Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, August 30, 1912, Zweiter Theil, Image 11

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    M Its-Ue
Von Ernst L Schellenbers
DII mußt IIIIch lIebemo Herrl Ich III
tote du und lebe tief In deinem Schat
Jch war dein Traum. dII gabst mir die
Gestalt
Und eine We cui bewohnten Matten.
Und lösteft Inig aus deiner Ewi keIt
Daß Intt das lück des vWIedekfIn
Nun geh Ich fuchegdzdukech die lleIIIe
Und flüchte vor der ruhelos-In Zeit.
Denn hier Ist alles-, doch du bist das
NI ems,
Unfaßlich gleitend wie vie Frühlings
wInde
Den-, weise mir die Brücke deines
Lichts
Daß Ich den Weg zurück zIIr Heimat
fIIIdeI
s
s Piqu Ah.
Briessragmente von A. v. Cremit.
14. März.
«...Du siehst es nun, mein Lie
ber, wie gefährlich es ist, sich ein
Versprechen gehen zu lassen von Leu
ten, die, wie ich, den schlechten Ton
besitzen, es in eigensinniger Weise zu
halten. Die in Deiner harmlosen
Liebenswiirdigteit gewünschten Reise
berichte wirst Du also über Dich er
gehen lassen müssen!
Venezia la dominante zeigte mir
bei meiner Einsahrt ihr unfreund
lichstes Gesicht. Unter strömendern
Regen, der in Massen in das
schmutzige Lagunengewässer siel, trug
mich die »Gondola« den großen Ka-i
nal entlang. Venedigs alte Herrlich
teit sah in dem trüben. grauen Lichte
uoch melancholischer als sonst aus.
Gespenstisch öde lag die geräuschlose
Stadt da, mit ihren märchenhasten
Gebäuden, den dunkeln Calli, den
Gäßchen, den zahllosen schmalen, ge
wundenen Kaniilem
Dann Ankunst in den- zur moder
nen Karatoanserei umgewandelten
alten Palazzo.
Anstatt der Leipziger Straße der
Canale grande vor mir! Man muß
an der Spitze eines ausreihenden Be
triebes der Großstadt zu stehen« in
der vertehrstollsten Gegend zu woh
nen verdammt sein und endlich, um
diesem zerrnalmendem triäderwerl siir
einige Zeit zu entkommen, aus Ber
lin geslohen sein —--- um die Ruhe
hier ganz zu empfinden und zu wür
digen. Diese mich umgebende Stille
hat noch so viel Unwahrscheinliches
siir mich, daß ich wiederholt ans Fen
ster gehe. dort lausche und aushorche.
Und wahrhaftig: sie hält an. Nur
zuzeiten ein langgezogener Laut aus
menschlicher Kehle —— der Nus der
Gondolierr. Oder das leichte Ge
räusch einer Bartassr. Mir ist’s, als
össneten sich die Nerven, die armen,
von der Kultur mißhandelten, als
saugten sie diese köstliche Stille in
sich eint
Meinem Ruhebedürfnis lomrnt
auch der Umstand aus das heste ent
gegen, dasz ich mit seinem Menschen
zu sprechen brauche. Selbst nicht an
der Tahle d'hote, die nicht an ge
meinsamer Tafel, sondern an tleinen
Tischen serviert wird. Jch sitze solo.
Und mein Nehentischchen ist noch
stei....
16. März.
Meine Sorge für Füllung des
hotelbriessastens wirst Du rührend
finden. Man hat aher lein Recht,
sich über Dinge zu beklagen, die man
selbst herausheschworen. Das gilt
meinen hrieslichen Ergiissen, die sich
so schnell solgen -—-- und Dich errei
chen!
Zunachstt Jch habe eine Nachbarin
tm SpeisesaaL Mein bedeutendstes
Erlebnis- innerhalb der letzten vier
undzwanzig Stunden
Jch war gestern gerade mit dem
Suppenlöffeln zu Ende, als der
«Ober« eine junge Dame an das noch
unbesetzte Nebentischchen geleitete.
Eine hohe Gestalt v«n edlem Eben
rnaß. Reiches, dunkelblondes haar.
voll heser sonstiger Reflexr. Ich
möchte es beneiden: es ist nicht ge
bleicht oder gefärbt. Von ihrem Ge
sicht behielt ich nur den Eindruck
ernster, auffallend blasser, blutleerer
Züge, während ihre dunkel strahlen-»
den, seltsamen Augen nie habe ich.
