Uebraika Staats- Anzetger und Eifer-old Jahrg« 03 Tuns« (Zwei kTyä L) Nummer v III III-o Von conrad Ierdinand Meyer. WO— «Jch bin das Lied åind fahr hoch und Durch alles Land, der Lenz ist meini Gesell. l Jch bin der Lerchentriller lief intl Blau II.1 Jch bin der Gloglenschlag iin Abend grau n Ich wand re mit dem Herdgeläut vor bei Langsam. Ich bin das Echo der Schalmei. Jch bin das Klingen, das die Nacht durchzieht. Die Seele der Natur, ich bin das Lied! Mir ungeboren ist der Freude Laut, Auch dunkle Sehnsucht ist rnir wohl vertraut, » Und bin ich schweren Mute-s, bin ich bang. Jst-i wieder nur des Lebens Ueber drang. ch bin ein tapfer underziirtelt Kind. « n meinen haaren spielt der Berges wind, Mein Unbedncht und voll empfindend . .. HM . Ertrögt die hochite Luft. den tiefsten Schmux Doch bin ich nicht der Laut der Seele nur, Und nicht allein die Sprache der Natur, Ich bin der Ton. der Beide sie der bindei, Jn Altn und Firn das Vaterland empiindetx Jch bin das heimweh - das die hei mal mißt, Auch wenn sie nicht ein Land der Freien ist: Doch iii sie durch das Blut der Väter frei, Bin ich ein hell gejudelt Feldgeichreil« k—-».,«.-— - purnorejle von R o b a N o b a. Alt ich noch ein kleines Möbel war »- an die zwölf Jahre alt — da wohnte Papa, und ich natürlich mit ibm, auf Pußta Jlinyi. - - Das war ein großer Besin. Von Jlintzi allein waren breitauienb ilawoniiche Joch unter dem Pflugr, und dazu kamen noch zwei Vorwertr. -- So hatte Papa viel, sehr viel zu tun unb mußte meine Erziehung wohl oder übel Fräulein Camilla Wagernunb über: lassen, die damals eben Gouvernante bei uns wurde. Jm Verlaufe von fünf Jahren hat ten mich bie verschiedensten hänbe zu zügeln versucht. Da war zunächsti Fräulein Irida Knappke, eine Nord deutsche, bie eine Joche nach ihrer Die alte Geige 1 Ankunft auf Pußta lintzi bei Nachtz und Nebel entfloln n einem zurück gelassenen Briefe schrieb sie, Angst vor mir hätte sie vertrieben. Da war Fräulein Antoinette Duvernois, eine Französim bie ging, weil sie, wie Wallenitein, Nellon und der Löwe « den Schrei der Häbne nicht ertrug. Anette Caro. ebenfalls Französim die eines Abends einen Brief in Versen an Papa schrieb und am Morgen bar-, aui spurlos verschwunden war. MIC- Miller, die Englänberin. deren Zir ich in den Brunnen warf - v « sie aus Krönlunq. M lsnnte ich sie alle aufziiblem Zwei Dunend nicht eine weniger. Keine blieb iiber ein Vierteljahr - eine ausgenommen die Miß Ferauson hieß und fehr firena gegen mich war. Sie blieb fechg Monate und wäre wohl noch lönaer geblieben, wenn Papa nicht zufällig erfahren hätte. daß sie früher in einer wandernden Menagerie Tvmpteufe gewesen. Da mußte auch sie gehen -- fo zufrieden Papa fonft mit ihren Unterrichtsa folgen war. - Die vierundzwanzigfle Gouvernanie hieß Fräulein Camilla Waneniund Ra, daß ins mir irn Laufe der Zeit eine gewisse Kenntnis irn Gouvernem tentpefen erworben hatte, wird mir bei meinen Erfahrungen wohl Niemand iireitin machen wollen· Wenn ich nun sage: Fräulein Camilla war ein Unilum von einer Gouvernante, fo war fie’s auch. Jede andere Lehrerin neht an das Klavier widerwillig oder doch wenigstens nleichgiiltig herun. Diefe fehreeiliche Person aber liebte das Klavier, und die abgedruckten wi derlichen Töne einer Unterricht-Hunde die ieden rafend machen. waren ihr eine Quelle melodischen Grause-. ———( Rein. ich bin niehi fo engherziq und Unterweist nicht zu begreifen. wie sieh eilienotifehe Schleckerniäuler am -..