Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, June 07, 1912, Zweiter Theil, Image 9
U e b r a - kn Staats-» Anzeiger und Il'cerold. Jahrgang z « .) M h il.) » Nummer 43 Vie der Tag stirbt . . . PonJohm henrh Mackah. Ei ist ein Verdammern, so weich und so schön, Ohne Abschied ein Scheiben, ohne Worte ein Gehn. Ob heimlich die sonnige Schwester ihm winkt, Ob still er die nStrahlen des Mondes noch trinkt, Ob Nebel die siiehende Stunde um spinnt, Ob hin sie in Strömen von Regen verrinnt — Stets geht er in Schweigen. der seit same Tag "Der nichts sonst ais schreien und tör men vermag Ohne Hast, ohne Hamps, ohne Angst ohne Schrei, Des Tags Einerlei, nun vorbei, nun vorbei! Es ist des Entweichers iustlose Flucht, Das Landen des Kabns in ver chron gener Bucht: Es springen die Menschen mit lautem Gebrüll An das User der Nacht. Der Kahn: liegt still. Er hat seine mühsame Arbeit voll bracht Und geht unentiohnt s in die Arme; der Nacht. « Ohne hast ,ohne Kampf-,- ohne Angst« ohne Schrei, Des Tags Einerlei, nun vorbei, nun vorbei! —-—-..-s Yie Probe-. Novellette von M. E n et h a use n. Frau Agnes Winter sitzt allein in dem sehr sein und zugleich behaglich auggestatteten Solon ihrer reisenden Villa äm Schifsgraben. . Müßig ruhen ihre zarten Hände im Schoße; sinnend sieht sie in den hüb schen Garten hinaus, wo ihr einziges Kind," die zehnjährige Beriha, Ball fängt. Agnes Winter ist nicht hübsch, auch nie hübsch gewesen. Das runde Gesicht ist zu flach, die Züge unregel mäßig, ohne pitant zu sein. Allein die Augen geben ihnen zuweilen et-» was Sympathisches, wenn der matte Blick sich in träumerischer Sehnsucht vertiest. Das kleine Mädchen irn Garten gleicht der Mutter, doch sehlt dein Kindergesichte noch mehr der le bendige Ausdruck einer intelligentenj Seele, obwohl das Mädchen sast im-’ mer lacht und seelenvergniigt das Le-: ben genießt, das ihr noch keine Schat- i tenseiten gezeigt. Nicht lange, und mit schwachem Lächeln haben die Blicke der Mutter den ungelenten Sprüngen des ausge-; schossenen Kindes zugeschaut, sehn süchtig richten sie sich ans die Straße, die sie von ihrem erhöhten Sihe weitf überschauen kann. Und jeht leuchten; die sardlosen Augen auf —- ein helles ; Not särbt die blassen Wangen derl Witwe —- sir haben eine iugendlichj schlanke Männergestalt erfaßt, die aus das haus zutomint Es tlingelt an der haustiin Agnes Winter springt aus, sie macht einen raschen Schritt nach der Tür, urn ihren Mund fliegt ein erwartungsvoll heißes Lächeln. st. «herrin!« es ist ein Ruf h pannter Freude. Er tritt ein, die Augen glänzen blau aus dem sti schen, jungen Gesicht, in dem sich ein Bärtchen über- den Lippen kräuselt, dunreivlonv wie pas weiche, ioacge haar. hastig hat er die Tür geöff net, doch dann stockt sein Fuß; demü tig harrend steht er vor der eleganten Dame. Schon oft hat er ihre Lippen :-« geiüßt, er, der arme Volksschuliehrer " die Lippen der Patriziersrau, der Mutter seiner Schülerin. Sie hat ihm gesagt, daß sie ihn liebe —- sein F- Weib werden wolle. —- Er liebt sie auch —- ihre sehnsüchtig veriangenben, verheißenden Augen haben die Liebe in seinem noch unberührten Herzen ge weckt. Er liebt sie, weil sie sich, nach seiner bescheidenen Meinung, zu ihm herabneigt. Er de i dabei nicht an ihren Reichtum, her er sieht sie in dem ftir ihn märchenhast schönen Rahmen ihres heims, ihrer geschmacki vollen Totletten, und findet sie darin schän. Er liebt sie, demütig in seinem Glitt-ex er wagt nicht« sie eigenmächtig in seine Arme zu ziehen, zaghast nur « tüszt er ihre hand. Sie wirft sich an seine Brust. »Ernst!