Nebraska StaatS- Änzetger urkd II cerold PJIIMHDCUU 912 « Hin-ei rThei ) Nu uctmu er 52 Dck HOIIIIIIe Der Landmann streut rnit warmer Vom-. n Gottes heil'gem Namen, n Lenz und herbst aufs weite Land r Aehren gold’nen Samen. Dann überliin er voll Vertrau'n — Dekn Sonnenschein und Regen. Den Matten, Feldern und den Ann Der Früchte reichen Segen. Der Denker streut ins Menschenherz Der Weisheit goldne Saaten, Und bangt in Freuden und in Schmerz Ob üppig sie eraten. Sein Wort i warmer Sonnenschein, Die reichen Saaten sprießen, Ob sie zn goldner Frucht gedeihn, Ein höh’rer wird's beschließen. oLin Herstenliom Stizze aus Westindien von J n g e dorg Vollquartz. Unten in der Küche des Kot-unan danten» herrschte große Aufregung, Eine der destbesannten alten Negerim nen der kleinen Tropeninsel, die bis vor ein paar Jahren selbst als Köchin oder, wie es in der Jnselsprache hieß, als .Cooly« bei den ersten weißen Fa milien der Stadt gedient hatte, war zu Besuch zu ihrer Kollegin gekom men. Die Alte trug den prachtvollen Na men Angeline, aber darum dars man nicht glauben, daß sie nur im minde .sten etwas engelhasrez an sich gehabt hätte. Wenn man davon absieht, daß sie ein glänzendes Schildkrötenragout zu machen verstand und auch ein Stück Fleisch ganz passabel braten konnte, besaß sie keine besonderen Tugenden. Jeder wußte, dasz »Cooty Angeline« hauptsächlich beim «Datket«, dern Marltlorb, gedient hatte, und ebenso war es kein Geheimnis, daß sie im mer eine Schwäche siir cherrh cor dial gehabt hatte. Im ilbrigen war« sie eine kluge alte Frau, und unter ih rezgleichen genoß sie den Rus, in den alten Zaubertiinsten der Neger ersah ren zu sein. Gebrauchte jemand Dülse gegen das Fieber, gegen das richtig schlimme, lange währende Fieber, so wurde er schnell zu der alten Angeline geschickt. hatte ein Babh Zahnschmerzem so sragte man gleichfalls Angeline. Machte mal eine schwarze Schönheit eines Tages ihrer Freundin einen sat btgen Gentleman abspenstig, so tonnte Angeline stets der Betrogenen sagen, wie sie sich zu verhalten hätte, um ih ren Geliebten wieder zu gewinnen. Sie war, turz und gut, eine sehr wichtige Persönlichkeit in der Stadt und genoß eine ungeheure Popularitiit in ihren Kreisen. - Die Köchin des Kommandanten siihlte sich daher auch sehr geehrt iiber den Besuch; sie machte ihrer älteren Kollegin ein Kompliment nach dem an dern und tischte ihr alle Reste von dem Frühstück der Herrschaft aus, und da Angeline schließlich ein paar Glas Ehrrrh Cordial erhalten hatte, war se in guter Laune. Auch das Zimmer miidchen, das sich schon zum Mittag sein weißes gesteifteö Kleid angezogen und den weißen gelröuselten Turban ausgesegt hatte, und die Wäscherin, die eben eins von Missie’ llaren Klei dern fertig gebügelt hatte, waren da bei.-ind da auch die beiden Kinder miidckzen mit den zwei Babies des Hauses datugelommen waren, so war es klar, daß das Gespräch in gutem Gang war. Zu allererst wurden natürlich die Kinder bewundert. »Es-ein Angeline« fand, daß es «die süßesten Engelchen« seien, die sie jemals gesehen habe. Sie wußte zwar nicht, wie die Kinder des Königs aussöhen, aber darauf durfte die alte Angeline ruhig einen ganzen cherrh Cardial trinken, daß sie auch keine weißere haui und hellere Sil berlöckchen hatten, als diese zwei süßen herzchseni Wenn man in deren klare blaue Augen sah, so glaubte man ja direkt in Gottes Himmel zu blicken. Die Kindermädchen blöhten sich or dentlich vor Vergnügen« und ihre hüb schen schwarzen Gesichter strahlten vor Stolz über Angeline’s bot-reden Sie hiiiien nicht entzüater sein lönnen. wenn alle diese Schmeicheleien aus ihre eigenen