Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, August 02, 1912, Zweiter Theil, Image 9

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    Nebraska
Staats- Anzetger utkd J set-old
Ja m; cis-z 1912 " Uikw txt-ei ) " Nummkr 51
W
Das muti- stet.
Von Konrad Nie-.
cis toir entsloh'n ätz- Deutschlands
uen,
Ourchglüht von jungern Wander
drang,
Um sremder Länder Prachtk zu
uen
u tauschen fremder Sprache Klang,
a gal- zutn Segen in die Ferne
Die Heimat uns thr deutsches Lied,
Das nun, gleich einem guten Sterne,
Mit uns die weite Welt durchzieht.
Wohin auch uns’re Wege sühten,
sum Steppensaum, zum Meeresport,
Wo immer wir ein Heim uns tiiren,
m tiesen Stil-, tm hohen Nord:
r deutschen heimat Segensgabe
Von uns’rer Schwelle nimmer flieht,
Und als des herzens schönste habe ·
Bleibt heilig uns das deutsche Lied.
Es klingt um hohe llrtoaldtnnnen,
Arn blauen Gols, am gelben Strom,
Fern in den hätten der Saoannen
Und serner unter’m Palmendom;
Es braust aus frohem Zechertreisr.
Ei iauchzt und schluchzt mit Mann
und Maid.
Und tlagt in wehmutsitszer Weise
Von alter Lust und altem Leid.
Und wo es klingt, da bricht ein Blü
den
Und Leuchten aus im weiten Rund,
Wie Veilchendust und Rosenglut-en
Geists durch der herzen tiessten
Grund;
Was längst zerronnen und zerstoben,
»Was mit der Kindheit von uns schied,
Es wird in Träumen neu gewoben,
Wenn uns umrauächt das deutsche
ied.
Wir scharfer der heimat grüne Tate,
Der Schwalbe Rest am Vaters-aus
Wir ieh'n im Morgensonnenstruhle
Dur 'i alte Tor zur Stadt hinan-,
Wir hören serner Glocken Klin
Und den » Eiche-M , ,WOF::;
Wir sit n junges Fr dingten-gern
Und erster Liebe Austrsteh’ni
Und ob auch ritchte dies und Mitten
Die Dur-d uu srernder Erde zieht,
Wir wollen hegen doch und hüten
Den Frühlingsspro · ddcrtt deutsche
te ,
Das uns zun- Segen in die Ferne
Die Muttererde einst beschied,
Und das, gleich einem guten Sterne
Mit unsdie weite Weit durchziedtt
—
Yer Falschspieler
Eine MnematographensGeschichtr.
Von Gustav Young.
Der Schneidermeister Hans Pibus
tibt schon seit Jahren in dem, ein
paar Kilometer von heivelberg ent
fernten Dorfe Dingelshausen sein
Handwert aus« Seine Kundschast ist
nicht gar groß, daher der Verdienst
gering und wenn er sich täglich satt
essen kann, so hat er dies nur seinem
braven Weibe u verdanken, das mit
eisernem Spur-tun im hause waltet.
Bier und Wein oder gar einen Bra
ten gabss höchst selten und gerade nach
diesen Genüssen lechzte des Schneider
leins Schleckmaul am meisten. Das
alte Lied von den verbotenen Milch
ten. .
Zwei- oder dreimal im Jahre gab
sich aber doch die Gelegenheit, hinter
deIIIMden seines Weibes diesen Ge
lüsten Rechnung zu tragen und zwar
dann, wenn der Meister wegen Ein
lauss von Tuch und anderenZubehiirs
nach Deidelberg lam. Seine daselbst
gemachten Eintäuse aus ihre richtige
Zisser sesizustellem gelang der immer
scharf nachrechnenden Frau freilich
nie; daß ihr Gotte den billigeren
Eintaus mit bedeutend hö ren Prei
sen ansehte, daraus wäre e nie und
nimmer gekommen. Außer den zwei
Mark Kostgeld siir den Heidelberger
Tag durste der Meister lernen Pseu
nig mehr ausgeben. Während aber
daheim die Gattin bei einem Tons
Zichorientassee iiber ein noch intensi
veres Sparsvstem nachgrltbete, ver
schlemmte indessen der nte Meister
n heidelberg beim »Ge ieselten Ka
ter« das plus seiner schlauen Finanz
overation in Wein, Würfel- nnd Kar
tenspiel.
