Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, September 06, 1912, Zweiter Theil, Image 11
cui-unis. Von Gustav Schüler-. Des dich empor. haft nachivekfchüttet sag Du liche- Lebem steige in den Tag Ter Magens lebt tm großen Samen glaubet-. Was gräme dich noch im neuen Mor Senkt? Schon über olveks alle ebensnotl Was kann it deine helle Sonne rau ben? Sieh, eine Lerche, die sich flatternd fchwinqb Glitckfeliq llimmend anell eher singt. Schon hält das Himmel-blau sie ganz umschlossen. So steige du. mein Herz, wie sie em « vor Unp singe dick- bis in der Wolke-a Tot-: Dem Smnenglück hat qold’ne Leiter sprossenl 444 Tec- Gas un Fauna-ims Eine Schulerinnermig van Paul Her rnann Gattung Lange Jahre hatte ich nicht an Fe lix Rostow gedacht. Lebenöumstände rissen mich friih von der bei-nat lob, und die lieben Klassenkameradem von dem Kitt gemeinsamer Streiche lange zusammengehalten, zerstreute der Wind. Da las ich irgendwo, daß der Oberleutnant Felix Rostow durch die Lebensrettungsmedaille ausgezeichnet war. Er hatte in Deutschostafrita mit eigener großer Lebensgefahr eine Negerfamilie gerettet. Wie ich Felix Rostow kannte, war ihm die aus führliche Schilderung seiner Helden tat sicherlich sehr unangenehm Aber die Blättermeldung war es doch, die mir den Kameraden auf einmal merkwürdig nahe brachte. Ich sah ihn ganz deutlich vor mir, und in meiner Erinnerung tauchte mit, besonderer Klarheit das Erlebnis; aus« das für den Charakter und den« Lebensgang Felix Roftows sicherlich bestiinmend war. Unser Jahrgang war für die Leh rer des Gymnafiums eine rechte Prüfung. Neben den braven. bie deren eingeborenen Schülern befand sich eine ganze Anzahl Jungen vom Lande, die, non Hauslehrern mäßig vorbereitet, mit reiferern Alter dir Klasse zierten. Mit diesen war nicht Leicht zu leben, sie ließen sich nicht gern »was« gifallen, schätzten die Wissenschaften gering und terrori sierten gelegentlich die braveren Ele mente. Die Lehrer hatten es größ tenteils satt, gsgen diese Phalanx von offenem und geheimem Widerstand zu kämpfen, schlossen Kompromisse und waren wahrscheinlich froh, wenn sie die Bande einigermaßen durchbrach ten. Das Ideal von Disziplin konn te unrniiglich erreicht werden. Wir lebten unsern guten Tag, taten das Notwendigste, das geschehen mußte, und fühlten uns im übrigen über die Schulgesehe erhaben. Der ganze Zu stand erfüllte uns mit tindischem Stolz, »wir waren wir« da gab’s nichts· Zu den Stützen der Opposition gehörte Felix Roftow, ein großer, blonder Jüngling« körperlich außer ordentlich entwickelt, in der Unterse lunda schon mehr junger Mann als Schüler. Jm Turnen, Sport, Ver pslanzen studentischer Sitten ins Pe nal leistete er Glänzendes-. Ueber seine geistige Veranlagung war man im Zweifel. Er war von einer auf fallenden Gleichgültigteit, überraschte aber manchmal durch treffende Ant work und schrie-« wenn er wollte, tadellose Ertemporalien. Die Lehrer ignorierte er ans Grundsatz, sie er schienen ihm höchstens als notwendi ges Uebel, -inaeseszt, ihm seine per sönliche Freiheit zu vertiirzen Da war es siir ihn, wie siir uns nicht weiter ausregend. als mit dem Quartalsbeginn um Michaelis ein neuer Lehrer von auswärts in das Kollegium eintrat. Er unterrichtete Deutsch, Geschichte und Griechisch Jch war wohl der einzige, der eine ganz unbestimmte bönaliche Bornh nung hatte, als Dr. William Peters zum erstenmal die Klasse betrat. Wir blieben