« itammeite sie :-:-; glühend, und durstige Lippen sinden Lsich wieder und wieder. Jst-s .Mama!« ein iriihender Rns aus dem Garten schreckt die Beiden aus. »Warum tvmmt here Dammers nicht beraus? Die Bücher liegen schon in er Laube.« gnes Winter macht sich von ihm los; sie schiebt den jungen Lehrer nach der Tür. »Geh'!« sliisterte sie. »Ich erwarte meine Mutter — noch darf ich Dich nicht halten, wie ich begehre —- aber bald, bald trennen wir uns nicht mehr. Geh’" —- halte die Stunde in sder Laube — ich tann Dich dort vom Fenster aus sehen.« Nach einmal preßten sich die beiden Lippen auseinander, dann eilt er sort. Sie sitzt wieder am Fenster, den Blick nach der Laube gerichtet, wo ihr Kind belehrt wird von ihrem Gelieb ten, heimlich Verlobten. Bertchen lacht bei dem Unterricht, es lacht eigentlich immer, sinnlos, grundlos —- der Leh rer hat es nicht leicht. Die Mutter sieht nur ihn! Sie bemerkt es nicht, daß eine alte Dame ins Zimmer ge treten ist und sie beobachtet, erregt, er bittert die Lippen zusammenpressend. «Agnes!« Man hört es der Stimme der alten Dame an, man sieht es in dem seinen, stolzen Gesicht, wie mühsam sie sich zwingt. ihren Unmut zu ziigelin Ihre Tochter springt aus, dunlel er rötend »Ich hörte Dich nicht lommen, Muttert« Um die Lippen der Stadträtin Wellmer zuckt es bitter. »Nein, Du warst zu sehr in An spruch genommen. Deinem Kinde galt der entriickte Blick nicht — leider nicht, ich weiß es. Jch erfuhr genug durch Bertchen’s arglos verratende Reden. Agnes« —- der alten Patri zierin Stimme schwillt zornig an — «was willst Du mit diesem jungen Menschen? Du —" » Sie stockt, ihre Tochter hat sich un gestiim aufgerichtet. »Heiraten will ich ihn!« stößt sie trotzig hervor. Du magst ei wissen, hindern wirst Du mich nicht, Du nicht, und Niemand. Jch liebe ihn, und ich will gliicklich sein, nach langen, öden, liebeleeren Jahren endlich glücklich." Die alte Frau zuckt zusammen. »Liebeleer?" Schmerzlich empört wiederholt sie das Wort. »Du ast Dein Kind, wenn Du mich nich rechnest!« Agnes weist die Mahnung mit ei ner heftigen Geberde ab. »Daß ich Dich und mein Kind lieb habe, weißt Du· Du aber bist alt und Dein herz ist immer lithl gewesen. Du lannst mir nicht geben, wonach ich begehre, und Bertchen? oh« —— sie ver schlingt lrampfhaft die Hände —, »dentst Du wirllich, daß dieses arme, einfältige Kind, bei aller meiner Mut terliebe, mir viel sein kann? Mein Herz brennt nach Mannesliebe, nach heißem Glücke; es will sich hingeben, und Hingabe empfangen in seliger Ge meinschaft. Was nützt mir meine ge sellschaftliche Stellung, was mein Reichtums-' Jch habe alles, was man mit Geld laufen lann« —- verächtlich zeigt sie aus die tiinstlerischen Schätze in dem Gemache —, »ich werfe Alles hin fiir ein bischen Liebe!" Die Mutter läßt sich müde in einen Sessel sinlen. Jhr Stolz windet sich in der Ahnung, daß sie, dieser Lei denschaft ihrer Tochter gegenüber, ohnmächtig sein wird: die stolze, stets lorrelt empfindende Frau begreift ihr Kind nicht, aber sie begreift, daß sie lein Mittel besitzt, es unter ihre Auto rität zu zwingen. Doch noch muß sie madnen, warnen. x »und Du ekhoiist dieses Gciick in de Vereinigung mit diesem jungen, unrei sen Menschen, Du, die verwöhnte, sonst so kluge, ersahrene Frau? Kann dieser — dieser Voltsschullehrer Dir genügen? Sagt Dir Dein Verstand nicht, daß dieser unsinnige Schritt Dich nicht glücklich machen kann? Ja, auch nur destiedigeni Jch habe Deine Wiederverheiratung gewünscht, doch Du hättest andere Gelegenheit ge nug —.