regel nicht
bildete, so war ich in den holden Fle
geljahren natürlich bei einer »Frosch«
Verbindung. Eines schönen Abends
kam ich nun, wie das so geht, ganz
gehörig beschwipst nach Hause. Mein
alter Herr war natürlich von solchem
Lebenswandel sehr wenig erbaut und
es setzte eine gehörige Standpauke.
Die Auseinandersetzung drohte eine
fiir mich unangenehme Wendung zu
nehmen« weshalb ich mich in mein
Zimmer zurückzuziehen wünschte. Da
ich das europäifche Gleichgewicht nicht
mehr halten konnte, suchte ich einen
Stützpunkt am Ofen. Dem Ofen
ging ich dabei so kräftig zu Leibe,
daß ich das Ofenrohr ausriß und die
ses polternd und eine Ruszwolke ver
breitend in die Stube fiel. Die Fa
milie sprang natürlich entsetzt auf,
auch meine stumme Schwester, die
nun vor Schreck schreien und anschlie
ßend sofort auch sprechen konnte. Sie,
wie mein Vater, segnen jedenfalls,
wenn sie es auch des moralischen
Prinzips wegen nie eingestanden ha
ben, jenen ..Schwips«, der — die
Ehrlichkeit iibcr alles — ein »Land
nen-Rausch« war.
—-—Drnckfehler. Ersaßmit Er
na und seiner Schwiegermutter tm
Kahn. Etna freute sich, als sie fah,
wie er mit starker Hand das L u de r
ergriff.
—- Natürlich. Herr (beim Ad
vokaten): »Eine bescheidene Antrage
kostet doch wohl nichts-W
Advotat: »Natürlich nicht! Aber
die Antwort!«
Die Omborombonga-Bäume ha
ben so harteö Holz, daß es sich nicht
verarbeiten läßt.