-.. — Lebertran iitlich tun können. JchT versteh die ototuden, die sich KorteT in die Nase stecken und das itr nettl und prctttisitfv erklären. —- Nur die’ Eurapiin F e ich nicht, die Freude an der Mu it haben. Musitrnachen ist von allen denlbaren Geräuschen das weitaus unangenebmstr. So viel ich auch Papa ansiehte, er möge mir das Klavier-spielen erlassen ;—- er blieb unerbittlich. —-— »Mein vSohn muß das tönnen«, sagte er. »Alle jungen Leute von Schliss und Bildung spielen wenigstens ein Jn strument.« —-- Papa bedandelte mich nämlich. weil ich seine Einzige war, ’als wäre ich ein Sahn. ; »Aber Du « Papa — warum Ilannst Das nicht?« sragte ich beschei den« ; »Weil mein Vater aus sein Kind snicht so bedacht war, wie Deiner.« Da ries Fräulein Camilla, und ich Imuszte zur Stunde i Wie immer, wenn mich etwas recht tief bedrückte. ritt ich aus die bestockte Heide zu meinem Freunde, Schweine birtå kleinem Stephan, um mein Leid an seiner treuen Brust auszuweinen - Ich tras ibn gerade beim Hut ausbessern Er spannte seinen schad hasten Filz über einen halben Fla scheniiirbis und niihte ibn am Rande iest. Er lud mich in eine hoble Weide ein« die er als Van hergerichtet hatte, und gab mir gebratene Amei seneier u essen. Was aber das Kla vierspieien angeht, da wußte er mir keinen Rat. — Betrübt - um eine hassnung ärmer - wandte ich mei nen lleinen Rappen nach Hause. »Er ging in träumerischswiegendern Paß die Linie entlang vorbei am Ziegel schlag. »Von giotno, bon giorno, signo rina - come ita?« rief Giuieppe, der Partieiiibrer der Ziegellchläger, aus und deutete nach hinten. » Da er tönte in der Lehmgrube eine Mari nette, dazwischen eine Trommel, eine Geige, ein Schellenbaum und Cinel len. Giuiedpe hielt galant und lachend imein Pierdchen - ich sprang ab und lief an den Rand der theslardr. --— Unten stand ein Jtaliener mit einer Messingllite auf dem Kopie und einer Trommel auf dem Rücken. die er mit dem Unterarme schlug. Er blies die Klarinette, und wenn er mit dem Fuße ausstampfte· rasselten oben auf der Trommel die Cinellen. Zu alledem spielte David, der alte sit-rennen die Violine. und die anderen fangen mit hellen Stimmen. Jch lonnte mich iiber den Jtaliener nicht genug wundern. Wie dieser geniale Mensch machte mit hönden und Füßen Musik auf vier Instru menten aus einmal, und ich - ich tonnte nicht ein einziges erlernen? .David«, bat ich den Zigeuner, der fiir die Ziegellchlsger kochte und von ihnen italienilch erlernt hatte »Da oid, frag’ doch diesen Deren, wie er das alles erlernt hat. - Ich möchte das auch gern lönnen.'· »Eh, Junker Marias-« - - das war mein Sviynnme, aber eigentlich hieß ich Maria »das lannit Du nie erlernen. Und es was Dir-auch nicht nütze. denn sieht wenn Dur- auch tannit, wo niminit Du die Sachen alle her, die man dazu braucht-? Hast Du Geld aenuq, Dir iolch eine gol dene Mütze zu laufen die goldenen Teller die große silberne Trom mel? Von der Pfeife spreche ich nicht, die könnte ich dir ichnitien —« »Ach, David. Du hast recht. Ich tann nicht einmal Klavierspielen kr lernen, wo man doch nur zwei Hände dazu braucht - - geschweige denn das »Kiavierioielen iit ichwer«. begann David fachmännisch. »Ich ienn’ das. Da lob’ ich mir die Geige. Jeder, der iie anfaßt, tann see schon halb.« »Wie das, Oniel David?« fragte ich interessiert und zärtlich. »Je nun, Junker, was die rechte Hand tut - io — mit dein Bogen din- und herfahren, das trittst Du qleich, wenn Du das Ding nur in die band zu nehmen geruhft. sEI iit aerade wie mit einer Baumiiigr. Bleibt Dir nur noch eine Meinigteit mit der Linien zu lernen, und Du bist ein iertiaer Primaeiger --- ——« Am nächsten Sonntag saß ich vom Morgen bis zum Abend auf dem warteten siegelt-ten und iidelte unver drossen: «hiir’ mich, Du s- Du, »Miidel mit ’in kurzen Röck’l.