Kinder verschwendet worden Als nicht« mehr von den Kindern zu sagen war, begann man die Stadi neuigteiten zu erörtern, und lam end lich auch zu dem hauptsächlichen Ge sprächiitosf der ganzen Insel, nämlich der großen hochzett, die drei Tage später die jüngste Tochter des franzd sischen Konfuli mit einem jungen ruf fischen Offizier von dem großen Or logsfchiff draußen auf der Rhede ver binden sollte. Fräulein Rositta war fung und schön, und ihr Vater war ungeheuer reich; und so war es denn kein Wunder, daß er die hochzeit sei ner Tochter mit aller erdenllichen Pracht feiern wollte. »Er-atr) Angeline« kannte die Fa milie der Braut in- und auswendig, sie war noch heute morgen dort zu Besuch gewesen und hatte auf das Wohl der Braut sehr gründlich Cherry Cordial getrunken. Und das mußte sie doch fagen: man hätte sie mit einer Feder umwerfen können, als sie Miß Rosittas Brautlleid zu Gesicht bekam. Denn wenn sie, die alte Angeline, nicht gewußt hätte, daß das Kleid aus Stoff gemacht war, so hätte sie ge glaubt, daß es aus lauter Mondschein gewebt sei, so leicht und lustig und leuchtend schön war et! Und der Schleier —- ach, seid bloß ruhig! — der war fa, wie llare Luft, wie ein Wölkchen, das man bequem wegpuften konnte, wenn man blos tief Atem holte. Auch die Hochzeitzluchen hatte sie gesehen, ganze zwölf Stück, und der allerfchönfte war zwei Ellen hoch, und da waren sicher fünfzig verfehle dene Zuiaten dabei. Der war auch mehrere Tage fertig. denn das weiß ja jedes Kind, daß fo ein Kuchen urn so besserwird, je länger er steht. Unl acht Brautjungfern und acht Braut fiihrer sollten dabei sein, und zurn Schluß der hochzeit sollte großer Ball draußen auf dem Orlogschiff sein. Alle feinen Familien der Stadt waren eingeladen, und da Angeline bei ihnen allen ihren Küchenhesuch gemacht hatte, wußte sie auch, was jede der Damen anziehen Athe. Und endlich fragte sie auch, wie denn das Hochzeitstleid der Frau Kommandantin aussehen wurde. Iiun herichteten gleichzeitig fiins laute Seien-nein daß mit der leßten Pofi von Europa ein wundervolle Kostiim fiir Missis angekommen sei; ei war weder weiß, noch lila, sondern so eine Zwischenfarhe, und daran wa ren Spihem die von lauter Gold und Perlen sunlelten —- und die Wäsche rin schloß mit dem oeklockenden An gebot, daß man ihr gern eins hinter die Ohren gehen dürfte, wenn im gan zen Brautng eine einzige Dame sein würde, die sich mit ihrer Gnädigen messen könnte. « i i O Während dessen hatte die Köchin Nan drei junge hühnchen zu Mittag gerupft und fertig gemacht. Sie sah nach der Suppe, überzeugte fich, daß sie herrlich dustete, legte den frisch ge schuppten tFisch auf den Rost und wollte eben den Kessel aussehen, um mit dem Brpten der hühnchen zu he ginnen, als man draußen hastige Schritte hörte und gleich darauf die Frau des Kommandanten in der brei ten Küchentiir stand. Sie begrüßte freundlich den fremden Ehrengast und gab dann dem Zimmermädchen den Befehl, Eis zu holen und oben einen Cocktail anzurichtem Sie sollte vier Gläser mitbringen, da außer dem fremden foizier noch ein Gast zum rEssen gekommen war, nämlich der junge Arzt der Stadt. Das Mädchen ging los, und die Hausfrau wandte sich nun zu Nan und bat sie, dafür zu sorgen, daß vier Hiibnchen gebraten würden. da der Doktor auch zu Mit tag bleibe. »Das ist unmöglich, Misseg,« ant wortete Nan entsetzt, »die drei, die hier liegen, sind unsere letzten; und feht ift et zu spät, noch welche kaufen zu geben« »Es muß aber noch eins beschafft werden,« blieb die Frau bestimint da bei, »der Doktor ist eingeladen, und drei Hälmchen sind zu wenig für vier Menschen, unter denen noch dazu drei Herren sind. Aber, Nan. das Hühn cben, das ich dir neulich fiir deine Mutter gab, haft du wohl noch nicht geschlachtet Gieb ed rnir bitte wieder, dann follfk du Geld dafür haben und kannst dir morgen auf dein Markt zwei dasiir kaufen.