ähnliche gesehen - mein Empfindem
wunderbar berührten. Jhr Blick
schien zu sprechen. Von Trauer, von
ual.
Sie-wähn- ihken Platz seid-: sp,
daß sie mir den Rücken zuwandte.
Hättst Du es für möglich, daß ich
Feinschmecken als der ich unter Euch
verschrieen bin, den hier ftets bemer
kenswerten Tafelgeniifsen kaum Be
achtung fchenkteli Der Blick der
Fremden, der Ausdruck tiefsten See
enschmerzes, der in ihm lag, haftete
mir im her n. « Jch wartete, bit
sich meine achbarin am Nebentisch
erhob und an rnir vorbei mußte.
Sie sah mich nicht an. Defto voll
kommener nahm ich während ihres
Vorüberfchreitent ihr Bild in mir
auf. Ohne zu viel zu sagen: sie ist
seltsam schön!....
Jn später Abendftunde besuchte ich
noch den Mein-Zutun Bei aller
Mannigfaltigkeit seiner Reize, die
ailf die Sinne wirken, wüßte ich
kaum einen Ort, der besser die Ge
danken zu beruhigen und zu sam
meln und zuletzt in ein glückliches
Träumen einzuwiegen vermöchte, so
-
i
i
—
daß man die Gegenwart vergißt.
s Als der Mond am himmel stand,
lerschien die Martustirche zu einem
hauche verklärt, während sich aus
dem Platze eine bunte Menge
drängte.
17. März.
....Kann ein Wesen, das man
früher nie gesehen« durch sein Erschei
nen allein einen Einfluß, ich möchte
sagen einen magnetichen, ausüben?
Empfindelei, untlare Gefühlswalluns
gen oder gar verliebtes Schwärmen?
Niemals habe ich mich in solche Ge
hege verirrt. l
» Die Fremde wohnt im zweiten
»Stock, nach der Piazza San MoiseF
shinauh Wie ich in Erfahrung brin
sgen konnte, lam sie mit einem älteren
iHerrn an, der turz daraus wieder ab
sgereist ist. Jm Fremdenbuch hat er
LTislis als Heimatsort und einen
»russischen Namen eingetragen. Mit
»den hotelhediensteten wechselt sie tein
!Wort. Jhr Zimmer scheint sie nur
zur Dinerstunbe zu verlassen.
Mein Gruß, meine stumme Ver
Ibeugung heute bei Tisch sand keine
ICrwidärung Während des Essens
jbkann es in mir vor Aerger, vor —
s was-weiß ich!
Ich stand zeitig aus und ging in
mein Zimmer zurück, welches an
dem Gange liegt, der nach dem
Speifesaal führt. Dort lauerte ich
hinter der leicht angelegten Tür und
liigte durch die Spalte.
; Als die Fremde vorbeikam, trat
ich heraus. Wie zufällig. Und da
ich aus diese Weise plötzlich neben ihr
stand, konnten einige entfchuldigende
Worte als durchaus angebracht gel
ten. Jch sprach Französisch- Jch
hoffte auf ein mir sich zuivendendes
Neigen des schönen Hauptes, auf ein
flüchtiges Wort vielleicht . . . .
Nichts an ihr verriet, daß sie mich
sah, geschweige denn hörte.
Starr blickte sie wie in die Weite
vor sich hin, es schien, als schreite sie
einem fernen Ziele entgegen, dein ihre
ganze Aufmertsamkeit gelte.
Aber der vorbeistreifende Saum
ihres Kleides hatte mich berührt!
Und meine Augen folgten der sich
entfernenden edlen Gestalt, von der
etwas so Herbes und Rätselhaftes,
mich übergewaltig Anziehendes aus
geht....