nach unserer unböslichen Ge wohnheit ruhig sitzen, er sagte nichts, aber ein scharfer Blick aus blauen Augen slog Tiber unsere blonden und schwarzen Köpfe. Er war nicht groß, aber, wie man es damals nannte, «patent" und mit unaussälliger Ele anz gekleidet. Er war im Gegen fatz zu den meisten unserer ange stammten Lehrer eine gepflegte Er scheinung. Schüler haben einen merk würdig scharsen Blick sür solche Aeußerlichleiten. Mein prophetisches Gemüt wurde verlacht, der »Patentsahle« soll bloß mal was rigtierenz »wenn schon«, sagte Rostow ruhig, als er in der Pause sein gewaltiges Schinkenbrot verzehrte, »wir soll er man kom men!« . Meine Ahnung hatte mich nicht etiiuscht. Borderhand zeigte sich freilich der Leu noch nicht, der in diesem Erlichem eleganten Deren eckte, a allerhand unvertennbare nzeichen deuteten aus Sturm. Das bei spiirten wir den frischen Geist, der in seinen Stunden lebendig war. Es war nicht die übliche Schablone, sondern eine ganz neue Darstellung art voll Leb-en und prachtvoller An schaulichleit. Geschichte lernten wir zum erstenmal durch ihn. Aber wir waren viel zu verbohrt, um uns tampslos der Stätte dieser Persön lichkeit hinzugeben Seine milttiirisch geschulte Kommandostimme ärgerte uns vor allen Dingen und dann die Rücksichtslosi teii, mit der er Ber Htiinvnislosig eit und Wissensliicken aufdecktr. Nebenbei waren Jronie und leiser Spott seine Kampsrnittel mit unserer breit entwickelten Gleich giiltigteits Einige begannen insge heim, unter heftiger Ableugnung ge gen die Klassenkameraden fiir seine IStunden regelt-echt zu arbeiten. Fe Ilix Rostow sagte: »Mir kann er nicht Iimponierem einer is wie der andere, es ist bloß ’ne andere Rasse.« Die Feindseligteiten brachen aus, »als Dr. Peter-s verlangte, daß wir bei feinem Eintritt in die Klasse und bei Beantwortung seiner Fragen aus stehen sollten. Brummen und taurn unterdrücktes Hobngelächter war die Antwort. Röte stieg in seine Stirn »Ich verlange es, und Sie wer den sich danach richten.« « l »Und wenn Sie es zeh al ver-! langen« es ist Lei uns und itberhauptl in den Obertlasfen nicht Sitte, keiner tut es, warum sollten wir es tun.«’ er iderte Roftow, ohne sich von sei-» ne Platz zu erheben, »führen Sie man bloß nichts Neues eint« »Das fehlte noch«, rief ein ande rer, »wir haben vhnedies schon Plat terei genug.« -« »Ich habe gesagt, wie ich es haben will. Gehorchen Sie nicht, haben bSie sich die Folgen selbst zuzuschrei en.« »Denn man zul« Der stieg war eröffnet und hielt uns in Erregung. « Dr. Peters ver suchte sich mit allen nur denkbaren Schulstrafen durchzusetzem wir leiste ten passiven Widerstand oder lachten gerade heraus. Sein Ehrgeiz gab anscheinend nicht zu, uns vor das Forum des Kollegiums zu schleppen. Jund darum erfochten wir vorläufig manchen Sieg, der uns in unserem HVerhalten bestärlte. Es wurden so ;gar Weiten abgeschlossen, ob wir ihn I»tlein« kriegten. Felix Rostow er »llärte, auf die Dauer sei die Sache langweilig, und sie müsse zu irgend Hvelchem Ende geführt werden. Er ifiir seinen Teil glaubte natürlich jniemalg an einen Tag von Da maslus. i Jn einer griechischen Stunde, die Eden Vormittag schloß, iam es zur Hlang erwarteten Katastrophe. Wir shatten wieder alles getan, um Dr. lPeteks das Leben schwer zu machen, jhatten seinen Erläuterungen Stumpf sinn entgegengesetzt und ihn und sei ne Stunde nach Möglichkeit igno riert. Er war richtig blaß, und zwischen