« Neben mir richtete Onkel David eine Geige her. die ieit Menichenaedenten unbe nust in Panos Spiegelichrant ekele aen. capa soll sie einit von einem Großes-eint geerbt baden. Gestern datte ich mich ihrer erinnert und fte deimlich mit hinaus in den Ziegel »ichlaa genommen. » Ich wollte durchaus aeiaen lernen. isiit ichiens leichter, viel leichter, als das Klavierspielen hatte es doch sogar der dumme Jlia begriffen. — Papa, dachte ich mir, würde mir dann das Klavier erlassen. Am Abend des zweiten Sonntags sagte David: »Junter, Du hast nun gründlich ausgelernt Jch will noch etwas dazu tun und schenke Dir die schöne. gelde Violine, die Du in der gand hältst. Das alte, schwor e ing aber. das Du mitgebracht ha , will ich behalten. Für den armen Zigeuner wirds gut genug sein.« Als er so sprach, standen ihm die Tränen in den Augen. -- - Auch ich war gerührt von so viel Güte, dankte ihm tausendmal und fuhr nach Haufe. Papa saß aus der Veranda. » Jch blieb außerhalb des Gartens, langte meine Geige vor und sing an: «Hiir’ mich, Du — - Du, Möbel mit’m lut zen NZTU « Jch wollte sehen, wel ches Almosen mir wohl Papa geben würde. Kaum hatte ich begonnen, da ries Papa nach dein haustnechi. »Hier-, gnädiger Herr«, antwortete Matt-. ,.Maio«', schrie Papa, »gei) hinaus und spnlt dem Kerl, der da draußen spielt, aus meine Kosten den Scha del!« : »Ich bina, Papa«, ries ich nun« »ich, Marius!« f Er wollte es zuerst nicht glauben,j und lam« sich persönlich zu überzeu-» .gen. — Dann hieß er mich noch ein mal spielen. Jch tat’ö. « Da legte Papa ernst und schwer seine hand aus meinen Scheitel Herd sagte: »Mein Sohn ich entheoe Dich hiermit des Musizirens auf ewigev Zeiten. Wirf alte Noten und diefe Violine ins Feuer. Aus dem Klavier werde ich eine hiihnerfteige machen lassen.« Am nächften Tage tam die Sprache zufällig auf Papas alte Geige. s- Jch erwähnte des guten Taufche6, den ich mit Ontel David abgefchloffen. s— Papa feste sich fofort aufs Pferd und jagte nach dem Zieaelfchlag. — Ader vom Dntel David fand er keine Spur mehr. Yajestäten als Geiste Ein Bierteljahrhundert lang hatte Monsieur Xaoer Paoli ein heit lei Amt zu versehen, das alle möglichen, an sich und befonders in ih rer Vereinigung seltenen Tugenden er fordert: ausgezeichnete Erziehung und die durch sie erlangten tadelloer Um gangsformen, Klugheit, Schlagfertig teit in der Unterhaltung, Tatt,3uriia haltung, Verfchtoiegenheit, Geister-ge genwart, Umsicht und Mut, dazu tör perliche und geiftige Unertniidlichteit. Er war nämlich der Sonderiomrniffär, den die französifche Regierung zur per fönlichen Dienftleiftuna bei den gr lrönten Häuptern befahl, die in ihrer amtlichen Herrlichteit oder in einen-. immer fehr durchsichtigen Jntognito in Frantreich keiften oder Aufenthalt nah Ein folcher Kommissar hat fiir die men. Sicherheit der erlauchten Gäfte der Ne publit zu forgen und fie mit einer un avliifsigen und wachfamen Aufsicht zu umgeben, die gleichwohl unbemertbar gering bleiben muß, um ihnen den Wahn einer jeden Zwanges ledigen Freiheit zu lassen. Sowie die Herr schaften in ihrem Gasthof oder ans e: ner Botschaft untergebrncht sind, ein-. fängt er täglich DrahtIXIeldUngen der Sicherheitstommissäre in der Provinz die bald das Austauchen eines gefäh lichen Anarchisten in ihrem Departe ment, der drohende Reden gegen den tdniglichen Gast gesiihrt, bnld