21. März.
..... Sie müßte kein Weib sein«
wenn sie meine stumme Huldigung,
die ich ihr entgegenbringe, nicht be
merkte. Jhr Blick streift mich jetzt
öfters. Mit demselben Ausdruck von
Trauer und innerer Angst, der mich ;
beim ersten Sehen so eigen ergriff«
Nur will es mir scheinen, als steige
in den herrlichen Augen« sobald sies
den meinen begegnen, ein Crstaunen,»
einf Suchen, ein zaghaftes Fragens
au
Weißt Du noch? Vor acht Tagen!
frohlockie ich über die mich hier um
gebende Stille. Und nun beginnt sich
in mir etwas so Unruhevolles zu
regen....
22. März.
....Es war nach dein Frühstück
heute, vor dem Hotel am Kai. Meine
Zigarette hatte ich eben in die La
gune wandern lassen; ich wollte die
linde Luft des Frühlingsmorgens
besser einaimen. Da bog eine Gan
del aus dem nächsten Seitenkanal.
Zu meiner Verwunderung erkannte
ich in ihr die Fremde. Als das
Fahrzeug an unserer Landungstreppe
anftieß, war ich bereits zur Stelle
uni beim Ausfteigen behilflich zu
fein. 'Meine hand streckte sich ihr
entgegen. und nach kurzem Zögern
legten sich ihre Finger in die meinen.
Jhr Arm zitterte merklich. Jch
redete sie an. lind erfchöpfte das
Repertoire meiner Sprachkenntnifse.
Aber weder den französischen noch
englischen, weder den italienischen
noch deutschen Worten gab sie eine
Silbe zur Erwiderung. Nur ein
müdes, aber unendlich liebliches Lö
cheln flog über die zarten Züge. Sie
dankte, indem sie den Kon neigte.
Jn der einfachen Bewegung lag be
zaubernde Graziet
Mir kam der Gedanke: steht eine
Stamme vor Dir? In demselben Au
genblick trampfte sich ihre Hand zu
sammen. Sie stieß einen Schrei aus
und rief in mir unbetannter Sprache
ein paar Worte, die ein plöhliches
Entsehen ausdrücken mußten. Sie
wankte und starrte mit weit geöffne
ten Augen über meine Schulter.
Unwillkürlich wollte ich mich um
wenden. Aber schon trat ein here
hinter inir vor, auf sie zu, erfaßte
ihren Arm und führte fie, hastig und
heftig auf fie einredend, ins hotei.
Nachts.
Da mich der Schlaf flieht, mag
Schreiben das beste sein....
Sie tam den Tag iiber nicht mehr
zum Vorschein. Ebensowenig ihr
plöylich ausgetauchtet Belannter, der
nach Meinung des hotelsetretärs ein
orientalisches Jdiom, er glaubt Ar
menisch, mit ibr gesprochen hat.
Um 7 Uhr ries das Dröhnen des
Gangs zur Table d’hote. Meine
Nachbarin schlie. Der erste Gang
wurde ausgetragen und abgenommen;
eine Schüssel folgte der anderen.
Kaum daß ich es bemerkte. Mein
Nebentisch blieb leer.
Wenn sie das Hotel verlassen hätte?
Wenn ich sie nicht mehr erblicken
solltes — Mich befiel ein stittmisches
Verlangen. Sie nur eintreten u
sehen, Sie neben mir« dort, an e
.»----.-,-—·-.---,« --· -
nem Plan sitzen zu sehen. Sie,
das stumme, madchenhaste Wesen, das
nie ein Wort zu mir gesprochen und
mir doch so nahestehend scheint, die
Fremde, von der mir alles unbekannt«
von der ich nur weiß, nur fühle, daß
sle leidet. Und deren Anblick, deren
Erscheinen mir unentbehrlich zu wer
den droht.
Einmal ließ mich ein Geräusch
vor der Saaltür - - wie von Schrit
ten und Stimmen » Augenblicke
lang ihr Kommen noch erhoffen.
Vergeblich.
Erst als ich erfuhr, daß sie noch
im Hause verweile und nichts vonl
ihrfer Abreise verlaute, atmete ich
au .
Jch ging aus und betrat erst nach
zielloser Wanderung durch Gassen
und Gäßchen, über Brücken und Ka
näle, in vorgekiickter Nachtstunde
mein Zimmer.
Jch schob, ohne Licht zu machen»
einen Sessel ans Fenster.