« »Aber ich will diesen Mann!« un terbricht die Tochter sie, trosiger aus lodernd. »Gerade diesen! Ich liebe ihn, wie ich hermann Winter nie ge liebt — ich liebe ihn in der under drauchten Frische seiner Jugend, in dein reichen Schatz seines einfachen, ehr ichen her-sent Kramvfbasi zerlniillt die Stadtriis tin ihr seines Batisttuch, sie lächelt bitter. »Und wie denlst Du Dir Dein Le den in dieser Thei« fragte sie schars. »Der größte Teil-Deines Vermögens geht Dir, laut Testament Deines der storbenen Mannes, verloren. Was be deutet der Nest bei Deinen Gewohn heiteni Hossst Du aus meine Hilfe? Du würdest Dich oerrechnen.« »Nein!« Agnes Winter hebt den Kopf —- sie ist fast schön in diesem Augenblick. »Ich rechne nicht aus Dich, und Hermann Winters Geld entbehre ich gern. Jn meines Geliebten Welt, in seiner Einfachheit will ich das Glück, daß Eure Schähe mir nicht ge ben konnten, suchen und — ich weiß es — auch finden. Ernst Dammers liebt mich, nicht mein Geld. Er wird mich anbeten, mir die hände unter die Füße legen — stir das, was er mir bietet, werse ich alles hin, auch die Menschen, die mich, wenn ich Frau Dammets heiße, nicht mehr tennen wollen. Gieb es auf, Mutter, mich zu überreden. Jch bin entschlossen —- ich heirate denMann, selbst wenn Du mich darum verstoßen wolltes .« »Und Bertchen?« der alten DameT Stimme zittert, »hast Du bedacht, daß Du sie schädigst?« »Nein!« rust Agnes Winter hoch-: mittig, »das tue ich nicht. Ernst Dam mers ist ein gebildeter Mann, was ihm an Aeußerlichkeiten mangelt, lernt sich leicht. Und seine Erziehung wird Bert chen nur gut tun, ebenso die Einsa - heit unseres künftigen Lebens. Spa ter hat sie genug, um ihren Wünschen frei folgen zu können. Laß mich doch, ( Mutter.« Nein, die Mutter läßt noch nicht ab mit Vorstellungen, Warnungen; sie bittet endlich nur um Aufschub — umsonst ist alles, der Tochter Eigen willen beugt sie nicht. Da erhebt sie sich —- wieder ganz stolze Patrizierin. »So tue, was ich nicht hindern kann,« sagt sie kalt. »Borwiirse kannst Du mir nachher nicht machen, nur Dir selbst.« »Borwiirse?« Agnez Winter lachte glücklich aus. »Gliickliche machen keine Vorwürfe. Toch, Mutter, Du sprachst eben geringschätzig von den Verwand ten meines Ernsts. Du meinst, ich würde mich niemals in ihrer Sphäre einleberu Jch kenne sie noch nicht, aber Ernst spricht von seiner Mutter mit zärtlicher Verehrung, von seinen Schwestern mit großer Anerkennung — und ich sollte sie nicht lieben ler: nen? Die eine der Schwestern schnei dert —- das ist mir nicht angenehm,« unterbricht sie sich, die Farbe wech selnd, als sie sieht, wie es in der Mut ter Gesicht zuckt —- »aber es ist ja jeht modern siir junge unbemittelte Mäd chen, den Berus zu ergreisen. Jch komme auch darüber hinweg. ich will nicht lleinlich sein, und will dies be weisen. Morgen gehe ich zu der Mut ter meines Ernst und lade die ganze Familie siir den Abend ein. Willst Du kommen, Mutter? ich bitte Dich darum.