das plöslicheVerschwinden eines überwndl ten verdächtigen Ausländers anzeigen. Er selbst sendet täglich einen chifsnex ten Bericht an das Ministerium de Jnnern« der alle, auch die geringsüch sten Zwischenfälle des Tages verzeich nei. Dem getröntenn Haupte dient er ferner zugleich als lebendiger Baedectek nnd tundiger Führer zu allen Sehen-: wiirdigteiten, den zugänglichen und manchen anderen, und als Berater fiik das tägliche Unterhaltungsprogramin. Ei ist verständlich, daß sich aus einer derartigen Vertrauensstellung vielsei tige Beziehungen zwischen dem Beam ten uni- seinem Schuybeiohlenen erge ben, die beide tro des Abstandeö zwi schen ihnen einan er, manchmal bis zur Vertraulichteit, nahebringen. Monsieur.Paoli hat Gelegenheit ge habt, die Großen dieser Welt aus der Nähe u beobachten, und was er ge sehen set, das erzählt er jetzt, da er in den wohlverdienten Ruhestand getreten ist, in einem ungemein lurztveiligen Buche, »Nun Majestös« betiteit. Mr. noli ist nicht der Grstbestr. Väterli rseits stammt er in gerader Linie von dem torsischen seiden ab, der mit den Waffen die Unabhängig teit feiner heimatinfel von demFrani reich Ludwigö XV. erliimpfen wollte und für den der junge Napoleon als fiir fein politisches und militörifches Jdeat fchwiirmte. Durch feine Mutter ift er ein Nachkomme des torsifchen FeldmarfchallsNapoleons, Sebastiani. Als Korfe, als Paoli. als Sebastiani, hat er einen dreifachen Grund, ein ein gefleiichter Bonapartift und in folge richtiger Erweiterung dieserGefmnung ein überzeugter Monarchift zu fein, was-« ihm indes bei der republitauifchen Regierung nicht gefchadet hat, ein Be wei.«-, daß sie nicht fo unduldsam ifi, wie ihre Feinde aussprengem Er spricht von allen Kaifern unt-Königen mir denen er in Berührung gekommen ift s-- es find ihrer nicht weniger als i fünfzehn —- im Tone tiefster Ehrer-: bietung und bemüht sich augenschein-! lich, fie fo vorteilhaft wie möglich dar: T szustellen Doch merkwürdig: das Bild: nis gerät trog feines Höflings:, um nirtn zu sagen, Schranzenbemiiheng der Verfchönerung, immer recht klein iich und unbedeutend. Man erhält von fast allen feinen Modellen denEindrnct fehr gewöhnlicher, nicht selten kindi schen lebensuntundiger und weltfreni der Menschen die ganz inNichtigteiten aufgehen, vie Kleinigkeiten eine drei lig iibertriebene Bedeutung beimessen, sich aus Vlasiertheit tödlich langweilen sund sich nach dem ihnen verfagtenGliick ffehnery unbeachtet wie gewöhnliche Menfchenlinber leben zu können. Eins jscheinen sie alle miteinander gemein zu haben: sie können seinen Augenblick ruhig bleiben; sie müsfen immer in Bes wegung sein, immer toie die Wiesel laufen, immer Meilen bewältigen, und diese leidenschaftliche Fußgiingerei. bei der sie sich an kein Programm halten, sondern nach Einfall und Laune um-· herschweifen, erschwert die Polizeiauf siebt derart, daß sie den Sonderlom missär oft zur Verzweiflung gebracht hat. Die unglückliche Kaiserin Elisabeth von Oesterreich, die von der Hand eines feigen Mordgesellen den Tod finden sollte, war 58 Jahre alt, als sie im August 1895 zum erftenMal unter den Mr. Paoli gestellt wurde. Sie schien ihm ein junges Mädchen« so schlank, leicht, aefchmeidig und anmutig fand er sie. Er verzeichnet ihr-e immer getö teten Wangen, ihre dunkeln, tiefen. außerordentlich ftrahlenden Augen, die Fülle ihres üppigen braunen Haares. Jbre Lebensweise war überaus tätig. Sie ftand jeden Morgen, Sommer und Winter, um fünf llhr auf, nahm ein laues Bad von destilliertem Wasser, ließ sich eleltrisch