Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, June 07, 1912, Zweiter Theil, Image 10

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    Ein Edelmarder
Roman
von Egbert Carl-sen
MWWWWN
I777f777vs ---------------
(9. Fortsetzung)
Erich, dem der verhängnisvolle
Stempel entgangen war und der teine
Ahnung davon gehabt hatte. daß ihn
das Couvert verraten könnte, war so
überrascht, daß er die Antwort schul
dig blieb, und als fein Vater jetzt mit
einem kurzen: »Der mit dem Brief!«
die band ausstreckte, mit niedergeschlai
genen Augen das Schreiben aus-lie
strte Der Oberförfter las laut den
III-Alt: .
»Gut Dochtvvhlgedoren werden ents
Huldigery daß ich Sie mit diesen Zei
len belästigt Sie haben mir aber
vor sechs Wochen versprochen, daß ich
die zweihundert und fünfzig Thaler,
welche Sie mir schulden, noch vor
Semesterfchluß erhalten sollte, und
nun sind Sie abgereisi, ohne die Sache
in Ordnung gebracht zu haben. Jch
kann aber nicht länger warten und
miß Sie daher dringend bitten, mir
mein Geld umgehend zu schicken, wi
drigmfalls ich mich gezwungen sehe, zu
anderen Mitteln zu greifen. Verges
sen Sie nicht, daß ich einen Ehren
schein von Jhnen in Händen habe.
Hochachtungsvoll ergebenst
Arthur Levysvhn.«
»Das akso ist die Duellaffaire?«
fragte der Oberförfter mit gerunzelter
Stirne.
«Verzeihung, Vater —« begann
Erich, aber der Oberförster fiel ihm
in«z Wort: »Du hast mich belogen,
Du hast mein Vertrauen getäuscht —
das tut mir sehr web. Wüßtest Du,
wie tief mich das schmerzt, so hättest
Du es vielleicht nicht getan. Daß Du
Schulden gemacht hast trotz meiner
Warnungen und Crmahnungen. trotz
der dringenden Bitten Deiner seligen
Mutter, kann ich Dir vergeben, so leid
es mir tut, aber diese Lüge von heute
Morgen, diese mit Frechheit und Ge
wandtheit vorgebrachte Lüge werde ich
lange nicht vergessen können. Mit dem
Manne da« —- der Obersörster wies
auf die Namensunterschrift Levnson’s
—- »werde ich selbst in Korrespondenz
treten. Hast Du noch mehr Schulden?
Jeyt aber die Wahrheit!«
»Ja«, antwortete Erich tleinlaut.
«Wieviel?«
»Es mögen immerhin noch hundert
nnd fünfzig Thaler zusammentom
men,« siotterte Erich.
»Alle im Ganzen vierhundert Tha
ler,« fuhr der Obersörster fort, »das ist
der dritte Teil meines jährlichen Ge
haltes, eine für unsere Verhältnisse
große Summe. Trotzdem werde ich
die Posten bezahlen, schreibe sie mir
genau auf und sei tlug genug, teinen
zu vergessen. Ob ich Dich aber weiter
studieren lasse, muß ich mir noch über
legen, das hängt davon ab, ob Du
nicht nur Dein Geld, sondern auch
Deine Zeit in Göttingen oergeudet
hast. Jch selbst kann Dir in der
Richtung leider nicht auf denZahn füh
len, aber ich werde meinen alten
Freund, den Oberamtsrichter Manier,
einen erprobten Juristen, darum bit
ten. Bereite Dich also darauf vor,
von ihm examiniert zu werden«
Damit drehte sich der Obersörster
lurz um und ging in’s Haus.
Erich schüttelte sich, als fein Vater
verschwunden war. »Brrr«, meinte
er, »die Sache ist verflucht schief ge
gangen. Der verdammte Leonsonl
Run, meine Schulden bin ich wenig
stens los und der Alte wird sich mit
der Zeit auch wieder beruhigen. Er
bringt’s nicht fertig, auf die Dauer
ein brummiges Gesicht zu machen.