« »M-issii will zurücknebmen, was Sie einmal geschenkt hat«-P fraate Anaeltne streng. »Tun Sie das nicht, Missis, das bringt Unglück iiber Jbr Haus.« »Aber doch nur, weil wir in augen blicklicher Verlegenheit find«, antwor tete die Frau, »wir rniifsen doch noch ein hübnchen haben. und es ist ietzt keine Zeit mehr, deshalb nach der· Stadt zu laufen —- und Nan soll moraen zwei dafiir baben.« Ran suchtelte geärgert mit den hän .-——.-. - .- -.7-.,—-—. -...«.—--.. » -» den herum. Das örgerte sie eignet-i lich mehr, als sie sagen ionnte, daßs ihre Missig glaubte,jsie wolle aus lau- - ter Ungekiilligleii nicht ihr hühncheni opsern, um- dem hause das Renommee « der Gastlichkeit zu retten. Nein, si( besaß ja nichts, was sie nicht gern ih-» rer lieben Frau gegeben hätte —- aber wenn «Cooth Angeline« sagte, daß so etwas Unglück iiber das Haus brächte, so könnte sie sich nur sehr schwer dazu entschließen. Tie Frau wollte schon ungeduldig werden« aber da erhob sich die alte Angeline mit der imponierenden Gr walt ihres umfangreichen Körpers und erklärte feierlich: »Man hat Recht, Missis, sie kann Ihnen nicht zurückgebend was Sie selbst ihr verehrt haben —- denlen Sie daran, Missis soll doch zu der großen Hochzeit« (hier wurde ihre Stimme einschmeichelnd, als sollte sie ein un derständiges Kind zurechtseyen «Mis sis hat das schöne neue Kleid smit dem Schiss bekommen —- nehmen Sie da rum nicht das Zähnchen zurück, sonst wird Jhnen die ganze Freude verdor ben.« »Ach, was ist das siir ein törichtes Geschwäh«, brach die Frau halb Eir gerlich, halb lachend los, »was hat denn das Hühnchen mit der hochzeii zu tun?« »O Missis«, ermahnte sie Nan, Ja chen Sie nicht über die alte Angeline —- sie ist sehr weise.« «Sagen Sie mit, Missis," begann Angeline wieder in dem berablassenden nachsichtigen Tonfall, in dem man mit verwöhnten, angezogenen Kindern spricht, »kiinnen Sie mit Jbrem feinen Kleid mit den Goldspiszen zu der Hochzeit gehen, wenn Sie ein großes Gerstenkorn am linken Auge bekom men? -— Und wenn man etwas zu rücknimmt, was man einmal wegge schenkt bat, so bekommt man ein gro ßes Gersienkorn am linken Auge. Da tum will ich Missis raten, das Hühn chen nicht zartickzunebmem Tun Sie es nicht!« , » . Die Frau des Kommandanten lachte, daß ihr die Tränen über die Backen rollten. Sie trocknete sich die Augen, klopfte Angeline entschuldigend auf die Schulter und lachte wieder, als wäre sie dafiir bezahlt. Aber die Propbezeiung konnte sie doch nicht ängstigen, denn als ihre Lustigkeit sich endlich legte, gab sie Nan einen blan ken Dollat und befahl ibr noch ein mal. das umstrittene hühnchen zu Mittag fertig zu machen. Dann bolte sie selbst eine halbe Flasche Cherrv Eordial siir die alte Angeline und tischte alles mögliche auf, um ihre Enttiiuschuna mit Kuchen und Lecker bissen zu mildern. Wäre die Frau Kommandantin nicht so ganq enteiirkend gewesen, nnd bätte Angeline nicht sebr aut gewußt, daf; diese fremden weißen Menschen nicht bald so verständig sind, wie ein-: alte slnae Regel-in die so aut in ihren Qauberkiinsien Bescheid weis-« so hätte sie ibr kaum verziehen. Aber so wandte sie senfeend ibre Augen aen Himmel nnd erklärte, das- tvenn ibr auch Missig ietzt noch nicht glauben Lwollte tIlnaeline’s Nrovbezeinna doch ’ltets in Erfüllung ginge — ne wouie ia nicht drohen — aber in drei Taaen wiirde li- mit ihrer Katze herkommen, um