mafsieren und ging dann in einem ganz einfachen schmar zen Kleid aus Wollenstoff aus. um in raschester Gangarl durch die Laubens günge des Gartens. oder bei Regenwet ter unter den Bogengiingen des Gast bofs hin und berzulanfen. Sie eilte wohl auch auf die Straße hinaus und suchte sich einen schönen Aussichcs: punkt, am liebsten eine Fels-spitze, auf, um den Sonnenaufgang zu bewun dern.l Um sieben Uhr war sie wieder zurück, frübftüelte mit einer Tasse Tec und einem einzigen Zwiebael nnd ver schwand in ihren Gemächern, um sich itvei Stunden lanq der Toilette zu ividmen. Um elf Uhr nahm sie das zioeite Friihstiid: eine Tasse Fleisch briihe, ein Ei, einen oder zwei Becher Fleischsafi, der von einer immer mitge siihrten Maschine aus mehreren Pfund Lendenstiicl vom Rinde ausaepreszt wurde. Dazu naschte sie einige Sil ßigleiten und leichtes Baetivert, das sie sehr liebte. Nach dieser Mahlieit ging ; sie mit ihrem griechischen Vorleser ausz, I der sie immer begleiten mußte. Es war i tein leichter Dienst, denn die Kaiserin s lief bis zur Abenddämmeruna und i machte an einem Nachmittag leicht gute i 20 Meilen. Jn den Gasthof zurückre lehri, aß sie sehr dürftig zu Abend, manchmal nur eine Schale ausgetiihlte Milch und ein rohes Ei mit einein Gläschen Tolaier. Sie nährte sich so spärlich, um lein Fett anzusehen. Auf ihre Schlanlheit hielt tie iiber Alleg. Sie schlief auch nie auf einer Matratze. Ein Sprungsederunterbett war alles, was sie sich aestattete. Sie war von einer unerschöpflichen Wohltätigkeit Wenn sie aus ihren Spaziergängen ein ärmliches Häuschen sah, trat sie ein, fragte die Bewohner über ihre Verhältnisse aus, nahm die kleinen Kinder aus ihren Schoß, nm sie zu herzen, und verteilte reiche Gaben. Um jedoch die Leute nicht zu träntern wählte sie die Form, daf- sie etwas Obst, Milch oder Eier verlangte. die man später nach ihrem Gasthof brin aen ollte und die sie auf der Stelle tö nigl bezahlte. - Während ihres Ausenthaltes ani Kap Martin bat sie einmal plöhlich Mr. Paoli, sie nach Monte Carlo Zu führen. Sie wollte einmal in ihreni Leben auch einen Spielsaal sehen. Un erlannt trat sie in Begleitung desSons derlommissars in das asino ein, sah eine kurze Weile der « oulette zu, zog dann plötzlich aus ihrer Handtasche ein silbernes Fünfsranlenitück hervor und setzte es mit den Worten aus die Num mer 5331 »Wir wollen mal sehen, ob ich Glück habe. Jch glaube an die 333 Zweimal nach einander verlor sie. Das dritte Mal gewann die Nummer 33 und der Crvupier schob 175 Fr. in Gold und Silber vor die Kaiserin, di-: alles rasch einsteckte und vergnügt aus ries: »Jetzt aber schnell weg! Nie im Leben habe habe ich so viel Geld ge wonnen." « Während eines lurzeanlognitvaiif- E enthaltes in Paris äußerte die Kaise rin, der jemand aus ihrem Gefolge von einer Zwiebelsupve, die er in einem Nachtlvlal des Hallenviertels gegessen, Wunder erzählt hatte,ge·aen Mr. Pavli den Wunsch, auch einmal diese franzö sische Nationalspeise zu kosten. »Nichts leichter als das,« erwiderte Mr. Paoli, »ich werde eine hier im GJstbof bestel len.« »Was stillt Jhnen ein!« rief die Kaiserin; «man würde mir ein kunst voll bereiteteLZeug vorsetzen, das sicher nicht so gut schmecken würde wie Jhre Zwiebelsuppe. Jch will etwas Echtes, das mir auch im echten Wirtshaus-ge schirr aufgetragen wird. Ich besteh auf der Lolalsarbe.