Wenn nur das Ejamen gut ausfällt!
Der alte Munter ist ein verdammt
lauer Kerl! Nun, glücklicher Weise
n ich auch nichtan den-Kopf gefallen
nnd habe meine Zeit wenigstens nicht
total verbummelt Nachzuholen gibt
ei allerdings noch genug, damit lann
ich gleich anfangen. Teufel! Wenn
mich der Alte nicht wieder zur Univer
siiit ließe. dem muß ich vorbeugen und
mich hinter die Bücher sehen, wenn’s
auch saueen Schweiß tostet." —
Eine Viertelstunde später finden
wir Erich schon aus einer etwas weiter
vorn hause im Walde liegenden Bank
mit dem Buche in der Hand sitzen. Es
var ein stilles verborgenes Bläschen,
noch von stiiher her Erich bekannt und
lieb. Ost hatte er hier als Schüler
seine Ausgaben gelernt. Das Buch,
in welchem er jetzt studierte, war ein
Repetitorium des römischen Rechtes,
eins jener hilfsbiicher, in denen der
Stoss so kurz als möglich zusammen
gedriingt ist, um recht schnell dem Ge
dächtnis eingeprägt werden zu können.
Dabei kann natürlich von einem Ein
beinan in den Geist der Wissenschast
keine Rede sein, es ist ein rein mecha
nische-I Auswendiglernew aber bei sol
chen Studenten sehr beliebt, welche in
wenigen Wochen nachholen müssen,
Un der —- von ihnen freilich nicht
insesehaltene —- Studtenplan sonst
W Semester verlangt. Daher
We auch Stich jeit zu diesem Buche
ist-· san-ichs krumm-« m da in
ht Useise MAY VMHV weit
W.Hmy""3 costs-sei ists
Oilse in kurzer Zeit gelingen, die gro
en Lücken seines Wissens — wenig
stens siir die Augen eines nicht allzu
ersahrenen Examinators — einstwei
len zu verdecken. ———
Stunde aus Stunde verging. End
lich tlappte Erich das Bach zu. »So,
das ist genug siir heute Morgen,«
meinte er, »heute Nachmittag wieder
einen Abschnitt; dann tann ich morgen
den allgemeinen Teil zu Ende brin
gen. Run, und bis Ende der Woche
wird man mir ja wohl Zeit lassen,
dann kann ich das Sachen- und Ob
ligationenrecht auch noch durchpauten
Von dem anderen Krarn brauche ich
am Ende des zweiten Semesters noch
nichts zu wissen. Obo, Alter« Dein
Freund Munter wird sehr zufrieden
mit mir sein« und von einem Ausge
ben des Studiums wird es ganz still
werden«
Er lehnte sich bequem zurück und
schaute mit einem triumphirenden
Blick um sich her, hinein in den stillen
tnospenden Wald. An einem in
mäßiger Entfernung stehenden Baume
trieb ein Eichhorn sein munteres We
sen. Erich konnte dasselbe von seinem
Platz aus genau beobachten, er selbst
aber blieb den Blicken des Tierchens
verborgen, und da er sich ganz ruhig
verhielt. hatte dasselbe von seiner Ge
genwart keine Ahnung. Munter fuhr
es am Stamm des Baumes aus, ver
schwand dann und wann in seinem
dicht am Widsel besindlichen, deutlich
in einer Astgabel sichtbaren Neste,
streckte dann das Köpschen mit der
sitt-gen Schnauze und den großen
schwarzbraunen Augen wieder heraus,
dem bald der übrige kleine Körper
folgte, segte sich aus einen nahen Ast
und leckte und bunte sich aus eine eben
so eisrige als ·poss·ierliche Weise von
den Haarpinseln der Ohren an bis zur !
äußersten Spise des langbehaartenl
rotbraunen Schweises. Daraus glitt»
es wieder am Stamm hinunter. hüpfte J
unten am Boden hin und ber, hielt!
aber plötzlich inne und subr mit ders
äußersten Geschwindigkeit den Baum
hinaus bis in sein Nest, in welchem es
sich derbarg !