seinen dunklen Augen Ibrauen stand eine scharf eingeschnü tene Falte. Wir stellten«seine Ge Isichtsveränderung mit lebhafter inne rer Genugtuung fest. Als sich Dr. Peters einige Noti zen machte und eine lleine Pause im Unterricht eintrat, erhob Nostow plöslich seine Stimme. Er saß in nachliifsigfter Haltung. di Beine vor »gestrectt, auf seinem Plac in der er Fsten Bank. Sein Ton hatte die ru hige Jmpertinenz, mit der er andere Lehrer so oft geörgert hatte. »Den Doktor, ich wollte Sie bloß Imal fragen, wie lange wir eigentlich Inoch bei Jhnen aufstehen sollen, man triegt die Sache doch mal satt und überhaupt.« l Donnerwetter, Rostaw war doch Eh er Forscheste von uns allen i Aber viel Zeit, uns dieser »For Zsche« zu erfreuen, hatten wir nicht. sMit einem Sprung war Dr. Wil liam Peters vom Katheder herunter, «stand vor Felix Rostow und ver seyte ihin eine Ohrfeige Ein dramatischer Einschlag von tolassaler Wirkung, wie ein Rau schen gings durch unsere Reihen. Die -Ol)rseige, die Felix Rostcw be tam, hatten wir alle erhalten eine allgemeine Beschimpfung Un ser Atem stockte beinahe Lor grauen gemischter Spannung Was würde nun werden, etwas Ungeherires, noch nicht Dagewesenes mußte geschehen. Dr. Peterö stand vor Rastatt-, blaß mit zuckender Lippe, aber den Blick sest aus den unbotmäszigen Schüler gerichtet. Die Szene erinnerte ein Fischen an Löwenläsig Rostow sprang nach rascher Ueberwindung des ersten Schrecks ebenfalls aus Er schien sich aus seinen Gegner stürzen zu wollen — aber überraschender, uns ganz unertliirlicher Weise setzte er sich wieder ganz ruhig aus seinen TM Er war ebenfalls erblaßt, nur die rechte Wange brannte rot. Jn diesem Augenblick läutete die Glocke aus dem Gang die Beendi gung der Stunde. Es wurde kein Wort gesprochen. Dr. Peters ver-» ließ, als sei nichts vorgesallen, die Klasse. Wir aber summten wie ein Bienenschwarm durcheinander. Wies nur sollte diese ungeheuerliche Tat, sdie Beleidigung der ganzen Selunda gerächt werden Die wildesten Vor-; schlage wurden laut, aber Felix Lin-s stow hörte aus leinen. Mit zusam-! mengetnissenen Lippen packte er schweigend seine Bücher zusammen; und ging, jede Begleitung ableh-« nend, nach Hause. Wir oralelten, daß hinter diesem Schweigen etwas iirchterliches laute, und sahen ge gannh wie einer Ritterlomödie, der ersten Nachmittagssiunde entgegen, die unt Mschichtsunterricht bei Dr. Peter-I brachte. Rost-no erschien wie tmrner. Es war ihm nichts anzurnerlem Ge-! spräche iiber den Vorfall wies er zu-. rück. Er lachte über einen Wis, der gemacht wurde, und lieh sich von ei-. nern Jntitneren das Exzerpt der leh ten Geschichtgsiundr. . - Als Dr. Peterl die Klasse betrat, blieben wir wie früher unbekümmert sihem denn irgendwie mußten wir doch vernonitrierem Rostow aber erhob sich, so lang und groß er war —- also doch, nun würde er es ihm sagen. Sein ganzes Gesicht brannte. wie es arn Morgen nicht gebrannt hatte. Er schluckte und druckste einen Augenblick, dann gab er sich einen Ruck. . »Den Doktor, Sie haben recht ge habt« Wir hörten wohl nicht richtig, das klang ja wie Verrat. Auch in Dr. Peters’ Gesicht stieg das Blut. »Alle Achtung«, sagte er, dann ging er vom Katheder herab auf Rostow zu und gab ihm fest die hand, wie es unter Männern Brauch ist« Weiter wurde tein Ton ilber die Sache verloren. Der Unterricht war sehr lebhaft und angeregt. Mir schien eg, als stünde im Angesicht von Dr. Peiers