Co saß nIPibuD wieder einmal
tm «Gestieelteu Freier« zu heil-el
berg, mit Wohlbehagen sein Krii lein
»Renen« schliirsend, während seine
Linie im Sack mit den prasitierten
Mai-dein klimperte, eine viele-erhei
ßekrde Musik, die den Meister gar
fröhlich stimmte.
such an einein Rebenti che, tvv elbst
drei ihm unbelannte cii e um in
-
«tnobelten« gingt lustig her; mehrere(
bereits geleerte Flecan gaben den
Kommentar dazu. it großem Jn
teresse verfolgte unser Meister das
Spiel, bei dein mitzutun sein heißestes
Verlangen wurde. Nachdem die
Spieler einige leise Worte mit dem
Wirt gewechselt und dieser wie bea
hend dazu nickte, forderten diesel n
unseren einsam sitzenden ganz Pibus
zu seiner nicht geringen reude aus
an iyten Tisch zu tommen und mit
ulnobeln. Strahlenden Gesichkes
folgte der Meister«der Einladung.
»Sie tennen ja die Chose?« be
merkte einer der Spieler. »Jmmer
einer Runde mit drei Würsen und
wer die wenigsten Augen hat« zahlt
eine Flasche nimmtka !
Das Spiel nahm nun feinen Mel-l
tergang; wer aber ausgesprochenes
Pech hatte, das, war unser Schneider.
Jede Runde kostete ihm eine Flasche..
Seine Aufregung, namhaft unterstützts
durch fleißiges und hastiges TrinlenJ
stieg oon Runde zu Runde. Seins
font farbloses Gesicht glühte, die tlei: J
nen, ewig winternden Augen flacker-j
ten in un etem Feuer und die den«
Becher führende Hand geriet in im-?
mer neroöferes Zittern. Nun war»
auch die vierte Flasche oerloren.l
Schaudernd dachte Pibus an dems
Preis des Weines und an sein Ver
mogen von ganzen fünf Mart, trö
stete sich aber wieder mit dem Gedan
len, dass der Wirt ihn ja tenne nnd
den Fehlbetraq gerne anlreiden würde.
·Doch ——· was war das? Unter dem
Tisch tastet die hand seines Neben
znannes na der seinen und drückte
ihm mit den gefliifterten Worten
«Nehmen Sie die, -—— ich lasse die.An
deren geschickt verschwinden« ein paar
Würfel in die Faust. ,,Rur Mut, Sie
müssen damit gewinnen«. Pibuö,
vom Weine schon halb berauscht und
infolge des dauernden Verlustes ver
hittert, griff ohne Ueberlegung zu.
Ein tiihner Wurf-und drei «Sechs«
lachten ihm entgegen. Jm selben Au-!
sent-litt aber hatte ihn sein Gegen-J
ber schon beim Scho se, with-end dg«
wette dem armen tderlein eins
las Wein ins Gesicht schiittetr. J
Gerade der aber, welcher ihm dies
falschen Würfel ugefteckt, spielte un-s
begreiflicherweise en Entriisteten. Dies
Epithetat Falschspieler, Bauernsiiml
ger, Lump etc. flogen nur so in der?
Luft herum. Pibus schrie dazwischen
ek sei unschuldig vie Wink-I have ihms
fein Nachbar ausgedrungem er sei eins
zwar armer aber ehrlicher Kerl unds
-ahle, was er verloren. Seinen Un-;
schuldsbeteuerungen folgte nur dröh-(
nendei Gelächter und die tategorischeI
Aufforderung. den fälligen Wein zu;
bereit-den« dann erst wolle man sich!