« Was tatMr.Paoli? Er ließ im erstbesten Pfenniqbazar eine Gruppen ! schüsiel und einen Teller von grobem Hund billing Steingut einlaufen und t die Zwiebelsuppe nom vornehmen « Obertoch des Gasthoses bereiten. Die I Kaiserin sand die Suvve köstlich uud »das Geschirr, dessen Rand sogar zur Erhöhung der Täuschung künstlich . ausgebrochen worden war, entzückend ,,lolalfarbig«. Arme Kaiserin! Wie sagte doch Jacobh in der berühmten sAudienz bei Friedrich Wilhelm IV.? »Es ist das Unglück der Könige. daß sie nicht die Wahrheit hören wollen« O doch-, sie wollen schon, aber nie mand sagt sie ihnen; alles verschwört sich. urn sie ilsnen zu verbergen » Die Kaiserin Friedrich hatte Mr J Paoli 1897 zu begleiten, als sie dem TRegierungsjubiliium ihrer Mutter bei-« iwohnte Sie richtete bei jener Gele l genheit tausend Fragen über französi« tsche Verhältnisse und namentlich über s die französischen Künstler an ihn »Ich bewundere die Werte von Monsieur t Detaille sehr,« sagte sie; und nach ei i ner kleinen Pause: ,,;’5inden Sie nicht, i daß er meinem Sohne, dein Kaiser, x ähnlich sieht?« Mr. Paoli tonnte nur lerwiderm »Da ich Kaiser Wilhelm « nie gesehen habe, ist es mir unmöglich, »Eure Majeitiit Bescheid zu geben« Er sah die Kaiserin 18951 wieder, als- sie durch Frankreich sulkr, um sich von London nach Italien zu beqeben Sie war etwas unruhig, denn sie fürchtete » unsreundliche Kundaebnnaen wenn sie . erlannt werden würde tir versicherte : ihr, daß sie nichts zu besoraen habe ; und in der Tat, es lvidersuhr ihr nichts Unanaenehiiies, obschon sie an jeder Haltestelle aus- dein Zua stieg und inöalichit lange ans dein Bahniteia auf und ab aina, beim Bahnhofsbuchhänds let Zeitung-n und Monatgschristen taufteund sich unter die Reisenden mischte. Der Zar Nikolaus ll. machte im mer der französischen Regierung und natürlich auch dem Sondertommisfar die größte Sorge. Die Behörden empfunden ihre furchtbare Verant wortlichkeit für die Sicherheit feines Leben-«- erdriictend schwer, und eine Berges-last wälzte sich von ihrer Brust, wenn er glücklich wieder iiber die Grenze war. Was sie aber tief be-» unruhigte, das waren nicht die Tetro risten, das war —— die russische Ge heimpolizei Mr. Paoli verwendete denn auch die weitaus größte Zahl sei net Geheimagenten nicht etwa zur Be aufsichtigung der Revolutionäre, son dern zur Ueberwachung der russischen Polizisten, die in unheimlichen Schwärmen mit dem Kaiserpaar er schienen. Sein Mißtrauen war wohl begriindet. Der Zar und feine Gattin s wollten ——— 1901 —- die Krönung5 tathedrale von Reims besuchen. Die riifsifchen Kollegen des Mr. Paoli leg ten eine außerordentliche Nervosität an den Tag. »Nichts ist leichter,« sagten sie ihm einige Tage vor dem Besuche,. »als irn Halbduntel der Kirche eine Bombe zu legen. Man muß schon jetzt die Kirche und ihre Befucher unter Be wachung stellen.« Sie beauftragten damit einen »Angeber«, das heißt einen SpiheL in ihren Diensten. Henniom jetzt Vorsteher der öffentlichen Sicher heitsabteilung im französischen Mini sterium des Innern, damals Mr. Pac lis Beigeordneter, beeilte sich, seiner seits den russischen Spiheh dem er nicht traute, unter Bewachung zu stel len. 24 Stunden· später erschien ein französischer Geheimpolizist bei herrn Hennion und sagte ihm aus eregt: »Ich habe den Beweis-, daß der pisel zu einer Terroristenbande gehört, die ein Bombenderbrechen in der Rathe drale plant.