ein aussallenb heller freundlicher Schein. " Die Nadaubriider waren mit die sem Ausgang natürlich sehr unzu frieden und hielten ihn fiir wenig ehrenvoll, aber die Vernünftigeren und Feineren begriffen, Laß hier aus beiden Seiten Siege gewonnen seien Felix Rostow war im übrigen nicht die Natur, sich irgendwie viel kritisieren zu lassen. Er hatte eine gute, kräftige Faust, und die ist im Leben immer noch etwas wert. Die aussallende Wandlung der Klasse, die von diesem Zeitpunkt an gerechnet werden konnte, setzte das ganze Lehrerkollegium in Erstaunen. Dr. Peters war eben ein Wunder mann. Ohne die persönliche An ständigteit des einen hätte er diese Wandlung wohl nicht sc rasch er «zielt. Jdeale von Musterfchiilern wurden wir natürlich in keiner hin sicht, dazu war die Grundlage nicht :da, aber es ließ sich wenigstens mit Juns auskornmen. J Felix Rostow machte entschieden ;die merkwürdigste Veränderung Idurch, er, der die Schule bisher ge Ihaßt hatte, fand plötzlich an einer ganzen Reihe ron Fächern Gefallen und machte nach Jahren ein gutes Examen Er wollte sogar aus rei ner Begeistetung siir Dr. Peters Philologie studieren, aber er folgte dann dem Rat, den ihm die kluge Kenntnis seines Lehrers und Freun des gab. Felix Rostow und Philo logie, nein, das wäre wohl nicht das Richtige gewesen. Wer Jätte sonst wohl auch die Negerfamilie gerettet. A-—A Cine eigentttmtiche stete. Jedem, der das haus der Gemei nen in London zum ersten Male ve sucht, fällt es als höchst eigentümlich aus« daf; die Abgeordneten mit dem Hut auf dem Kopfe dasitzew Wann und warum der Hut zuerst getragen wurde und weshalb diese Gewohn Iheit sich zu einem Gebrauch ausge Ibildet hat, ist nicht bekannt. Viel leicht hat einst ein Mitglied wegen des Zuges, der manchmal im Hause 'herrscht, den »Sprecher« um die Er laubnis ersucht, den Hut aufzubebiils xten, und nach diesem Präzedenzfall irichtet sich nun das ganze Parlament Das Tragen des Hutes ist übri gens genauen Vorschriften unterwor fen. Ein «ehrenwertes« Mitgli--'D, das vielleicht die Regeln des Hanf-H Fnoch nicht kennt oder-As Pergeleisiss Iren mit oem Vut auf sem Kopie jHaus durchschreitet, würde sos.-rt ydurch den Ruf: »Ordek!«, der iklrn »von allen Seiten entrüstet entrinnst-. :schallt, an sein unpassendes Bein-b »men erinnert werden, denn —- Irr Abgeordnete darf den Hut nur bekm »Sitzen tragen. Sobald er aufsteht« muß er den Hut abnehmen, selbst wenn er vielleicht nur ein paar W.-r« te zu einem hinter ihm sitzenden Its-l legen sprechen oder ein Papier vom Tische nehmen will. Wenn einer Vorlage oder eines Amendemeiits, das ein Mitglied eingebracht, durch den Sprecher Erwähnung geschieht, so erhebt der Betreffende seinen Hut, ohne aufzustehen, und dasselbe sie schieht, wenn ein anderes Mitalied seinen Namen nennt oder auf eine an ihn gerichtete Frage antwortet. lltrxht komisch ist es dann, denn das gewise ..honorable member« den Hut zusii - lig nicht auf dem Kopfe hat, denn es muß ihn sofort aussehen, nur um ihn sogleich höflich zu lüften. Ueber baupt gibt dieser Brauch oft zu den lächerlichsten Zwischenfällen Veran lassung. Kürzlich geschah es g. B» dan ein Abgeordneten der einen auf fallend kleinen Kopf hat, den Hut seines Nachbars erkrisf Und sein aani zes ehrenwerteg G ficht plötzlich unter diesem Hut verschwand« —Die Gelegenheit ist a tin stig. Frau: »Jeyt kommst Du? Es ist längst nach Mitternacht! — Mann: »Sei nicht