Milliz’ Gersienlorn In leben. eNr Frau Kommandantin ainst lachend ihr-g Mean während die M wrinnen ihr lonflchiittelnd nachsah-n Aber als dann dag Mädchen bei Tiielt ihr mit einem betrübten Seufzer die vier Hühnchen vorfeßte, tat ihr die ganze Sache trotzdem leid. Natürlich war es ja nur Gewäfch von der alten Angelinel Wie follte sie ein Gerftenlor am linken Auge bekommen, weil sie ein Hühnchen zurücknahm das sie noch dazu mit teurem Gelde bezahlte?! Aber dennoch, die Alte hatte fo gefähr lich ausgefehem als sie das sagte. Und im Laufe des Abends faßte sich die Frau wiederholt an das Auge, wie um sich zu überzeugen, daß nichts böses damit los war. Der Doktor bemerkte das schließlich und fragte, ob ihr et was hineingeflogen fei. Aber da sie bange war, daß die Herren sie aus lachen würden, wenn sie ihnen er zählte, daß sie, nun sie ihren Willen durchgefth hatte, in Todesangst da laß daß die Prophezeiung der alten Angeline doch in Erfüllung geben könnte, fo nahm sie es leicht nnd machte alle Ansirenaungen, um nicht mehr an die Weislagung der alten Negerin zu denken. i s s Aber am nächsten Tage merlte sie ein fchwaches Jucken im Auge, und am dritten Tage, gerade dem, an dem idie Hochzeit gefeiert werden sollte, er-· swachte sie arn Morgen mit einem gro ßn Gerstentorn am linten Auge. Jin zLaufe des Tages wurde es größer und :gtößet, und gegen Mittag war das Auge, das fortwährend tränte, fast fvolltommen geschlossen. Zu den Schmerzen lam die Verwunderung, um nicht zu sagen, der Schreck, daß die Prophezeiung der alten Angeline iHi Erfüllung gegangen war Und diese Stimmung wurde immer schlim inier so oft sie ihre schwarzen Dienst ileute ansah, denen es allen mächtig , imponierte, daß eine ihrer ältesten und llliigsten Genossinnen einer weißen Frau die Wahrheit geweissagt hatte. Aber unten in der Küche sasz die alte Angeline und strahlte im Vollbe wußtsein ihrer Wichtigkeit und Größe. Sie schickte Nan heraus, um die Gna dige zu fragen, ob sie »Cooly Ange line« erlauben wollte, das lranle Auge zu heilen. « Sie hatte ihre Lage mitgebracht, und wenn deren Schwanz bloß drei mal iiber das iranle Auge gestrichen würde, so würde es im Laufe eines halben Tages wieder gesund sein. Und dann könnte Mifsis doch noch zur hochzeit kommen-die ja erst um acht Uhr begann. Aber nicht einmal jetzt wollte die Frau sich vor Angeline’s Weisheit beugen, und wie weh es ihr auch tat, fie konnte es doch nicht un terlassen, über Naii’s ernsthafien Bor schlaa zu lachen. Sie versicherte, daß der Kagenschwanz ihr Auge überhaupt nicht irruhren durfte, und oat Nan statt dessen den Doktor holen zu las sen. Ihm erzählte sie dann die ganze Geschichte von dem Hühnchem dem Gerstenkorn und dem Schwanz und sragte ihn schließlich) was sie tun solle, um ihr Auge zu kurieren. " »Wenn Sie an Angeline's Zauber lunst glauben,« sagte der Arzt lachend, »so können Sie es ja mit dem Katzen schwanz probieren. Sonst machen Sie lieber Eistoasserumschläge. Aber das Gerstenlorn wird erst in ein paar Ta O weg sein, also aus die hochzeit müssen Sie schon verzichten Jm üb rigen konnte ich schon vorgestern sehen, daß da so etwas herauskommen muß te, so wie Sie immer Jhr Auge he siihlten und daran herumlneteten.« Dann ging er und die Honoratio ren der ganzen Stadt zur hochzeit, während die Frau des Kommandanien allein zu Hause saß und Umschläge aus das lranle Auge machte. Und am meiIen ärgerten sich die schwarzen Mädchen, die so gerne mit dem seinen Kleid ihrer Missis renommiert hätten. Aber die alte Angeline ging mit ihrer großen Katze, stolz wie eine Kö nigin, aus der Küche der Kommandans tur fort. Und sie hatte Grund, sich zu brüsten. Denn die Geschichte von dem Zähnchen und dem Gersienlorn machte die Runde iiber die ganze Insel und shesesiiate Angeline’s Nus als Raube Irin und Prophetin siir lange Zeit. ———- ————--.