über einfachen sinauöwurf oder Arss
retierung schlilsftg werden. Mit;
dicken Tränen in den Augen blickte
er, wie Schutz suchend, dem so ganz
eigentümlich lächelnden Wirt ins Ge
sicht. Der war doch immer fo freund- l
lich gegen ihn und jett —- hatte er
fiir den unglücklichen Schneider nichts»
übrig, als ein bämischei Lächeln und
ein Zacken mit den Schultern. Ja,
selbst den Kredit verweigerte er, als
das Geld fiir die große Zeche nichts
reichte.
»Da machen wir kurzen Prozeß mit
solchem Schwindler«, schlug der eine
der Spieler dor. »Geh, Arthur, hole
einen Schutzmann einmal im Loch
drinnen, wird der Kerl schon Farbe»
dekennen.« i
Vor Scham, Schmerz und Zorn»
laut aufschluchzend, barg der Schnei
der sein Gesicht in den banden Blitz
artig fuhr ihm nun der Gedanke an
sein Weib durch das schmerzende
Dirn. Was wird die denken, wenn
er heute nicht heimkommt, wenn sie
später gar erfährt, daß er gespielt
und eine Menge Wein, noch dazu den
teuren Affenthaler bezahlt? Geht auch
noch Alles gut aus-—- denn feine Un
schuld muß sa klar werden —- so ist’s
dann siir künftige Zeiten mit den
schönen »Sporteln« vorbei. Ohne;
Keile kam er kaum davon; da kannte;
er die schlagfertige Alte leider zu ist-«
Auch daß sie ihn, um seine er-»
schtvendung hereinzubringen, wachen-J
lang auf die ichmal Nation seyen
wiirde, fiel ihm mit audern ein.
Eine tiefe Stimme in ernstem Be
fehlton schreckte iän iiib aus seinemx
Grübeln auf. « ommen sie,ruhig’
mit. Der geringste Widerstand würde
Jlfte Lage nur derschörsen.«
Im ganzen Leibe zitternd erhob
fich Pisa-. »Den Schuhmann«· stot
terte er. »ich —— bin ganz unfclntldig.l
Ein Mißverständnis —- ich bitte —(
lassen Sie mich fort«. Dieser meinte
lächelnd: »Ja, fa. Unlschuldig! Wirs
kennen das. Machen Sie keine Ge-:
fchichten und kommen Sie. Mantis
Und Sie, meine Herren, muß ich bit-;
sen, als sen en sich anzuschließen.« i
« Nun sah idus Alles verloren. Eins
: -,
Ian Verzweiflung grenzendee Mut
packte ihn. Hob b nicht«, schrie er-«
»ich bin un chu dig. Und ich geh
nicht, au wenn ich einen Mord be
gehen mil te.«
»Dann bedauere ich«, sagte der
Schutzmann kurz, und ehe unser un
glücklicher Schneider noch recht wußte,
was mit ihm geschah, lnipste bereits
der Polizist den Verschluß der ange
legten gandschellen zu.
Der ransport des sich mit hän
den und Füßen Sträubenden war ein
ziemlich schwieriger und war auch der
Weg zum Arrestlolale ein ziemlich
kurzer-, schloß sich dennoch, wie aus
dem Boden gezaubert, dem Zuge eine
Schaar Buben an, die mit Halloh
und Juchhe tem Arretierten das Ge
leite gaben.
Das erfte mit Hans Pivug unmit
telbar nach seiner Einbringung ein
geleitete. Verhiir durch den Polizeibe
amten, brachte in der Angelegenheit
nicht die mindeste Klärung. Die drei
Spieler hielten ebenso an ihrer Be
schuldigung fest, wie Pibus on seiner
Unschuld, weshalb der Beamte die
Jnhaftierung des Arretierten anord
nete, ein zweites schärferes Verhiir
fiir den kommenden Morgen in Ans
sicht stellend.
Da saß nun der arme-Schneider
meifter weinend auf der harten Prit
sche, sich und die ganze Welt ver
fluchend. Wenn sie ihn von da auch
heraugließem nach Hause ging er
nimmer. Fiir eine Flucht nach Ame
rila hatte er aber kein Geld ---— blieb
also nur Selbstmord der einzige
Weg, um Allem ein Ende zu machen.