böse, Frauchen; hier leg’ ich Dir meinen Statgewinn in die händr. Kan Dir einen neuen Hut dafiirl« —- Frau (besänsti·at): »Das wird aber nicht langen, lieber Manni« —- Mannx »hm, soll ich morgen noch mal sehens« Zeiss ges-J Slizze von Helen. Lang-Anton Jn dern internationalen Modebad »W. erregte eine blasse blonde Frau, die im Rollstuhl von einem Diener ge fahren wurde, Aufsehen. Sie war schneeweiß gekleidet, was sie noch blasser erscheinen iieß. Die zarte Hand, durch die man die Adern schimmern sah, hielt einen Strauß weißer Lilien, die starken Dust aus strömten. Sie schien dies nicht als Störung zu empfinden, denn oft neigte sie den Kopf und roch an den Blumen. Den aufmerksamen Beschauer, der ein Herz siir fremdes Leid besaß, muteten diese weißen Blüten, die die Köpfe hängen liefien, wehmütig an. Sie forderten unwillkürlich zum Veraleich heraus. Auch die zarte blasse Frau saß mit vornübergeneigtem Kopf da. Nichts regte sich in ihren Mienen, das Inter esse an der Außenwelt verraten hätt«. Nur ab und zu huschte ein Schimmer von einem Lächeln iiber ihr Geschi wenn das kleine Mädchen, das neben dem Rollftuhl zierlieh schritt, sie mit einer Frage oder Liebkosung be stürmte. Dann kam Leben in das starre Gesicht. Kummer in die großen Jgrauen Augen. ; Der Rvllstuhl hielt fast stets neben sder Musik; nicht vorne, wo die Menge idrängte —- seitlich, etwas gedeckt von iden großen Bäumen. Es war lein Versteck. Denn wer nur etwas die Hauptprornenade verließ, urn sich in dem schönen Kurgarten zu ergeben, mußte, wenn auch in einiger Entfer nung, an ihr vorüber. s An sie selbst hereinzutreten wagte; niemand, da verschiedene Annähesi rungsversuche von der Kleinen ener-« gisch mit den Worten: »Maan darf nicht sprechen«, zurückgewiesen wor den waren. Die Kranke selbst hatte freundlich lächelnd es durch ein Kopf neigen bestätigt, wohl auch ab und zu um Entschuldigung gebeten, wenn der Protest des Kindes etwas zu hastig ausfiel. Das hatte sich herumgespro eben und das Interesse an der blonden Heiligen, wie sie genannt wurde, noch vermehrt. Zu diesem gesellte sich Mitgesiihl. — An einem besonders heißen Tage war es, als Frau Sadora, gefolgt von ihrer Kleinen, angefahren kam. Sie war noch blasser als gewöhnlich und ihre zarte Hand hielt wieder den Lilienstrauß. Da trat ihr Arzt, der eben von ei ner Kranken aus dem Kurhaus kam. an sie heran. Er wollte ihr die Lilien fortnehmen. Sie hielt sie fest und sah ihn ganz erschrocken an. Dies Erschrecken stand in gar keinern Ver hältnis zu der Unbedeutenheit des Vorsalls, wenn nicht der traurige Ge danke sich dahinter geborgen hätte, daß schon ein paar Blumen siir die Kranke, die vielleicht nicht mehr viel zu verlieren hatte, einen Verlust be deuten. Mißbilligend lam es von des Arz tes Lippen: »Der Geruch der Lilien ist zu start fiir Jhre Nerven. gnädige Frau-« »Ich liebe ihn.« -« »Ich halte es siir absolut gesund heitsschädlich, den Geruch täglich, stündlich einzuatmen.« »Ich bin daran gewöhnt, das scha det mir nichts mehr.«« - Ob sie es unbewußt, ob sie es mit Absicht gesagt, es lag eine Hoffnungs losigkeit in den Worten ,,nichts mehr«, die trostlos wirlte. Der Arzt hatte nicht den Mut, sein Verbot zu wiederholen. Er gab ihr noch einige Verhaltiingsmaßregeln. die sie mit einem müden Kopsnicken beantwortete, steckte der Kleinen ein paar Schokoladentiiselchen in die Hund« die er zu diesem Zweck stets in seiner Nocktasche trug, und winkte dein Diener mit einer Kopsbewegung, ihm zu solgenÅ — Als sie außer Hörweite, sagte er I eindringlich: »We) holen Sie nur immer die weißen Lilien her?