Vor mir die vom Mondlicht slim
mernde Wassersläche, versank ich in
Sinnen, und die sich selbst überlasse-»
nen Gedanken s pannen ihre Fäden. (
War mir in einer früheren Exi-;
stenz die Fremde schon begegnew
Hatte sie da rnir nahe gestanden, so"
daß ich jeht noch einer magischen An-»
ziehungstrast unterlag? —- Oders
träumte ich in diesem Leben schon?
von ihr? !
Plötzlich ließ mich das schnell-l
Oefsnen und Schließen meiner Tür!
aushorchen. Und ein leises Raschelmi
das ich zu hören glaubte. Jch suhri
mit dem Kopfe herum, lauschte alt-i
gespannt, vernahm jedoch nichts wei-;
ter.
Es konnte sich jemand im Zimmer
geirrt und aus Bersehen geöffnet
haben.
Als ich später den elektrischen
Draht erglühen ließ, schimmerte mir
ein weißer Fleck auf dem Dunkelrot
des Teppichs entgegen. Unweit der
Tür. Jch bückte mich. Meine Hand
ergriff ein Papier. Ein Blatt aus
dem Kartenspiel: Pique-Asz.
Vor mir auf dem Tische liegt es
jetzt; die Ecken lassen es erkennen: ein
fast neues Blatt. Aus meinem Besiye
stammt es nicht. Jch habe keine Kar
ten bei mä·
Osfenbar stand aber das vernom
mene· Geräusch mit diesem Funde im
Zusammenhang.
Was soll diese geheimnisvolle
Karte, deren schwarze Mitte, einer
Dolchspige gleichend, mein Auge
bannt und immer von neuern daraus
zurücklenkti
Ein seiner Duft — ein zarter
Beilchenduft —- entströmt dem Blatt.
Stammt es von ihr? Warf sie es
in mein Zimmer? Zu welchem
Zweck?
Zeigte nicht die Uhr in wenigen
Minuten Mitternacht: ich erzwiinge
mir zu ihr den Zutritt .
Am Abend daraus.
Am Hotei. dem alten Palazzo,
gleiten dicht besetzte Gondeln, mit
bunten Lampions reich geschmückt,
langsam vorüber. Mandolinen
klänge, im weichsten Piano anschwel
lend, dann leise verhallend, dringen
zum Fenster empor
Zwar nimmt das Auge das an
mutsvolle Bild auf, das Ohr die
süßen Töne — die Seele weilt aber
noch bei den erschütternden Erlebnis
sen des Tages....
....Die ersten Erlundigungm
heute morgen galten der Fremden.
Sie hat mit dem plötzlich aufgewach
ten Herrn das Haus des Nachts ver
lassen. Nach einem zwischen beiden
stattgefundenen heftigen Streit. Ein
Kellner verriet mir noch:« gestern,
während des Diners, sei sie auf dein
Wege zum Speisesaal gewesen, kurz
vor ihm jedoch von ihrem Begleiter
fast mit Gewalt zurückgehalten wor
den. Jhre Rückkunft wurde erwar
tet, da auf eine heimliche Abreise
nichts hinzudeuten schien und sich ihr
sämtliches Gepäck im Hotel befand
Jhr Bekannter hatte gestern, nach sei
ner Ankunft, ein Zimmer fiir sich ge
nommen, doch ohne ein Gepiiclstijck
mitzubringen.
Jch habe den Vormittag, den Mit:
tag, den Nachmittag in der halle
nächst dem Eingangstore zugebracht.
Bald aus diesem, bald auf jeneinj
Korbsessel sitzend, bald hin und herl
patrouillierend. Lesend, rauchend. Jm
Innern siebernd.
Sie erschien nicht wieder.
Gegen 5 Uhr brachte mir der Por
tier die zweite Ausgabe der hiesigen
»Gazetta«. Jch lese italienische Zei
tungen, besonders um mich in der
Sprache zu vervollkommnen. Jch
durchflog das Abendblatt, las diesen
und jenen Artikel· Ohne daß mir
der Inhalt recht zum Bewußtsein
drang.
Da stieß ich im lvkalen Teil aus
eine Notiz. Zuerst beachtete ich sie
kaum. Darin faßte ich sie schärfer
ins Auge. Jch las zweimal, dreimal,
und —- von einer jähen Eingebung
erfaßt — stürzte ich an den Kanai.
Ich sprang in eine Gondel.