— l Historische Kasseehciuser m Paris-. Jin Novembermonat anno Domini 1669 waren der Hofstaat des Son nenkönigs und die stolzen Bürger der französischen Kapitale in großer Aus legung. Ein Ereignis von weittra aender politischer und gesellschaftlicher Bedeutung hatte sich soeben voll fzogem Ludwig XlV., der aller chriftliche König, hatte geruht in ifeierlicher Audienz den ersten tür ikifchen Botschafter in Europa So s liman Aga Mustapha Nara im Schlosse zu Verfailles zu empfangen. Das Pa ,lais, daö der König seinem erlauchten sGafte alsbald in Paris zur Verfügung stellte, wurde mit einem Schlage einer der Mittelpunkte des vornehmen gesel sligen Lebens. Der Pascha, ein Mann svon seinem Geschmack, ließ seinen Ithnsitz VI 1’0rientgla,, ausstatten und zauberte vor die Augen der er J staunten Pariser Ariftokraten die bunte seltsame Pracht seiner morgenländi schen Heimat. Reiche Teppiche mit ipbantastischen Mustern bedeckten Boden fund Wände der Gemächer, kostbarer Waffenprunk schmückte die Salonsx statt der gewohnten Fauteuils gab es seidene Kissen von fabelhaftem Werte, Kunstwerke asiatischer 21rbeit,ans de nen man mit gekreuzten Beinen nieder hockte, und statt der erleienen Weine der Bourgogne und Ckianipagne wurde »von schwarzen Sklaven a if damastner Serviette ein inerltviirdiger exotischer Trank, das Achan-r .tredenzt. Man schlitrste das bittere Gebräu nicht, ohne ein wenig das Gesicht zu verziehen, be wunderte ee indessen mit demselben weltmiinnischen Takt, mit dem man die ganze orientalische Herrlichkeit um sich herum genoß, und freute sich daß Paris wieder um eine Sensation rei clker geworden war. Jn jenen Tagen xletnten die Pariser zum ersten Male iden Kaffee kennen. Wenige Jahre später konnte man be reits auf dem besuchtesten Jahrmarkt der Stadt, der Foire St. Germain, den braunen Trank zu ,,zivilem Preis« genießen; ver Anklang, den das neue Genußmittel nach und nach fand, ver anlaßte schließlich einen erfinderischen » Kopf, ein richtiges Cafiz nach Konstan Etinopeler Muster aus dem damaligen sQuai de l'Ccole (heute Quai de Laun »re) einzurichten, dessen orientalische iAufmachung beim Publilum großen Beifall sand. Dies Caf(«, das im Jahre 1682 aufgetan wurde ist somit das älteste, historisch nachweisbare von Paris. Es fand bald Ribalen, und gegen Ende des 17. Jahrhunderts ge hörte es bereits zum guten Ton, sich im Cas6 zu treffen, um bei einer Tasse Malta über künstlerische, politische, ge sellschaftliche Fragen zwanglos zu plaudern. Diese «.c-auserjes" in der Oeffentlichleit, ein Seiteirstiick zu den berühmten Salons, sind mehr als zwei Jahrhundertesfiir die seine sranzösische Kultur charakteristisch geblieben, und erst der platte, nioellierende und pro saische Demokratismus des vergange nen Sälulums hat sie endgültig zer stört. Damals, im Zeitalter des Son nenlönigs, und insder ihm nachfolgen den Epoche entsprachen die Nendrzvous in den eleganteen East der freien, mehr tünstlerisch gerichteten Lebensans fassung. Man war noch nicht, wie heute, lediglich von Geschäftsinteressen nnd Profitinftintten beherrschr, gav sich auch in der Oeffentlichieit ohne Reserve und wußte in die gefällige Pose Geschmack und Stil zu legen. Niemals hat sich (oon den Salons selbstredend abgesehen) der feine, wit zige Esprit des Franzosen glänzender gezeigt, als in den zwanglosen Zirkeln der Cafcss des 18. Jahrhunderts. Die Berühmtheiten des Tages verkehrten hier neben dem