« »Ich? Jch hole sie gar nirht.'« »Nicht? Die gnädige Frau kann see sich doch nicht selbst besorgen.« »Nein·« »Nun, wer bringt sie ihr denn?« »Ich weiß nicht.« Doktor Wehl wurde ungeduldig· »Woher hat die anädige Frau diese Blumen, die ihren Nerven entschieden schädlich sind.« »Sie liegen jeden Morgen aus dem Fenster, das nach der Veranda geht« Erstaunt sah Doktor Wehl den Diener an. »Und die gnädige Frau hat keine Ahnung, wer sie hinlegR Und Sie auch nicht, wirklich nicht?« »Wirklich nicht. Jch kann nur an nehmen, daß jemand von der Vorliebe der gnädigen rau siir Lilien gehört, vielleicht auch in ihren Händen welche gesehen, die ich anfangs besoraen mußte. Jetzt brauche ich es nicht mehr; denn jeden Morgen, wenn die niidige Frau zum Frühstück heraus ommt, liegen aus dein Fensterbrett drei Lilien.« »und die gnädige Frau spricht nicht nach dein Spender?« »Nein.« »Sie fragt nicht einmal, wer sie hinlegti« »Nein.« Dokter Wehl, verstummte Diese Gleichtgitltigkeitjdie fast ans We en lose reiste, war nicht dazu ange an, Kräfte zu heben, entschwundene Ge sundheit wiederzubringen. Und doch hätte er viel darum gegeben, dies junge Leben zu retten. Er hatte manchen Einblick in ihre oerschlossene Seele getan, ihren inne ren Reichtum erkannt und sich fest vorgenommen, mit dem schwarzen Ge sellen, der schon die Arme nach ihr ausgestreckt. zu ringen. Er haßte diese Blumen fast, die ihre schwachen Ner ven noch mehr angrifsen und ihre Kräfte, statt zu heben, oerminderten. Auch geaen diese Gleichgültialeit mußte s sie ankäinpfen, das Leben mußte in ihr erwachen. Und unwill kürlich lenkte sich sein Blick nach dem kleinen Mädel, das stets so vorsorglich um die Mutter bemüht war. Frau Sadora lauschte mit geschlos senen Augen dem Brautchor aus Lohengrin. Die süßen Klänge durch zogen ihre Seele, weckten neue Lebens hoffnung. Plötzlich schlug sie die Augen auf und begegnete einem andern Augen paar, das voll auf ihr ruhte. Es ge hörte einem noch jungen Mann, der auf einem der bequemen HolzsesseL die um die Musik herumstanden, saß. Sie hatte ihn schon öfter bemerkt; an seinem langsamen Gehen, seiner fah len Gesichtsfarbe hatte sie erkannt, daß er gleich ihr ein Kranter war. Auch ihr Arzt hatte zu ihr von ihm gesprochen, vielleicht auch zu ihm von ihr. Denn sie fand ihn oft aus ihren Wegen, und nie geschah das, ohne daß seine Augen die ihren suchten. Heute war« ein ganz besonderer Ausdruck darin, der sie befangen machte. Und wie unter einem Bann ver-selten sich ihre Augen ineinander. Ein leichtes Rot stieg in ihre blassen Wangen, fast lebhaft richtete sie sich auf. Dabei entfielen ihr die Lilien. Sie konnte sie nicht ausnehmen, und der Diener stand abseits im Gespräch mit dem Doktor. Auch die Kleine, die mit anderen Kindern spielte, war Ehrem schwachen Ruf nicht erreich ar. Als sie sich hilfesuchend nach allen Seiten umfah, stand er plötzlich vor ihr, bückte sich und reichte ihr stumm die Blumen. Wieder färbten sich ihre Wangen, als sie leisen Dank flüsterte. Bei der Ueberreichung der Blumen berührten sich ihre Hände eine Se lunde nur; aber sie ließ eine Berle genheit zurück, die ihrem Gesicht etwas Rührendes gab. »Von Kerrnan,« stellte er sich vor. » Da trat der Arzt heran. » »Wieder ohne Ueberzieher, Herr ’Baron.