Erich glaubte schon, das Tier hol-es
seine Anwesenheit bemerkt und wolltel
sich erheben, da gewahrte er den eigent
lichen Grund der plöslichen Flucht des
Eichhorns. Es war ein Tier ungesiihr
noch einmal so groß als das Eich
hörnchen, mit glänzendem tastanien
braunen Fell und einer orangegelb ge
sätbten Kehle. Darau, sowie an der
langen zottigen Ruthe, an der spitzigen
steisbarthaarigen Schnauze und der ei
gentümlichen Form des turzen Ko
pfes. welcher nicht dicker war als der
Hals, so daß sich der Uebergang von
einem zum anderen taum unterscheiden
ließ, erkannte Erich aus den ersten
Blick einen Edelmarder, den geschwo
renen Feind des Eichhörnchen-T
Mit einem leichten, flüchtigen, sast
graziös zu nennenden Hitpsen war das
Tier in Erichs Gesichtskreis gelangt.
aber ganz hingenommen vom Jagdei
ser, blieb auch ihm der Jüngling ver
borgen. Der Mai-der iiugte scharf nach
dem Baume hinaus, und das Nest:
oben gewahrend, suhr er mit nicht ge- ?
ringerer Geschwindigteit als vorhin
das Eichhörnchen am Stamm hinaus; -
da schoß das letztere aus seinem
Schlupswintel hervor, glitt wie flie
gend den Zweig entlang bis zu seiner (
äußersten Spiye und schwang sich von
da mit sicherem Sprunge zum nächsten
Baume hinüber. Aber ebenso gewandt l
folgte ihm der Edelmarder, ja mit
noch größerer Schnelligkeit; mit einerl
Raschheit, welchem it der eines fliegen
den Pseiles zu vergleichen war, ver
folgte er das Eichhörnchen vom zwei
ten zum dritten, vom dritten zum
vierten Baum, wo er das tliehendel
Tier erreichte. Ein fast treischendes i
Zischen des aeangstiaten Opfer-s, eini
widriaes llassendes Psutzen des Räu
hers vertündeten auch dem aufmerksa
men Ohr diesen Augenblick, dann sah
Erich, wie der Edelmarder seine todte
Beute, nachdem er ihr das Blut aus
aesaugt, gleichailtig zur Erde fallen
ließ und daraus in eleganten Sprün
aen von Ast zu Ast zu dem erstens
Baum zurückkehrte wo er es sieh iml
Neste seines Opfers bequem machte. — s
»So tommt man auch in der Welt s
weiter,« dachte Erich. »Wenn sich Ei
uek mit Mühe und Fleiß ein hqus ge- !
gründet hat, tommt ein Anderer, der!
stärker oder listiger ist, wirst ihn aus ;
seinem Besitz, tötet ihn wohl gar unds
eignet sich den ersteren an. Jn der»
menschlichen Gesellschast geht es —’
glaube ich —- manchmal auch so zu.
Es giht zu viel Leute, welche vom
Schicksal wie bestimmt dazu erschei
nen, als Opferliimmer behandelt zu
Indem Run, zu dieser Sorte aehöre
ickp nicht, eher toiirde ich mir das Ta
leIt ist-trauen. die Rolle des anderen
Teiles zu spielenk
Er etshsh fuh, aber bei dem mit der
sehe-Im verbundenen Geräusch fuhr
its-ein slis der Kops des Edelmut
dey ten-dem dem-ich und äuate neu
ji dem Reuan Zeisswerk
Mk M Etsk ks seiner Ase st-«
i
wahrte. Die Blicke des Raubtierei
und des jungen Mannes begegnete-i
sich. »Es ist eigentlich ein samoses
Tier. dieser Edelmarder, schön, klug
und gewandt. Jetzt verstehe ich meinen
Ahn erst. der sich so einen Marder zum
Wappenlier aussuchtr. Der alte Herr
hat damit viel Geschmack bewiesen« —
mit diesen Gedanken wandte sich Stich
von Martens um und lehrte langsam
nach dem Forsthaus zurück.