« Die alte Dame will hochmütig ab lehnen, doch sie besinnt sich. »Ich werde iomment« erwiderte sie kühl. — Ausathmend bleibt die junge Frau zurück. So ist der Würsel denn ge sallent Sie hat gekämpst und gesiegt, nun braucht sie ihr Glück nicht mehr zu verbergen. Sie fliegt zum Fenster, sie will den Geliebten rufen, ihm sa gen, daß alles entschieden und sie un widerruflich sein ist, bald sein gliick seliges Weib — die Laube ist leer, Bertchen springt wieder im Garten umher. Die Stunde ist aus, Ernst Dammers sort, zu andern Schülern Für heute ist er nicht mehr zu errei chen, das weiß seine Braut. Sie zit tert vor Enttäuschung doch rasch eilt sie zum Schreibtisch. Die Feder slieat iiber das Papier —- sie schreibt glii hende Worte-— selige. Gegen Mittag des andernTageZ llingelte Agnes Winter an der Komi dortiir der Damtners’schen Wohnung. Sie hat absichtlich ihr einfaches Stra - eniostiim angelegt, doch als sie diej schmale Treppe des start benutzten Doppelhauses hinaussteigt, scheint es ihr als wäre sie siir eine Besucherin hier noch immer zu elegant QUnwill liirlich rasst sie den seidenrauschenden Rock höher vor einer kleinen Milch lache. Sie lächelt bei diesem Rau schen, lächelt sehr tapfer. ,,Spiiter werde ich wohl leine« Sei deniutter mehr nehmen dürfen,« denit sie. »Wir gleichgültig toird mir das sein, wenn ich mit ihm zusammen bin, vielleicht —- ja doch in einem etwas angenehmeren hause.« Als sie geilin gelt hat, lommen ihr Bedenken. Sie hat nicht bedacht, wie sie sich eigentlich bei den Frauen einführen soll, die nichts von ihr wissen. Sich sosort als Schwiegertochter und Schwägerin erkennen geben? Oder —- ihr bleibt zum Ueberlegen teine Zeit —- die Tür wird geöffnet ————— . Zehn Minuten später eilt sie die Treppe wieder hinab, sehr bleich sehr erregt, mit scheu umherirrenden Augen. Sie atmet auf, als sie, ohne Jemand zu begegnen, auf die Straße kommt. Wie auf der Flucht eilt sie auf eine Droschte zu und fährt nach Hause. Sie schließt sich in ihr Schlafzimmer ein, wirft sich aufs Bett und wühlt das glühende Gesicht in die Kissen. Jhr ist Schreck liches geschehen! —- — Eine Frau hat ihr die Tür geöffnet, eine Frau in einem abgewaschenen, am Halse nachlässig geöffneten Nesseltleide, mit einer angeschmutzten, feuchten Küchenfchiirze mit Seifenfchaum an den groben, verarbeiteten Händen. »Die Waschfrau!« hat Agnes Win ter gedacht. »Mein Gott, warum las sen die Leutchen denn in der kleinen Wohnung waschen? Dieser Dunst ist ja entsetzlich — der Kohlengeruch wäre schon reichlich genug.« »Ist Herr Damme-s zu Hause?« hat sie gefragt, in dem Gefühl, daß Alles in feiner Gegenwart erträglich würde. Die Frau hat geantwortet, sehr höf »lich, sehr zuvorlominend: »Ne, mein Sohn ist noch nich da, er muß aberst bald lommen.« Agnes Winter starrte in das gute, doch recht gewöhnliche Gesicht, aus die entsetzlichen, abgestoßenen fchwärzlichen Nägel —- sie fand keine Worte. »Aber Mutter, warurn führst Du die Dame denn nicht herein?« rief da eine helle Stimme, und durch die Spalte einer halbgeöffneten Tür beugte sich der Wuscheltopf eines sehr jungen Mädchens. »Die Anprobe der Frau Räthin ist gewiß bald sertig." »Sie will gar nicht nach Lina,« entschuldigte sich die Frau. »Sie will was von Ernst, Bd in dem feiner Stube hängt Wä e.« Nun«lam die Eigentümerin des Wu schellopfes in verwaschenern Kleidchen neugierig näher. Agnes Winter trat aus sie zu —- sie wollte sich nicht zurück schrecken lassen, nein sie wollte nicht! Sie hatte eben einen unglücklichen Au- : genblia getroffen. —- ,,Die alte Frau hilft gewiß gerade in der Küche, weil» Waschtag ist,« drängte sie ihre auf steigende Bellommenheit zurück, und da der Backfisch linlisch zum »Eintre ten« ausforderte, lam sie näher. Jn dem Augenblicke öffnete sich seitwärts eine Tür, eine Dame rauschte heraus — eine Dame, die Agnes Winters kannte. —- Hastig, von einem ihr selbst l nicht llar bewußten Gefühl getrieben,s trat sie in die ihr angebotene Stube Sie hörte noch die Dame im hochmüti gen Tone sagen: »Ich bitte mir abers ; aus, daß Sie pünktlich liefern, Fräu lein Dammers, und nicht zu hoch be ».rechnen, sonst brauchte ich nicht zu Ih nen lommen.