Ein grelles Licht, das plöhlich die
Zelle erleuchtete, machte ihn erschreckt
iruffahren; vor ihm stand ein wunder
hiibsches, ihn freundlich anlachende3,
junges Mädel, das durch ein Zeichen
mit dem Zeigefinger an ihren Lippen
zur Vorsicht mahnte.
»Ich bin Lotti, die Tochter des
Kerlermeisters,« lispelte sie »und
bringe Ihnen hier eine Schitssel
Suspe. hab« gehört, daß man Ste
unsehuldig derhaftete. Jch sag’ un
schuldig, weil ich Sie-ja zu gut kenne. f
Sie find doch der hans Pibus, nicht
wahrtm
. »Ja, ja«, gab dieser befangen und
neue hoffnung schöpfend zur Ant
wbort. »Freilich bin ich der Pibus
und unfchuldig bin ich auch«.
»Ich lenne die drei Kumpane, die
Sie arretieren ließ.en«, tröstete Lotti,
»das sind schlechte Kerle durch und
durch, deshalb tun Sie mir so leid
daß ich Ihnen gerne helfen möchte.«
»O tun Sie das, holdes Kind, ret
ten Sie mich vor Selbstmord.«
»Aber, aber. wer wird denn gleich
an so was denken, Sie gefallen mir
«s ist vielleicht nicht recht, daß ich das
sage, aber s« ist so. Jch will anen
helfen fortkommen. Jch lasse die Tiir
unverfperrt und wenn Sie mich dann
draußen singen hören, laufen Sie
iiber den Hof zum Hintertor hinaus
und teine Ray findet Sie mehr.«
Hans Pibus schüttelte zweifelnd
den Kopf. »Das ist Alles recht lieb
don Ihnen, herziges Schöhchem aber
morgen holt «mich der Gendarm doch
wieder von daheim-".
»Ach nein«, tröstete das Mädchen
und streichelte des Schneiders Wann
»Folgen Sie mir nur, nix geschieht
Ihnen. Gehn'ö aber ja vorher zum
»gestieselten Kater«, bevor Sie den
heimweg antreten. Der Wirt, mein
Onkel, erwartet Sie behufs einer sehr
wichtigen Mitteilung. habe-As nur
keine Angst; T geht Alles gut aus«
Dieser trostreiche Zusptuch gab Pi
hus wieder allen Lebensmui zurück
Dem Mädchen beide Hände reichend,
sa te er: »Viel Dank, Du herzian
Madel siir Deine hülse, Gott wird
D.ir’s vergelten. Aber einen Lust
von Dir möcht ich mit aus den Wea.«
»Wegen meiner schon«, meinte Lotti
ruhig. Und der wieder ganz fröhliche
Schneider nähte diese Erlaubnis so
gründlich aus, daß das Mädchen ihn
endlich lachend von sich stie und aus
der Zelle loh. —- —— —
Als Vans Pihus den »gestieielien
Later« betrat, schlug’s von den Kirch
tiirssien Sechs. herzlich lachend kam
ihm der Wirt mit den drei Spielern
entgegen. Der Schneider stuhte und
tvollie vorn Fleck Umkehren. »Halt,
reund -«, kommandierte der
irt, « Derren da haben Jhnen
tvas zu
TM» .. .