Ohne eine Bewegung zu machen«
solgte ihm das Naubtier mit den brau
nen, grellsuntelnden Augen« bis er
»zwischen den Bäumen verschwunden
war.
10. Rebelbilder.
Wieder stand Erich nach zwei Jah
ren auf dem KirchhoL wo man neben
dem Grabe der Mutter seinen Vater
zur letzten Ruhe bettete. Der himmel
sandte einen leichtenSpriihregen nieder
und nachdem der Geistliche den Segen
gesprochen hatte, e,erstreute sich schnell
das Leichengesolgr. Der Eine oder
Andere drückte Erich die Hand und
sprach einige teilnehmende Worte, wel
che der junge Mann mit stummem
Kopsnicken erwiedertr. Dann verließ
er als der Lehte den Kirchhof und stieg
langsam zu dem weißen Hause mit
dem Hirschgeweih hinaus, welches seht
aufgehört hatte, siir ihn ein Eltern
haus zu sein.
Der Tod des Vaters war für Erich
ganz unerwartet gekommen. Er hatte
die letzten Wochen am Sitze des höch
sten Gerichtshof-s zugebracht, um dort
fein erstes juristisches Eramen zu be
stehen. Damit er während dieser für
sein ganzes Leben so wichtigen Periode
durch nichts gestört werde, hatte der
Qbersörfter erft, als es zum Aeußer
ften ging. eingewilligt, von seiner;
Krankheit Erich Mitteilung zu ma
chen. Die Nachricht treuzte sich mit
dem Telegrarnme, in welchem Erich
meldete, daß er sein Eramen glänzend
absolutert habe. Die Kunde konnte der »
alte here v. Matten-Z noch verneh
men, Erich selbst, der ihr auf dem
Fuße folgte, fand ihn nicht mehr un
ter den Lebenden.
Der junge Mann war sehr nieder
geschlagen. Noch mehr als der Tod
des Vaters oerdiisterte die Aussicht in
die Zukunft fein Gemüt. Zwar hatte
er fein erftes Examen bestanden, aber
bts er zum zweiten zugelassen wurde,
mußten noch Jahre vergehen und
selbst dann konnte er noch längere Zeit
warten, ehe er in eine etatsmiißige Be- »
foldung ausriicktr. Auch hatten ihnt
gerade vor Kurzem die Ereignisse des s
oerhiingnißoollen Jahres 1866 derE
Konnerionen beraubt, welche ihm als
Sprößling einer alten hannoverischen ?
Adelssamilie sonft wohl zu Gebote ge- »
standen hätten. Aber jeht mußten !
ihm feine bisher einflußreichen Ver-»
wandten eher schaden als nützen daj
sich dieselben der frondirenden parti
lularistischen Partei angeschlossen hat- !
ten» Er stand also ganz allein, ohne
Verbindungen, ohne Vermögen und
ohne fiir die nächsten Jahre eine Mög-s
lichkeit vor sich zu sehen, aus seinen(
Kenntnissen und seiner Arbeitskraft
einen pekuniiiren Ruhen ziehen zul
können· Das waren allerdings trübe
Aussichtent
Jrn Forsthause angekommen, griff
Erich mit einem Seufzer nach dem
Schlüsselbunde seines Vaters und
feste sich an dessen Schreibtisch, um
aus den Papieten deö Verstorbenen
ein genaues Bild der Verhältnisse zu
gewinnen. sber je länger er sich da
mit beschäftigte, desto mehr klärte sich
fein Antlih auf. Zu seiner freudigen
Ueberraschung bemerkte er nicht nur,
daß sich sein Vater mit einer keines
wegs unbedeutenden Summe in eine
Lebensversicherung eingekauft hatte,
sondern er fand auch ein kleines Packet
Obligationen, von deren Vorhanden
sein er keine Ahnung gehabt und welche
sein sparsamer Vater nach und nach
erworben hatte. Rechnete er Alles zu
sammen, so konnte er bei bescheidenen
Ansprüchen von den Zinsen leben; um
allerdings so leben zu können, wie er
et glaubte beanspruchen zu könnenJ
mußte ei va- napuai meine-. Ase-s
warum follte er das auch nichts fragte i
ssch Erich. Kam die Zeit, tpo dasselbe
aufgezehrt war, fo war er auch in
Amt und Wilrden und hatte eine gute
Vesoldung —
Schnell zogen die nächsten Jahre an
dem Geist des einsamen Mannes in
dem hause bei der Aposteliitche zu
Ostburg vorüber, waren sie Etich v.