« , »Ja, gnädige Frau,« antwortete darauf eine bescheidene Stimme, »ich werde mich bemühen, gnädige Frau zu sriedenzustellen.« »Das ist meine Schwägerin,« dachte Agnes Winter, und das Blut schoß ihr heiß ins Gesicht. Der Backfisch schob einen Stuhl heran — zögerte Agnes? Nein, sie setzte sich. »Ernst, ich will tapfer sein!« Sie sah sich um. »Unsere Dienstmädchen haben es hübscher!« Der Gedanke drängte sich ihr auf — bleischwer legte er sich aus ihre Brust. Und dort der gedeckte Tisch mlit Wachstuchdecke, grauem ab gestoszenen Geschirr, schwo:z::! Ga beln, — dem Salzfäszchen ohne Heri tel —. Die junge Frau wendete ent setzt die Augen, und tröstete sich wie der. »Bei uns braucht-es nicht so zu sein.·« Der Bocksisch hatte sich ans Fenster gesetzt und stichelte emsig an einem schwarzen Gegenstand. Er fühlte, baß es schicklich sein würde, die Dame zu unterhalten »Mutter ist noch immer so tätig, ariss sie lrampshast nach einem Ge sprächsstoss, ,,Alles tut sie noch —- ob wohl sie bald sechzig Jahre ist —- wa schen und kochen und scheuern, weil wir doch kein Mädchen halten können. Jch helfe ihr sonst, aber ich muß heute sin Ernst diese Hose slicken. Das mag ich gar nicht gern, und ich wallte, Ernst könnte bald heiraten. Dann muß seine Frau das tun, und auch Strümpfe stopfen und alles.« Da erhob sich Agneg Winter jäh-— sie murmelte etwas —— von nicht war ten können und schreiben wollen — — Und nun liegt sie aus ihrem Bette und schluchzt herzbrechend: »Das tann ich nicht — das nicht — O, Ernst, ich liebe Dich —- ich könnte sterben siir Dich —- das tann ich nicht!« . Agnes Winter und Ernst Dammers sind sein Paar geworden. « Reiterfest m —Yaris. Jn den ersten Apriltagen fand, wie! alljährlich in Paris der »Coneours» hippique« statt, eine Beranstaltung,! für die uns leider noch ein deutschesi Wort fehlt. Denn ,,Roßschau« be deutet bekanntlich etwas ganz ande res. Jn diesem Jahre hatte der! Concours eine womöglich noch: größere Menschenrnenge —- trotzl des hohen Eintrittspreises von fünf Frank — angelockt, weil die militäri schen Pat- ouillenreiter, die ungefähr zur selben Zeit aus allen vier Winkeln Frankreichs in Paris eingetroffen wa ren, an einem Tage an der Veranstal tung teilnahmen und sich dem Präsi denten der Republik nochmals vorstell ten, der sie schon am Tage ihrer An licnft in ver Landesliauptstadt auf dem Rennfelde Von Longchamp begrüßt hatte. Jene Patrouillenritte der französischen Kavallrrie hatten mit dem »Concours hippique« an und siir sich nichts zu tun; sie waren vielmehr von einem Pariser Blatte veranstaltet worden, das eine derartige Macht über die Regierenden aller Parteien ausübt, daß diese wohl oder iibel genötigt wa ren, einen Teil der nationalen Armee den Sonderzwecken jenes Blattes zur Verfügung zu stellen, wie ganz ähnli ches schon früher geschehen war. Doch das nur nebenbei zur Erklärung Jede jener Patrouislen bestand aus einemOffizier —- Leutnant oder Ober leutnant —— einem Unteroffizier und vier Mann; nur einige Reginxenter hatten einen Halbzug in Stärle von etwa 20 bis 24 Pferden entsandt. Die Ausgangspunkte der Reiterpatrouillen waren so gewählt worden, daß jede Abteilung ungefähr :200—225 Meilen zu durchmessen hatte, wozu vier Tage Zeit gegeben waren. Die durch schnittliche Tagesleistung betrug dem nach