Pibus g bte zu muntern Die
schüttelten ihm koedial die Dönde und
der, welcher ihm die salschen Würsel
zweite-h begann; «
! »Den Pi ni, Sie vertrihen dass
wir Sie als Objekt den Hien. Die
fange Geichichte war eine gut ange
egte Komödie, die eine prächtig-e No
vitiit stir alle Kinematogravhentheater
»dilden wird. Wir « danken Ihnen
smäemsteni fiir Ihre von uns etzwuni
sgene Mitwirkung und erlauben uns
als kleines Entgelt für Jhre ausge
standenen Aengste Namens unseres
Hauses hiermit 300 Mart zu über
reichen. Wir hossen auch fiie unser
brüstei Vorgehen Jhre Verzeihung
zu erlangen. Wir mußten so han
deln, sonst hätte die Geschichte un
wahr gewirkt.« —- —— —-— —- —— —
Etwa ein Vierteljahr nach den oben
geschilderten Begebenheiten erhielt
Hans Pibus die Nachricht von dem
plötzlichen Tode seiner Tante Bar
bnra in Stuttgart· Da Herr Pibus
und Frau Pibus mit Sicherheit aus
eine größere Erbschaft rechneten, wur
de die mit erheblichen Kosten verbun
dene Reise nach der württembergischen
Hauptstadt beschlossen. Gar ange
nehm waren sie allerdings nicht über
rascht, als ihnen dort statt der er
hossten Tausende nur ebenso viele
Hunderte ausbezahlt wurden. Aber
sie dankten Gott und der dahingegan:
genen Tante siir dieses Wenige. Da
ihr Zug zur Heimreise erst gegen
Mitternacht von Stuttgart abging,
schlug Pibus seiner Gattin einen Be
such des Variete vor, welche Jdee die
Frau, die »so was« noch nie gesehen
hatte. mit Freuden auiariii.
Frau Pibus sühlte sich in dem
schönen Tsheatersaal recht wohl. Was
sich da vor ihren verwundert drein
schauenden Augen abspielte, war ein
sach großartig, piachtvoll, herrlich
und so weiter. Den Nummern der
Sängerin, des Jonqleurs, der Stel
zenkiinstler und den dressierter Hun
den solgte endlich die Vorführung des
,,Kinematographen«. Gehört hatte
die Frau Pibus schon des Oestern
von den lebenden Photographien, aber
heute sah sie dieses ,,Wunder« zum
ersten Male. Die einzelnen ernsten
oder heiteren Bilder verfolgte sie mit
regstem Interesse, nur ging es ihr
nicht ein« »wie so was g’macht wird«.
Jhr Mann gab darauf zur Antwort:
»Ja das machen’s halt schon so".
Jetzt zeigte die weiße Wand die Auf-!
schrift: »Der Falschspieler«. Frau
Pibus nahm einen Schluck Wein und
setzte si , zurecht. Das mußte beson
i rs in"?essant werden. Aber schon
das erste Bild übte aus das Ehepaar;
eine nahezu lähmende Wirkung auö.!
Das war ja die Wirtsstube »zum ge-s
stieselten Kater« in Heidelberg!- Unds
dort am Tische saß Hans Pibus, wie
er leibte und lebte und am Neben
tische würselten ein paar Gäste.
Frau Pibuö traute ihren Augen
nicht. War das wirklich ihr Hans?
Und wie kam der in den Kinemato
graphen hineini Der Schneider aber,
der den ganzen Sachverhalt nur zu
gut kannte, sing erheblich zu schwitzen
an. Herrgott! Was da noch nach
kam, war einfach gräßlich und was
»sie« dazu sagen würde, wagte er
kaum auszudeuten. Ein Trost blieb
ihm. Die 300 Mark beim Wirt, mit
diesem Mammon wollte er sein Weib
schon besanstigen.
Szene aus Szene zeigte mit schreck
licher Genauigkeit der laufende Film
—- bis zu jenem in der Zelle. Wort
los, wie zu Stein erstarrt, folgte
Frau Pibus der anriichigen Begeben
heit, in der ihr Mann eine so nieder
trächtige Rolle spielt. Als aber Pi
bus in der Zelle die schöne Lotti stür
misch abiiißte, sprang Frau Pibus
wie elektrisrert von ihrem Sitze aus
und versetzte ihrem Scheusal von
Gatten eine wuchtige Ohrfeige.
»Du Lump, Du«, klang ek- ener
gisch durch die herrschende Finsternis-,
»Spielen, Sausen und zuletzt Mädel
egadbschmuheni Psuii Du — Du —
u . . ..'«
»Das war ja Alles eine abgemachte
Sach’,« raunte Hans Pibus, sich die
brennende Wange reibend, seiner Ehe
hälste zu. »Schweig doch! 's Publi
kum schimpft und lacht schon. Jch
habe damit 300 Mart verdient.«
Das Wort »300 Mart« wirkte wie
Oel aus das erregte Gemüt der Frau.