Mariens doch auch in Wirklichkeit
schnell und angenehm verstrichen. Wo
hin er kam, nahm man ihn mit offe
nen Armen qui, denn überallhin ging
ihm der Ruf eines gewandten und ta
lentvollen jungen Mannes von Fami
lie und Vermögen vorauf, der Ruf ei
nes liebenswürdigen Gesellschaftekt
und eines sleißigen Arbeiters. Vor
bei! Mantis hübscher Mädchenkaps
tauchte in Martens’ Erinnerung aus,
,manch’ ittahlendes Augenpaar, manch?
toter Mund intt perheiiungsvollein
Lächelns Vorbei! Er hatte rnit ihnen
Allen gespielt hatte mit ihnen gefcherzt
und gekost, hatte die roten Lippen ge
tiißt und über die Thriinen gelacht,
welche schöne Augen ihm nachweinten.
wenn er fre um Anderer willen verließ.
Für ihn war es nur ein Zeitvertreib
gewesen, sein Vers blieb lalt. Was
flimmerte es ihn, baß biet Spiel mehr
als ein Lebensglück zerstörte und so
manches Mädchenherz vergiftete? Da
für hatte er stets nur ein lühles Lä
cheln gehabt!
s Auch das zweite Examen bestand
Erich mit dem besten Erfolge. Als er
aber nach demselben seinen Vermö- I
gensstand überschlag, fand er sein llei- «
nes Kapital sehe zusammengeschmol- I
zen Er wunderte sich daeiiber ebenj
Jnicht wußte er doch am besten, wosiies
;er sein Geld ausgegeben hatte. Es
war allerdings etwas schneller geganss
gen als er im Anfange gerechnet hatte; (
lebte er in derselben Weise wie bishers
fort, so war ej in einem Jahre zu!
Ende, und von einer ausreichenden Be- i
soldung war dann noch immer keine«
len Entschluß. Es war damals dies
Zeit, in welcher iiberall im deutschens
Vaterland, vom Schwindel getrieben, .
neue Geündungen lübn und lustig ins
die Höhe schaffen. Junge, tenntnisz s
reiche und fleißige Juristen waren bei s
denselben ein seht gesuchter Artitels
und wurden von ibnen brillant bess
zahlt· Diese Gelegenheit, vorwärts
zu kommen, ließ sich Eeich nicht ent
gehen. Er quittierte den Staatödienst
und trat als Rechtstonsulent in die
Dienste einer Aktiengesellschaft in
Mainz, bei welcher er sich selbst mit
dem Reste seines kleinen Kapitals be
teiligte. Von dort trat er nach einiger
Zeit zu einer in Wiesbaden domizilir
ten Altiengesellschaft als Direktor
iiber und bezog nun. Tantiemen und
Beteiligungen etc. eingerechnet, ein
Einkommen, welches demjenigen seines
seiibeeen obersten Chess, des Justizmi
nisters, lauen nachstand. Er brauchte
aber auch ein solches Einkommen Eine
elegante Wohnung, eine sasbionablez
Cauipage, ein paar Reitpferde, ders
Sport und das Spiel kurz das ganze s
Leben in dieser luturiösen internatio
nalen Gesellschaft, wie sie sich in’
Wiesbaden zusammensindet, ver-«
schlang, was Mariens einnabm, ball
stiindig, ja, es genügte taum dafür,
und gewagte Börfenspetulationen so
wie jene eigentümlichen Manipulatiml
nen, fiir welche die neuefte Jueispru-’
denz den Namen »Verschleieeung der
Bilanz« erfunden bat. mußten mebr
wie einmal die nötigen Summen be
schaffen.