Zehn Minuten später landete ich
am Palazzo Loredan, dem Polizei
präsidiurn.
Es gelang mir s nell, mich mit
den Beamten zu ver tändigen.
Ein altes Weib, die Frau des ge
rade abwesenden »Kustoden«, führte
mich durch schmutzige Gänge und
öfe in ein dunkles hintergeiiude, wo
e eine Tiir ausriegelta
»..-.-» -;-.-;» --- - - . - » J
,,Entrate, Signore,« forderte sie
mich mit heiserer Stimme zum Ein
tritt aus«
Feuchte, modrige Dünste schlugen
mir entgegen. Das Auge fand sich
in dem tellerartigen Gewölbe nur
schwer zurecht.
Jch stand im Leichenschauhause der
Stadt.
»Dort — dort liegt die Signora,
die heute früh auk dem Kanale der
Giudecca gezogen worden is,« mur
rnelte die Alte.
Das Zeitungsblatt, das ich noch
immer in der Hand gehalten hatte,
glitt tnisternd aus den Boden. Jch
preßte die Lippen auseinander.
Die Alte schlürfte an eine hölzerne
Pritsche und schob ein schwarzes,
lang herabhängendes Tuch zurück.
Die Fremde lag vor mir! »
Sie schien zu schlafen. Aus den
marmorbleichen, weichen Zügen lag
sanfte Ruhe. Nur eine kleine Wunde
störte, die an der Stirne klaffte.
Die geschlossenen Lider bedeckten
die herrlichen, die wunderbaren Au
gen. Für immer. Erloschen war ihr
Blick, aus dem so viel des Webs, der
Angst und Qual geleuchtet hatte....
Starr, mit gefalteten Händen,
stand ich) Haupt und Auge nach der
Entseelten gewendet. So blieb ich
lange in ihren Anblick versunken.
Und eine tiefe Trauer übertam
mich. Als sei jemand mir Teures
dem Tode zum Raub gefallen. Ein
mir nahe verbundenes Wesen. Kein
fremdes
—
I Schwer fiel es mir, von der erial-"
’teten Gestalt, die noch voll Anmut
sschien, m’ abzuwenden.
, Endli fragte ich die alte Frau,
Hob man über die Tote Näheres
Ilwissk
! Nein. Jn ihren Kleidern hatte sich
fnicht das geringste auf ihre Person
IHinweisende gesunden. Nichts. Nur
sein Päckchen Karte-L
s »Kann ich es sehen?«
s Sie wies auf einen Tisch.
s Jch nahm die nassen Blätter, die
sda lagen und zum Teil zrlsammen
itlebten. Sie glitten durch meine zit
ternden Finger. Es war ein voll
zstiindiges Spiel. Bis auf eine Karte,
iwelche fehlte.
I Ein Piquk-Aß war nicht zu finden.
lUnd als ich nun in die Brufttasche
sgriff und das sehlende Blatt, dessen
IRiickenzeichnung mit dem vor mir
iliegenden Spiele übereinstimmte, auf
Iden Tisch legte, rief, daraus deutend,
die Kuftodim .
»Morte!«
»Was soll das heißen?'« srug ich
ungestüm.
»Das Aß von Pique -— in der
sKartensprache —- bedeutet es —- den
iTod!«
Was ich empfand — wie könnte
ich es schildern!
Eine Botschaft hatte mir die tät
selhafte Karte bringen solleni
Einen Todesgrußi
Oder einen Ruf um Hilfe? Bei
stand heischend?
Eine Botschaft des verzweifelten
Geschöpfes, dem kein Verständigungs
mittel zu Gebote stand, dem vielleicht
die Hoffnung kam, ich würde sie ver
stehen und ihr Folge geben — der
Unglücklichen, der der Tod vor Au
gen schweben mochte -«- der gewalt
same....
Denn die Behörde glaubt an einen
Mord.
Nicht nur die Wunde spricht da
siir, auch die Person des Menschen,
der gestern aufgetaucht und von der
Fremden Seite nicht gewichen war.
Er soll ein Haupt armenischer
Verschwörer fein. Diese benutzen zu
ihren Zwecken Mädchen aus den
edelsten Geschlechtern ihrer Heimat —
und töten sie, wenn sie Verrat be
sürchten....