Sich zu seinem Ohr beugend, srug sie
nur noch: »Wo ist das Geld?«
«Deponiert beim ,,gestieselten Ka
tet«-Wirth«, gab Pibus· rasch zur
Antwort; »wir tönnen’s am Heimweg
gleich mitnehmen«.
«Schön«, sagte dieTFraih des Gat
ten hand fassend: » enn Alles nur
ein Ost-til war und obendrein so no
bel bezahlt wurde, hab' ich kein Recht
mehr zu schimpfen. Die Ohrfeige, die
ich Dir in der erst-en Rasche gegeben,
hast halt für den nächsten Verdruß
ut. Und seht gehen wir solang es
finster ist, damit man uns nicht aug
la n iann.«
srieden und versöhnt fuhr das
Ehepaar Pibus nach Mitternacht wie
der der Deimat zu.
Der Fürst von Wales hat durch eine
rote Krawatte Aussehen erregt. So
sitngt beiden nachmaligen englischen
Königen das Berühmtwerden gewöhn
lteh an.
Der Hchreibtisch meiner
Frau
Von Theo. von Ro m (Glay).
Meine kleine Frau besitzt einen ent
ziiclenden Schreibtisch. Als wir die
Aussteuer - Möbel aus-suchten blieb
sie mit einem Schrei der Begeisterung
stehen und ries: »O, den muß ich ha
ben! Den muß ich haben! Gerade so
einen sah ich neulich!« Da ich nun eine
unbegrenzte Hochachtung vor der An
sicht meiner Frau empfinde, betrachtete
ich mir das bewunderte Möbel einge
hend und meinte: »Seht hübsch und
modern! Aber wir haben doch schon ei
nen Nippesschrank siir den Salon no
tiert —« Darauf Entriistung bei Hella
und mitleidige Geringschätzung bei s
dem Möbelhändler. Dieser zog an ei- ’
nem zierlichen goldenen Griff und för
derte eine mit hellblauem Tuch bezo
gene Platte heraus.
»Nein, wie entzückend!« jubelte
Hella. »Diesen Schreibtisch muß ich
haben, Theol«
Kopfschüttelnd schaute ich ans den
Rippesschranl, der einSchreibtisch sein
sollte —- bisher glaubte ich harmloser
Weise, man miisse allen Möbeln schon
von außen ansehen, wozu sie dienten.
Da aber Hella entzückt war und mich
mit ihren lieben Augen anbliclte, als
hinae Glück und Seligkeit von meiner
Zustimmung ab, so beeilte ich mich,
ebenso strahlend auszusebem und der
Schreibtisch wurde gekauft. Er kostete
sreilich ein großes Teil mehr, als aus
gegeben werden sollte, aber — »wir
lassen dasijr den Sviiltisch in drr Kü
che weg.« meinte Heila, ,,nicht wahr,
Theo?« ·
»Natürlich, Schatz, wozu braucht
man überhaupt einen Spiiltisch!« ver
setxte ich —- ich hätte sogar auf alle
Kochtöpfe und Porzellnnteller verzich
tet beim Anblick ihrer Freude! — Nun
nimmt der entzückende Schreibtisch
schon zwei Jahre ven Ehrenplatz in ;
unserem Solon einr , Er« paßt zwar »
nicht dahin, da er modernen Stil zeigt. !
und die Salontnöbel ausgesprochen
Rololto —- aber alle Besucher sind be
geistert. Er wirkt auch großartig.