Wie kurz die Blätezeit des Schwin
dels dauerte, ist bekannt. Der Krach
kam und mit ihm verkrachte auch die
Aktiengesellschaft, an deren Spitzes
Martens als Direktor stand. Für die i
nun kommenden mageren Jahre hatte
er in den fetten Jahren nichts zurück-!
gelegt, im Gegenteil mußte er, ums
seine Engagements an der Börse ab-!
zuwickeln, feinen Kredit auf dasl
Aeußerste anspannen. Noch besaß ers
freilich Kredit, um sich denselben je-1
doch zu erhalten, mußte er seine bis- l
berige luxuriöfe Lebensweise beibehal
ten. Woher aber jeht dazu die Mittel
nehmen? Nun, vom Börsenspekulanten
zum Spieler ift nur ein kleiner
Schritt. Bisher hatte er das Spiel
als Unterhaltung betrachtet, jetzt
wurde er Spieler von Profession. Und
da ibin das Glück häufig nicht giinftig
war, ging er bald noch einen Schritt
weiter-, er »karrigierte das Glück« und
wurde falscher Spieler.
Wie lustig diese Grundlage war,
auf welcher jth seine ganze, äußerlich
so glänzende Existenz beruhte, wußte
Niemand besser als Mariens selbst.
Auch sehlte es nicht an einer War
nunt. Ein junger, als invalid pensio
nierter Ossizier, ein Landsmann von
Crich und weitläufig mit ihm ver
wandt, von guter Familie und bedeu
tendern Vermögen, war an Mariens
empfohlen. Obgleich der junge Mann
von seiner schweren, imReitertarnps bei
Muth-Tour erhaltenen Verwun
dung nach jahrelangem Siechtum sich
ersi fett langsam zu erholen begann
und gerade zur Beschleunigung seiner
Relonvaleszenz das milde Klima
Wieibadens ausgesucht hatte, nahm4
Martens doch leinen Anstand, ihn so
ties als möglich in das leichtsinnige
Treiben der jeunesse doreZe der schönen
Badestadt zu verwicleln. Zumal suchte
er ihn mit dem Spiel zu befreunden,
und das gelang ihm denn auch mit
dem besten Ersolge. Bald brachte der
junge hannoveraner Nacht stir Nacht
atn Spieltische zu und große Summen
wanderten aus seiner Tasche in dieje
nige Martens’. Das erweette das
JMißtrauen des Ossiziers, er beobach
tete Martens scharf und glaubte eines
Abends ein oerdächtige Manipulation
Erichls zu emerlen. Ei larn zu ei
nem hestigen Wortwechsel und in
olge desselben arn anderen Tage zum
ell. Marter-X segnee hatte den
W I- W der junge Man-Ist
Te
welcher in Folge seines Siechtums
Jahre lang keine Pistole in der Hand
gehabt hatte, schoß fehl. Kaltbliitig
erhob stpt Tsiarnns srine LBasst und
schoß, ohne mit einer Wimper zu
zucken. Jm nächsten Augenblicke stürzte
sein Ge net, ins herz getrossen, zu
sammen. Der brechende Blick seines
Opsers ruhte mit einer surchtbaren
Anklage aus Erich, aber dieser wandte
sich mit einem tiihlen Achselzucken ab.
Die Raubtiernatur war seht in ihm
vollständig entwickelt·
Aber dieser Vorfall hatte dennoch
weitgehende Wirkungen siir Martens.
Selbst mit dem Blute seines Opsers
tonnte er den Verdacht, welchen der
ungliickliche Ossizier ausgesprochen
hatte« nicht ganz von sich abwaschen.