« »Es ist ja fo warm heute.«« » »Die Abende sind schon recht kühl, und da Sie mir auch darin nicht fol gen und nicht früh nach Hause gehen —« »Soll man sein Leben noch tür zen2« warf Baron Kermfcn ein. Un willtiirlich begegneten seine Blicke denen Frau Sadoras. Ein trauriges Berftehen lag darin, ein Berstehen, tdas die Brücke zwischen ihnen baute. l Der vielbeschäftigte Arzt, den die Gewohnheit abgestumpft, merkte Inichts von den Fäden, die sich um die Ibciden Menschen, die ein verschiede nes und doch gemeinsames Schicksal Jtrugen, spanntcn. Er war sichtlich »verstiinmt, daß feine Vorschriften nicht eingehalten wurden, nnd sing sauch wieder an, von der Schädlichkeit »der Lilien zu sprechen. Zu gleicher IZeit schickte er den Diener nach einem jSessel fiir Baron Kerinöm der nicht lso lange stehen durfte ; »Gestatten Sie gnadige Frau, daß Tich Jhnen Gesellschaft leiste?« I »Bitte, das heißt, wenn der Herr lSanitätsrat —« » »Ich habe nichts dagegen, voraus Igesefzn daß Sie nicht zu viel und snicht zu lange plaudern. Vielleicht wählen Sie als Gesprächstherna die Notwendigkeit, ärztlichen Vorschriften zu folgen»." , Mit diesen Worten empfayi er sich. , Frau Sadora fah ihm ivehmiitig Ilächelnd nach. F »Ein lieber anter Mensch, er hat Tnur zu wenig Verstellung für einen sArzt.« . »Ja,« stimmte Baron Kermcsn zu. ’«Wenn er einen an die Genesung glauben machen will, llingt fein Ton iunsicher, und die Sorge lugt hinter jedem Trostwort hervor·« »Haben Sie das auch empfunden?« Er antwortete nicht. Wozu ein fiir Kranke so ungeeignetes-«Then1a fort setzen. Nach einer Pause sagte er: »So lang man lebt, hofft man auch, gnädige Frau. Denn dieses Hoser ist vielleicht ein fchmaler Pfad »zur Genesung.« i Sie nickte nur und roch an den iLiliem Dann sagte sie lächelnd: f »Diese Blumen, die ich nicht missen kann, sind sein Aerger. Er mag ja lrecht haben daß der scharfe Duft für fmeine schwachen Nerven nicht taugt; aber wenn man sich mit dein Gedanken vertraut machen muß, bald alles zu missen — Sie schwieg plötzlich; sie fühlte tief innerlich, daß sie sich mit dem Gedan ken noch nicht vertraut gemacht hatt», daß die Resignation, in die sie sich hineingeredet, beim ersten Lebensruf in nichts zerflatterte. Und in selt samer Uebertragung ihres Gedankens sagte er, indem er ihr fest in die Augen fab: »Wir wollen den Willen zum Leben festhalten, nichts tknverfucht lassen, die Vorschriften des Arztes genau erfül len, die schädlichen Mumen fiir im mer entfernen.« Er griff dansch Sie zuckte zusammen. Dann öff nete sich ihre Hand — die Lilien fie- · len zu Boden. Zu gleicher Zeit kamen ihr die Tränen. - »Sie weinen, grädige FrcruiiU - Schon wollte er die Blumen wieder aufheben, da wehrte sie a’-« ' ,,Lassen Sie nur. Wenn uns etwas genommen wird, beweinen wir es.« »Und wenn uns etwas gegebeni wird, bejubeln wir es,« Vervollstän digte er, neigte sich und küßte ihr dies Hand. Sie senkte die Augenlider. Auch· fie fühlte etwas von iommendem Ju bel gemischt mit Angst, ihn nicht er warten zu können. Jhre Gleichgiäls tigteit war gewichen, ihre Sehnsucht nach dem Leben aufs neue qeweckt uns aus diesem Gefühl heraus sagte sie lebhaft: »Es Wird lllhL Und Wlk haben All genug gesprochen. Wir wollen folg-· sam sein.« Er erhob sich. »Dars ich sagen, gnädige Frau, aus Wiedersehen?