Seine linke Seite träat einen Aufbau
—- »in schlichtenLinien«, saat Helln —
mit einer vielscheibigen Glastür, hinter
der ,.siiße« Meißener Fiqiiichen stehen:
rechts läuft die Rückenleiste in einen
phänomenalen Schnörlel aus, an des -
sen Ende Hella sinnt-sich einen vergol
deten Starsbwenel von roten Federn
gehängt hat. Denn trotz der schlichten
Linien gibt es erstaunlich viel abzu
frnubetn da stebt erstens ein Anten
fnsz. Jawchl, ein richtiges Tintenfaßl
Tinte ist freilich nicht d.·:rin, und wenn
welche drin wäre, müßte nmn vor dem
jedesmaliaanintancken out einen klei
nen Knopf drücken, damit der vröchtia
gravierte Deckel aufspringt -—- es ist
nämlich ein patentiertes ltunbfreies
Tintenfaß, ganz aus Perlnmtterl Da
neben trägt rin großer Nidelständer
Unmengen von Ansichtskarten aus
China, Japan, Kainerun nnd anderen
schönen Fernen Nun erst die Photo
graphie-Rahmen in allen Größen und
Arten! Hella und ich als Brautpaar
verklärt aus einem Bronzetranz schau
end, Hella als Schulkind, vier Freun
binnen, zwei belnnnte Opernsänger
.,mit Unterschrift« fich bin nicht eiser
süchtig,) —- die ganze lniferliche Fami
lie — alle unter Glas und Rahmen
aus dem Schreibtisch meiner Frau.
Aber das ist noch lange nicht alles.
Dazwischen treiben sich noch vier Por
zellanamoretten, sieben Bronzetierchen
und zwei entsetzlich diinnhulsige Glas
vasen herum, nicht zu verqessen die mit
Veilchen bemalte hellgriine Atlas
ichreibmappe Und das iunitooll ge
ichnitzte Petschast ohne Namenszua.
Jst das nicht entzückend? Man iann
sich gar nicht vorstellen, wie reizend
dieser geschmückteSchreibtilch in seiner
zartgrauen Farbe Und den schlichten
Linien zwischen den aeschnörlelten gol
denen Nolotoitiihlchen wirkt. Es er
fordert wirklich Artiitenaewandtheit,
sich daran vorbeizuichlängeln, ohne et
was nmzuwerfen.
Hella ftaubt das alles höchst eigen
händig ab, während ich mich begnüge,
die Herrlichkeit von Weitem zu bewun
dern. Denn einmal habe ich beinahe ein
Unheil angerichtet — mit Schaudern
deute ich an dies »einmal«. Das war
an einem Putz- und Scheuertag gewe
sen. Die von Hella unsaabar gefürch
tete Putzirau waltete in meinem Ar
beitszimmer ihres Amtes nnd über
schwemmte den Fußboden mit Riesen
pfiitzekn eh hatte eine wichtige Arbeit
vor, die b s zum Abend in der Redak
tion sein mußte, und wollte zur Eile
antreiben, aber Holla beschwor mich in
allen Tonarten, ihr nicht die Ungnade
vkk Frau Schmidt zuzugiehent »Oui
idqch die dumme Arbeit, Schutt Wir
W
wollen lieber etwas spazieren gehen —
der Tiergarten ist jetzt so herrlich!«'
,.Kind, das geht , nicht. Erst die
Pflicht und dann das Vergnügen. Die
Zeitung iann ebenso wenig warten wie
die Eifenbahn."
Meine kleine Frau murmelte etwas,
das ich lieber nicht wiederholen will
fonst könnte ich mir von Seiten aller
Zeitungen einen Jnjurienprozeß zuzie
ben; ich machte mich auf dieSuche nach
eint-m stillen Arbeitsplatz. Das Spei
sezimmer war noch nnordentlich der
Friihstiickstisch unabgeriiumt —- Anna
mußte ja der Frau Schmidt helfen
und sie bedienen —, das Schlafzimmer
noch ungemütlich-L Senszend nahm
ich meinenPacl Papier nnd floh in den
Salon. Ah -—- der Schreibtifch !
Jcb holte mir einen soliden Stuhl
aus meinem Zimmer und ließ mich
nieder. Dann faßte ich den zierlichen
goldenen Griff und zog die mit hell
blauem Tuch bezogene Schreibmappe
heraus — — tlirr ging’s· in demsel
ben Moment und Hella stürzte schrei
iensbleich herein: »Theo, was machst
Du denn da«
»Was ich mache? Frage! —- Schrei
ben will ich, hier an Deinem Schreib
tisch — C«
»O meine Vaskt O meinsEngkIchmc
Mein Hnndchen!«
Entsetzt blickte ich auf die Folgen
meiner Missetat: Scherbent Scherben!