Etwas davon blieb an ihm kleben.
auszusprechen wagte es zwar Nie
mand, aber Mariens siihlte es dennoch
aus dem Betragen seiner Betannten
heraus. Auch iiber seine petuniiire
Lage verbreiteten sich ungünstige Ge
riichte, seine zahlreichen Gläubiger
drängten aus Zahlung, nur noch zu
den allerhärtelten und ungünstigsten
Bedingungen konnte er eine Prolon
gation ihrer Forderungen erlangen.
Dazu verschloß sich ihm jetzt seine er
giebigste Einnahmequelle Mit miß
trauischen Blicken beobachtet. wie er
sich wußte, durste er silr die nächste
Zeit nicht wagen, beim Spiele das
«Gliick zu torrigieren«, er mußte mit
dern zufrieden sein, was ihm die lau
nische Fortuna sreiwillig zuwars. Das
aber waren magere Brocken, denn
Mariens gehörte leineswegs zu den
glücklichen Spielern.
CFortsetzung solgt.)
—
tot-ost-191111111111111211
Calanterien eines E
Kauibateih :
Jm Verlag der MacsMillan-Ge
sellschast wird in den nächsten Wochen
das Wert einer jungen Ameritanerin
erscheinen, die als erste weiße Frau
ohne Begleitung weißer Männer allein
in das Herz des duntlen Weltteils ein
gedrungen ist; FrL Ida Vera Simon
ton hat ihre abenteuerliche Fahrt durch
Zentralasrita von der französischen
Lange-Miste von Kap Lopez aus an
getreten; sie folgte aus ihrer Reise dem
Laus des Ogobe-Flusses, der nicht all
zu weit von der neuen deutschen Ka
merungrenze parallel mit dem Aongo
verläuft und an dessen Usern noch
heute gesiirchtete Kannibalenstömme
hausen. denen erst kürzlich zwei Fran
zosen zum Opfer gesallen sind. Aber
wie reich an Gesahren die Reise der
tilhnen jungen Ameritanerin auch ge
wesen ist, in ihrem ersten Berichte, den
sie jetzt im American Magazine ver
öffentlicht, behält doch der Humor die
Oberhand; denn Frl Simonton hat
aus ihrer mühevollen Reise im reich
sten Maße Gelegenheit gehabt, auch die
heiter-en Seiten tannibalischer Welthe
trachtung tennen zu lernen. Sie kann
sich jetzt, noch dem glücklichen Abschluß
ihrer Fahrt, rühmen, wohl die einzige;
Frau zu sein, der nicht weniger alsi
zwanzig Kannibalen - Könige in aller«
Form Heiratsanträge gemacht haben«
wenn auch diese Liebeshewetse, wie dies
junge Ameritanerin himertt, »wohl«
weniger aus meine persönlichen Reize
zuriietzusiihren waren, als aus dieY
Tatsache, daß ich die erste weiße Frau !