Eine volle, liebliche Frauenstimme
schallt vom Kanal her durch die
fchweigende Nacht. -
»Summend, singend, rein verklin
gend. .
Süß ersterbend kommt der Ton,
Luft und Welle führen schwingend
Seinen letzten Hauch davon.
Und die Rechte senkt die Feder,
Jm Gebete schweigt das Herz....
Und mir ist’s, als trügen Engel
Eine Seele himmelwärts« . . . .
Meines Bleibens ist hier nicht län
ger.
Jch reise morgen. Und sehne mich
nach dem betäubenden Getriebe der
Weltstadt. —
AA
ff
i
— Die Tan te. Mutter-: Eris
chen, du siehst ja so strahlend aust«
Frischem »Ja, denle nur, Mama,
Tanie Mehlis hat mir einen Taler
ges enkti«
utter: »Was! Die geizige Sie-,
wollte sagen, die sparsam Taute?
Ja, wie ging denn das zus«
Fri chen: »Tante sprach davon,
daß e jetzt bald Geburtstag hätte
und dann vierzig Jahre würde.«
Mutter: »Na, das ist start! Schon
mehr Unglaublich! Die wird ja schon
Aber, das tut nichts zur Sache.
Wie ging es denn weiterW
Frischem »Ich habe es ja auch
nicht geglaubt, weil Papa erst neulich
sagte, daß man der Taste immer nur
die Hälfte glauben dürfte. Und da
sagte ich zur Taute: ,,Aetsch- —- ätsch,
das glaube ich nicht! Du bist erst
goalnzth Und da schenlte sie mir ’n
a er.«
dweiiikäuesihkksus
Slizze von Fritz Sänger.
»Mutter, soll ich die Lampe holen I«
»Nein, noch nicht."
»Aber du siehst nicht mehr genug.«
Während das Mädchen zur Mutter
sprach, hielt es den Kon ein wenig
auf die Seite geneigt, und hatte dabei s
fo eine eigene Zärtlichkeit in dert
Stimme — fast, als. wenn es selbstt
die Mutter wäre und hätte es mit(
einem trauten Kinde zu tun. i
Die alte Frau legte die Brille hinf
und die Arbeit daneben auf den
Tisch:
»Weißt du, es gibt wohl etwas,
das man besser sehen kann, wenn es
dunkel if
Das Mädchen beugten tden Kopf
weiter vor, und daß es rot wurde im
Gesicht, das war nicht von dem Duft
der Blumen, die ringsum im Garten
in allen «Beeten zwischen uiitzlicheren
Pflanzen zerstreut standen.
Die Mutter fühlte dieses Rotwer
den sehr wohl, wenn sie es auch nicht
sehen konnte.
Es lag in der Stille, die jetzt ein
trat, ein herzliches Jneinanderspielen
der Empfindungen zweier Menschen,
die nicht nur Mutter und Tochter,
sondern auch gute Freunde sind.
Langsam wurde es dunkler; Sekun
den in solchen Lagen werden zu Mi
.nuten, und Viertelstunden zu halben
Ewigkeiten --- Auf einmal hielt das
Mädchen nicht länger an sich: Ganz
unvermittelt legte es«.plötzlich beide
Hände auf den Arm der Mutter und
den gliigenden Kopf aus beide Hände:
,,,Mutter du weißt ja doch alles,
sag mir, was ich tun soll· «
Die Frau streichelte mit der freien
Hand über das Haar ihrer Tochter
und sagte ruhig und langsam:
»Ja, ja, einmal kommt das so; in
jedem Leben kommt das einmal so.«
Das Mädchen sah nicht auf.
»Mutter, was soll ich aber tun?«
»Daß weiß ich auch nicht.«
»So sag mir doch, wenn du das
auch einmal erlebt hast, was hast denn
du getan?'«
Es zuckte leise durch den Körper
der Frau:
»Was ich getan habe --- aber das
war ja doch dicht das Rechte."