schlichteren Bürger, der sich sür die Künste, für die Politik oder iiir — schöne Frauen interessierte. Den letzteren war es zwar durch die Sitte verwehrt, in die Cafös selbst einzutre ten und an den geselligen Zirkeln teil zunehmen; aber sie fuhren in glänzen den Karossen vor, nahmen an kleinen Tischen auf der Terrasse Platz und ge ruhten, während sie den köstlichen ««cawe" schlürften, die Huldigungen der herbeigeeilten Kavaliere mit Bon niots und amoureusen Wortspielen zu erwidern· Drinnen in den glänzend erhellten Räumen, in denen venetiani sehe Kronleuchter, prächtige Spiegel. Gobelins und Teppiche von Geschmack und Luxus zeugten, drängten sich Edel leute in lostbarem Seidenwams und mit dem Degen an der Seite, hohe Würdenträger der Kirche in ihren ma terischen Gewändern, berühmte Ge lehrte und Künstler in Talaren, aus deren Taschen gewaltige Manuskript rollen und Bücher hervorschauten--mit einem Wort: das kultiuicrte Frankreich jener Tage. Ein typisches Casz solcher Art be sand sich in der Rue de la Comädie egeniiber de;n damaligen Thurm Fsrancais vor allem aber war berühmt das Saft-« Procope. Es galt Jahr zehnte hindurcki als das ,,literarische Taf-«- par csxsrellonsres". Und bei Pto cope verkehren, hieß soviel wie: zur distinguierten Künstlertvelt gehören. »Er glaubt eine wichtige Persönlichkeit zu sein"« benierrt Votraire oon einem obsluren Dichter, »weil er es fertig ge bracht hat, bei Procope zu erscheinen.« Dies Etablissecnent war im Jahr 1700 von dem sizilianischen Edelmann glei chen Namens gegründet worden. Kaum ein hervorragender Franzose jener Epoche, der nicht Stancmgast bei Pro; rope gewesen wäret Voltaire z. B. stellte sich regelmäßig dort ein, und hat später seinen großen königlichen Freund an der Tafelrunde in Sans souci nicht wenige Male an die witzi gen Redeschlachiten jener Zusammen liinste der Pariser Künstler- und Lebe tvelt erinnert. Ein anderes Euch das bald zu eigenartiger Bedeutung empor tvuchs, war La Rögence in der Rue Saintshonorez der tlassische Ver sammlungsort der Schncspieler. Die rernehrne Ruhe, die in diesem Cas6 zu herrschen pflegte, in dem die hervor ragendsten Partner des ,,lönigltchen Spiele-« ihre Kräfte maßen, stach gar seltsam ab von dem geräuschvollen, be wegten Treiben in den anderen Eta slslissementg der damaligen Zeit. «L6— sgnL Pliilidor und Mayot, umgeben von einer Schar von Bewunderern, bo ten bier »Schach dem König«. Be riihnlte Männer, wie d’Alembert, ’Sbamsort und Diderot, die das feine Spiel lichten, stellten sich häufig ein, um den interessanten Wettjämpsen zu folgen. Diderot selbst hat über das Cascs Rägence geschrieben: »Ich bin ge wohnt, ob es nun gutes oder schlechtes Wetter ist, gegen fünf Uhr nachmittags spazieren zu geben. Jst es lalt oder regnerisch, so flüchte ich mich ins Taf-S Rögeneez dort amiifiere ich mich va rnit, dem Schachspiel zuzusehen Au dere Berühmtheiten des Tages, wie der von Amerika zurücke-gelehrte Franllin und der Philosoph Jean garques Noussean, gehörten zu den tumm gästen des friedlichen Cafös und pfleg ten hier stets einen gewählten Kreis feiner Köpfe um sich zu versammeln. Aber die Zeiten änderten sich. Schon warf vie große Revolution ihre Schat ten voraus. Die Casts wurden niebr nnd mehr zu politischen Debattler llubs umgestaltet, ja bereits von be stimmten reoolutionären Gruppen aus schließlich besucht. Werfen wir einen Blick ins Cas6 de la Rögence etwa utn 1787. Die Schachbretter find ver schwunden; um die Tisch-, auf denen Karten, Zeichnungen und geheimnis volle Akteniicle liegen, versammeln sich die »Vertrauien«. ,,Verdächtige«, die sich absondern, werden