»Ja, Kind —- treine nur nicht, ich
iaufe Dir alles wieder! Bernhiqe Dich
doch. Liebling! Sieh mal, im Grunde
genommen ist derSchreibtisch doch ein
mal dazn da —«
Helle öffnete treit die erstaunten
Augen: »Wozu? Um Sachen zu zer
schlagen?«
Niemals vergesse ich den Blick, den
sie mi: zuwarft Ein entsetzenävolles
Grauen lag darin, als ob ich eine Ent
weihung ausgesprochen hätte. Seit
dieser Zeit . . .
Seit dieser Zeit gehe ich ins Case
banö, wenn die Frau Schmidt in mei
nem Arbeitszimmer »schwimmt«. Jch
werde mich wohl hüten, noch einmal
den Schreibtisch-« meiner Frau znru
Schreiben zu benützen Und sie selbst,
meine kleine, liebe Heller? werden Sie
fragen —- schreibt sie nie Briefe?
Aber ja, sie schreibt Briefe. Das
Briefpapier liegt in einer bunten-Papp
schachtel, und diese befindet sich rechts
im Biisset — die dazu gehörige Feder
wird meist von meinemArbeitstisch ge
holt, und daSTintenfaß balanciert aus
den unglaublichsten Tischecken umher.
Zur Unterlage dient gewöhnlich die
Tageszeitung — manchmal auch ein
wichtiges Manuskript von mir —- bei
leibe nicht die mit Veilchen bemalte
hellgrxine Atlas-Schreibmappe!
Aber entzückend ist der Schreibtisch
meiner kleinen Frau trotzdem! «
Rutzen des Walstfchfaiisi.
Einem Fionsnlarbericht aus Chri
stiana zufolge hat sich der Walfisch
fang in Folge der mannigfachen Ver
wendung des Tranes und anderer
Walfischproduite zu einem recht nutz
bringenden Geschäftsunternehmen ent
weckelt. Trotz der beständigen Zunah
me der Lieferung von Tran und Fisch
bein, aeht der Preis fortwährend in
die Höhe Eine nortvcgische Gesell
schaft, deren Walfischfänger mit gro
ßem Erfolg im Siidpolar-Meer dem
Fang obliegen, hat jiingst 70 bis 85
Prozent Dividenden aus das angelegte
Kapital ausgeschüttet. Die Nachfrage
nach Walfisch-Produkten ist so bedeu
tend, daß 75 Prozent derAusbeute für
1910 sdpon im Vorm-H verkauft was
ren. -
Der Fang eines Walfisches per Wo
che und Schiff wird als recht befriedi
gend betrachtet. Es würde die-SI- für
zweinndfiinszig Walfische etwa 160
Tonnen Trun, 10 Tonnen Polem
Fischbein und 1000 Tonnen gewöhnli
ches ergeben. Der Grönland- und
Siidpolar Walfisch sind die wertvollen
siir Gewinnung von Fischbein Wal
fische scheinen am zahlreichsten in den
Siidseen in derNsLikfe non South Geor
gia, South Shetland. Keequelen und
an den Küsten von Süd-Amerika und
Afrila vorzukommen Jn den nörd
lichen Meeren sind die augenscheinlich
in der Abnahme begriffen und es wer
den dort nur geringe Ansbcuten gemel
det. KonfervativeSachverständige be
haupten, der Walfischsang werde bald
in Folge Knappheit der Walfische we
niaer nutzbringend sei. Es wird ver
anschlagt, daß die Weltprodultion an
Tran im Jahre 1910 sich aus 600,«)00
Faß von je 375 Pfund belies, wovon
344,000 Faß von norweaischen Wal
sischsiingern erheutet wurden. .
—-—s.-.-.-———
China widersetzt sich der 300 Mil
lionen Anleihe, wie sie das Mächte
e«’finanzwnzern vorschlägt. China
fürchten daß es siir das Interesse ver
Mächte zu hohe Interessen zahlen muß.