»Nicht das Rechte?«
Das Mädchen sah auf und suchte
das Auge der Mutter. Diese saß
noch gerade so wie zuvor und fuhr
Langsam mit dem Kopfe hin und
er:
»Nein, nein, das war nicht das
Rechte, es war auch nicht gerade so
wie bei dir. Es ist ja jedesmal ein
bischen anders, aber es wird jedesmal
dabei iiber ein Leben entschieden,
manchmal ohne daß man es weiß,
und doch will ich dir sagen, eine Lie
be, wie sie dir Albert entgegenbringt,
ist immer etwas Großes«
»Aber Mutter, du warst doch dage
gen.« ·
»Ja, schau: du hast mich auch
sonst nie um Rat gefragt, und als
Mutter war ich dagegen, weil du erst
18 Jahre alt bist. Und wenn ich dir
als Freundin sagen soll, was ich
meine, welches das Gute und Richtige
ist: ich weisz es nicht.«
»Wie war’s denn bei dir?«
»Ja, das will ich dir schon
zählen, wie es bei mir war.«
Sie macht den Arm los, das Mäd
ek
chen sehte sich aufrecht und lehnte;
sich an ihre Schulter.
die Frau und mit einer solchen Zärt
lichkeit, als wollte sie jedes Wort ih
rer eigenen Erinnerungen lieblosen
»Ich war in meiner ersten Stel
lung; in einer kleinen Stadt wars
in bayerisch Schwaben. Ich kann
wohl sagen, ich hatte es gut getroffen,
die Frau war neidisch auf mich und
der Mann stolz, und die Kinder, über
die ich zu wachen hatte, hatten mich
recht lieb. Wenn ich über die Stra
ße ging, blieben nicht nur die jun
gen Burschen stehen — -- ja, wenn man
so 18 Jahre zählt und schön ist, da
ist man reich das weist ich jetzt
erst so richtig, nun ich 58 bin.«
Sie machte eine kleine Pause, das
Mädchen blieb ganz still.
Leise begann ’
l
i
»Wir arbeiteten damals recht viel;
da ist das, was du in deinem Bureau
zu tun hast, Joch garnichtg dagegen.
Wir saßen manchmal bis- Mitternacht
wir, die Frau, eine liebe Mutter und
ich; wir arbeiteten an einer Aussteuer
von einem Sohn jener Mutter, die
ich nannte» Dieser Sohn war ein
Bruder des Mannes der Frau, bei der
ich diente. «
Er hieß Cmil Neubaucr und hatte
eine Braut, die nicht einmal die Aus
steuer hatte; er war Lehrer drau
ßen in einem Dorf und iam öfter
herein, um nachzusehen, wie weit wir
mit der Aussteuer waren, und wir
beide sprachen auch öfter allein zu
sammen, Emil Neubauer und ich.
Und einmal am Abend war sein Bru
der und seine Schmägerin fort, da
sagte er zu mir: ob ich denn auch recht
fleißig gewesen sei bei seinen Sa
chens
Das will ich schon meinen, gab ich
stolz zurück. Dann faßte er mich
bei der Hand und sah mir so seltsam
in die Augen, daß ich seinen Blick
nicht ertragen konnte. Dann ging
er und schloß die Türe und dann
faßte er mich mit beiden Händen um
den Kopf und sagte leise: Marie, dasj
ist schiin daß du so mitgeholsen hast
Vorher hatte er nie du zu mir
gesagt aber ich hatte nicht die Kraft,
etwas dagegen einzuwenden, und et
fuhr sort: Marie, gib nur Ohrring
daß alles gut nnd recht wird, denn
es lammt bei so etwas so viel aus
Kleinigkeiten an, und du darfst schon
sein auspassen, denn das ist deine
Aussteuer « —
Und als ich das gar nicht verstand,
da saßte er fester mit beiden Händen
in meine Haare, die so blond waren,
wie die deinen jetzt und er bog meinen
Kopf zurück —- und küßte mich. —
Und dann sprach er ganz leise: das
ist dein Brauttuß gewesen.
Nur ganz langsam verstand ich das
alles, aber dann habe ich ihn gut zu
rückgegeben, den Brauttuß.«
Die Frau schwieg, aus weiter Fer
ne tlang ein helles Abendglöcklein.
Sie horchte und bog den weißen Kopf
zurück, bis es ganz zu Ende war.
Als das Glöcklein verklungen und
sie immer noch lange nicht wieder
sprechen wollte, sagte die Tochter
leise: «
»Mutter-«
Die blieb stille.