beobachtet. In einer Ecke sitzt ein junger, soeben aus der Provinz angelommener Advoh t— lein anderer, als Robegpierrez in dein gegåniiberliegenden Winkel, an einem Tif , für sich, blättert ein Leutnant der Artillerie achtlos in einigen Journa len; ein Unbekannter, den die schwat zenden Klubmitglieoer keines Blickes würdigen —- der junge Bonapartel Der Frühlingöwind des Jahres 1789 pfeift über die Terrossen der zahlrei chen Cafås arn Palasts-Royal. Eine lärmende Menge erfüllt die Etablisses ,nients: auf den Marmortischen stehen g « gestilulierende Redner; Worte, die Flammen undBlitze speien, erhitzen die Köpfe. Hier steht -inige Monate spä ter Camille Desmoulins, die Reiter pistole in der Hand, aus dex improvi sierten Tribiine. Seine Donnerworte geben dem morschen Königtam den Gnadenstoß — zwei Tage später war die Bastille erstiirmt! Erst gegen 1830 hebt eine Renaiss sance der alten vornehmen Casas an, und wieder entstehen charakteristische Sammelpunkte der lünstlerischen und literarischen Welt, die zu Ruf und Be deutung gelangen. Jus Cach Talma della-treten die jungen Literatur die berauschenden Verse Viktor Hugos, hier tagten die Sieger in der Schlacht um des Meisters Hernani. allen voran Thäophile Gaatier, angetan mit der historisch gewordenen roten Weste. Später erlor man sich ein kleines Cafö in der the Le Peletier, in unmittel barer Nahe der Oper, wo man statt des gewohnten Malta ein ultraromantii scheH Gebriiu, den »Mein von Sym tus« (gutsranzösischen Ursprungs) zu genießen pflegte und die erneuten Sturmläufe gegen den «oerruchten Akademismus« mit gewaltigem Pathos vorbereitete. Seltsame Kinder der Bol)('eme waren hier zu sinden,- wie Privat d’?1nglemont, der, um ein Buch über das «unbekannte Paris« schreiben zu können, sich nachts in den unglaub lichsten Winkeln der Stadt herumtrieb und überall schlies, ausgenommen in eian BA. er berühmteste Kritiker der Epo , Gustave Manche, kenntlich« an seinem total vernachlässigten Muße ren, ioar ein treuer Stammgast des Liasiksk Alsred de Musset, der Lieb ling der Parier Frauen, saß hier, in düstere Träumereien versunken, in einem einsamen Winkel, ab und zu einem großen Glazpokal zusprechend, der ein gräuliches Gemisch von Kog nak, Bier und Adsynth enthielt. Und dann öffnete sich mit einem Mal die "Tut. Und auf der Schwelle erschien ein bebäbiger Bondioant und erklärte, während er seinen Stock mit dem be rühmten goldenen Griff geräuschvoll aus den Boden stieß, daß »anien de Rubemprfk soeben gestorben sei.« Jn dieser Weise pflegte Valzacmäer wnr’ö, der Meister —— von dem Fortschreiten seiner großen Romane Kenntnis zu geben. War aoer der ältere Dumas zugegen, so durfte man Abenteuer der nehmen, die anderen Sterblichen nicht so leicht passieren konnten; ihm aber, dem weltbelnnnten Dumas, waren sie wirklich zugestoßen Wehe dein, der den leisesten Zweifel an der Wahrheit dieser Historien geäußert hätte — er wäre von einer Donnerrede des Olym piers zur .,gän.zlichen Vedeutungslosigi trit« hinabgeschmettert worden. — Jene romantischen Zeiten der Pari ser Cafes sind vorüber, und es scheint fast, als ob unsere Epoche zu kalt, zu klug, zu rationalistisch geworden wäre, als daß sie jemals lrieder erstehen könnten. Aber während wir diese Zei len niederschreibem erscheinen vor un serem geistigen Auge die Charakterges stalten der jungen poetischen Garde — und da leuchtet trotz allem eine ferne Hoffnung, daß in dem alten, prächti gen, underwiistlichen Paris-doch wieder eines Tages etwas so Originelles ent stehen werde, wie es die nun längst hi storisch ewordenen Caföi der culti vietten Französischen Welt einmal ge wesen sind.