« »Aus Wiedersehen,« kam es leise von ihren Lippen zurück. Und lächelnd setzte sie hinzu: »Wir wollen einer den andern überwachen, zur Vorsicht mahnen. damit unser guter Doktor nicht mehr nötig hat, über Eigensinn zu klagen. Jch oerbanne die Blumen-— »Und ich hülle mich in den Ulster auch bei zwanzig Grad Hitze. « Sie lachten und reichten sich die Hände wie alte Freunde. Da kam die Kleine angelaufen. Er staunt sah sie bei ihrer Mutter einen fremden Mann, der ihre Hand hielt, und diese selbst saß aufrecht mit rosi-. gen Wangen und leuchtenden Augen] und sah aus ganz wie früher, als sie« noch gesund war. Dann reichte auch«l sie freiwillig dem Fremden ihr Händ chen. , ,,Bist Du ein Doktor? Und ist« Mama jetzt aesund?« . »Noch nicht, aber sie wird gesun den« Am— nächsten Morgen, als Frau Sadora zum Frühstück ins Zimmer. trat und ihren Fensterplatz wie ge wöhnlich einnahni, fehlten die Lilien. Nun wußte sie auch. wer der Spender. gewesen. Ein seltsam süßes Gesiihl durchilutete ihr Herz und Sinne. Sie sühlte lommende Genesung, kommen- « des Glück. — .-.-, ———4. Originale alte Theater-Feind Eine Sendung französischer Thea-; terzettel aus dem Anfang des vorigenl Jahrhunderts beweist, wie schon da mals findige Direktoren die Neugier-J und Schaulust des Publikums anzusj locken suchten. Namentlich in der Fassung der zweiten Titel trieb dieses Netlame ganz besondere Blüten. Ei-» nige verlieren auch in der Uebersetzungi nicht völlig Reiz, wie z. B. »Der le-.« bendige Tode oder die geprellten Er-s ben,« »Das salomonische Urteil oder-« das von Justiz wegen in Stücke ge-«’ fchnittene Kind,« »Robert der Teu fel oder der zwischen Tugend und La-: ster taumelnde Jüngling« Nicht übel ist auch die Bemerlting1· bei der Antiindigung der Tragödie:! »Robert der Räuberhanptmann oderk die Höhle des Verbrechens, daß die Rollen der Diebe von einigen Dilet tanten aus der Stadt gütigst über nommen worden seien, und daß man in Berücksichtigung der Länge des Stückes 6 Uhr präzise beginnen wer de, ohne Rücksicht darauf, ob Publi kum da sein werde oder nicht« Allem setzte aber folgende im Jahre 1824 in St. Omer gehaltene tltede eines Direktor-Z die Krone auf: »Mei ne Herren und Damen! Ehrenpflich ten zwingen mich, binnen wenigen Ta gen meine Schritte und meine Truppe nach anderen Gefilden zu lenken. Allein vor meiner Abreise werde ich in einer großen Extra - Gala —- Vorstel lung dem hochverehrten Publikum nrch vorführen: Die Einbildungen der Frau Periielle oder die an dem Busen einer anständigen Familie ge wärmte Schlange, Lustspiel in 5 Al tien Und sehr schönen Versen von wei land Poquelin Moliere, und zweitens-: Die galanten Abenteuer eines Leut nants von der leichten Jnfanterie, to mische Oper in drei Alten von Eugen Scribe und dem französischen Kompo nisten Boieldieu.« Unter diesen Ti teln sind dann auch ,,Tcirtiiffe« und »Die weiße Dame« über die Bühne gegangen. Ter gewissenhaste Ju. Ein großer Jre trägt eine Leiter durch die von einer dichten Menge erfüllten Straßen von London nnd hat dabei das Pech, die Spiegelschei be eines Schaufensters einzustoßen. Sofort setzt er seine Leiter hin nnd läuft davon; aber der Ladeninhaber hat ihn ges,ehen stürzt hinter ihm her, und da er der bessere Läuser ist, packt er ihn bald beim Kragen. »Sehen Sie her«, ruft der Kauf mann, nachdem er den Atem wieder gewonnen, »Sie haben meine Fen stetseheibe zerschlagen!« »Freilich habe ich«, stimmt ihm der Jre zu, ,,sehen Sie denn nicht, wie ich nach Hause renne, um. Geld zu holen, da mit ich den Schaden bezahlen kanni«