« Herr Hennion nahm so fort eine Haussuchnng bei dem ruft schen Polizeibeamten vor, entde te Briefe, die über seine Schuld keinen Zweifel ließen, verhaftete ihn und er langte von ihm ein volles Geständnis. Dem Zarenpaar wurde kein Haar ge krümmt, aber die französischen Beam ten erkrankten beinahe vor Angst. König Leopold Il. schildert Mr. Paoli als den tliigsten, gebildetsterh tätigsten, willensstärtsten, aber auch verschlossensien und selbstsüchtigsten Menschen, dem er se begegnet wäre. Er gab sich den Anschein äußerster versassungsmößiger Korrettheit, tat aber nur, was ihm selbst angenehm war. »Meine Minister,« äußerte er einmal mit dem ihm eigenen spöttischen Lächeln, ,,sind oft Schwachköpfe; das ist ein Luxus-, den sie sich genehmigen tönnenx sie haben nur zu tun, was ich ihnen sage.« Wenige Monate vor sei nem Tode hörte er im Beisein des Thronsolgers, jetzigen Königs Albert, den Vortrag eines Ministers bei offe nen-. Fenster an. Ein Windstoß wehte ein Schriftenbündel vom Schreibtisch des Königs aus den Teppich hinab. Der Minister stürzte vorwärts, um es aufzulesen, der König hielt ihn jedoch ’am Aerrnel zurück und sagte zu seinem Neffen ,,Hebe Du die: Papiere auf.'« Da der Minister dies nicht zulassen wollte, flüsterte der König ihm ins Obr: ,,Lassen Sie nur, ein künftiger verfassungsmäßiger König muß ler nen, sich geschmeidig zu ducken.« Zahlreiche Anekdoten, die Mr.Paoli von der Königin Viktoria, dem König Eduard Vli» der Königin Wilhelmine von Holland, dem König Georg von Griechenland, dem König Alsonso von Spanien, dein Königspaar von Ita lien erzählt, sind an sich recht unbedeu tend, ja kindisch, wenngleich mitunter malerisch, geben jedoch eine gute, näm lich beklemrnende Vorstellung von der entseylichen Oede Und dem unerträg lichen Zwange des Daseins eines Herr schets großer Staaten. Die asiatischen Monnrchen, die Mr. Paoli dienstlich kennen gelernt hat, der Schuh Musas fer ed Din und der König Sisowath von Kambodscha, leben barbarischer, »aber entschieden sorgloser und unge bundener als ihre erlauchten europiii schen Kollegen· Ungemein turzweilig. wenn auch mit sehr melancholischem Hintergrunde, sind auch die Proben der Bettel- nnd Erpresserbriefe, die zu Hunderten an die reisenden Herrscher gelangen und nur ——- von der Polizei sicker nicht gewollte Moral seines zur Verherrlichung der Monat-eben ge schriebenen Buches ist, daß wohl jeder natürlichfiihlende Leser am Schlusse ans-rufen wird: »Gott sei Dant, daß id) kein König bin!« Der liebenswürdigeSchwer-mörde Er hat seine Fehler, jawohl, wer hätte die nicht? Aber er ist immer so guter Laune! Jn den dreißig Jahren, in denen feine Witze und sein Cham pagner alle Nacht —- Reftaurantg von Montmartre erfreuen, hat er sich dort keinen einzigen Feind gemacht! Und das will viel sagen! Sowie er er scheint, lacht man, und sogar seine Frau ist entwaffnet, wenn et mit dem Morgengrauen heiter und zerzauft ins Schlafzimmer tritt. Neulich Nachts kommt nun der ver gniigte B . . » ein Liedchen auf den Lippen und eine verweltte Blume im Knopfloch, wieder ziemlich spät nach Hause. Seine Frau wacht auf und fragt ihn ironisch. »Wiirdest Du vielleicht so gut sein und mir sagen, wie spät es ist?" »Ein Uhr, Liebling, Punkt einst« Aber in demselben Augenblicke schlägt die große Wanduht fünf Schläge. Verächtlich wendet sich B. zu der Jndisireten und meint achsel zuckend: »Da ich eben sage, daß es Eins ist, ist es vollkommen unnötig, dies fünf mal zu wiederholen! . . .« Wie soll man einem solchen Manne böse sein?! . . . Saul-en Leute. »Nein, diese liederliche Wirtschaft bei Meierst Mein Mann hat sich da mal an den Schrank gelehnt — acht Tage ist et mit ’nem staubigen Aermel » ’rumgelaufen!« i In der schalt-. Lehrer: »Du weißt, was dies Wort bedeutet?« Schüler: »Nein.« Lehrer: »Am-aus ist deine Jacke ge macht?" Schüler: »Aus Vaters alter Wenz