war, die jenen schwarzen Herrschern zu »
Gesicht lam.« »
Schon turz vor der kleinen fronziH
fischen Station Lambarene am Ogobq
erhielt Fel. Simonion ihr erstes
schmeichelhaftes Heiratsanerbieten von
schwarzer Seite. Der Werber war ein
Ntomi-häuptling aus Orungu, der
von dern Wunder einer weißen Frau
gehört hatte und einen mehrere Tage
langen Marsch durch den Urwald nicht «
scheute, um der unbeschenen Erwöhlten I
Brautgeschenle zu überreichen: Messer,
Tamtams und seltsam gescrmte asri
lanische Musilinstriimcntr. »Er erbot
sich sofort« mich zu seiner ersten Frau
zu erheben,« so erzählt Fri. Simon-»
ton. »Das erste« trnr bei diesem An
trag nicht unwesentlich; denn mein
schwarzer Freund batte bereits zwölf
Frauen. Jch sagte ihm, ich sei aber
gläubisch, bei uns zu Lande bringe die
Zahl dreizehn Unglück, ich müsse ver
zichten. Aber er wollte sich nicht ab
weisen lassen, er erbot sich, sofort eine
von seinen anderen eFrauen zu entlas
sen, um bei dem Dutzend zu bleiben,
doch als ich bei meinem Korbe bcharr
te, wurde er wirtlich ärgerlich. »Du
böltst dich siir zu mager! Jch schnell
dich machen fett wie andere Frauen,«
erlliirte er mir eisernd; denn dick sein
gilt als das erste Erfordernis weibli
chet Schönheit
Jch habe im Laufe meiner Reise oft
genug beobachten müssen. wie magere
kleine Mädchen von zehn bis vierzehn
Jahren zur Ehe buchstäblich gemästet
werden; sie werden in eine hätte ge
sperrt und müssen unzählige Bananen
und riesige Mengen Bananenbrot
essen. Wenn dann der Tag der Hei
rat kommt. können die armen Ge
schöpse bor Fett taum gehen und ite
hen. Und das war auch das Schicksal,
das mir mein liebevoller schwarzer
Freund und Verehrer sreundlichst zu
gedacht hatte.« Fri. Simonton blieb
einen Monat in Lambarene, ehe sie die
Reise ins Jnnere sortsetziez der fran
zösische Gouverneur wollte sie nicht
ohne Estorte ziehen lassen, da ihr Weg
mitten durch die Kannibalenstämme
führte, und so mußte sich die junge
Amerilanerin darein finden, sich von
einigen schwarzen Kolonialsoldatem
vorwiegend Eingeborenen aus Mada- »
goes-lau begleiten und beschiißeu lassen.
Nach ihrer Rückkehr in die Küstenge
genden lagerte Fel· Simonton aus ei
ner kleinen Jnsel in dem Fernand
Was-Seh unmittelbar am Aequator.
»Und hier belebte sich wieder der »Hei
iratsmartt«, wenngleich die Bemühun
Jgen der schwarzen Bewerber aus
nahmslos scheiterten. Einer der
"hiiuptlinge· war dabei seiner Sache
so sicher, daß er seine Bewerbung über
all betannt mochte. und die Folge war.
daß von allen Seiten die Kannibatem
fürsten heranströmten und, mit Ge
schenten beladen, die weiße Frau zur
Gattin begehrten. Es war nicht im
mer leicht, die Ablehnung zu begrün
den und den schwarzen Königen llar
zu machen. Fri. Simonton mußte sehr
diplomatisch vorgehen, um nicht den
Zorn der Bewerber zu erwecken. Denn
einer wie der andere war sprachlos vor
Verbliitsung, wenn die Ameritanerin
Nein sagte und iie vermochten es nicht
zu fassen, daß es eine Frau aus dieser
Welt geben könne, die bei einem solchen
glänzenden Angebot aus ein Leben in
Glück und Fett nicht dankbar sosori
mit beiden banden zugrifs.
W
Jn Le- nan erschien ein Besucher der
Oper irn schwarzen Ballhernd. Diese
Mode dürfte im rußigen Pirtsburg
rasch Anklang finden.
d II If
Wenn Zucker ins Wasser fällt, löst
er sich auf. Wenn aber der Prozeß
zur Auflösung der nmeritanischen
Zuckertassinerie-Gesellschaft ins Mos
ser fällt, dann wird sie nicht aufgelöst
i « s
Oniel Sam wird sich rnit dem Kup
sertrust gut stellen müssen, sonst erhöht
er die Preise und die Halb-Cent-Siücke
werden dem guten Onkel drei Viertel
Ceni kosten
s s I
Jn New Jersey wurden einem
Manne als Entschädigung siir die
Entfremdung der Neigung seiner Gat
tin 8887.50 zugesprochen Der erlit
tene Schmerz ist in diesem Falle tnit
peinlichster Gewissenhaftigkeit bis qui
den Cent berechnet worden.
i- Retmen Sie mit vie Tätigkeit der· geb-; den ils-Ahas
— Herbst-h als Wurst und m Leben-Mal