Die Mutter wandte sich nach dem
Mädchen um:
»Mutter, du bist ja noch nicht ser
tig.«
»Die Geschichte meinst du ja
was schön war daran, das ist schon
zu Ende. - - — - Man wollte es nicht
—— sie alle wollten es nicht, und
Emil war nicht da. Die Briefe, die
er mir täglich schrieb, bekam ich
nicht, so waren sie alle gegen mich
und ich allein hatte nicht die Kraft -
oder nicht genug den Willen zur Kraft
—- ich unterlag. -—- Jch meinte auch,
weil das Glück einmal so ganz unver
hofft und ganz angerufen zu mir ge
kommen war, es stünde immer an
meiner Türe. Das war der große
Irrtum in meinem Leben. Man
muß reich sein, wenn das Glück kom
men soll, es sei an Schönheit oder
an Geld, oder an sonst etwas —- —
immerhin die Aussteuer, von der ich
sprach, war jedenfalls für eine dritte.
Jch habe erst mit dreißig Jahren
geheiratet, und schau, wenn ich jetzt
so gebückt gehe, das Glück war es
nicht was mich gedrückt hat, und
meine weißen Haare, das ist auch
nicht der echte Winter.
Aber ich hab’s getragen. Du soll
test mir auch nicht helfen, ich sagte
es nur darum, weil ich so gern, gar
so gern wollte, daß du von der Freu
de ein klein Teil abbekämst —- —
von der Freude, um die ich in meinem
Leben zu kurz gekommen bin.
Deswegen habe ich mich über dich
immer so gefreut, das war immer
meine wärmste Hoffnung und mein
tiefstes Gebet.
Gib mir keine Antwort, ich kann
dir auch keinen Rat geben —— und nie
mand kann es . .
Geh!
Geh, und sprich heute mit niemand
mehr — —- und erinnere mich nie im
Leben an diese Abendstunde -—— —
gar nie aber denke daran; du«
denke daran.«
Aderslanhe in der Kranke-pack e.
Je mehr heute die wissenschaftliche
Krankenpflege als berechtigter Be
standteil der Heillunst Anerkennung
findet, desto mehr müssen alle Vorur
teile schwinden, die namentlich bezüg
lich der Krankenwartung noch vielfach
herrschen. So herrscht auch in gebil
deten Kreisen zum Teil noch die An
sicht, daß trante Menschen die Wäsche
nicht wechseln dürfen, und daß nian
die Kranken nicht waschen diirfe. Jn
Deutschland ist vielfach der Glaube
verbreitet, daß bei einer ansteckenden
Krankheit in der Wohnung oder im
Hause die noch nicht befallenen Mitbr
wohner sich dadurch vor Anfieckuug
bewahren, daß sie sich ——- Knoblauch
auf den Leib legen. Noch viel ver
breiteter ist die Scheu, den Kranken
an gewissen Wochentagen zum ersten
mal wieder aufstehen zu lassen. Die
also vervönten Tage wechseln oft in
den einzelnen Gegenden. Besonders
wenig beliebt sind in dieser Bezie
hung der Montag, der Freitag nnd
der Sonntag. Ein weiterer Aber
glaube, der vielfach in ländlichen
Kreisen herrscht, ist, daß man eine
Krankheit nicht überstehe, wenn man
kurz vor dem Geburtstage krank
werde. Ebenso gilt eine eingetretene
Besserung einer Krankheit, wenn sie
an gewissen Tagen erfolgt, als ein
ungünstige-Z Zeichen. Namentlich der
Sonntag und der Donnerstag find in
dieser Hinsicht vielfach gefürchtet.
Derartige Vorurteile können zuwei
len ziemlichen Schaden anrichfm da
sie nicht selten den ärztlichen Anord
nungen direkt entgegenstehen.
Af
—- Unterfchied. Jn der
Gaststube hatten sich die Bauern toll
angesoffen, ein gräßliches Geschrei
erfüllte den Raum.
Jm Nebenziinmer ging es sehr leb
haft zu, der Wein hatte die Zungen
gelöst.
—- O weh! A.: »Wie sind Sie
denn bloß durch die Menschenmenge
hindurch gekommen? Jch mußte eine
halbe Stunde warten!«
B.: »Ich habe die Zigarre getaucht«
die Sie mit gestern verehrt hoben, de
wich rnir jeder aus!