etsrsa 55 Meilen, was gewiß als ein recht guter Marsch bezeichnet wer den muß· Trotzdem befanden sich weitaus die meisten Pferde in anschei nend ganz guter Verfassung, als sie in Paris einriictten, um zwei Tage nach ihrer Ankunft bei dem ,,Concours hin pique« mitzuwirken. Die französische siavallerie ist bekanntlich fast durchweg wit Pferden beritten, die einen starken Einscblag arabischen bezw. berberischen Vollblutes aufweisen eine sehr nütz liche Folge der französischen Eroberung den Algerien. Jhre Leistungsfähig ieit und Ausdauer werden daher sehr gerühmt, und die soeben vollbrachte Leistung darf wohl als ein weiterer Beweis fiir die Richtigkeit dieses Lobe-; gelten. Mit den Pferden aber geht es dem Laien ähnlich wie mit der Musik: ie volltotnmener, höher stehend, ,.klas iischer« die einen wie die anderen sind, desto weniger werden sie von den Nicht fachleuten gewürdigt. So erscheint auch das ,,klassische«, das Nollbluts pferd, wenigstens das französische Ka valleriepserd, das ich in Hunderten von Eremplaren aus dem »Concours hips pique« zu sehen Gelegenheit hatte, dem Nichtkenner als- ein eher häßliches oder doch unansehnliches Wesen. Doch auf die Schönheit kommt es beim Pferde, und nun gar bei-n Krieaspserde, sicher Zich weit weniger an als- auf Kraft und Ausdauer. Und deshalb will ieh gern glauben, was mir neulich etliche Fran zosen sagten: daf; das französische Ka valleriepferd das beste der Welt sei, ebenso wie ich vcr Jahren englichen und russischen Offizieren geglaubt habe, die mir versicherten, die Pferde ihrer Armeen seien die besten auf dem ganzen Erdenrund. Jch glaube nämlich alles-, wag man mir gesagt, wenigstens in Feuilletons! Die preisqekrönten französischen Ra valleriepserde, denen neulich die Ehre zuteil ward, vor dem Präsidenten über tleine Hürden springen zu dürfen hatten durchweg sehr steile Croupen nnd ein Rückgrat, das wie die zaeligen Schrofsen des Felsengebirgeg gen Himmel ragte, während sich die Schwänze fast ausnahmslos in einein traurigen Zustande der Auszehrung befanden, als feien die Motten hinein gelommen. Auch die Pflege liess mei stens zu wünschen übrig, denn gar viele trugen noch die Staub-und Schmutz fpuren an sich, die der lange Marsch hervorgebracht hatte, obwohl, wie ge sagt, zioifcken der Ankunft der Reiter und ihrer Vorstellung im ,,Concours-z l)ivpique« fast zwei Tage vergangen waren. Jch nehme jedoch an, dafz man die Tiere absichtlich in diesem Zustande belassen hatte, um dem Pu lslilum die überstandenen Anstrengun gen recht deutlich Vor Augen zu fiihPl ren. - Was die Reiter anlangt, so saßenj sic im allgemeinen ganz gut zu Pferde, s nnd nur ein einziger iam, soviel ich zu sehen vermochte, zu Fall, und zwar mit I seinem Pferde, das über eine Hiirde stürzte. Der arme Husar bekam bei dieser Geleaenbeit einen ein«-as un freundlichen Nasenstüber von seinem Reittier ab, so daß er nicht wieder auf stehen konnte, sondern aus der Bahn getragen werden mußte. Zum Glück hat er sich dann aber bald wieder er holt. — Doch so etwas kommt überall einmal vor. Aufsälliger war, wie derum siir den Laien, daß mindestens fünf oder sechs Reiter, darunter ein Ofsizier beim Springen iiber Hinder nisse von Hüsthöhe ihre Degen oder Säbel verloren, die aus der Scheide sprangen und ihnen nachgetragen wer den mußten. So etwas könnte doch leicht einmal zu einem Unglücksfalle siihreni —- Auch die große Verschieden artigkeit der Unisormierung und Aus .r;istun»a mußte ausfallen: der eine Reiter kam im Vlttila mit Heisarem » schnüren aus der Brust, der andere, der nämlichenWasse anaehörende, im Was senrocte ohne Schniire; hier sah man einen Offizier in einem ».,bla:!en« At »iila, der aber so weiß war wie ein von der Waschsrau etwas zu stark geblautes Hemd, dort gewahrte-man einen seiner Kameraden, dessen Attila fast so dun kel war wie der der Mannschastenx manche Draaoner trugen den Degen auf der linken Seite, manche aus der rechten, kurzum, es herrschte eine bunte Mannigfaltigkeit in Unisormierung und Ausnutz, so das-, man hätte glau ben mögen, all das sei in das Belieben des einzelnen gestellt und nicht durch Estieqlenient vorgeschrieben An jenem Taae, an dem die Abords nungen der Kavallerieregimenter beim Concours mitwirkten, hatten sich die Zuschauer in ganz besonders dichten Scharen zu dem interessanten Schau spiele gedrängt, wobei auch das ele aante weibliche Element stark Vertreten Ersat, nnd jedesmal wenn eine der klei nen Abteilunan eine Hiirde genommen hatte, was sich natürlich ein paar hun dertmal ereignete, brach eine dröhnende Beisallssalve los. als gelte es. eine GrosZtat zu feiern. Von diesen klei nen Uebertreibunaen ahqesehen, kann man aber sagen daß ein echter und un verfälschter patriotischer Enthusias mus herrschte, der namentlich auch zum Schlusse der Veranstaltung zum Ausdruike kam, als- sämtliche Kavalle rieabteilunaen vereint in der weiten Reitbahn des Strand Palais erschienen, um vor dem Präsidenten der Republik den Standartensalut auszuführen und dann im gestreckten Galopp in Halb zugssront nochmals alle vier Hinder nisse zu nehmen. Diese Schlnßdar stellung mit ihrer imposanten Massen eutsaltuna von Rossen und Reitern kann als sehr gelunqen betrachtet wer den, und sie versehlte denn auch ihren Eindruck aus die Tausende und Aber tausende von Zuschauern nicht Der Präsident der Republik überreichte schließlich den Offizieren unter den Teilnehurern Kunstaegenstiinde, den Mannschasten kleinere Geld(--.escheiite, womit das Reitersest sein Ende er reichte. Der Telegraphist Kaiser Wilhetmi l. der-im Kriege 1870—71 die Ausgabe atte, die Kai ertelegramme nach Ver l7in zu depeschieren, feierte dieser Tage seine goldene Hochzeit Der Jubilcrr, namens Dessanle5, lebt jetzt in Sande bei Liibeck, und war viele Jahre im Dienste der Staatstelegraphie, bei der er. 42 Jahre alt, den Krieg gegen Frankreich niitmachte. Seinen interes santenAttfzeichnungen ist folgende Epi sode aus den weltgeschirhtlichen Tagen von Sedtn entnommen Es war am ? September, mittags gegen 2 Uhr, als Oberst Graf Strachwitz, Komntan renr deH 6. HusarensRegiments, zum Feldtelegraphenatnt kam, Und folgen des Telegramm König Wilhelm-S brachte: »Königin Augustu, Berlin. Großer Sieg; der Kaiser Napoleom der verwundete Marschall Mac Mahon sowie die französische Armee bei Sedan gefangen genommen. Gott helfe uns weiter. Wilhelm.« Nach etwa einer Viertelstunde lief folgendesTelegrarnm »ein: ,,Feldtelegraphenamt li, Cler ;rnont. Jst das Telegramm echt; ist es vomKönige eigenhändig unterschrie ben: darf ich Viktoria schießen lassen? Berlin steht aus dem Kopf. Augusta.« Die Antwort lautete: »Das Tele gramm ist echt-! Es ist von Sr. Maje stät eigenhändig geschrieben und unter schrieben; aufzerdem steht der Ueber bringer desselben Oberst Gras Stracks witz, noch neben mir am Apparat. Dessaules, Telegraphenselretär.« Zeitgemäßer Ausruf. Eine alte Mutter bittet ihren seit drei Jahren verschollenen Sohn um ein Lebenszeichen Die letzte An sichtsposttarte trug den Poststempel «Chicagol«